Warme, müffelnde Luft schlug Ziek auf seinem Weg nach unten entgegen. Die Leiter endete nach einer Weile in einer kleinen Kammer und Ziek sprang die restlichen Tritte der Leiter hinunter um seinen Weg abzukürzen. In der Kammer stapelten sich Kisten und Fässer. Erhellt wurde die Kammer von dem schummrigen Licht zweier Fackeln, welche an den Wänden angebracht waren. Die Kammer schien auf den ersten Blick keinen Ausgang zu haben und nur ein weiterer Lagerraum zu sein, als Ziek jedoch um eine der größeren Kisten herumschlich entdeckte er einen Durchgang. Ziek folgte dem Durchgang vorsichtig und schlich dicht an der modrigen Wand entlang. Der Durchgang endete in einer größeren Kammer. Die Kammer war gefüllt mit Fässern und ein großer Tisch stand in der Mitte der Kammer. Auf dem Tisch aufgebaut stand eine Gerätschaft, welche Ziek als Destilliermaschine erkannte. In den Retorten blubberte ein seltsames Gebräu vor sich hin und Ziek nahm einen leichten Duft von Alkohol wahr als er sich in der Kammer umsah. Sein Blick fiel auf einige der Fässer, welche mit einem roten X markiert waren. Neugierig trat er an die Fässer heran und schlug den Deckel eines der Fässer ein. Er griff nach einem kleinen Metallbecher, welcher auf einem nahestehenden Tisch auf der Seite lag, und tunkte ihn in das Fass hinein. Der Becher füllte sich mit der stark nach Alkohol riechenden Flüssigkeit und als Ziek den gefüllten Becher aus dem Fass holte sondierte er die Flüssigkeit argwöhnisch. Er führte den Becher an sein Gesicht heran und schnupperte an der Flüssigkeit. Der Alkoholgeruch war nun sehr stark und dieses Gesöff musste hochprozentiger Schnapps sein, jedenfalls roch er danach. Ziek rümpfte die Nase und stellte den Becher auf dem Destilliertisch ab, ohne einen Schluck von der Brühe zu nehmen.

Scheinbar hatte sich Ziek geirrt. Der vermeidliche Zugang zur Kanalisation war in Wirklichkeit nur ein kleiner Geheimgang der zu einer Kammer führte, in welcher der Wirt dieser Gaststätte Alkohol schwarz brannte. Ziek war sich ziemlich sicher, dass der Wirt dafür keine Lizenz besaß und er würde von der Flammenden Faust bestimmt gut entlohnt werden, wenn er sie auf diese Destillieranlage hinweisen würde aber alles zu seiner Zeit. Ziek glaubte nicht so ganz daran, dass es hier keinen Zugang zur Kanalisation gab. Hier unten spielten sich höchst illegale Dinge ab. Jedenfalls wenn man die Ansichten eines dieser „eng-ärschigen Fäustlinge“, wie Ziek sie manchmal nannte, vertrat. Also blieb dem Dieb nur eines übrig, nämlich eine gründliche Sondierung der zwei Kammern. Als Ziek noch einmal um den Destilliertisch herum ging fiel ihm am anderen Ende der Kammer, gut versteckt hinter einem Stapel Fässer, eine Einbuchtung auf. Als Ziek sich der Einbuchtung näherte erkannte er, dass es sich um einen Treppenaufgang handelte. Die Treppe führte ein paar Stufen nach oben und endete an einer massiven Holztür. Zieks Orientierungssinn verriet ihm, dass er sich nach den ganzen Stufen wohl wieder auf einer Etage mit der Gaststätte befand. Ziek untersuchte den Türgriff und das dazu gehörige Schloss. Zuerst untersuchte er den Griff nach Giften und Fallen. Es war Gang und Gebe in der Unterwelt, Türen mit Fallen und Giften auszustatten. Man beschmierte die Klinke einer Tür mit einem schnell tötenden oder lähmenden Gift. Jeder unachtsame Eindringling würde so einen jämmerlichen Tod sterben. “Keine Fallen.“ stellte Ziek erleichtert fest. Als nächstes überprüfte er das Schlüsselloch. Manche schmierten die Schlüssellöcher ebenfalls mit Gift ein um Eindringlinge zu erwischen, welche durchs Schlüsselloch spähen wollten. “Hm ... nicht besonders vorsichtig, der Mann.“ Ziek legte seine Hand zögernd an den Türgriff und drückte ihn nach unten. Wie erwartet gab der Griff nur minimal nach und ein klicken zeugte von einem versperrten Türschloss. Ziek beugte sich zum Schlüsselloch hinunter und spähte in den Raum hinter der Tür. Er konnte nicht viel erkennen, ein Schlüsselloch bot ja nun auch nicht gerade viel Spähfläche, aber es reichte um einen ordentlich ausgestatteten Raum dahinter auszumachen. Wahrscheinlich die Gemächer des Wirts, wie Ziek zuvor richtig vermutet hatte. Die Leiter nach oben musste dann eine Art Notausgang aus diesen Gemächern sein. Ziek verfluchte leise sein Glück und fingerte in seinem Gürtel nach seinen neu erworbenen Dietrichen. Der Treppenaufgang war nur schwach von einer einzigen Fackel erleuchtet und Ziek fingerte in ihrem schummrigen Licht vor sich hin.

Gerade als er einen Dietrich zu fassen bekam, er hatte schon immer Probleme damit gehabt Dinge blitzschnell aus seinem Gürtel zu ziehen, hörte er Stimmen in dem Raum hinter der Tür. Er spähte durch das Schlüsselloch und sah auf Bauchhöhe zwei Gestalten an der Tür vorbeiwanken. Er konnte nicht viel von den Personen an sich erkennen, aber es reichte um eine dicke Wampe und ein schmales leicht bekleidetes Bäuchlein zu erspähen. Durch den Raum grummelte die tiefe Stimme der „Wampe“ und ab und zu antwortete das „Bäuchlein“ in einer unangenehm hohen Stimme. Trotz dieser simplen aber dennoch massiven Holztür waren die Stimmen stark gedämpft, so dass Ziek die Stimmen zwar wahrnehmen konnte aber kein Wort verstand. “Scheint als hätte der Wirt sich jemanden zum spielen mitgebracht...“ murmelte Ziek, wich langsam von dem Schlüsselloch zurück und ging langsam und lautlos die Stufen hinunter zur Destillierkammer. Auf seinem Weg nach unten lauschte Ziek dem Gespräch aus dem Raum hinter ihm am oberen Ende der Treppen. „Wampe“ und „Bäuchlein“ führten einen schnellen, in der Lautstärke stark ansteigenden Wortwechsel. Als Ziek das Ende der Treppe erreicht hatte, verstummte das Gespräch plötzlich. Ziek hatte nicht wirklich interessiert zugehört aber das verstummen der beiden verwunderte ihn. Er blieb am Fuße der Treppen stehen und schaute über seine Schulter hinweg zur Tür hinauf. Plötzlich hörte Ziek ein klicken und er sah wie sich oben der Türgriff bewegte. Ziek musste schnell handeln. Er huschte in den Destillierraum zurück und stieß in seiner Eile gegen den Destilliertisch, er verharrte kurz aber nichts geschah. Erleichtert huschte er weiter, während er die Schritte einer Person auf der Treppe vernahm. Er betrat die Kammer mit der Leiter, blickte sich nervös um und verbarg sich letztendlich im Schatten hinter einer Kiste, welche das Licht der Fackeln blockierte und ihm so zuflucht im dunkeln bot.

„Wampe“ grummelte die Treppen hinunter und betrat den Destillierraum. Es dauerte noch einige Stunden bis seine Gaststätte offiziell die Toren öffnete, dennoch musste er ein wenig „Nachschub“ besorgen um später nicht plötzlich auf dem trockenen zu sitzen. “Verdammtes Frauenzimmer .. säuft wie ein Loch .. Drecksweib.“ grummelte er, als er an dem Destilliertisch vorbei ging und vor einer Wand stehen blieb. Er tastete mit seinen dicken Wurstfingern an der Wand entlang und fand einen kleinen Stift, den er mühelos hinein drücken konnte. Mit einem grollen schob sich die Wand zur Seite und offenbarte eine weitere Kammer. Der Mann betrat die Kammer und griff nach einer Kiste an der Wand. In der Kiste steckten mehrere Flaschen des selbstgebrauten Gesöffs, des Wirts der Taverne „Alnmouth“. Er schnappte sich mit jeder Hand eine Kiste und trug die zwei Kisten mit hängenden Armen in den Destillierraum. Schnaufend wanderte sein Blick über den Steinboden und blieb bei einen auf der Seite liegenden Metallbecher hängen. Er lag in einem kleinen See aus selbstgebrautem Bier und es sah aus, als wäre er vom Tisch gefallen. „Wampe“ setzte die Kisten ab. Er war sich sicher, dass er den Becher zum einen Ausgetrunken und zum anderen auf einen anderen Tisch gestellt hatte, als er zuletzt hier im Raum war. „Wampe“ hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis, als Wirt einer Taverne musste man stets einen Überblick über Zechpreller und Unruhestifter behalten. Er konnte sich nicht leisten eine nicht beglichene Rechnung einfach zu vergessen und so machte ihn dieser Becher arg misstrauisch. Ziek lauschte angestrengt in seinem Versteck. Er hatte deutlich gehört, wie jemand den Destillierraum betreten hatte. Dann hörte er ein klicken und etwas, was stark nach einer Geheimtür klang. Dann ein Geklapper, als wenn man Flaschen aneinander schlägt. Nun war es still und das gefiel dem Dieb nicht. „Wampe“ griff unter seinen Vorbau aus Körperfett und zog einen Prügel darunter hervor. Er umklammerte den Ledergriff des Eisenknüppels und folgte dem Durchgang in Richtung Lagerraum. Scheinbar hatte sich ein Eindringling hier unten versteckt. Er baute sich im Durchgang auf und versperrte so den einzigen Fluchtweg aus der Kammer, ausgenommen von der Leiter nach oben. “ich weiß, dass du hier bist. Zeig dich, du Hund!“ brummte er. Ziek biss die Zähne zusammen und zog einen Wurfdolch aus seinem Gürtel. Er wollte ungern Gewalt anwenden, er verabscheute es Menschen zu töten die ihn entdeckt hatten. Naja, eigentlich verabscheute er eher das entdeckt werden an sich als das töten von „Unschuldigen“ direkt. Wenn man den Predigten gewisser Glaubensvertreter Glauben schenken durfte gab es eh keine Unschuldigen im, meistens schleimigen mit Tentakeln vertierten, Angesicht ihres Herrn. Dies änderte aber nichts an der Situation in die der Dieb geraten war.

„Wampe“ umklammerte seinen Prügel und schritt vorsichtig in die Kammer hinein. Sein Blick schweifte über die Kisten und die Fässer und er kniff die Augen zusammen um auch in die dunklen Ecken spähen zu können. Irgendwo musste sich der Eindringling versteckt haben und „Wampe“ war entschlossen ihn zu stellen. Dies war nicht der erste, der sich an Wampe’s selbstgebrauten vergreifen wollte. Bisher hatte er sie alle erwischt und abserviert, als Wirt musste man sich halt so manches mal die Hände schmutzig machen. Das gehörte zum Geschäft. Ziek drückte sich mit dem Rücken gegen die kalte Wand hinter ihm. Der Schatten verbarg ihn, aber für wie lange? Plötzlich schob sich ein kahler dicklicher Kopf in sein Sichtfeld. Das fleischige Gesicht erkannte Ziek sofort, es war der Wirt aus der Taverne über ihm, welcher ihm damals Informationen bezüglich Manok verweigert hatte. Mit zugekniffenen Augen schaute er die Kammer entlang und versuchte im Schatten der Leiter etwas zu erkennen. Ziek stand nur wenige Meter neben ihm, verdeckt vom Schatten der Kiste und mit einem Fass direkt vor ihm, an die Wand gepresst. Jedenfalls soweit an die Wand gepresst, wie der Rucksack auf seinem Rücken es erlaubte. Ziek lächelte als er seinen Wurfdolch in seiner Hand in die richtige Stellung brachte um ihn im Schädel des Wirts zu versenken. Plötzlich gab es ein seltsames rumpelndes Geräusch und der Wirt wirbelte herum. Sein Blick und der erstaunte Blick Zieks trafen sich, jedoch verharrte der Blick des Wirtes nicht auf Ziek sondern starrte auf eine Bodenplatte hinter ihm, welche sich aus dem Boden gelöst hatte und sich langsam beiseite schob.

Unter der Platte offenbarte sich ein dunkles Loch aus dem das leise plätschern von Wasser zu hören war. Kleine behaarte Hände ragten aus dem Loch heraus und fassten um den Rand der Öffnung umzu um dort halt zu finden. Der Wirt stapfte auf das Loch zu und griff mit seiner freien Hand in das Loch hinein. Ziek spähte vorsichtig um eine Ecke der Kiste herum um die Szene zu beobachten, die sich dort feilbot. Der Wirt zog einen kleinen Kerl aus dem Loch hinaus und setzte ihn unsanft auf den Steinboden. “Hab ich dich!“ grummelte der stämmige Wirt und trat die Gestalt. Die Gestalt quiekte laut und antwortete rasch in einem jämmerlichen unterwürfigen Ton. “Nicht Rent schlagen! Rent hat nur mit pelzigen Freunden gespielt!“ die Gestalt war Rent, der Gnom Hausmeister der Taverne und in seinen Händen hielt er eine Ratte, deren unnatürliche Kopfhaltung ein deutliches Anzeichen für ein gewaltsames Ableben des kleinen Nagers war. So wie es aussah, hatte Rent ihr das Genick gebrochen. Der Wirt sah angewidert auf den Gnom herab und trat ihn nochmals. “Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht durch die Kanalisation reinkommen sollst? Du schleppst die ganzen Ratten hier rein!“ tönte der Wirt mürrisch und weil es so schön war, trat er den Gnom zum dritten Mal. Der Wirt sah über seine Schulter und Ziek glitt schnell wieder hinter die schützende Kiste. Der Wirt verstummte kurz und lauschte den kläglichen Erklärungsversuchen des Gnoms vor ihm. Dann packte er Rent am Kragen und zog ihn in den Destillierraum. Ziek folgte den beiden nicht sondern wartet hinter seiner Kiste ab, was geschah.

Der Dieb konnte deutlich hören wie der Wirt den Gnom ausschimpfte, wohl weil er glaubte, Rent hätte sich am Bier zu schaffen gemacht. Dann folgten mehrere Flüche und Beschimpfungen, sowie Gewimmer des Gnoms. Dann hörte man wieder dieses gläserne Scheppern und das Geschrei wurde leiser bis es langsam verstummte. Ziek hörte wie sich die Tür oberhalb der Treppe schloss und wartete eine Weile ab. Als er sich sicher war, dass niemand mehr in den Kammern unter der Taverne war außer ihm, steckte er den Wurfdolch wieder weg und atmete durch. Er verließ sein Versteck und klopfte wohlwollend gegen die Kiste als würde er einem alten Freund auf die Schulter klopfen. Dann spähte er vorsichtig in den Gang hinein, der zur Destilliermaschine führte und entdeckte die kleine Ratte auf dem Boden die vorhin noch in Rents Hand gethront hatte. Sein Blick fiel auf die kleine Öffnung im Boden, durch die Rent hineingekommen war. “Na toll, zwei Geheimgänge und du hast nicht einen gefunden. Du wirst langsam alt, Ziek.“ murmelte der Dieb und kratze sich am Hinterkopf. Den anderen Geheimgang ignorierte Ziek, er wollte so schnell wie möglich in die Kanalisation gelangen um weitere Konfrontationen mit dem Wirt oder Rent zu vermeiden. Rent könnte Ziek verraten. Zwar hatte Rent den Dieb nicht in den Kammern gesehen dennoch war er eine Gefahr.

Ziek schob seine Paranoia für einen Moment beiseite und sah sich die Öffnung genauer an. Darunter war eine kleine Leiter und man konnte den grünlichen Steinboden darunter erkennen. Ziek verzichtete auf die Leiter und sprang gleich das Loch hinunter. Er landete mehr oder weniger elegant und sah vor sich die Kanalisation von Baldur’s Tor in seinem ganzen stinkenden und modrigen Glanze. “Auf ins Vergnügen ...“ dachte Ziek so bei sich und nahm sich seinen Rucksack zur Hand. Er wühlte sich durch seine Ausrüstungsgegenstände bis er schließlich die Fackeln darin gefunden hatte. Gerade als er nach einer der Fackeln greifen wollte begann die Kugel, die er vom Westentaschenmagier erhalten hatte, bläulich zu leuchten. Jedoch nur für einen Moment, danach wurde sie wieder dunkel und glänzte schwarz vor sich hin. Ziek hielt für einen Moment inne und ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Zögernd griff er nach einer Fackel und nach der Zunderbüchse. Nach zwei erfolglosen Versuchen hatte er die Fackel entzündet und die Zunderbüchse wieder verstaut. Nachdem er seinen Rucksack wieder geschultert hatte machte er sich auf in die tieferen Ebenen der Kanalisation.

---