Ein weiterer Abend dämmerte in Baldur’s Tor, der größten Stadt der Schwertküste, und die Menschenmassen auf den Straßen lichteten sich langsam. Wenn es für die ehrbaren Bürger der Stadt Zeit wurde die Straßen selbiger zu verlassen, dann war es ebenso Zeit für die lichtscheueren Bewohner der Stadt auf den Lebensadern der Metropole zu erscheinen. Langsam senkte sich der rote Feuerball am Horizont und ließ die Schatten, die er warf, länger und länger werden um zwielichtigen Gestalten und Gesindel Schutz und Deckung zu bieten. Und so dauerte es selbst in Baldur’s Tor, einer Stadt unter dem Schutz der berühmten Flammenden Faust, nicht lange bis sich die ersten Zwischenfälle am Abend ereigneten.

Schnell hastete der junge Mann durch die Gassen eines ihm recht unbekannten Stadtteiles von Baldur’s Tor. Ab und zu schaute der junge Nobelmann schnell hinter sich und Schweißperlen zeichneten sich auf seiner Stirn ab. Als Sohn eines reichen Händlers hatte der junge Mann für Geld in seinem Leben bisher alles haben können. Doch im Leben eines manchen behüteten Muttersöhnchens, dessen Leben ausschließlich vom Gold des Herrn Papa bezahlt wurde, kam der Moment in dem es mit der harten Realität konfrontiert wurde. Für Reginald war dieser Moment gerade gekommen und die Realität der Straße meinte es nicht gut mit dem verzogenen Händlers Sohn. Aristokraten Kindern sagt man oft nach keinen wirklichen Bezug zu Geld zu haben. Bei Reginald war dies nicht anders. Eines Tages verguckte er sich in einer hübsche „Dame“ auf der Straße und wie der Zufall es wollte war diese auch noch recht empfänglich für Reginalds eher plumpe Etikette und arrogante Annährungsweise. Das Problem, bei der „Dame“ handelte es sich um eine Professionelle und als diese Edel•••• dem guten Reginald nach getaner Arbeit ihren Preis nannte, staunte der junge Aristokrat nicht schlecht. Sein äußerst hitziges Gemüt konnte er auch diesmal nicht im Zaun halten, zu dumm nur, dass die Geschäftspartner der Dame nur auf so etwas gewartet hatten. Nun war der gute Reginald auf der Flucht und das auch noch in einem Stadtteil in dem er sich gar nicht auskannte und auf seiner Flucht hoffnungslos verlaufen hatte. Schnaufend tauchte Reginald immer weiter in das Gassenlabyrinth des Stadtteiles ein und glaubte schon fast seine Verfolger abgeschüttelt zu haben als ein „Etwas“ seinen Fluchtweg kreuzte. Es war wahrscheinlich nicht mehr als eine Ratte, eine große Ratte zugegeben, aber sie reichte auf um der Kehle des jungen Aristokraten einen gellenden Schrei zu entlocken und ihn zurück taumeln zu lassen. Was den stämmigen Riesen hinter ihm nur ein leichtes lächeln entlocken lies. Bärenprankengleiche Hände umschlossen den Schädel des jungen Mannes und bedeckten seinen weit aufgerissenen Mund, während ungewaschene Fingernägel sich in seinen Schädel bohrten. Lachend zerrte der Hüne den jungen Reginald in den Schatten einer Seitengasse. Der Junge würde ein sicher hervorragendes Lösegeld abgeben.

Das alles wurde aus dem Fenster eines kleinen Trödelladens argwöhnisch beobachtet. Der alte Henrick hatte so etwas schon oft beobachtet und es lies ihn kalt. Wer auch immer es wagte zu solch später Stunde in diesen Teil der Stadt abzudriften hatte ein solches Schicksal, seiner Meinung nach, verdient. Besonders wenn man dabei auch noch angezogen war wie ein Huhn das man .. in ein buntes Kostüm gesteckt hat. Dabei sei gesagt, dass Henrick nicht gut im Umschreiben war aber das war halt genau das was er sah und so gab er es wieder. Seine Gesprächspartner, oder halt die die nicht schnell genug weghören konnten, wussten dann schon was gemeint war oder hörten dann doch weg. Der alte Trödler schlurfte durch vom Fenster weg zur Tür seines Ladens und drehte den Schlüssel in seiner Hand im Türschloss lautstark umher. Das Schloss schnappte lauthals ein und Henrick zog seinen Schlüssel zufrieden wieder aus dem Schloss heraus. Der alte Trödler schritt durch seinen Laden hindurch hinter seinen Tresen und begann sein eingenommenes Geld zu zählen. Eine Gewohnheit die er einfach nicht ablegen konnte. Danach trug er seinen Gewinn, oder Verlust wie man es nimmt, auf ein paar gegilbte Stück Papier ein und verstaute diese wieder in einer Schublade. Danach nahm er seine Kerze, die einsam den ansonsten dunklen Laden erleuchtete, und ging durch eine Tür in den hinteren Bereich des Ladens und eine Treppe hinauf in das obere Geschoss. Dort verbrachte er noch eine Weile mit seinen Aufzeichnungen und seiner Geldschatulle bis er sich dann endlich schlafen legte. Es dauerte nicht lange bis Henrick eingeschlafen war, aber ebenso schnell war er auch wieder wach. Zwar waren ein paar Stunden vergangen seit der alte Trödler sich zur Ruhe gebettet hatte, aber ihm kam es wie ein einziger Wimpernschlag vor. Geräusche weckten ihn, das knarren von Holz und ein leises Poltern. Es klang für einen Moment so, als wäre etwas aus Stein auf den Holzboden seines Ladens im unteren Stockwerk geschlagen, dann war alles wieder still. Henrick lauschte angestrengt, während seine Augen versuchten in der absoluten Finsternis vor ihm irgendwelche Details auszumachen. Für einen Moment vernahm er ein leises Wispern, ein Flüstern vielleicht, dann wieder diese unangenehme Stille. Sofort rasten unbehagliche Gedanken durch den Kopf des Händlers. Schon oft hatte es Gesindel gewagt in seinen Laden einzubrechen und Henrick hatte schon den ein oder anderen Einbrecher Schädel in zwei gespalten aber diesmal schien es anders zu sein. Schweiß Perlen bildeten sich auf der Stirn des alten Trödlers als die Schatten vor ihm anfingen sich zu rühren. War es nur seine Einbildung oder hörte er vor der Tür seines Zimmers wirklich ein leises Kichern? War das da gerade wirklich eine Hand oder nur der Stuhl über dem seine Kleidung gehängt war? Henricks Augen zuckten wild in seinem Schädel hin und her und versuchten verzweifelt das wenige vorhandene Licht in etwas erkennbares umzuwandeln. Leider war dies nicht von Erfolg gekrönt so dass immer wildere Gedanken sich in seinem Kopf zusammenschoben. Plötzlich kam zu den vereinzelten Geräuschen und den Stimmen noch etwas anderes hinzu. Ein seltsamer süßlicher Geruch machte sich in seiner Nase breit und das Aroma wurde bald zu einem handfesten Gestank, der dem Trödler die Tränen in die Augen trieb und einen starken Hustenreiz auslöste. Henrick unterdrückte den Reiz während er die Decke näher an sein Gesicht heranzog. Als er klein war hatte er Geschichten gehört. Diese typischen Geschichten die Eltern ihren Kindern erzählten, von schwarzen Wesen die in der Nacht kamen und die unartigen Kinder mitnahmen. Henrick war ein unartiger Junge gewesen und das mehr als einmal, waren die Wesen nun gekommen um Henricks Schicksal endlich zu besiegeln? In dem Kopf eines rational denkenden Mannes hätten diese Gedanken natürlich niemals Platz zum sprießen gehabt aber in dem eines vor Panik zitternden alten Händlers waren sie erschreckende Realität. Ein lautes Knarren ließ Henrick zusammenzucken, als sich die Tür zu seinem Zimmer langsam öffnete. Das Kichern war wieder da, lauter, näher. “Ich war ein guter Junge, Mama .. ein guter Junge!“ wimmerte Henrick unter seiner Decke verkrochen als die Schatten erneut Beine bekamen und auf ihn zuhielten. Schließlich, als das Kichern und der Gestank den letzten Rest Verstand aus Henrick heraus gequetscht hatten, packte etwas nach Henrick, riss ihn aus seinem Bett und zog den wimmernden Händler in die Dunkelheit aus der es gekommen war bis schließlich wimmern und kichern verstummte und die Ruhe der Nacht in dem nun verlassenen Laden einkehrte.

Die Ruhe der Nacht war ein Luxus den Ziek ein weiteres Mal nicht für sich beanspruchen konnte. Fluchend irrte er seit Stunden durch die Kanalisation von Baldur’s Tor. Zwar hatte er dort unten jegliches Zeitgefühl mittlerweile sicher verloren, doch konnte er durch einige Schächte die zur Oberfläche führten durchaus ausmachen, dass es mittlerweile Nacht geworden war. Nach einer Weile erreichte er eine kleine T-förmige Kreuzung in dessen Mitte sich ein großes Becken befand. Ziek blieb ratlos auf seinem kleinen Steinsteg stehen als er überlegte ob er nach rechts oder nach links seine ziellose Reise fortsetzen sollte. Direkt vor ihm, am Stirnende des Ts, ragte ein altes rostiges Rohr aus der Wand aus dem leise die unappetitliche Kanalbrühe in das Becken, direkt vor dem Dieb, strömte. „Rechts … oder doch links ...“ murmelte Ziek genervt und blickte hin und her während er die unterschiedlichen Alternativen in Gedanken abwägte. Für einen Moment spielte er sogar mit dem Gedanken umzukehren und bei einer der vielen Kreuzungen die er bereits passiert hatte abzubiegen nur um sich dann wahrscheinlich an anderer Stelle erneut für eine Umkehr zu entscheiden. Ziek war verwirrt und hatte sich hoffnungslos in den Eingeweiden der Kanalisation verlaufen. Er seufzte laut und steckte seinen Dolch weg, dann schob er seine Hand in eine seiner Taschen und fingerte eine kleine Münze zu tage. Er begutachtete die kleine Münze und schnippte sie dann mit dem Daumen in die Luft. Als die Münze wieder ihren Weg nach unten fand, griff Ziek lässig mit der freien Hand nach ihr aber verfehlte sein Ziel, so dass die Münze klimpernd auf den Steinboden fiel und dort liegen blieb. Der Dieb zögerte und schaute nach links und rechts, als wolle er sichergehen, dass niemand diese Aktion mitangesehen hatte. Dann beugte er sich hinunter um nach der Münze zu greifen. Gerade als er die Münze mit seinen Fingern zu fassen bekam, sah er im Augenwinkel wie etwas großes aus dem Rohr vor ihm kam und laut platschend in das Becken fiel. „Igitt … womit hab ich das verdient?“ murmelte er und widmete sich wieder der Münze, keinen Gedanken daran verschwendend was denn da gerade aus dem Rohr geplumpst war. Ziek hob triumphierend die Münze hoch und begutachtete sie. „Kopf!“ sagte er laut und schaute dabei nach links den Gang hinunter.

Mit einem lauten Platschen schoss etwas aus dem Wasserbecken vor Ziek empor und baute sich vor dem erschrocken dreinblickenden Dieb auf. Eine große, dunkle, gallertartige Masse hatte sich vor den ungläubigen Augen des Schurken aus dem Becken erhoben und starrte Ziek mit nichtvorhandenen Augen an. Instinktiv zog Ziek seinen Dolch aber als er diesen seinem Feind präsentierte kam er sehr schnell zu der Erkenntnis, dass dieser Feind wohl kaum mit einer Schneide zu bezwingen war. Wie eine Welle aus gallertartiger Masse warf sich das Ding auf Ziek um ihn unter sich zu begraben, aber dessen blitzschnelle Reflexe retteten den Schurken und er konnte sich mit einem Hechtsprung zur Seite in Sicherheit bringen. Er rollte sich hart auf dem schleimigen Felsboden ab und strauchelte sich wieder zurück auf seine Füße, um vor dem Ding die Flucht zu ergreifen. Ohne den Schleimklumpen eines weiteren Blickes zu würdigen rannte Ziek los und folgte dem rechten Gang, weg vom Bassin aus dem der Gallertklumpen aufgetaucht war. Mit voller Geschwindigkeit nahm der Schurke die nächste Kurve ohne sich darüber im klaren zu sein, dass hinter der nächsten Ecke ein niedrig hängendes Rohr seinen Weg kreuzen würde. Noch bevor Ziek reagieren konnte knallte der mit dem Kopf gegen eben jenes Hindernis, taumelte zurück und stürzte Rücklings in den dickflüssigen Flüssigkeitsstrom in der Rinne neben ihm. Für wenige Sekunden war er noch bei Bewusstsein aber dann umfing ihn die Finsternis als seine Fackel erlosch und er schließlich in den Tunneln das Bewusstsein verlor.

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LANGE hats gedauert