Erst einmal Daumen Hoch. Die Geschichte gefällt mir. Ein interessantes Thema schön mit metaphorischen Spielereien umgesetzt.
Aber wie heißt es so schön "Nobody's perfect". Also begeben wir uns auf Fehler- bzw Verbesserungsmöglichkeitssuche (was für ein Wort..)
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Mein Zimmer, das heisst diesen Ungeruch atmen, der alle Gegenstände befällt, das heisst von Chaos umgeben zu sein, das dennoch nichts Neues birgt, wo alles immer gleich bleibt, nur Staub bildet sich und Ungeziefer kriecht aus der Wand.
Ein recht langer Satz, der sich trotz der Länge recht gut lesen läßt. Ich würde allerdings nicht von der Beschreibung des Zimmers/Zustandes zur Beschreibung von aktiver Handlung wechseln. Der Satz würde dann folgendermassen aussehen:
"Mein Zimmer, das heisst diesen Ungeruch atmen, der alle Gegenstände befällt, das heisst von Chaos umgeben zu sein, das dennoch nichts Neues birgt, wo alles immer gleich bleibt, nur Staub sich bildet und Ungeziefer aus der Wand kriecht."

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Jeder geht ja nur nach draussen,...
Hier würde ich das "ja" streichen. Das hat so etwas subjektiv wertendes. Die Stärke des Textes liegt aber mMn in der Neutralität gegenüber den Beschreibungen. Der Erzähler, erzählt, beschreibt nur. Er wertet nicht.

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Ich bleibe dann am Fenster sitzen, weil ich mein Zimmer nicht sehen will. Bei Hitze lasse ich den Ventilator an meinen Rücken blasen; im Winter schliesse ich das Fenster.
Dieser explizite Kausalzusammenhang, mit dem "weil" gefällt mir nicht ganz. Du überläßt ja die gesamte Wertung dem Leser, warum weißt du ihn dann hier direkt auf diese Kausalität hin? "Ich bleibe dann am Fenster sitzen, will mein Zimmer nicht sehen." Der Kausalzusammenhang ist genauso klar, aber nicht so offensichtlich geschildert.
Der Kontrast von "Bei Hitze" und "im Winter" ist zwar gegeben, aber "Im Sommer" und "im Winter" würde ihn verstärken. Die Formulierung ".. den Ventilator an meinem Rücken blasen" behagt mir auch nicht so ganz. Läßt du den Ventilator hinter deinem Rücken oder in deinen Rücken blasen? "An" hat mehr so etwas von danebenstehen, was als Richtungsangabe der Ventilatoraktivität mMn ein wenig unpassend ist.

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Ich spreche draussen mit niemandem, gehe geräuschlos an anderen Menschen vorbei, durch sie hindurch.
Du hast schon kurz vorher das Wort "draussen" benutzt. Eine Wiederholung die man vermeiden kann, benutze stattdessen "dort". Das explizite Erwähnen der Menschen ist meines Erachtens auch überflüssig. Es reicht wenn du nur "an anderen" schreibst. Ich würde vielleicht sogar zu "an ihnen" greifen.

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Jene ist nur wegen der Zigarette draussen, raucht genussvoll, wie eine, die im Rauchen heimatlos ist.
Du stellst hier einen Vergleich zwischen einer unbestimmten Person, die eine Zigarette raucht, und einer weiteren unbestimmten Person, die im Rauchen heimatlos ist, an. Wieso? Wieso vermutest du das heimatlos-sein nicht direkt an dieser unbestimmten Person? ".. rauch genussvoll, als ob sie im Rauchen heimatlos ist."

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Jedes Mal komme ich schwer beladen heim, gebe dem Gewonnenen einen Platz im Chaos und den Ungeruch des Raumes.
Ich halte es für unwahrscheinlich, daß du dem Gewonnen den Ungeruch des Raumes aktiv gibst. Das wird ja wohl mehr ein passiver Vorgang sein, die Formulierung müßte man daher ändern.
"Jedes Mal komme ich schwer beladen heim, gebe dem Gewonnenen einen Platz im Chaos, es erhält den Ungeruch des Raumes."

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Gestern wollte ich wieder riechen, Wind atmen, also ging ich in der Frühe hinaus, vor allen anderen, liess mich vom Anblick voller Mülleimer und Biergeruch überfluten, durchquerte ein Fest, das nicht mehr und noch nicht war, schöpfte aus all dem und trank aus dem überreichlichen Rhein.
Das Kausalwort "also" halte ich an dieser Stelle ebenso überflüssig, wie einige Zeilen darüber das "weil", Begründung möge man dort nachlesen. Der Schluss des Satzes "und trank aus dem überreichlichen Rhein." erscheint mir zu real für den Satz. Der Rest des Satzes ist gespickt mit Metaphern und Sinneseindrücken, die Nennung eines expliziten Flusses, macht das Trinken zu einer viel zu realen Handlung. Ersetze Rhein durch "Fluss" und der reale Bezug ist viel weniger deutlich. Falls tatsächlich die reale Handlung des Trinkens gemeint ist, hat sie in dem Satz nichts verloren. Streichen und eventuell im nächsten Satz unterbringen.

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Dann stieg ich auf die Brücke, wo mir jemand entgegen kam.
Dieses "wo" ist mir wieder zu explizit. Streichen.

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Doch der Mensch ging geräuschlos durch mich hindurch, hinterliess nur einen kleinen Schauer in mir, der aber aus mir selber kam.
".. der aber nur aus mir selber kam." Nene.. das können wir so nicht stehen lassen. Ist ja grausam. Du widersprichst dir in diesem Satz selbst, was im Gesamtkontext absolut keinen Sinn macht. Das "hinterliess" muss auf jeden Fall weg und auch dieses erklärhafte von "der aber.." muss weg. "Doch der Mensch ging geräuschlos durch mich hindurch, ein Schauer durchfuhr meinen Körper." Das der Schauer vom Erzähler selber kommt kann man sich eigentlich denken. Eine extra Erwähnung ist daher nicht notwenidg.
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Puh.. das wars erstmal. Den Rest kann man so stehen lassen.

Aber insgesamt wirklich eine sehr nette Geschichte.