Das Materialsammeln kann gar keine so schlechte Technik sein, wenn du damit klarkommst, allerdings scheint das ja dann doch nicht der Fall zu sein =3.
Ich gehe jetzt erdreistet davon aus, dass du von Romanausmaßen sprichst, denn für Erzählungen und Kurzgeschichten lässt sich ja eher weniger massiges Material sammeln. Solltest du in lyrischer Form schreiben (sowas gibts!), dürfte dir mein Text eher weniger weiterhelfen, aber ich geh mal stark von der Epik aus.
Ich hatte das mal ein paar Wochen lang, nachdem ich Elizabeth Georges "Wort für Wort oder die Kunst ein gutes Buch zu schreiben" gelesen hatte. Die Frau geht davon aus, dass man für 100 Seiten Roman etwa um die 200 Seiten Charakterlisten, Szenenaufbau, Szenenbeschreibungen, Landschaftsbeschreibung, Ortsanekdoten und Konfliktkonstellation braucht - das ist kein Scherz. Wer schonmal einen Roman von der guten Frau gelesen hat, wird merken, dass dabei nichts anders rauskommt, als konstruierter Kram ohne Tiefe, weil sie beim ganzen Listen machen ganz arg vergisst, dass Menschen unvorhersehbare Züge und eine nichtlineare Vorgeschichte haben und weil sie zwar einmal die Woche durch Südengland schländert und mit ihrem Aufnahmegerät die Landschaftseindrücke festhält, dabei aber nicht in der Lage ist, die Bilder wieder aufzurufen, sondern nur sie runterzuerzählen.
Aber zu deiner Frage zurück ;_;". Das Wichtigste ist denke ich, dass du dein Material verinnerlichst (denn ein bisschen Material braucht es schon, aber der größte Teil davon sollte im Kopf gelagert sein) und es auch leben kannst, das du das, was du konstruierst, auf eine ästhetophile (das Wort hab ich erfunden) Weise lieben kannst. Das ist dir vielleicht schon selber so klar, allerdings ist gerade der Punkt bei wechselwarmen Menschen, wie ich beispielsweise einer bin, sehr schwierig, weil sich bestimmte Empfindungen schlagartig ändern können und das zuvor darüber Aufgeschriebene einfach keinen Platz mehr hat.
Im eigentlichen Schreibprozess kommt es ganz abstrakt gesehen auf zwei Sachen an: in einem Rutsch und immer auf Vollendung schreiben. Das mag erstmal erscheinen wie das Grün des Rasens, allerdings neigt man nach einigen Tagen oder Wochen dazu, das ganze mal kurz ruhen zu lassen und dann beginnt sich ein bisschen Distanz zum Thema einzurichten und wenn man dann überhaupt noch in kurzen Intervallen schreibt, dann eher, um das Ganze ein wenig voranzutreiben, folglich ohne Rücksicht auf das Wie, weil mans ja hernach nochmal ändern kann. Allerdings entfernt man sich dadurch dermaßen von dem Werk selbst, dass man irgendwo selbst den Faden ein bisschen verliert und es entweder undurchsichtig oder unstimmig wird. Wenn man nur aller 2 Monate mal was niederschreibt ist das natürlich ebenso vorherprogrammiert.
Das Rezept dazu ist dann erst einmal die kontinuierliche Eigenmotivation. Wenn du dich mit dem Stoff wirklich auseinandersetzen kannst, braucht es eigentlich immer nur ein paar kleine Anschübe von Außen. Deshalb ist es auch wichtig, dass du nicht von vornherein jeden winzigen Moment der Geschichte kennst, weil du dir damit selbst den Raum nimmst, Fragen aufzuwerfen oder dich selber zu beeindrucken (soll meinen: Wenn du ein ultratolles Werk zusammenkonstruiert hat, scheitert es womöglich daran, dass du ja alles schon vorher weißt und es deshalb überhaupt keine Spannung mehr hat).
Schließlich ist die Inspiration das Stichwort. Wenn dein Werk in sich nocht nicht geschlossen ist, ist es jederzeit offen für äußere Einflüsse - das kann nur von Vorteil sein. Hast du beispielsweise schon 10 Seiten Text, dir fehlt aber immernoch der entscheidende Trigger für die Peripetie, kann dir beispielsweise ein Film oder ein Buch zu einer Lösung verhelfen, einfach, weil man dabei immer mitdenkt (entgegen der bösen Leute, die meinen, dass man bei Filmen das Hirn abschaltet) und sich fragt "was wird wohl als nächstes passieren?" oder "wie erklärt sich das?" und daraufhin selber kleine Lösungsvorschläge entwickelt, bzw. letztendlich dann doch eine Lösung präsentiert bekommt, die alle auch modifizierbar für das eigene Werk der entscheidende Faktor sein könnten.
Es geht also in einem Wort (das hat Kant auch mal gesagt und es kamen dann noch drei Schachtelsätze, sei also gewapnet) darum, dass du ein offenes Gerüst in deinem Kopf hast und daherum dein Haus baust. Ich hab auch mal irgendwo aufgeschnappt, dass *französischer Autor dessen Name mir entfallen ist* zuerst seinen Klappentext entwirft und dann einfach drauflosschreibt und versucht, das Problemfeld ideal aufzugreifen. Es kann aber auch schon nützen, wenn du einen Handlungsrahmen in Form von einem Anfang und einem Ende hast und die Fäden dazwischenspinnen musst. Letztendlich musst du da dein eigenes Pferd finden.
Das hat jetzt vielleicht deine eigentliche Frage ein wenig umschifft, aber es gibt meiner Meinung nach auch keinen Ratgeber, der sagt: "Schreiben sie 3mal wöchentlich je 5 Sätze und suchen sie in der Zwischenzeit nach Inspiration."
Die meisten guten Autoren, die dann auch viel veröffentlichen, schreiben auch alle einfach nur drauflos - so zumindest meine Einbildung -; George Sand hat, soweit das mein Wissen hergibt, nie sowas wie eine Charakterliste angefertigt, sondern einfach drauflosgeschrieben und die Frau hat nicht nur 180 Bücher, sondern auch an die 40.000 Briefe verfasst, während Musset es auf 26 Romane und zu großen Teilen unveröffentlichtem Briefwechsel mit Sand, dem französischen Staat und Freunden und Frauen gebracht hat, während er sich mit der zeitgenössischen Politik und metaphysik anmutenden Fragen über die Form des Dramas beschäftigt hat und schließlich sein größtes Werk zusammen mit Sand geschrieben hat (wobei man ihm zugute halten muss, dass der Mann hin und wieder auch mal gereimt hat).
Manchereins braucht da noch etwas mehr Anregung, um die Motiviertheit auf einem bestimmten Level zu halten - wozu ich mich wiederum auch ziemlich oft zählen muss -, andere bekommen das einfach so hin, das ist auch manchmal eine Sache des Feng Shui.
Am Wichtigste finde ich persönlich das "Wie" beim Schreiben. In der epischen Literatur gibt es nichts Langweiligeres, als ein gut durchdachtes Werk, verpackt in belanglosen Sätzen, die einfach nichts hergeben, oder vollkommen ab von jeder Art von Stil sitzen. Da fiele mir beispielsweise Theodor Storm ein, der echt zum Einschlafen langweilige Sinnabschnitte formuliert, aber eigentlich ganz tolle Plots hat. Hätte der Mann die Fähigkeit gehabt, seine Punkte und sein Vokabular richtig einzusetzen, würde ich es beispielsweise nicht mehr als gemeine Foltermethode ansehen, kleine Gymnasiasten den Schimmelreiter lesen zu lassen. Letztendlich ist aber die Frage aus Schreiberlingssicht viel wichtiger: Wie konnte der Mann das durchhalten? Als Schreiber hat man doch immer ein Ziel vor Augen und neigt dann mitten im Werk auch hin und wieder mal zu ein bisschen gesundem Narzismus, weil man sich die eigenen Zeilen nochmal durchliest und sie toll findet - der Storm muss doch pausenlos den eigenen Faden verloren haben.
Aber gut, das ist meine Meinung.
Zu allerletzt noch eins: Es hilft immer, klein anzufangen und sich dann auf größeres hinzuarbeiten. Leute, die mit 12-14 Jahren entschließen, sie werden ein Buch schreiben, fangen immer gleich groß an und landen dann entweder in der Aufgabe, oder bei Kurzgeschichten englischer Art, hierzulande als Erzählung verpöhnt. Um seinen eigenen Prozess des Schreibens wirklich zu erfassen, hilft es, genau dort anzufangen und seine Erzählungen immer länger und komplexer werden zu lassen. Natürlich muss man den Raum zwischen 2 und 200 Seiten dabei nicht gleichmäßig austapetzieren, aber wenn man zwischen 15 und 30 Seiten guten Stoff hinbekommt, ist man ohne jeden Zweifel bereit für mehr.