Noch eine Kurzgeschichte. Diesmal aber von mir. Hmm, langer Titel. Löl. ^^
Alltag
Marc von Wensiersky
So oft schon lag er nachts wach und dachte über sein Buch nach. Bisher hatte er noch nichts aufgeschrieben. War nur im Kopf Zeile für Zeile seiner Geschichte durchgegangen. Jetzt sitzt er an seinem Computer und will endlich anfangen. Noch hat er nichts geschrieben. Er spielt ein wenig mit seiner Zigarette herum, verändert die Schriftgröße beim Schreibprogramm und schaut in seinem Zimmer herum. Er sollte mal wieder aufräumen. Auf den Schränken stapeln sich alte Schallplatten. Bücher, die er noch nicht gelesen hatte. Auf dem Boden verteilt liegt ungewaschene Kleidung. Blaue Jeans. Ein paar schwarze und braune Pullover.
Er drückt seine Zigarette aus und wendet sich wieder seinem Computer zu. Wie soll er nur anfangen? Er schaut auf die Uhr. Schon fast sieben. Er muss zur Arbeit. Er macht den Computer aus, nimmt seinen Aschenbecher. Geht in das Badezimmer.
Gekachelte Wände. Gekachelter Boden. Er geht ans Waschbecken und schaut in den Spiegel. Ein großer, dicker Mann schaut ihn an. Bullig sieht er aus. Kurze Haare. Augenränder. Viel geschlafen hat er wohl nicht. Sieht aus wie ein Zwanzigjähriger Drogenabhängiger. Er grüßt ihn, nimmt seine Zahnbürste, die Paste und putzt sich die Zähne. Rauchergelb. Da hilft auch das mehrtägige Putzen nichts.
Er spritzt sich noch ein wenig Wasser ins Gesicht, um nicht ganz so müde auszusehen. Ja, das hilft. Er fühlt sich schon besser.
Er geht wieder zurück in das Zimmer mit dem Computer, schaut auf den Boden. Sucht nach passender Kleidung für den heutigen Tag. Er nimmt sich eine schwarze Jeans, die über einen Stuhl geworfen ist. Einen schwarzen Kapuzen Pullover. Wieder ins Bad zurück.
Er legt die Sachen auf einen kleinen Tisch in der Ecke.
Er wendet sich der Toilette zu. Bleibt stehen. Toilettendeckel hoch. Er denkt wieder über sein Buch nach. Die besten Ideen fallen ihm meistens auf dem Klo ein. Er muss grinsen. So. Deckel runter. Abspülen.
Er zieht seine Pyjamahose aus, nimmt sich die Jeans, den Pullover. Hunger. Er geht in die Küche.
Schaut in den Kühlschrank. Fast leer. Er nimmt sich ein Dosenbier und eine gebratene Hähnchenkeule von gestern. Ein Bekannter war da. Noch aus der Schulzeit. Lange her.
Er schaut auf die Uhr, die über dem Kühlschrank hängt. Kurz nach sieben. Jetzt aber schnell.
Fertig gefrühstückt. Noch schnell die Stiefel an, dann los.
Erstmal abschließen. Soll ja keiner einbrechen. Er muss grinsen.
Es ist noch dunkel. Ein wenig Schnee liegt an den Straßenseiten. Die Häuser in seiner Nachbarschaft sind alle ziemlich heruntergekommen. Abgeblätterte Wände. Aber günstige Mieten. Er muss grinsen.
Bushaltestelle. Warten. Eine alte Frau sitzt auf der Bank in dem kleinen gläsernen Wartehäuschen. Er guckt sie an. Typische Oma. Er nimmt sich eine Zigarette. Warten. Er schaut auf den Plan. Fragt die Frau nach der Uhrzeit. Der Bus müsste doch gleich kommen. Weiter warten. Da ist er endlich. Wird auch Zeit. Einsteigen. Bezahlen. Hinsetzen. Letzte Reihe. Wie in der Schule. Lange her. Der Bus fährt los.
Aufstehen. Aussteigen. Warten. Der nächste Bus. Einsteigen. Bezahlen. Hinsetzen. Letzte Reihe. Wie in der Schule. Lange her. Der Bus fährt los.
Aufstehen. Aussteigen. Zigarette.
Weit ist es von hier nicht. Es fängt an zu regnen. Er setzt die Kapuze auf. Er hat seine Jacke vergessen. Seltsam. Tut er sonst nicht.
Er ist da. Shell Tankstelle. Geht rein. Er begrüßt seinen Kollegen. Kleiner Mann. Er geht hinter die Theke. Nimmt sich den neuen Stern. Lesen. Warten. Kunden bedienen.
Neun Uhr. Er macht das Radio an. Schöne Musik. Weiterlesen. Zehn Uhr. Es ist nicht viel los. Nur vereinzelt tröpfeln die Kunden herein. Zwölf Uhr. Jetzt kommt er nicht mehr zum Lesen. Um diese Zeit kommen immer viele Leute, die noch kleine Besorgungen machen müssen für ihr Mittagessen. Kochen. Für die Familie. Er muss grinsen.
Gleich vierzehn Uhr. Gleich hat er Pause.
Er geht in die Stadt. In ein Café. Tee. Zucker. Zwei Stück. Danke.
Trinken. Rauchen. Warten. Pause um. Er geht zurück.
Löst seinen Kollegen ab. Lesen. Warten.
Endlich Schichtende.
Bushaltestelle. Warten. Rauchen. Der Bus ist da. Einsteigen. Bezahlen. Hinsetzen. Letzte Reihe. Wie in der Schule. Lange her. Der Bus fährt los.
Aufstehen. Aussteigen. Warten. Der nächste Bus. Einsteigen. Bezahlen. Hinsetzen. Letzte Reihe. Wie in der Schule. Lange her. Der Bus fährt los.
Aufstehen. Aussteigen. Zigarette.
Nach Hause.
Aufschließen. Niemand ist eingebrochen. Er muss grinsen. Er geht in die Küche. Gleich zehn. Er nimmt sich ein Bier. Geht an den Computer. Spielt mit der Zigarette.
Elf Uhr. Noch nichts geschrieben. Müde. Er schmeißt seine Sachen auf den Boden. Badezimmer. Zähne putzen. Toilettendeckel hoch. Toilettendeckel runter. Bett.
Liegen. Er kann nicht schlafen. Gedanken. Sein Buch. Er hat es fertig. Er muss grinsen. Schlafen.
Der Wecker. Es ist fast sechs Uhr. Aufstehen. Er macht das Fenster auf. Durchlüften. Er schaut nach draußen. Dunkel. Es regnet. Heute wird er bestimmt nicht seine Jacke vergessen.
Er geht an den Computer. Macht eine Zigarette an. Spielen. Er hat noch nichts geschrieben.
Er schaut auf die Uhr. Ein bisschen hat er noch. Er geht in die Küche. Nur ein wenig sitzen. Und nachdenken. Vielleicht sollte er besser auf die Toilette. Er muss grinsen.
Er geht an den Kühlschrank. Nimmt sich ein Bier. Eine Hähnchenkeule. Ob die noch genießbar ist?
Er geht wieder an den Computer. Er steckt sich eine Zigarette an. Hat noch nichts geschrieben.
Es ist fast sieben. Spielt mit der Zigarette herum. Verändert die Schriftgröße am Computer. Gleich geht er los. Er muss weinen.