Konsum trottete durch die Gassen. Seine Schritte wankten und er drohte mehrmals umzufallen. Viele Hindernisse auf dem Boden übersah er einfach und stolperte mehr, als er denn ging. Sein eigenes Blut, das er von Dante wiedergeholt hatte, reichte nicht lange und schon merkte er, wie die Welt um ihn herum zu verschwimmen begann. Leicht verärgert bemerkte er, wie ihm die Kiste auf Schritt und Tritt verfolgte. Ihre Füßchen ignorierten alle Hindernisse und gingen einfach weiter. Konsum fiel jetzt er auf, dass sie nicht mehr so stark gleißte, wie Anfangs in Fairlight. Natürlich hatte eine Kiste keine Augen, jedoch schien es Konsum, als beäugte sie misstrauisch das Gelände rundherum und spähte nach Feinden. Konsum erschauderte, als er sich an den letzten Vorfall erinnerte. Kaum hatte er seine Suche nach etwas Blut begonnen, kam auch schon eine Gruppe maskierter Männer, die mit allem bewaffnet war, was die Gosse ihnen gab: Knüppel, Schlagringe und Messer. Sie hatten Konsum bereits umzingelt, als dieser erst merkte, dass er nicht mehr allein war.
Ziemlich fertig und blasser als normal für einen Vampir, stand Konsum dann im Kreis der vier Männer, die ihn durch ihre Masken betrachteten und abschätzten, wie viel Geld er wohl bei sich haben mag.

„ Ok, Kleiner, rück lieber alles raus, was du hast, dann bleibst du auch am Leben.“

Dabei hatten sie gehässig gelacht und mit ihren Messerchen gespielt. Konsum war nicht in der Stimmung für einen Kampf und wollte ihnen gerade klarmachen, dass es eh keinen Sinn hatte, da er nichts besaß, was von Wert wäre, als plötzlich ein metallisches Knirschen zu hören war und einen Augenblick später, konnte man einen Schrei und das Zufallen eines Deckels hören. Geschockt starrten alle Anwesenden auf die Truhe, die an dem Platz stand, an dem vorhin noch ihr Anführer gestanden hatte. Konsum spürte wie er zu zittern begann, als eine große Mahagonirote Zunge aus der Truhe kam und über Elfenbeinweiße Zähne leckte. Ein Fetzen einer Maske hing noch an den Zähnen. Das reichte. Die anderen Männer ergriffen panisch die Flucht. Als sich Konsum der Truhe näherte, jeder Muskel war angespannt, dass eine Klavierseite wie Wackelpudding wirkte, und sie mit einem langen Stock anstieß, zeigte diese keinerlei Reaktion. Mutiger geworden, ging Konsum ganz an die Truhe heran und wagte es die Klappe zu öffnen. Als er die Augen wieder öffnete und in das innere der Kiste blickte, sah er... Nichts. Sie war völlig leer. Es waren auch keine Zähne oder Zunge zu erkennen. Nichts. Konsum beschuldigte seine Blutarmut. Er lies die Truhe einfach so stehen und ging weiter. Ein Tanz durch eine Pfütze sagte ihm, dass die Truhe beschlossen hatte, ihm zu folgen.

Endlich sah er etwas, was ihm wieder gefiel: ein umgestürzter Krankenwagen. Wie durch Zufall war dieser Wagen vor kurzem noch bei einer Blutspendeaktion gewesen und war daher voll mit frischen Blutkonserven. Bei Konsum drehte sich der Magen um und gleichzeitig leckte er sich die Lippen, als er die verbeulten Türen des Autos aufbrach und wegschmiss. Einige der Konserven waren aufgeplatzt und färbten das ohnehin schon grausige Szenario noch in das richtige Farbspiel. Konsum kümmerte sich nicht weiter darum, sondern griff gleich zu der nächstliegenden Konserve und tank gierig. Der Geschmack war geradezu widerlich, und der Geruch des geronnenen Blutes hätte bestimmt nicht dazu beigetragen, eine Oper in Gesellschaft zu genießen, aber dennoch war die vitalisierende Wirkung nicht zu leugnen. In einer gebrochenen Glasscherbe sah Konsum wie wieder Farbe in sein Gesicht kehrte und er stellte überrascht fest, dass sich die Wunden bereits wieder verschlossen. Aber am Auffälligsten waren seine Gesichtszüge. Sie waren markanter und doch weicher als zuvor. Auch sein Haar hatte sich verändert. Es war zwar immer noch blau, jedoch nicht mehr strubbelig oder unordentlich. Seine Frisur saß perfekt und überhaupt konnte man ohne Übertreibungen sagen, dass er schöner war als vorher. Ungläubig nuckelte er weiter an dem Blut und sah, dass seine Fingernägel schärfer waren als es sich schickte. Sie erinnerten mehr an Krallen, dann an Nägel eines Menschen. Wieder klapperte etwas und die Truhe setzte sich außerhalb des Wagens auf die Strasse. Konsum blickte über den Haufen von Blutbeuteln und dachte daran, dass er sicherlich auch noch was zum Abend essen will. Er winkte die Truhe heran. Sofort kam sie angewackelt und öffnete sofort die Klappe. Konsum bezweifelte, dass alles Blut in die Kiste passte, doch er würde so viel mit nehmen, wie es eben ging. Konsum nahm eine Handvoll und legte sie in die Kiste. Dann nahm er noch mal eine Handvoll und legte sie ebenfalls in die Kiste. Er wiederholte es ein paar mal und stellte überrascht fest, dass er alle Konserven in die Truhe bekommen hatte.

„Also, das hätte ich jetzt nicht erwartet... Das mussten min. 200 gewesen sein... Bist geräumiger als ich dac... Wo ist denn das ganze Blut hin?!?“

Konsum blickte fassungslos in die Truhe, in der nur eine einzige Blutkonserve lag. Verwundert und leicht wütend stieg er über die Kiste und machte sich auf den Weg, Rubion und sein Schwert zu finden. Vielleicht hatte ja Rubion eine Erklärung und vielleicht auch eine Lösung für Konsums Vampirproblem... Konsum folgte also den gleichen Weg zurück, den er gekommen war und ignorierte das Chaos um sich herum. Er stumpfte langsam ab, jedoch war es ihm erschreckender weise egal, dass ihn der Tod und die Verwüstungen nicht mehr so nahe gingen, wie früher einst. Seine vampirgeschärften Sinne nahmen zwar immer noch das Ausmaß der Katastrophe wahr, jedoch erregte ihn das mehr, als dass es ihn berührte. Er schien zu sehr in seinen Gedanken versunken zu sein, denn plötzlich fand er sich wieder an der Stelle, an der er auf Dante stieß und der verhängnisvolle Kampf begonnen hatte. Merkwürdigerweise fand er nirgendwo den Revolver von Dante und auch sein Schwert war verschwunden. Rubion war auch nicht da, doch Konsum konnte ihn bereits riechen. Er war nicht weit, das wusste Konsum. Er folgte den Geruch in eine leerstehende Wohnung, ganz in der Nähe. Der Geruch des Todes wurde stärker. Nun, er war allgegenwärtig, aber hier war er frischer... Jünger.... Und irgendwie auch wieder älter. Einige hätten sogar das Klischee aus dem Tod gerochen und leise den Kopf geschüttelt. Konsum bog um eine Ecke und lauschte. Seine geschärften Ohren nahmen jedes Geräusch wahr. Die meisten gefielen ihm nicht, wie zum Beispiel eine Toilettenspülung, die Ratten in einer nahen Kammer. Aber da waren auch noch andere Geräusche, unter anderen Rubions Stimme, die beruhigend auf jemanden einsprach. Dann hörte Konsum ein Schluchzen. Rubion hatte weibliche Gesellschaft. Als Konsum wieder tief einatmete, merkte er sofort, warum Rubion sie zu beruhigen versuchte. Sie war gerade erst ein Teenager und noch... rein. Konsum wusste was Rubion vorhatte, wollte es verhindern, doch sein Körper versagte ihm den Dienst. Etwas in ihm wollte es verhindern, doch der andere Teil wollte dabei sein, Rubion unterstützen und selber der Versuchung nachgeben.

„Aber, aber... Du wirst ihm doch den Spaß gönnen, nicht wahr? Immerhin war er schon seit Urzeiten in unserer Schatzkammer und unsere Schätze bewacht. Lass ihn seinen Spaß. Für uns wird auch noch was abfallen, keine Sorge.“

Konsum konnte seinen Ohren und Augen nicht trauen. Vor ihm stand jemand, den er seit 800 Jahren als tot dachte. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er den blau leuchtenden und völlig durchsichtigen Drachen sah, der um gerade um die Ecke bog. Konsum kannte diesen Bastard besser als jeden anderen sonst. Der Drache war mehr als nur ein Bekannter, mehr als nur ein Bruder. Es war er selbst. Die Drachenhälfte von Konsum. Sein alter Ego und etwas, dass er als seine schlimmere Hälfte definierte. Dieses Ding vor ihm, verkörperte alles Drachenhafte, dass Konsum abgestoßen, verleugnet hatte.

„DU! Aber… Wie?”

.... fragte Konsum und starrte seinen Gegenüber an.

„Jaja, ich weiß, dass du dachtest, mich besiegt zu haben. Doch leider sind wir eins und nicht zu trennen. Ich habe Jahrelang zugesehen, wie du meine Kräfte eingesetzt hast, um Menschen und anderes Gewürm zu helfen, dir einen Weg in ihre Herzen zu erschleichen und mir ist fast Übel dabei geworden. Ich habe ständig gehofft, dass du dich ändern und wieder zu einem Drachen werden würdest, doch du wolltest ständig nur Mensch sein. Wahrscheinlich ist es meine Schuld... Ich hätte dich die Kleine doch dann töten lassen sollen, als noch gefesselt auf dem Hügel hing... Aber jetzt ist Schluss. Ich weiß, dass du versuchst, ein Heilmittel gegen den Vampirismus zu finden, jedoch werde ich alles daran setzen, dass es fehlschlagen wird. Ich will diese neue Kraft behalten, Konsum. Na, am Besten gewöhnst du dich schon mal an deinen alten Namen. Konsumastraën Drachenklaue. Lege diesen Konsum ab und werde wieder was du sein solltest. Notfalls werde ich dich zwingen. Der Vampir bietet uns ungeahnte Möglichkeiten und...“

„HALTS MAUL! Ich werde niemals wieder auf dich hören! NIEMALS! Du kannst mich zu nichts mehr zwingen. Der Vampir wird ausgetrieben, koste es was es wolle! Und nenne mich nie wieder bei diesen Namen! Es existiert kein Konsum Drachenklaue, kapiert?“

... brüllte Konsum den durchsichtigen Drachen an, der jedoch sehr amüsiert wirkte.

„Höre mir mal zu: Du denkst zwar, dass dein Körper deiner Kontrolle untersteht, aber das stimmt bei weitem nicht. Wenn ich es will, wirst du sterben, wenn ich es will, wirst tanzen, wenn ich es will, wirst du ein kleines Schoßhündchen, das dann Männchen macht, wenn du einen Knochen vorgeworfen bekommst. Hast DU das kapiert?“

Der Phantomdrache sprach zischend und bedrohlich. Er wollte Konsum klarmachen, dass er die absolute Macht über ihn hatte. Und leider stimmte es zur Zeit auch. Konsums Körper konnte sich nicht bewegen, wollte sich nicht bewegen. Konsum zweifelte nicht daran, dass der Drache auch mit dem Rest recht hatte und er somit den Vampir behalten musste. Konsum nickte schweren Mutes und ergab sich erst mal in sein Schicksal. Er hatte den Drachen einmal bezwungen, er konnte es sicherlich noch einmal.