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Thema: Cipos Thread ~

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Ein Gespräch (2007)


    “Name?“
    “Homunkulus.“
    „Klingt nach einem Zirkusartisten. Wie lange arbeitslos?“
    „Einige Zeit.“
    Der Fragende schaut kurz auf, verzieht jedoch keine Miene. „Kommen sie damit zurecht?“
    „Sicher.“
    „Sagen sie das mal nicht. Viele Menschen verzweifeln heute, sehen keinen Sinn und so.“
    „Aha.“
    „Wenn das bei ihnen nicht der Fall ist, einwandfrei. Ich bräuchte ihre Versicherungsnummer.“
    „Versicherung? Ich möchte doch nur arbeiten.“
    „Na ja, aber der Gesetzgeber fordert die Nummer, wegen dem Gehalt.“
    „Ich bin nicht versichert.“
    Der Fragende zieht eine Augenbraue in die Höhe.
    „Wieso das denn nicht?“
    „Wieso sollte ich? Ich habe mich bisher noch nicht ernsthaft verletzt. Ich möchte einfach nur arbeiten.“
    „Aber mein lieber Herr Homunkulus! Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass diese Welt von unberechenbaren Krankheiten und Katastrophen heimgesucht wird. Die Vogelgrippe, irgendwelche unaussprechliche Krankheiten, die von den Ausländern eingeschleppt werden, BSE, bei dem ganzen Klima könnte es bald auch durchaus zu Wirbelstürmen und gefährlichen Überflutungen in unserem Land kommen. Oder Aids. Einmal mit der falschen Frau den Abend verbracht, und schon haben sie Aids.“
    „Ich verbringe den Abend für gewöhnlich nicht auf diese Art und Weise mit einer Frau.“
    Das Gesicht des Fragenden hellt sich auf.
    „Ah, sie sind verheiratet! Hätten sie das doch mal gleich gesagt. Dann denken sie doch an ihre Kinder. Die Versicherung…“
    „Ich habe keine Kinder und bin allein.“, fällt er dem Fragenden ins Wort. Dieser starrt kurz verwirrt auf das ausdruckslose Gesicht des Fremden. Eine Sorgenfalte zieht sich über seine Stirn, als würde er etwas nicht verstehen.
    „Egal.“, meint er schließlich, aus dem Mangel an Alternativen heraus, „Ich werde die nötigen Formulare für die Versicherung bereit legen, wir gehen erst einmal zu ihrer Berufswahl über. Wo liegen denn ihre Interessen?“
    „Ich beschäftige mich gern mit Menschen. Ich versuche, sie zu verstehen.“
    „Das ist doch ein Anfang, Herr Homunkulus. Geht es ein wenig spezieller?“
    „Kinder sind mir sehr angenehm, alte Menschen dagegen mag ich nicht.“
    Der Fragende scheint entsetzt.
    „Aber Herr Homunkulus! Sie dürfen nie vergessen, wieviel wichtige Arbeit diese alten Menschen für unsere Gesellschaft geleistet haben, wir müssen sie ehren und für sie sorgen. Schließlich werden wir auch immer älter, und sie wollen bestimmt auch nicht mit 120 Jahren, wenn sie nicht mehr laufen und nur noch künstlich atmen können, alleine in einem Altersheim mit Personalsorgen verbringen.“
    Er lacht kehlig, der Befragte jedoch verzieht keine Miene.
    „Nein, das möchte ich natürlich nicht.“, meint er, als sei es eine Selbstverständlichkeit.
    „Sehen sie. Aber ich kann sie verstehen. Mir wären die Kinder auch lieber.“
    „Aber sie meinten doch…“
    „Passt schon. Nicht jeder hat die Nerven dafür, mit alten Menschen zu arbeiten. Ich möchte dem Tod auch nicht jeden Tag so ins Auge blicken. Also Kinder.“
    Der Homunkulus nickt.
    „Welche Altersklasse? Sie können im Kindergarten arbeiten, oder aber in einer Schule. Vielleicht sogar mit Jugendlichen? Die Jugend ist heute ja so gefährdet, durch die ganzen Medien.“
    „Nein, keine Jugendlichen.“, meint der Befragte schnell, „Je jünger, je besser.“
    Misstrauen legt sich auf das Gesicht des Fragenden.
    „Sind sie sich sicher, dass sie geeignet für den Umgang mit Kindern sind?“
    „Ja.“
    „Ich bin mir da nicht so sicher, Herr Homunkulus. Was interessiert sie denn genau an der Arbeit mit Kindern?“
    „Sie sind ehrlich.“
    Wieder starrt der Fragende einen Moment nachdenklich ins Gesicht des Mannes.
    „In Ordnung.“, meint er schließlich und hält sich die Hand vor die Stirn, „Füllen sie einfach das hier aus.“
    Mit diesen Worten verlässt der Fragende den Raum, ohne zurückzuschauen. Der Homunkulus starrt auf den Formularstapel und schüttelt den Kopf. Er wollte doch einfach nur arbeiten.

  2. #2
    Moralapostelei? Die böse Bürokratie aber auch...

    Das Gespräch schwappt schön. Das Ende ist so schwach, dass es schon wieder zur Nichtgeschichte passt.

  3. #3
    Argh. Es soll gar keine spezielle Kritik sein, nur zeigen, wie obskur der Mensch einem Außenstehenden vorkommen mag. Trotzdem danke des Kommentars.

    Die fehlende Pointe ist mir aufgefallen und ich fand es erst erschreckend. Aber nach mehrmaligem Lesen mein ich nun, es ist für die Atmosphäre, eine Unsinnigkeit darzustellen, sogar zuträglich.

    Man geht nur leider immer mit dem Hintergrund an eine Kurzgeschichte, sie interpretieren zu wollen. Diese soll einfach ein Gefühl schaffen.

  4. #4

    Ansichtssache

    Ein erhabener Blick.

    Am Anfang war das Licht.
    Es durchfuhr ihn wie ein Sonnenstrahl das Glas, ließ ihn erschimmern und glänzen, und er sah.
    Die Menschen lagen vor ihm ausgebreitet wie ein offenes Buch, plötzlich konnte er aus ihren Gesichtern lesen, als wären es offene Bücher, er wusste, was sie dachten, und er wusste, wieso sie es taten. Am Tag zuvor war noch alles verschwommen gewesen, wie ein Blinder war er durch die Welt gewandert, in sinnlosem Dasein ohne Ziel begriffen. Er hatte irgendetwas gesucht, aber er hatte niemals gewusst, was es war. Nun verstand er. Die graue Masse hatte er weit hinter sich gelassen, wie ein König sah er gen Himmel hinauf auf erblickte die Wahrheit, die unsere Welt zusammenhielt. Er hatte das untermenschliche Dasein, gesteuert von Trieben, hinter sich gelassen, und sich erhoben, um sein wahres Erbe anzutreten, in vollem Bewusstsein, dass er nichts war, und doch alles.
    Das Licht erfüllte ihn mit Stolz.
    Diese Würmer. Er war der König!

    Ein erhabener Blick.

    Verfluchte Scheißsonne…
    Die Sonnenstrahlen blendeten seine verklebten Augen, und er hielt sich stöhnend eine Hand vors Gesicht.
    Diese Arschlöcher standen über die Trage gebeugt und konnten sich das Lachen kaum verkneifen. Offenbar war er die Sensation des Tages. Was nicht verwunderlich war, nachdem er die ganze Nacht über die ein Bescheuerter durch die Stadt gerannt war, auf der Suche nach neuem Alkohol, flirtend mit Straßenlaternen und Gullydeckeln. Irgendwann jedoch war er so richtig auf die Fresse geflogen. Die anderen riefen nach ihm, lachten ihn aus und warfen sich vor Spaß in die Fützen (Ärsche). Aber er merkte es kaum mehr, das Delirium hatte ihm eindeutig klar gemacht, das alles wunderbar war, die Schmerzen am Kinn waren besser betäubt, als es jeder Chirurg hinbekommen hätte. Hoffentlich würde er am Morgen wieder aufwachen, dachte er.
    Ja! Er war aufgewacht, noch ein Mal. Also konnte es nächstes Wochenende weitergehen.
    Pah, diese blutigen Anfänger vertrugen einfach nichts. Dieser Samstag ging eindeutig an ihn!


    Ich mags.

  5. #5
    Gelobt sei dein umfangreiches Vokabular - und die Fähigkeit es einzusetzen

    Selbst wenn man nicht auf den Inhalt eingeht - die Athmosphäre der beiden Texte spaltet sich schon allein durch die Wortwahl.

    Der erste Text wirkt allerdings authentischer auf mich. Im zweiten war ich erst mal leicht verwirrt von der Hassliebe des Protagonisten zur Welt (denn auffälliger Weise ist es die VERFLUCHTE SCHEIßsonne - alle anderen sind sowieso Arschlöcher und Ärsche (wobei du einen dieser Begriffe vielleicht durch einen weniger artverwandten ersetzen solltest. Der Wiederholung halber ^^"). Andererseits ist "alles wunderbar". Er will wieder aufwachen. Und weitermachen.)
    Bei näherer Betrachtung: das könnte natürlich auch gewollt sein.

    Ist es das?

  6. #6
    Naja, was du jetzt als Hassliebe bezeichnest, könnten einfach die Nachwirkungen des Alkohols sein, verbunden mit der Freude, die Kumpels unter den Tisch getrunken zu haben.
    Intention ist einfach die, zwei "erhabene" Momente aus verschiedener Sichtweise zu vergeichen und völlig gleichzusetzen. Alternativ könnte es auch die geiche Sichtweise sein, kurz vor dem Abklappen, und dann mit Nachwirkungen am nächsten Morgen.



    Und hier noch was Namenloses.


    Sie führen mich ab, in einer Weste, die so weiß ist, dass mich diese Vorstellung nur noch zum Lachen bringen kann. Zum Weinen ist das alles schon lange nicht mehr. Einen Moment lang überlege ich, was wohl zuerst da war, die Vorstellung, ein Verrückter gehöre in weiße Kleidung, oder der tatsächliche Verrückte in weißer Kleidung. Ich denke, sie haben es sich ausgedacht. Weiß, wie die Heilung, wie das Gute, wie die Medizin, wie Gott. Es wäre irgendwo zynisch, einen Verrückten in eine Schwarze Zwangsjacke zu stecken - nicht wahr? - Es wäre kontraproduktiv. Schließlich würde das ja bedeuten, dass er abgeschrieben ist, und das geht ja nicht, man kann ihn ja heilen.

    Einer der Männer hat so ein Gesicht. Es ist das Gesicht eines Vaters, eines Menschen, der einigermaßen zufrieden ist (gemessen am Durchschnitt), obwohl er diesen armseligen Job hat, obwohl er den ganzen Tag Leute wie mich durch die Anstalt führen muss. Führen, manchmal auch schieben oder tragen. Manchmal vielleicht sogar schleifen.
    „Es sind bestimmt Eier versteckt, such sie doch!“, würde er sagen, oder „Wenn du auch ganz artig warst, muss er nicht die Rute herausholen!“, dann würde er die ganzen obskuren Gestalten aufzählen, an die sein Kind glaubt, auf die es sich freut, vor denen es sich fürchtet, jedes Mal, wenn er ein Argument braucht.
    „Papa, da ist ein Monster unter dem Bett!“, würde das Kind deshalb irgendwann sagen, der Vater würde stöhnen, sich vom Fußballspiel losreißen, sich ins Kinderzimmer schleppen und mit dem Kopf schütteln. „Siehst du?“, fragt er mit rational aufmunternder Stimme, „Da ist überhaupt nichts unter dem Bett. Du kannst jetzt wieder beruhigt schlafen gehen.“ „Aber Papa! Das Monster versteckt sich doch! Es hat Angst vor dir, und vor dem Licht!“ Der Vater atmet noch einmal genervt aus. „Na gut, du kannst das kleine Licht anlassen. Aber wenn du müde bist, machst du es aus, in Ordnung?“ Das Kind nickt. Aber eigentlich denkt es nicht mal daran, das Licht wieder auszumachen, bevor die Sonne aufgeht.
    Denn das Kind ist nicht so dumm.
    Der Vater lässt es wieder allein in seinem Zimmer, überlässt es dem Schrecken unter dem Bett. Später am Abend zeigen sie eine Kriminalsendung, eine Jugendliche wurde vergewaltigt, und der Vater schüttelt den Kopf. „Perverse Schweine. Umbringen sollte man sie alle.“ Und er schüttelt den Kopf. Dass es so was wirklich geben kann… In was für einer Welt leben wir nur? Dann trinkt er sein Bier und hofft, dass ihn sein Kind nicht noch einmal beim Fernsehen stört.

    Mein Gedankenspiel hat mich beschäftigt, bis ich vor dem Doktor stehe. Er ist eine hagere Gestalt mit kleinen, klobigen Fingern, irgendwie unproportioniert, er passt einfach zu gut an diesen Ort, wie alles hier. „Abend, Herr Soundso, wie geht’s uns denn heute?“ „Nicht anders als sonst, Doktor, zufrieden, ich fühle mich wohl.“ „Aber sie wissen, dass sie nicht immer hier bleiben werden, Herr Soundso, wir müssen sie doch irgendwann wieder an die frische Luft hinaus lassen, zu den anderen Menschen.“ Natürlich, die frische Luft. Ein halbe Stunde Ausgang täglich ist eigentlich genug frische Luft, jedenfalls für einen Vergewaltiger. „Herr Doktor, eine Frage“, spreche ich ihn aus einem Gedanken heraus an, „Haben sie jemals an das Monster unter dem Bett geglaubt?“ Er schaut mich ausdruckslos an und meint „Ja, als ich noch ein Kind war. Haben wir das nicht alle, bis wir es besser wussten?“ „Ich, Herr Doktor, glaube immer noch an das Monster. Ebenso wie ich an Mädchen in Miniröcken glaube.“ Sein Gesicht verzerrt sich. „Sie reden wirr!“ Ich beiße mir in den Daumen, nur ganz sanft, um mich zu vergewissern, dass ich richtig verstanden habe, was er sagt. „Halluzinationen, allesamt, Herr Doktor, und allesamt gleich real, das wissen sie doch als Mediziner! Wir sehen nur, was wir sehen wollen!“ Er schüttelt den Kopf, genervter als zuvor. „Als Mediziner kann ich ihnen sagen, dass sie Recht haben - Sie sehen diese Monster nur, weil sie sehen wollen, weil sie unzufrieden mit der Realität sind, und genau so ist es mit den Frauen. Sie müssen sich endlich ihren Problemen mit dem anderen Geschlecht stellen. Nur weil jemand aufreizende Kleidung trägt, heißt das noch lange nicht, dass er das Bett mit ihnen teilen will.“
    Wieso versuche ich es überhaupt? Wir sind hier auf seinem Territorium, in den Hallen der Vernunft, im Tempel der fünf Sinne. Du kannst Zeus doch nicht auf dem Olymp bekämpfen!

    In diesem Moment verstehe ich - Ich bin wirklich krank. Habe ich jemals gesehen, wie ein Kind unter dem Bett in einer Blutlache verschwunden ist? Hat mich jemals ein Mädchen zu sich eingeladen? Habe ich jemals einen fetten Mann durch unseren Kamin rutschen sehen? Das Monster hat stets nur gelauert, das Mädchen hat mich nie gewollt, die Geschenke waren immer schon da, wenn ich nach Hause gekommen bin.
    Aber der Doktor irrt, meine Krankheit kann man nicht heilen, denn ich habe verpasst, die Augen zu schließen, habe sie offen, sehe sie, sehe sie. Er hat es selbst gesagt. Es gibt für uns nur, was wir sehen. Und ich sehe sie. Ich könnte die Augen schließen, aber wer sagt mir, dass sie nicht real sind? Im Krieg schließt du, wenn der Feind kommt, auch nicht Augen, in der Hoffnung, dass er verschwindet. Du kämpfst! Oder, noch besser, du vermeidest den Krieg. Irgendwo dort, wo der Krieg nicht hingehört.

    In der Anstalt gibt es keinen Platz für das Monster, es gibt keine aufgetakelten Mädchen in Miniröcken und es gibt keinen Kamin.
    Nur Zentralheizung.

  7. #7

    It's time to get schwifty.
    stars5
    Gnah.. ich kann mich mehr sagen als das mich die Geschichte sehr angesprochen hat. Ziemlich toll, genau mein Geschmack.

    Was konstruktiveres hab ich dafür leider nicht.

  8. #8
    Danke der Antwort.

    Folgendes ist ein Flufftext für ein Strategiespiel, das ich gerade mache. Es soll klischeehaft sein.


    [FONT="Lucida Console"]~ Prolog ~
    Kriegshunde

    Die Aufzeichnungen des Constable Johnson, Exzerpt
    (Aus dem Nachlass der Angehörigen)



    11. September
    Das Geräusch von Mücken an einem schwülen Sommerabend.
    Immer wieder. Man hört, wie sie kommen, hört, wie sie gehen, und weiß, sie
    kehren wieder, wenn man sie nicht erschlägt. Und irgendwann rammen sie ihre
    kleinen Rüssel in dein Fleisch, saugen dein Blut, als wäre es Wein.

    12. September
    Wenn man einen Tag später ins Tagebuch sieht, wird einem oft klar, was für einen
    Bullshit man fabriziert hat. Hatten Einsatz in den Wäldern. Die Rotoren im
    Rücken, Stunde für Stunde, irgendwann sind es nur noch Mücken im Ohr. Ein
    einziger großer Unterschied: Mücken kann man auch noch erschlagen, nachdem sie
    zugestochen haben. Gibt nur einen hässlichen Fleck auf der Uniform.

    13. September
    Es beginnt. Eine andere Einheit hatte Feindbegegnung, irgendwo im Dschungel,
    irgendwann, als sie es nicht erwartet haben. Ein Funkspruch ist alles, was von
    ihnen zurückgekommen ist. Jetzt fährt unser Boot den Fluss entlang, zu der
    Stelle, von der wir das letzte Lebenszeichen bekommen haben. Aufklärungsmission.

    16. September
    Der Mensch ist kein Schwein.
    Ein Schwein quiekt nicht vor Freude, wenn das Beil herabfällt. Wir dagegen,
    ausgelaugt von den verdammten Mücken auf dem Fluss und dem elenden Fraß, der
    aufgeweicht noch mal doppelt so abstoßend schmeckt, sind nahezu erleichtert, als
    ein Feuerstoß den Fährmann über die Brüstung in die ewigen Jagdgründe treibt.
    Einige Hände tief unter der Wasseroberfläche, die Projektile um uns herum,
    müssen wir die Zeigefinger in einem letzten Anflug von Beherrschung ruhig halten,
    wenn die Waffen mehr als einmal schießen sollen. Irgendwann steigen wir aus dem
    Schlamm, zwei werden sofort durchlöchert, die Frage nach der richtigen Stelle
    soll die letzte Entscheidung in ihrem Leben gewesen sein. Als der Feind erkannt
    hat, dass drei weitere durchgekommen sind, zieht er sich zurück. Nicht lange.
    Ich habe Glück, wenn ich morgen noch einmal schreiben kann.
    Der Mensch mag ein Schwein sein, aber der Soldat ist ein Hund. Ein Hund,
    der im Rausch den Mond anheult und tut, was sein Herr sagt, nur für einen
    lumpigen Knochen.

    17. September
    Das Schicksal ist launisch, und gestern hat es dafür gesorgt, dass unsere
    Ausrüstung ohne Angriffe trocknen konnte. Das Lager steht, wir sind bereit für
    einen Vorstoß. Wenn das Funkgerät nicht im Fluss gesunken wäre, hätte diese
    Mission sogar noch einen Sinn. So geht es nur noch ums Überleben.

    20. September
    Ist nicht so, dass ich noch nie jemanden umgebracht hätte. Messer, Gewehre,
    Pistolen, einmal sogar mit den bloßen Händen. Aber das heute war meine erste
    Granate. Nicht schlimmer als der Rest, aber anders. Du siehst sie nicht. Du
    wirfst einfach und hoffst, dass der Feuerball so viele Schweine wie möglich in
    den Tod reißt, während du hinter deiner Deckung hockst und wartest. Man sagt,
    das Schlimmste spielt sich stets im Kopf ab.

    18. September
    Man versteht die verdammten Hippies, wenn man den eigenen Arm ein letztes Mal
    spürt, bevor er sich in einen Schwall aus Blut und Muskeln verwandelt. Jetzt,
    einige Stunden später, ist es zwar nur noch ein notdürftig verbundener Stumpf,
    aber ich sehe den Moment, und werde ihn wohl immer spüren. Immerhin geht es mir
    besser als Jack. Jack muss sich keinen Kopf um seine Arme machen, um genau zu
    sein, wird er sich nie wieder einen Kopf um irgendetwas machen. Scheiß Zynismus.

    13. Oktober
    Ich habe heute, nach so langer Zeit, endlich verstanden, warum die Kriegshunde
    heulen. Es ist nicht der Mond und sie wollen auch keinen elenden Knochen. Sie
    wollen nur raus. Noch nicht, wenn man ihnen das erste Mal die Leine anlegt, auch
    nicht, wenn man sie loslässt.
    Aber mit der Zeit heulen alle Kettenhunde nur noch nach Freiheit.
    Und nach Leben.
    …[/FONT]


    "Prolog" im Sinne von Einleitung. Heißt, der Text ist abgeschlossen und soll auf ein bestimmtes Szenario einschwören.

    Geändert von La Cipolla (30.06.2008 um 04:45 Uhr)

  9. #9
    30 Seiten eines abgebrochenen Japanberichts.

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