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Ritter
Weiter gehts...
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In der Zentrale der Sekte war heute viel los, schließlich fanden bald die Wettkämpfe statt. Gralos, der Anführer der Klingensekte, folgte einem langen Gang, an dessen Ende sich eine schmiedeeiserne Tür befand. Aus den zahlreichen Seitengängen strömten Menschen aus allen Teilen des Landes, vor allem die Barbaren wollten ihre Kraft und Mut in den Wettkämpfen unter Beweis stellen. Sie hatten ihre Oberkörper mit der traditionellen Kriegsbemalung verziert, die ihr sowieso schon wildes Aussehen noch weiter zu steigern vermochte. Gralos grüßte freundlich, bevor er anfing, das Schloss an der Tür mit einem groben Schlüssel zu bearbeiten. Mit einem Klicken sprang das Schloss auf. Er öffnete beide Seitenflügel der Tür, betrat den Raum dahinter und stutzte. Ganz offensichtlich war er heute morgen nicht der Erste in seinem Büro. Ein Mann mittleren Alters saß vornüber gebeugt auf seinem Stuhl und durchsah ein paar Dokumente. Er hatte zerzaustes Haar und einen Bart, unter dem ein Amulett aus Silber und Eisen zu sehen war. Eine kleine Narbe direkt neben dem linken Ohr zierte sein Gesicht. Seiner Kleidung nach gehörte er zur Klingensekte, allerdings stammte diese Uniform aus einer früheren Zeitperiode und wurde nicht mehr hergestellt. Als sich die Tür öffnete, blickte er kurz auf und sagte:
„Machen Sie bitte die Tür zu, der Luftzug könnte sonst diese Dokumente in den Kamin blasen.“
Gralos war zunächst einmal sehr erstaunt, gelinde gesagt. Niemals zuvor in seiner Laufbahn als Sektenmitglied war ihm eine solche Dreistigkeit widerfahren. Der Kodex der Klingensekte regelte zwar nicht den gegenseitigen Umgang zwischen den Mitgliedern, allerdings wussten alle, wie sie sich ihren Vorgesetzten gegenüber zu verhalten hatten. Dieser Mann schien von den gebräuchlichen Umgangsformen allerdings noch nie etwas gehört zu haben. Ohne ein Wort griff der ältere, stämmige Mann an seine Hüfte und sauste mit einer beachtlichen Geschwindigkeit um den Schreibtisch. Plötzlich hatte der Eindringling eine Klinge an seiner Kehle, noch bevor er einen Finger rühren konnte.
„Finger weg von den Schriftstücken! Ich hoffe für Sie, dass Sie für ihr Verhalten eine gute Erklärung haben!“
Der Fremde verzog bei jedem Wort das Gesicht, offensichtlich schmerzte ihn die Lautstärke des Anführers. Dann beobachtete er aus den Augenwinkeln interessiert die ein, zwei Blätter, die durch die Luft wirbelten und von den Flammen verzehrt wurden.
„Na, hab ich es nicht prophezeit?“ bemerkte der Fremde mit einem frechen Gesichtsausdruck.
Gralos machte seine Position deutlicher, indem er den Dolch stärker an den Hals presste: „Ich höre!“
„Ok, ok, wer wird denn gleich?“
Er machte eine abwehrende Geste.
„Berichte über unsere berühmte Gastfreundschaft sind wohl hoffnungslos übertrieben. Mein Name ist Pedor. Sie haben nach mir geschickt.“
Gralos lockerte seinen Griff, allerdings ließ er ihn nicht los.
„Was haben Sie in meinen Sachen zu suchen?“
„Hey naja, ich muss doch wissen, wie die Dinge so stehen, schließlich war ich schon lange nicht mehr hier und...“
Gralos verstaute mit einer schnellen Bewegung den Dolch, griff unter die Arme des dreisten Sektenmitgliedes und beförderte ihn mit einem eleganten Wurf über den Tisch. Der blieb vor dem zweiten Stuhl in dem Büro des Anführers liegen, schüttelte seinen Kopf, stand schnell auf und ordnete sein Gewand.
„Verdammt nochmal, ihr müsst echt lockerer werden... wenigstens sind eure Böden sauber.“
Pedor sammelte die Dolche ein, die aus diversen Verstecken seiner Lederrüstung herausgefallen waren und nun im Zimmer verstreut lagen. Danach nahm er auf dem Stuhl Platz, der vor dem Schreibtisch stand, nicht ohne noch ein paar unflätige Bemerkungen in den Bart zu murmeln. Gralos würdigte sein Benehmen keines weiteren Kommentars. Er hatte unterdessen seine Blätter mit Schnüren zusammengebunden und festgestellt, welche Dokumente im Feuer verbrannt waren. Er musterte Pedor mit einem durchdringenden Blick, bevor er sich ebenfalls setzte und sich einen Becher Wein aus einem Krug auf dem Tisch einschenkte. Er nahm einen Schluck und warf seinem Gegenüber einen Blick zu, der Eisen hätte schmelzen können.
„Sie sind also... Pedor. Der große Held von Duncraig. Der große Held von damals.“
Bei dieser Bemerkung bekam Gralos kleine Dolche aus den Augen des Kämpfers entgegengeschossen, die der Sektenführer mit einer Wand der Gelassenheit abblockte.
„Sie haben damals laut Bericht eine Schmugglerbande aus dem Untergrund vertrieben, deren Anführer der sogenannte Steinspalter war, ein Golem mit einer magischen Kriegsaxt... und einem Gehirn. Welcher kranke Tor hat denn da seine Zauberkünste getestet? Aber das tut hier nichts zur Sache.“
Er ließ die Dokumente sinken, in denen er soeben nachgelesen hatte und fuhr fort:
„Wirklich beeindruckend. Warum sind Sie so lange untergetaucht? Sind Ihnen die vielen Autogrammjäger zuviel geworden?“
Pedor schnaubte verächtlich. „Nein, die Sache liegt etwas anders. Ich dachte eigentlich, dass euer Informationsdienst besser arbeitet.“
Er machte eine kurze Pause, die er nutzte, um mit den Augen zu rollen.
„Ich wurde bei dem Kampf mit dem Golem ziemlich schwer verwundet und musste mich gesund pflegen. Ich wäre beinahe an einer Infektion gestorben. Diese Kriegsaxt war mit allen möglichen Erregern überzogen, und leider bin ich einem Hieb einen Tick zu spät ausgewichen... Seit zwei Jahren trainiere ich jetzt wieder, und ich möchte behaupten, dass ich meine alte Form wiedergefunden habe.“
Zack! Schon steckte ein Dolch genau zwischen den Augen eines ausgestopften Bärenkopfes, der über dem Kamin hing. Pedor hatte wohl der Versuchung nicht widerstehen können, seine Fähigkeiten zu demonstrieren. Er grinste zufrieden.
„Sehen sie, der wäre jetzt tot.“
Gralos´ Gesicht nahm einen genervten Ausdruck an.
„Der war schon tot!“
Er griff hinter sich und zog den Dolch aus dem Fell, bevor er ihn Pedor zurückgab.
„Sehen sie in Zukunft davon ab, meine Inneneinrichtung zu beschädigen, in Ordnung?“
Pedor machte seinem Vorgesetzten ein Zeichen, das soviel aussagte wie „Alles klar, Chef“, bevor er nach der Klinge griff und den Dolch verstaute. Gralos hoffte, diesen Kerl nicht mehr lange ertragen zu müssen. Aber er brauchte ihn. Er holte tief Luft und fuhr fort:
„Das ist ja ganz nett, aber wie sieht es denn mit beweglichen Zielen aus, die kleiner sind und weiter weg... und vor allem lebendig?“
Pedor stand auf und trat ans offene Fenster. Das Hauptquartier befand sich auf einem Plateau in den Bergen. Die Aussicht von hier war faszinierend, aber er richtete sein Augenmerk auf den Boden, der sich ziemlich tief unten befand.
„Welche Ameise soll dran glauben? Die haben alle keine Chance davonzukommen.“
Gralos verdrehte die Augen. Vielleicht gab es ja doch einen Ersatzmann, irgendwo... irgend jemand... wenn man nur lange genug suchte...
„Lassen Sie den Blödsinn und kommen Sie wieder her. Ich habe einen Auftrag für Sie.“
Pedor schien für einen Moment wie erstarrt zu sein, bevor sein Gesichtsausdruck sich veränderte. Man konnte direkt zusehen, wie seine Gedanken zu fliegen begannen. Er drehte sich um und holte einen kleinen Stein heraus, mit dem er anfing, einen besonders schönen Dolch zu schärfen. Er hatte ein interessantes Emblem auf dem Griff und zwei Edelsteine waren direkt darüber eingelassen.
„Wissen Sie“, begann er, während er mit dem Stein an der Schneide vorbeifuhr, „ich mag vielleicht der beste Dolchwerfer von diesem Laden hier sein, aber die Zeiten meiner großen Heldentaten sind vorüber. Nach meiner Verletzung wollte ich eigentlich keinen Dolch mehr in die Hand nehmen.“
Sein Gesicht nahm einen fremden Ausdruck an. Gralos lehnte sich zurück. Er wollte diese Story genießen.
„Das änderte sich allerdings, als meine Lebensgefährtin eines Tages in den Wald ging, um Wurzeln zu suchen. Wurzeln, die meine Verwundung heilen sollten. Sie - kam dort um.“
Pedor machte eine Unterbrechung und schluckte. Er ging ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu. Dabei achtete er ganz genau auf die Reaktion seines Gesprächspartners. Der allerdings setzte eine versteinerte Miene auf. Etwas leiser fuhr er fort:
„Da allerdings niemand den Vorfall beobachtet hat... jedenfalls will es keiner gesehen haben... weiß ich nicht mal, wer ihr das Leben genommen hat. Ich habe nur Rache geschworen. Rache gegen irgend etwas, irgend wen, gegen alle... und niemand.“
Er steckte den Dolch und den Stein zurück in sein Wams. Mit beiden Händen stützte er sich auf den Tisch und schaute Gralos direkt ins Gesicht, bevor er mit zornverzerrter Stimme fortfuhr:
„Als diese Horrorgestalten vor einigen Monaten auftauchten, kamen sie mir gerade recht, meiner grenzenlosen Wut freien Lauf zu lassen. Ich schlachtete so viele ab, wie ich nur konnte, doch es wurden immer mehr, sie wurden immer stärker. Ich verbesserte meine Technik, ich tötete weiter, und weiter...“
Er setzte eine verbitterte Miene auf. Der Sektenführer glaubte sogar, in Pedor´s Augenwinkel eine Träne zu erkennen.
„Ich bin müde... müde des Tötens. Es hat mich selbst fast zu einem lebenden Zombie gemacht... Ich bin selbst nur noch ein Monster.“
Pedor ließ sich zurück in den Stuhl fallen. Allerdings war der starke Mann von vorhin kleiner geworden, gebeugt von der Gram seines Schicksals. Die Unverschämtheit und aufgesetzte Fröhlichkeit verbarg nur seinen Schmerz. Innerlich war er gebrochen. Jedenfalls wollte er das glauben machen. Und Eisenhammer, wie ihn seine Untergebenen hinter seinem Rücken nannten, war schon zu lange Anführer, um solch ein Schauspiel nicht zu durchschauen. Allerdings war ein Krieger, dem die Motivation zu kämpfen fehlte, eine Gefahr für die Mission, die er für ihn vorgesehen hatte. Und er konnte ihn auch nicht so mir nichts dir nichts aus der Sekte verbannen, schließlich war er ein Held für die neuen Mitglieder. Zum Glück kennen sie nicht seinen wahren Charakter, dachte Gralos. Er seufzte und betrachtete das lodernde Feuer im Kamin. Seltsamerweise waren gerade die Dokumente verbrannt, in denen haarklein die Aktivitäten seines Gegenüber in den letzten Jahren festgehalten worden waren. Immer wieder gab es Sektenmitglieder wie ihn, die lediglich die Einrichtungen und Vorzüge der Sekte ausnutzen, ohne eine Gegenleistung erbringen zu wollen. Nicht ohne sich innerlich mit aller Kraft dagegen zu wehren, tat er ihm den Gefallen.
„Wenn dem so ist, dann entbinde ich Sie von Ihrer Aufgabe. Ich kann keinen Mann gebrauchen, der in einer schwierigen Situation zusammenbricht. Sie dürfen gehen. Aber vergessen Sie niemals: ich habe ein Auge auf Sie.“
Pedor hatte den Kopf gesenkt und stumm die letzten Sätze aufgenommen. Irgendwo unter dem Haarschopf murmelte eine Stimme:
„Vielen Danke, Gralos. Sie sind ein weiser Mann. Es ist nicht so, dass ich der Sekte nicht dienen wolle, aber ich bin wohl im Moment emotional zu instabil. Vergebt mir.“
Eisenhammer hatte den Mann im antiken Sektengewand gerade erwürgt, allerdings nur in seiner Phantasie. Pedor erhob sich langsam und schlich zur Tür, die er anschließend sachte hinter sich schloss. Er sah hoch und ließ ein breites Grinsen des Triumphes erkennen.
Der Kämpfer trat vor das große Anwesen der Sekte und erfreute sich an dem schönen Sonnentag. Die Besucher gingen rechts und links an ihm vorbei auf dem Weg zu der Anmeldestelle für den Wettbewerb. Pedor zog die frische Luft ein und schaute interessiert den attraktiven Kriegerinnen nach. Er dachte an die amüsanten Tage, die seiner Ansicht nach vor ihm lagen und schlenderte die Treppe hinab.
Geändert von RPG-Süchtling (29.01.2003 um 06:27 Uhr)
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