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Schwertmeister
Kapitel VIII
Am folgenden Tag erzählte mir meine Mutter, dass sie mir meine Geschichte glaubte. Leider half mir das auch nicht weiter, da mein Vater fest davon überzeugt war, dass es so war, wie Cordelia es dargestellt hatte. Doch nach einer Weile krähte kein Hahn mehr danach. Das lag vielleicht auch daran, dass ich in dieser Zeit nichts von Cordelia hört.
Ich genoss die Zeit und widmete mich wieder Franziska, die ich etwas vernachlässigt hatte. Es war eben nicht einfach gewesen, aber sie machte mir deswegen keine Vorwürfe. Sie war sogar froh gewesen, sich etwas mehr um ihre Mutter kümmern zu können. Dieser ging es, für ihre Verhältnisse, wieder besser. Und dies schlug sich natürlich auch auf das Gemüt von Franziska nieder. Franziska strotze nur so vor guter Laune und Fröhlichkeit, so hatte ich sie selten erlebt.
Doch wir irrten uns, wenn wir dachten, die Geschichte mit Cordelia wäre erledigt gewesen. Es schien nur so wie eine Art Waffenstillstand. Doch der Kampf sollte heftiger wieder entfacht werden, als er bisher war.
Mittlerweile war es schon gut zwei Wochen her, seit ich das letzte Mal etwas von Cordelia gehört hatte. Und ich war froh darüber. Ich hatte sie und die Probleme, die sie mir bereitet hatte, schon fast vergessen. Auch mein Vater hatte schon fast wieder vergessen, was ein paar Wochen zuvor geschehen war. Obwohl er es mir in den ersten Tagen nach dem Zwischenfall schwerer machte, beruhigte sich die Lage bald wieder. Mittlerweile war die Arbeit für mich wie ein Kinderspiel. Die Anstrengung, mit der sie verbunden war, war kaum der Rede wert, und auch an diesem Tage verflog die Zeit wie im Fluge. Das ersehnte Ende des Arbeitstages war schnell erreicht und es war Zeit für andere Dinge.
Mit anderen Dingen meinte ich natürlich einen Besuch bei Franziska. Da die Arbeit an diesem Tag eh sehr spärlich war, kam ich sogar schon am späten Nachmittag statt am Abend bei ihr an.
Wie fast immer saßen wir bei ihr in der Küche. An jenem Tag köchelte nichts vor sich hin. Aber da die Sonne noch hoch stand, war der Raum wirklich hell erleuchtet. Das Licht blendete mich, denn derart grelles Licht war ich nach den ewigen Arbeitsstunden in der dunklen und staubigen Schreinerei nicht mehr gewöhnt.
„Sollen wir ein wenig nach draußen gehen? Es ist heute noch ziemlich hell, außerdem ist heute wieder ein schöner Tag!“, meinte Franziska und klammerte sich an mich. Ich legte meinen Arm um sie und meinte dann: „Wieso nicht? Gehen wir raus, aber wohin nur?“
Sie überlegte kurz und meinte: „Wie wär’s so ein wenig durch die Stadt zu laufen. Ein kleiner entspannender Spaziergang. Wir önnen ihn ja noch weiter ausdehnen, wenn wir wollen!“ „Die Idee find ich gut. Zu so etwas komme ich ja so gut wie gar nicht mehr!“, antwortete ich ihr und lachte sie an.
Kurze Zeit später befanden wir uns schon auf einem längeren Spaziergang. Ich genoss es mal wieder in Ruhe durch unser Dorf zu laufen, die frische Luft einzuatmen und die Gegend zu betrachten.
In der Zwischenzeit war es Winter geworden. Der Anblick der schneeverhangenen Dächer beruhigte mich irgendwie. Das ganze Dorf in diesem Weiß machte es zu einem märchenhaften Anblick. Aber mit diesem wunderbaren Anblick kam noch etwas Anderes, Unangenehmes. Die Kälte. Die Kälte, die im Winter nun mal so herrschte. Die Wege waren teilweise vereist, so dass wir einige Male beinahe ausgerutscht wären. Dennoch schafften wir es, nicht hinzufallen.
Nachdem wir sicherlich ein, zwei Stunden gelaufen waren, fühlte ich mich wie neu geboren. So etwas hatte ich schon lange nötig gehabt. Letztendlich liefen wir zur Waschquelle. Ich wollte ein wenig Ruhe für mich und Franziska, doch auf unseren Hügel wollte ich nicht gehen. Der Ort erinnerte mich auch an Cordelia, und an sie wollte ich im Moment nun wirklich nicht denken.
Die kleine Quelle war zugefroren und von dem einstmals grünen Gras war nichts mehr zu erkennen, nur noch der weiße Schnee, der über ihm lag. Das Schilf, das um die Quelle herum wuchs, war auch nicht mehr so prächtig wie zuvor. Die meisten Schilfrohre waren abgeknickt unter der Last des Schnees. Nur einige ragten noch vereinzelt in die Höhe. Aber im Sommer würden die Pflanzen ja wieder kommen.
Dass dieser bisher schöne Wintertag ein weitaus weniger schönes Ende nehmen sollte, das wussten ich und Franziska zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Leider ging die Zeit an der Quelle viel zu schnell vorbei. Und damit die Zeit, in der wir uns in den Armen lagen und uns küssten wie schon seit einer langen Zeit nicht mehr.
Wir genossen diese zärtlichen Momente in vollen Zügen. Aber wie schon zuvor in der Schreinerei verging die Zeit schneller, als uns bewusst wurde, und so wurde es immer dunkler, bis es stockfinster war. Da es Winter war, ging es sogar noch schneller. Nur der große runde Vollmond spendete uns noch Licht.
Unbeschwert und in völliger Ruhe schlenderten wir dann auch wieder in Richtung von Franziskas Familienhaus. Als wir so den Weg entlang gingen und uns dabei gegenseitig wärmten, merkten wir nicht wie uns jemand seit Verlassen der Quelle gefolgt war. Dieser Jemand folgte uns wie ein Schatten. Ein Glücklicher Zufall macht mich auf die Person aufmerksam, denn ich rutschte auf einer kleinen Eisplatte aus und es legte mich aufs Kreuz. Als ich meine Augen wieder öffnete dauerte es erst eine Weile bis ich registriert hatte wo ich war.
Als ich wieder wusste wo ich war sah ich für einen Sekundenbruchteil den Schatten hinter einem Baum vorbei huschen. Franziska half mir auf und fragte wie es mir denn gehen würde. Mit einen platten "Es geht schon." antwortete ich auf Franziskas Frage. Ich drehte mich um und gang auf die Bäume zu, in den ich den Schatten sah.
„Ist hier wer?“, rief ich halblaut in die Dunkelheit. Eine Antwort bekam ich verständlicherweise nicht und Franziska sah mich nur fragend an. „Hier ist noch jemand!“, meinte ich fast schon flüsternd zu ihr. Ein wenig erschrocken sah sie mich an.
Ich vernahm schnell hastige Schritte die sich von uns entfernten und dann sah ich auch den Schatten. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte so schnell wie möglich dem Schatten hinterher. Zum meinem Glück war ich schneller und als ich die unbekannte Person fast erreicht hatte, setzte ich zum Sprung an und riss die unbekannte Person und mich zu Boden.
Franziska kam nun auch langsam, sie war nicht so schnell und konnte mit ihrem Rock auch nur spärlich rennen. Während ich versuchte, aufzustehen, sah ich mir an wen ich da zu Fall gebracht hatte, doch ich konnte kaum etwas erkennen. Die Tatsache, dass es nicht mehr sonderlich hell war und die Person dunkle Kleidung trug, waren die Hauptgründe dafür.
Doch als das Mondlicht etwas günstiger fiel konnte ich erkennen wer es war. Als ich einige blonde Haare erkannte, wurde mir schlagartig bewusst, wer uns die ganze Zeit über gefolgt war. „Cordelia!“
Nachdem ich das gesagt hatte, riss sie sich von mir los, denn ich hatte sie immer noch am Arm festgehalten. Jetzt konnten Franziska und ich sie im fahlen Schein des Mondes gut erkennen. Sie sagte nichts, sondern starrte nur wütend auf Franziska. Die Blicke, die sie ihr zuwarf, gefielen mir nicht.
„Wieso hast du uns verfolgt und beobachtet?“, stieß ich grimmig hervor. Cordelia setzte seelenruhig die Kapuze ihres Gewandes ab und meinte eben so seelenruhig zu mir: „Das kann dir doch egal sein, oder?“
Ich trat 2 Schritte näher an sie heran und packte sie an den Schulter: „Nein, kann es mir nicht. Wieso stielst du dich hinter uns her?“ Cordelia sah auf meine Hand, die ihre Schulter festhielt. „Ich an deiner Stelle würde lieber los lassen! Du weißt ja, ich sitze am längeren Hebel. Dank meinem Vater!“, meinte sie immer noch recht gelassen.
Franziska legte nun ihre Hand auf meine Schulter und versuchte mich auf diese Weise dazu zu bewegen, sie los zu lassen, was ich dann auch tat. „Schon viel besser. Dann muss ich meinem Vater wohl doch nichts von dir erzählen, Raphael!“, meinte sie während sie uns eines ihrer fiesen boshaften Grinsen schenkte.
Mittlerweile hatte ich dann auch wieder meine Wut auf sie im Griff. Sie schob den Ärmel ihres Gewandes ein wenig nach oben und entdeckte, dass sie sich bei dem Fall eine Schürfwunde zugezogen hatte. Sie fuhr ein wenig mit ihren Fingern über die kleine Wunde und dann verzog sie ihr Gesicht. „Autsch, das tut verdammt weh. Danke Raphael“, meinte sie immer noch absolut gelassen.
„Selbst Schuld. Hättest uns ja nicht verfolgen müssen“, gab ich ihr zurück. Sie lächelte nur hämisch zurück. „Ich könnte ja auch zu meinem Vater gehen und ihm sagen, dass es deine Schuld war. Und dass du das mit Absicht gemacht hast. Da würde sich deine Familie doch sicher freuen oder?“
„Das würdest du nicht wagen!“, meinte ich nur mit einem genauso hämischen Grinsen. Ihr Grinsen wurde noch fieser, was ich eigentlich für nicht möglich gehalten hatte. „Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte sie mich provokant.
Ihre Antwort verunsicherte mich in einem ungewöhnlich hohen Maße. Ich war mir nicht mehr sicher, ob sie nicht doch das Zeug dazu hatte, meine Familie in den Ruin zu treiben. Doch nur einige Sekunden später war es dann klar. „Du hast mir klar zu verstehen gegeben, dass du mich nicht willst. Also was hab ich zu verlieren? Nichts. Du hingegen alles!“
Mit diesem Argument löste sie einige Ängste in mir aus und nahm mir meine ganze Sicherheit die ich hatte. Allerdings löste das Argument noch etwas anderes aus. Franziska, die bisher nur im Hintergrund gewesen war kochte nun langsam auch vor Wut. Sie schnellte einige Schritte nach vorn und stand nun vor mir. Und sie sah Cordelia direkt in ihre Augen. So aufbrausend habe ich Franziska noch nicht erlebt. So war sie nicht Mal an dem Abend, an dem Cordelia uns versucht hat mit einem Kuss auseinander zu bringen.
Franziska verpasste Cordelia eine Ohrfeige die sich gewaschen hatte. Selbst die, die sie mir damals gegeben hatte, war nichts im Vergleich zu dieser gewesen. „Was glaubst du, wer du bist? Das du dir anmaßt, mit den Menschen und ihren Gefühlen zu spielen wie mit Puppen. Ohne euer Geld und euren Einfluss wärt ihr auch nur eine ganz normale Familie in unserem Dorf!“, keifte Franziska sie an.
Cordelia sah sie nun schief von der Seite an. „Was maßt du dir an mich zu schlagen!“, gab sie zurück. Nun musste ich Franziska zurück halten damit sie nicht auf Cordelia losging. Cordelia musste bei diesem Anblick spöttisch kichern.
„Auch wenn ich diesen Anblick urkomisch finde, ich wollte dir noch eines sagen, Franziska“, als sie Franziskas Namen aussprach legt sie noch alle ihren Zorn und ihre Abscheu die sie empfand mit in dieses Wort, „Glaube bloß nicht, dass es dir besser geht. Dir kann ich genauso gut schaden und ich werde bei dir keinen Halt machen. Du hast ihn mir gestohlen, und wenn ich ihn nicht haben kann, soll ihn niemand haben!“
Nach diesen aussagekräftigen Worten drehte sie uns den Rücken zu. „Glaub du bloß nicht, dass du dir wegen deinem Vater alles erlauben kannst. Irgendwann wird es dich auch noch treffen, das garantiere ich dir!“, schrie Franziska ihr zu, während Cordelia sich von uns zum Gehen abwandte.
Von Cordelia die sich mit schnellen Schritten von uns entfernte, konnten wir nur noch ein höhnisches Schnauben vernehmen. Wir drehten ihr dann auch unsere Rücken zu und machten uns auf den Heimweg.
Auf dem Weg redeten wir noch weiter über dieses unheildrohende Zusammentreffen. „Die denkt doch tatsächlich, sie wäre aller Welt überlegen“, grummelte Franziska vor sich hin. „Leider ist sie überlegen. Zwar nicht der ganzen Welt, aber uns ist sie es!“ „Was glaubst du wird sie nun unternehmen?“, fragte sie, leicht um mein Wohl besorgt. „Ich weiß es nicht, so gern ich es auch wüsste. Ich weiß nur, dass wir sehr vorsichtig sein müssen. Cordelia ist ein Gegner, den man auf gar keinen Fall unterschätzen sollte. Den Fehler habe ich einmal gemacht und mit Schlägen von meinem Vater bezahlt.“
Franziska warf mir einige furchtsame Blicke zu. Sie wusste scheinbar nicht so ganz, was nun zu tun war. Doch wir konnten nichts tun, außer abwarten und vorsichtig sein. Sie klammerte sich ganz fest an mich. „Ich will nicht, dass dir etwas passiert!“, meinte sie. „Ich mache mir mehr sorgen um dich! Diese Frau wird vor nichts zurückschrecken. Du musst auf dich aufpassen. Ich weiß nicht, was sie sich alles an hinterhältigen Dingen ausdenken würde!“, entgegnete ich ihr besorgt.
Wir hatten ihr Elternhaus erreicht und mussten uns dann für heute trennen. Ich wollte das nicht, denn ich hatte eine düstere Vorahnung, dass etwas passieren würde. Und es würde auch einiges geschehen.
„Ich möchte dich nicht verlassen!“, sagte ich zu ihr mit schon fast weinerlicher Stimme. Sie sah mir tief in die Augen. „Ich will auch nicht. Aber da können wir wohl einfach nichts machen!“, antwortete sie mir sanft und gab mir einen Kuss auf die Lippen, „Wir können uns ja morgen wieder sehen!“
„Morgen!“, antwortete ich ihr und nahm sie noch einmal fest in den Arm. Danach trennten wir uns sie ging ins Haus und ich machte mich auf den Heimweg. Auf meinem Weg nach Hause machte ich mir Gedanken über den heutigen Tag. Doch je länger ich über die Ereignisse nachdachte, desto mehr sorgte ich mich um Franziska. Ich hatte ein ungutes Gefühl im Magen. Und wie sich herausstellen sollte war dieses Gefühl berechtigt.
Dieser Abend sollte sich als der Anfang vom Ende herausstellen.
So mal wieder wa sneues zum lesen mal sehen wi ihr euch drüber freut.
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