Wie von mir und Oli versprochen brandneu das Kapitel 5. Ich wünsch viel Spaß beim lesen und kritisieren.

Kapitel V

Einige Wochen verstrichen, in denen Franziska und ich uns abends gelegentlich trafen. Mit der Zeit gewöhnte ich mich auch immer mehr an die harte Arbeit - aber nicht nur das, auch der Gedanke, dass ich Franziska bald wieder sehen würde, hielt mich aufrecht. Die Härte ließ zwar kein bisschen nach, eher wurde es noch anstrengender, doch macht mir diese Knochenarbeit kaum noch etwas aus. Immer öfters kam es sogar vor, dass ich, wenn ich nach Hause kam, noch eine ganze Menge Elan und überschüssige Kraft besaß. Sowohl meine Kondition als auch meine Konstitution verbesserten sich in diesen Wochen schlagartig.
Doch wie alles sollte auch dies ein Ende finden, und zwar durch einen Besuch. Durch den ungewöhnlichen Besuch einer unerwarteten Person.
An jenem Abend kam ich viel früher als gewöhnlich nach Hause. Der Grund dafür war, dass es in der Schreinerei, so komisch das auch klingen mag, fast keine Arbeit gab, es wunderte mich immer noch, dass es selbst solche Tag in der Schreinerei gab.
Normalerweise hätte ich mich an diesem Tage mit Franziska getroffen bevor ich Heim gegangen wäre, doch es war an diesem Tag nicht möglich gewesen. Ihre Mutter hat sehr hohes Fieber bekommen und aus diesem Grund wollte sie sich an diesem Abend um ihre Mutter kümmern. Ich verstand ihre Einstellung und meinte, dass sie das ruhig tun sollte, denn wir könnten uns ja noch ein andermal treffen, daher wäre es auch nicht schlimm wenn sie mal keine Zeit für mich hätte.
Daraufhin hatte ich beschlossen, mich mal wieder richtig auszuruhen. Doch wie das Schicksal so spielt, sollte ich an diesem Abend noch eine ganze Weile auf den Beinen gehalten werden.
Ich öffnete die Tür unseres Hauses und stand noch gar nicht richtig im Haus als mir meine Mutter entgegen kam. „Raphael, du hast Besuch! Sie wartet in deinem Zimmer auf dich“, meinte sie zu mir. Ich war erst mal wie angewurzelt. Sie?! Da musste ein Mädchen auf mich gewartet haben, aber wer denn bloß? Franziska konnte es unmöglich sein, denn ich glaubte kaum, dass es ihrer Mutter so schlagartig wieder besser gehen würde. Aber wer war es dann, wenn nicht Sie?
Meine Neugier trieb mich an. Langsam öffnete ich die Tür zu meinem Bettraum. Ich wollte die Tür zwar so leise aufmachen das die auf mich Wartende nicht aufmerksam wurde, jedoch knarrte die Tür so lautstark das selbst ein Tauber aufgeschreckt wäre.
Ich betrat den kleinen Raum, den ich mein eigen nennen konnte. Die Wartende saß auf meinem Bett und drehte nun ihren Kopf zu mir. Mir stockte der Atem, als ich erkannte wer dort auf mich gewartet hatte.
Ihr Name war Cordelia und sie war die Tochter unseres Ehrenbürgers, unseres Reichen Wohltäters. Ich hatte sie nur einmal vor langer Zeit getroffen, sie war mit ihrem Vater in die Schreinerei gekommen. Ihr Vater wollte sehen, wie die Arbeit so lief. Damals war ich noch recht klein gewesen, mein Vater hatte mich mitgenommen um mir seinen Arbeitsplatz und auch meinen späteren Arbeitsplatz zu zeigen. Daher wusste ich auch nicht viel von ihr, nur wer sie war. Sie war zwar älter geworden, doch ich erkannte sie wieder. Sie sah mich an und lächelte mir zu, doch ihr Lachen war anders als das von Franziska. Es lag viel weniger Wärme in diesem Lächeln. Aber sie war ja auch ein ganz anderer Mensch, nicht zuletzt durch ihre Herkunft.
Die einzigen Gemeinsamkeiten der beiden waren, dass sie beide Mädchen und sehr hübsch waren. Aber das waren dann auch schon die Gemeinsamkeiten der beiden. Auch äußerlich gleichen die beiden sich wie ein Hund und eine Katze. Cordelia hatte schulterlanges, goldblondes Haar das sie zu einem Zopf gebunden hatte. Stechende giftgrüne Augen und allgemein ein kantiges Gesicht. Zudem war sie sicher auch etwas größer als Franziska.
Immer noch sah sie mich mit ihren grünen Augen an und ebenso wunderte ich mich immer noch, dass sie hier war und es hämmerte sich eine Frage in mein Bewusstsein. Was wollte sie von mir???
Sie stand auf und sah mir direkt in die Augen während sie mich begrüßte: „Hallo Raphael!“ Ich hatte dabei das Gefühl, als ob sie jede noch so kleine Reaktion von mir erkennen wollte. Nachdem einige Minuten vergingen und keine Reaktion von mir kam, weil ich verdutzt da stand, erhob sie erneut ihre hohe Stimme jedoch dieses Mal mit einem leicht aggressiv klingendem Unteron: „ Lass uns ein wenig Spazieren gehen, Raphael!!“
Ich wusste nicht, was ich ihr darauf antworten sollte, doch ich nickte einfach nur stumm. Es wäre sicherlich ein Fehler gewesen, der Tochter eines so einflussreichen Mannes und zugleich auch Arbeitgebers zu widersprechen oder sie gar wütend zu mache. Ich wollte es ja nicht riskieren, meine Familie in die Armut zu treiben, und wenn Cordelia bei ihrem Vater schlecht über uns reden würde, hätte sich das sehr schnell.
Sie schnappte sich meinen Arm und zog mich aus dem Zimmer heraus und auf unsere Haustür zu. „Ich bin eine Weile weg, Mutter!“; schrie ich ins Haus hinein, in der Hoffung, dass sie meine Worte vernommen hatte.
Draußen war es schon dunkeler geworden und die Sonne tauche den Himmel in eine unbehagliche Abendröte. Die Wege in unserem Dorf waren wie leergefegt, was aber auch verständlich war. Nach einem arbeitsreichen Tag, und jeder Tag außer Sonntag war ein arbeitsreicher Tag, würde keiner mehr freiwillig spazieren gehen, dazu fehlten jedem die Kraft und der Nerv. Noch dazu kam, dass es ja auch schon dunkel wurde.
Gemütlich liefen wir nebeneinander her und unterhielten uns über alles Mögliche, doch meine Frage, wieso sie denn zu mir gekommen war und was sie überhaupt wollte, lag mir nach wie vor auf der Zunge.
Aus diesem kleinen Spaziergang wurde doch ein größerer und irgendwann konnte ich dann auch meine Frage hervor bringen. „Cordelia, warum kamst du eigentlich zu mir? Wieso hast du so lange auf mich gewartet?“ Sie sah mich an, dann kam sie mir auf einmal näher und fiel mir um den Hals und meinte nur schnippisch: „Weil ich dich mag, Raphael!“
Ihre Antwort lähmte mich. Eigentlich hatte ich mir erhofft durch die Antwort Klarheit zu bekommen, doch das Gegenteil war passiert; Ich war noch verwirrter als zuvor. Ich glaubte zuerst, mich verhört zu haben. Sie, die Tochter eines reichen und einflussreichen Mannes, gab sich mit gewöhnlichen Dörflern ab und um dem Ganzen noch eines drauf zu geben, mochte sie mich sogar. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Nun hing sie an mir hing wie eine Klette und schmiegte sich an mich, mich jedoch ließ das alles kalt. Irgendwann kam mir dann eine weitere Frage die ich ihr auch gleich stellte: „ Weiß eigentlich dein Vater wo du bist und dass du mich magst?“ Das letzte Wort brachte ich kaum über meine Lippen. Sie stellte sich vor mich, hielt mich an und versperrte mir sämtliche sicht nach vorn. „Also ich wird es ihm nicht sagen, wenn du es ihm nicht sagen wirst!“, meinte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dann lief sie an mir vorbei und rannte in Richtung ihres Zuhauses, der Villa ihres Vaters.
Erst nun bemerkte ich das Cordelia mir den Blick auf eine weit hinter ihr stehende Person versperrt hatte. Es war Franziska die dort gestanden war und aus ihrer sicht wird das alles anders ausgesehen haben als es tatsächlich war.
Sie drehte sich um und entfernte sich mit schnellen, hastigen Schritten von mir. Ich rannte ihr sofort hinterher, um sie noch schnellstmöglich einzuholen. Ich musste ihr sagen, was sich wirklich zugetragen hatte.
Sie einzuholen, war mit großer Anstrengung verbunden, doch ich schaffte es und hielt sie an der Schulter fest. Ein lautes Klatschen war zu hören. Franziska hatte sich ruckartig umgedreht und mir noch im Schwung eine Ohrfeige verpasst. Die Stellen in meinem Gesicht färbte sich rot an denen sie mich getroffen hatte. Es schmerzte auch, doch das war mir im Moment egal und reine Nebensache.
„Franziska, es ist nicht so wie du denkst“, versuchte ich einzuleiten. Wütend starrte sie mich an. „Lass es mich dir erklären“, redete ich auf sie ein. „Na dann, erklär mal!“, fauchte sie mich an. Ich wusste bis dahin nicht wie aggressiv sie werden konnte, wahrscheinlich hatte sie doch so einiges von ihrem Vater was man auf den ersten Blick nicht vermuten würde.
„Also….“, begann ich und wusste noch gar nicht so recht wo ich überhaupt beginnen sollte, „Das eben war die Tochter des Schreinereibesitzers.“ „Und weiter?“, unterbrach sie mich scharf. „Jetzt lass mich doch erst mal zu Ende erklären“, meinte ich schon fast der Verzweiflung Nahe, „Sie hatte bei mir auf mich gewartet. Ich begriff nicht, was sie von mir wollte. Dann zerrte sie mach nach draußen und meinte wir sollten ein Stück spazieren gehen. Wir liefen fast durch das ganze Dorf und redeten miteinander.“
In ihren Augen sah ich, dass sie mir kein Wort zu glauben schien. Sie dachte sich wohl, dass ich mir die ganze Geschichte aus den Fingern gesogen hätte. Es wollte mir einfach kein Weg einfallen wie ich sie von der Wahrheit meiner Worte überzeugen konnte.
„Du glaubst mir kein Wort oder?“, fragte ich sie. „Wieso sollte ich auch?“ „ Franziska, ich liebe dich und um nichts auf der Welt würde ich dich verlieren wollen.“ Verzweiflung und Angst lagen in meinen Worten, die Angst sie verlieren zu könne. Sie schien meine Verzweiflung und meine Angst zu spüren, nichts desto trotz blieb sie noch skeptisch. Das konnte ich ihr auch nicht verübeln.
„Dann sag mir was war das eben?“, meinte sie mit Skepsis und sah mich fragend an. Einen kurzen Augenblick überlegte ich noch was ich ihr antworten sollte, dann raffte ich mich noch einmal zusammen und gab ihr als Antwort: „Sie, also Cordelia, sie stellte sich vor mich und sie meinte, das sie mich mag und gab mir einen Kuss auf die Wange und rannte dann davon. Und ich denke, für dich sah es dann wohl so aus als hätten wir beide uns wohl geküsst, aber so war es nicht! Ich empfinde nichts für sie, deswegen hätte ich sie auch nie geküsst… ich liebe nur...“
Sie legte ihre Finger sachte auf meinen Mund und wollte mich mit dieser Geste zum schweigen bringen, was auch wunderbar funktionierte. „Raphael ich glaube dir, ich war nur verwirrt, aber ich glaube dir, was du zu mir gesagt hast.“, sie fiel mir um den Hals und ich glaube, ich sah sogar ein paar Freudentränen in ihren Augen.
„Ich bin so froh, dass es nicht das war, wonach es aussah. Tut es denn noch sehr weh?“ Sie schaute auf die Stellen in meinem Gesicht, die immer noch wegen ihrer Ohrfeige leicht gerötet waren.
„Nein es tut nicht weh, es hätte mir viel mehr weh getan, wenn du nicht mehr mit mir geredet hättest!“, antwortete ich ihr. Ein überwältigendes Glücksgefühl stieg in mir auf. Glücklich schloss ich sie in die Arme und gab meinen Tränen nach.