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Ritter
Kurzgeschichte - Abenddämmerung
Die Abenddämmerung war bereits weit voran geschritten und die Nacht brach mit großen Schritten über die Stadt herein. Der Himmel war tiefblau gefärbt und ein letzter kleiner Streifen Licht war noch am Horizont zu sehen. Der Halbmond stand leuchtend am Himmel und die ersten Sterne forderten ihren Platz am Firmament. Ihre Schritte hallten durch die angehende Nacht, als sie den gepflasterten Weg durch den kleinen Wald entlang ging. Sie nahm den Geruch von frisch gemähtem Gras wahr und fühlte eine sanfte Brise frischen Sommerwindes über ihre Haut streichen. Obwohl es für diese Jahreszeit viel zu kühl war, erschauderte sie nicht. Nein, sie fühlte sich irgendwie geborgen und frei. Ja, frei und unabhängig. Sie konnte sich selbst spüren, sich selbst wahrnehmen, wie schon lange nicht mehr. Sie blickte nach oben und sah, wie der Wind heftiger durch die Blätter der hohen, alten Bäume strich. Ihre langen schwarzen Haare wehten wild im Wind. Anstatt irgendwo Schutz zu suchen, blieb sie stehen, legte ihren Kopf in den Nacken und genoß wie Luftzüge sanft ihren Kopf umstreichelten und der Mond ihre Haare wie ein wehendes Seidentuch in seinem Schein schimmern ließ. Sie schloß ihre Augen. Ein Gefühl durchströmte ihren Körper, ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr ihr eigen nennen durfte. Wohlige Wärme breite sich in ihrem Körper aus und sie fühlte sich zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder glücklich. Ihre Gedanken schweiften umher und sie erfreute sich an jedem einzelnen, bis sie plötzlich ihn vor sich sah. Seine Augen, seine Lippen und diese zärtlichen Hände. Abrupt rieß sie ihre Augen auf und fühlte wie eine heiße Träne über ihre linke Wangen floß. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an ihn denken? Jetzt wo sie dachte es endlich überwunden zu haben, damit umgehen zu können? Jetzt wo sie endlich mal wieder glücklich war und hätte lächeln können. Warum tat er ihr das an? Verfolgte er sie? Vielleicht sogar mit Absicht? Sie schüttelte diese Gedanken schnell wieder von sich ab. Nein, er hätte ihr niemals etwas Böses gewollt. Niemals hätte er sie verletzten können. Sie liebten sich doch und sie würden für immer zusammen bleiben. Bis in alle Ewigkeit. Das hatten sie sich versprochen… aber er hatte gelogen. Er hatte sie allein gelassen. Allein in dieser grausamen Welt, allein mit all diesen Menschen. Immer mehr Tränen flossen über ihr Gesicht und sie wimmerte leise. Hektisch blickte sie um sich, um sich irgendwie auf andere Gedanken bringen zu können. Durch ihre Tränen der Verzweiflung hindurch konnte sie wage etwas auf dem Boden erkennen. Sie näherte sich mit langsamen Schritten dem sich im Wind biegenden Objekt. Schließlich erkannte sie, dass es eine Rose war, die ihre Blüte trotz der späten Stunde immer noch geöffnet hatte. Bei näherem Betrachten sah sie, dass die Rose schwarz schimmerte. Nein, ihre Blüte war tatsächlich schwarz. Verwundert hockte sie sich davor und betrachtete sie neugierig. Langsam streckte sie die rechte Hand danach aus und zuckte sofort wieder zurück. Verwundert blickte sie auf ihre Handinnenfläche und sah wie sich ein kleines Rinnsal Blut seinen Weg Richtung Handgelenk bahnte. Aber sie war sich doch sicher gewesen, die Rose noch gar nicht berührt zu haben! Außerdem konnte sie weder Dornen noch ähnliches an der Pflanze erkennen. Ferner spürte sie keinerlei Schmerz in der Hand, sie sah nur das dunkle, immer dickflüssiger zu werden scheinende Blut. Vielleicht war es gar nicht ihr eigenes? Oder sie hatte sich zuvor irgendwo geschnitten und es nicht bemerkt. An der Rose konnte es augenscheinlich nicht liegen. Sie strecke nun beide Hände der Rose entgegen und berührte sanft ihre Blütenblätter. Sie hörte wie etwas leise unter ihren Händen zu Boden fiel. Es war Asche. Oh nein, dachte sie sich, die schöne Rose zerfällt zu Staub! Wieder zog sie ihre Hände zurück, doch die Rose wies keinerlei Beschädigungen auf. Sie konnte aber immer noch das rieselnde Geräusch wahrnehmen. Sie blickte zu Boden und sah wie der Haufen Asche unter ihr immer größer wurde. Dann schweifte ihr Blick auf ihre Hände und sah wie das, was vorhin noch Blut gewesen war, nun als grauer Staub zur Erde fiel. Sie fühlte sich in diesem Moment schrecklich leer und einsam. Sie fühlte wie sich ein Vakuum in ihrem Herz ausbreitete und war nicht mehr in der Lage sich zu bewegen. Ihr wurde langsam schwarz vor Augen und still sank sie auf dem Boden zusammen. Sie schloß ihre Augen und bat, dass dieses schreckliche Gefühl der Leere endlich aufhören solle. Und das tat es auch. Als sie dann endlich diese erschlagende Müdigkeit überkam, fühlte sie nichts mehr, weder Freud noch Leid. Sie konnte nur noch leise hören wie der Wind durch die Blätter rauschte.
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