Danke für die Beiträge. Jemand im Netz hat nachgerechnet, dass die Auslösung der Geiseln jeden einzelnen japanischen Steuerzahler etwa 2000 Yen gekostet hat. Das mag nicht wenig Geld sein, aber die Geiseln sind als Entwicklungshelfer in den Irak gereist und produzieren für Japan dort etwas, das man nicht mit Geld kaufen kann - Positives Publicity. IMO hat Nippon das dringender nötig als sonst irgendetwas und sollte deshalb nicht so einen Aufstand machen, wenn es einmal ein paar Bürger im Ausland auslösen muss.
Der Gewinn für sie ist größer als der Verlust und sie können sich verdammt glücklich schätzen, dass der innerjapanischen Paranoia um die Geiselnahme im Ausland keine große Beachtung geschenkt wurde. Es gab, z.B. Gerüchte, dass die Geiseln mit den Geiselnehmern kooperiert hätten und ein paar wirklich fiese Photomanipulationen waren im Umlauf, welche ein Scoreboard (Eines dieser Bretter mit Klappe vom Film) in der bekanntesten Szene zeigte.
Es scheint die fixe Idee in den Köpfen der Leuten zu stecken, dass mit einem Japaner, der freiwillig und nicht als Teil einer Reisegruppe ins Ausland fährt und dort vielleicht sogar noch unter den Einheimischen lebt etwas nicht stimmen kann.
Auf jeden Fall ist es IMO nicht genug, einfach nur massiv Geld für Humanitäre Zwecke zu spenden, wie am "May 14 (12 :55) Japan to donate $10 million to World Bank fund for Palestinians" (Quelle: Kyodo News).

Saturday, May 15, 2004 at 14:42 JST
WASHINGTON — Foreign Minister Yoriko Kawaguchi told her Group of Eight partners on Friday that Japan will donate $10 million to a newly created World Bank trust fund to support the Palestinian Authority, a Japanese official said.

At the meeting of the G-8 foreign ministers, Kawaguchi said the Palestinian Authority is in a difficult situation and that it is necessary for the international community to support it, according to the official. (Kyodo News)

Solche Aktionen leistet sich Japan schon seit den 80ern und hat damit überhaupt nichts erreicht. Geld trägt nun mal keinen Namen und die sinngemäße Ausgabe ihrer Spenden kann sich Japan nicht kümmern, da zu wenig, oder besser gesagt keine japanischen Entwicklungshelfer in den beschenkten Gebieten arbeiten.


Der Umgang mit dem Steuergeld ist sowieso ein heißes Thema. Gerade aktuell ist die Einführung eines einheitlichen staatlichen Pensionsystems. Direkt nach dem zweiten Weltkrieg wurde keines geschaffen, und dementsprechend hoch war die Sparquote weil jeder Geld für seine private Altersvorsorge beiseite legte. Nach den Bubble-Jahren wurde es, wenn ich dies richtig verstanden habe, aber plötzlich notwendig ein staatliches Pensionsystem zu schaffen um der langsam überalternden Bevölkerung ein auskommen im Alter garantieren zu können. Leider war man dabei seh schlampig und hat ein zahnloses und unübersichtliches System geschaffen, bei dem keiner wusste wo er einzahlen muss. Trotzdem bekam so gut wie jeder seine Pension ausbezahlt.
Die Sache ist aufgeflogen, als man feststellte das ein Mitlglied des Oberhauses schon seit Jahren nichts in den Pensionsfond einbezahlt hat. Inzwischen ist bekannt geworden, dass eine erkleckliche Anzahl von Spitzenpolitikern seinem Vorbild nacheiferten:

13 governors, 3 mayors failed to pay pension dues
Saturday, May 15, 2004 at 00:49 JST
TOKYO — A total of 13 governors, including Tokyo Gov Shintaro Ishihara, and four mayors including Sapporo Mayor Fumio Ueda failed to pay mandatory national pension dues for certain periods in the past, according to data compiled by Kyodo News by Friday.

The main reason for failure of payment was the lack of understanding of the pension system, the data showed. (Kyodo News)

Auch Premieminister Koizumi gehört zu diesen. Er versäumte es sechs Jahre lang, seiner Pflicht als Steuerzahler nachzukommen. Das Unterhaus diskutiert nun über eine Reform des Pensionsystems, frei übersetzt bedeutet dies das die Regierung versucht das Problem aus der öffentlichen Wahrnehmung zu nehmen und die Krise auf eine Art und Weise zu lösen, die ihr selbst am wenigsten Schaden zufügt.

Abseits von der trockenen Innenpolitik berichten Zeitungen etwa seit Mitte letzten Jahres vermehrt über von Ausländern verübte Verbrechen und das Außenministerium hat eine Page eingerichtet, auf der Bürger verdächtige Ausländer melden können.
MDN / Feb 21
Human rights activists are up in arms after the Justice Ministry's Immigration Bureau added a new "tip-off" system to its homepage urging the public to provide information on any "suspicious" foreign nationals in Japan.
The pull down menu offers a variety of reasons to inform on "suspicious" foreigners....The list contains entries such as foreigners are a "nuisance to the community" or their mere presence is a "cause for concern."..."The list contains reasons for informing on other people which have nothing to do with immigration law violations

Die von dem Medien vertretene Perspektive ist, dass immer mehr Ausländer in Japan immer mehr Verbrechen begehen. Statistisch gesehen ist die Kriminalität zwar gestiegen, aber den größten Teil davon machen immer noch Verbrechen von Japanern gegen Japaner aus. Der zeitgleiche Anstieg von durch Ausländer verübte Verbrechen kann durch eine verzerrung der Statistik erklärt werden: Ein Gaijin, der sein Visum nicht rechtzeitig verlängert landet in derselben Statistik, wie ein Mörder oder Waffenschmuggler. Die alte Faustregel gilt also immer noch: Statistiken werden von Land zu Land anders erstellt und sind dewegen nur begrenzt vergleichbar.

Dieser Artikel betrachtet den scheinbar extremen Anstieg der Kriminalität in Japan als Ergebniss von Medien, die Nachrichten benötigen und Politker, die sich als Garanten für Sicherheit darstellen und so auf Stimmenfang gehen.
http://www3.tky.3web.ne.jp/~edjacob/danger%20feature.htm

Japan ist in Sachen Massenhysterie ein wirklich interessantes Land, bald alle paar Jahre kommt es zu einem seltsamen neuen Ausbruch, wie z.B. 2001 schlossen viele Yakiniku-Restaurante wegen der Rinderwahnsinns-Panik oder ersetzten das Rind- durch Schweinefleisch. Wenn ich mich recht entsinne, hatte dies einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Schnellimbissmarkt (Darauf aber keine Garantie - die Preiskämpfe könnten auch schon vorher stattgefunden haben). Und als letztes Jahr ein Irrer in eine Schule eindrang und acht Kinder erstoch, rüsteten sich Schulen landesweit mit archaischen Kriegsgeräten, wie der Sasumata, einer U-Förmigen Gabel auf einem lange Holzstock aus.
http://www3.tky.3web.ne.jp/~edjacob/danger%20japanics.htm
Zum Vergleich liegt die letzte mir bekannte Massenhysterie in Indien etwa ein Jahr zurück - wieder einmal waren ein paar Dörfler überzeugt, dass des Nacht fallschirmspringende Zwerge mit rotleuchtenden Augen ihr Blut aussaugen würden und brachten Kinder und kleine Menschen um. In Österreich gab es vor dem ersten Weltkrieg die letzte Massenhysterie, in der mehrere Männer von einer Masse als Spione verdächtigt und gelyncht wurden.