Ich finde die Krankheit Esstörung ist vor allem ein Problem, dass mit unserer Gesellschaft zusammenhängt.

Nehmt euch irgendeine Frauenzeitschrift zur Hand: Nicht selten kommt es vor, dass auf der einen Seite eine Reportage mit der Überschrift: "Mollig ist trendy" und auf der nächsten Seite Mode und Accesoires gezeigt werden, die man als molliger Mensch garnicht tragen kann, oder darf man sie als dicker Mensch durch die Gesellschaft nicht tragen? Oder es wird wieder die nächste Diät angepriesen, mit der man wirklich seinen Winterspeck los wird.
Selten sind im Fernsehen dicke Menschen, die als schön und begehrenswert dargestellt werden. Eher als so eine Art "Vorher Beispiel" bei einer Diätpille zum Beispiel, eine Art Problemfall, der man nie werden will oder der man nicht mehr sein möchte.
Grundsatz: Dick ist hässlich, schlank ist schön. Und auch wenn die/der "Dicke" sich schön kleidet, ein schönes Gesicht hat und einfach ein liebenswerter Mensch mit einer erstaunlichen Ausstrahlung ist, er ist nun mal dick. Und dick passt nicht ins Schönheitsideal hinein. Dicke Menschen sind gleichzeitig auch schwach ("Schaffen diese Menschen es dnen wirklich nicht ihren Appetit zu zügeln?"), stinkend ("Die schwitzen doch ganz schön viel, wenn die sich nur ein bisschen bewegen...wie unhygienisch!") und unsportlich ("Dick und sportlich? Guter Witz!")
Natürlich ist an Sex mit Dicken garnicht erst zu denken. Wie können denn auch dicke Menschen sexy sein? Die können sich ja auch garnicht richtig bewegen. Attraktiv sind nur Menschen mit Konfektionsgröße 36 und gemäßigten Rundungen.

Die Welt ist voller Vorurteile. Sie werden einem in der Kindheit schon regelrecht ins Gehirn getrichtert. Der Durchschnittsmensch möchte nicht anders als alle anderen sein. Er will akzeptiert, geliebt und begehrt werden. Konsequenzen: Im Falle von Übergewicht muss abgenommen werden. Doch das ist garnicht so leicht, schön und schnell wie es immer in Bild der Frau steht. Meistens gelingt es nicht, vielleicht hat man später sogar mehr Kilos drauf (JoJo Effekt) und man nimmt sich einfach zuviel in zuwenig Zeit vor. Man wird deprimiert, es kann zu regelrechten Fressattacken kommen. Dadurch wird man noch dicker, wodurch Lästereien noch mehr werden. Die Probleme werden stärker und wieder versucht man sich durch Essen Trost zu spenden. Und zack, schon ist man im Teufelskreis gefangen. Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten an Essstörungen zu erkranken.
Fakt ist: Oft erkrankt jemand an solchen Esstörungen, weil er einem falschen Idealbild hinterherläuft, weil die Medien einem vermitteln, wie man zu sein hat: Schlank, Groß, Wohlgebaut = Schön.
Allerdings kann es auch andere Gründe haben. Nicht unbedingt, dass man sich zu dick fühlt. Viele wollen sich mit beispielsweise Erbrechen selbst bestrafen. Sie kommen einfach mit ihrem Leben, der Umwelt und den Menschen darin nicht zurecht. Vielleicht wollen sie auch einfach nur Aufmerksamkeit, wollen, dass man sie erhört und gehen dafür eben auch diese Risiken ein.

Bis zum frühen 20. Jahrhundert war es attraktiv, wenn man dick war. Wohlgenährt bedeutete damals, dass man wohlhabend und reich war. Arme Bauern konnten sich keinen Speck anfressen. So futterten sich die Frauen einen richtigen Bauch an, um ja zu zeigen, wie wohlhabend sie waren und dass sie sich kaum bewegen mussten, soviele Diener schienen sie zu haben. So genannte "Rubensfrauen" waren damals das Schönheitsideal.




Im Laufe der Zeit änderte sich dies jedoch rasch. Die Menschen wurden wieder dünner, der Fitness Boom schwemmte wie eine Welle über Amerika, später auch Europa. "Twiggy" erschien am Himmel der Stars. Und noch heute ist das dürre Gerippe mit den langen, falschen Wimpern Vorbild vieler Mädchen.



Meine persönlichen Erfahrungen dazu sind folgend: Eine Freundin von mir war solange ich denken kann: pummelig. Sie war nicht dick, sie war mollig. Ein Mädchen mit Babyspeck, mit richtigen Rundungen, aber noch im normalen Bereich. Sie klagte schon lange über ihr Gewicht, schielte immer wieder zu anderen schlanken Mädchen hin, wünschte sich einfach, wie die anderen zu sein. Als ich sie anch den Sommerferien im Jahre 2001 wiedersah hatte sie sich innerhalb von 6 Wochen circa 18 Kilo runtergehungert...oder besser gesagt runtergekotzt. Sie bekam Bulimie, steckte sich nach jeder ihrer unzähligen Fressattacken den Finger in den Hals. Und wie sah sie aus? Ihr Gesicht war eingefallen, die Haut hing schlaff von den Knochen. Das vorher so hübsche Pauschbackengesicht hatte sich zu einer Fratze verwandelt. Hosen, die vorher stramm saßen hingen nun in den Kniekehlen. Und soll ich euch was sagen? Obwohl sie nun dünn ist: glücklicher ist nicht, hübscher ist sie nicht. Sie ist jetzt nur noch krank und dünn.