Und nun die Debüt-Episode DES Chroniste4n schlechthin. Dem Mann, der den Roman "erfunden" hat: Daen.
Gruß,
die Chronisten der Unterwelt.
Daen:
Ete hatte sich diesen Tag freigenommen, doch stand er angetan in seiner neuen Polizeiuniform vor einem kleinen Haus am Stadtrand. Obschon heute eines der wichtigsten Spiele des SuperBowls war und Ete es normalerweiße genossen hätte, dem Spiel mit seinen Kollegen beizuwohnen, hatte er sich doch aufgerafft, um eine Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, die ihn schon lange wie ein Gespenst verfolgte und dessen Verwirklichung ihm zu einer Art Nemesis geworden war. Er wußte, das dieser Tag kommen würde und ihm war ebenfalls klar, das es im Grunde keinen Ausweg gab, und das es in seiner Schuldigkeit lag, der Frau sein Mitleid auszusprechen, die einst einen seiner besten Freunde geliebt hatte.
Unendlich müde und träge klingelte er am vergoldeten Türschild auf dem in schwungvollen Buchstaben "Shinshrii Kelven" stand. Das Türschild selber prangte an einer hellholzigen Tür, die mit viel Glas versehen war und wiederrum Teil eines kleinen, aber sehr gemütlichen Holzhauses zu sein schien, das in diesem Vorort von Talster-City recht häufig vorkam.
Nach dem Tode von Daen - so hatte es Ete aus vielen Gesprächen mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Kelven herausgehört, konnte Shinshrii die Enge und das Leben mit ihrem todkranken Vater nicht mehr länger ertragen und war geflüchtet aus dem Heim, mit dem sie so viele Erinnerungen verband.
Sie nahm eine Anstellung als Mediendesignerin an und zog in jenes besagte kleine Haus im Grünen und - wenn man den Erzählungen des gebrochenen Vaterherzens Glauben schenken darf - schien langsam aber sicher ihre Trauer immer mehr zu verarbeiten.
Ete räusperte sich kurz, als er wieder aus seinen abschweifenden Gedanken zurückkehrte und sich selbst noch immer vor verschlossener Türe vorfand. "Seltsam!", dachte er bei sich, war er sich doch sicher, vorhin Geräusche in dem Häuschen gehört zu haben. Er kratzte sich ein wenig an seinem Schnautzer und rückte seine Polizeiuniform zurecht und warf noch einen hilflosen Blick auf den Strauß weißer Nelken, den er für die Frau mitgebracht hatte und legte ihn dann vor die Haustür, bevor er sich daran machte, langsam um das Gebäude herum in den Garten zu gehen. Es roch dort nach frischer Erde und Blumen, die im Begriff waren, zu erblühen. Ein halbaufgebauter Holzpavillion stand ebenfalls in der Mitte des Gartens, doch Etes Aufmerksamkeit wurde völlig in Beschlag genommen, von einem Mann, mit schwarzen kurzen Haaren, der sich allem Anschein nach am Fenster des Hauses zu schaffen machte, ihm aber noch den Rücken zudrehte. Wütend ballte Ete die Fäuste und seine Zähne knirschten. War er doch hilflos gefangen in seiner Trauer um den verlorenen Kollegen, so konnte er doch zumindest die Frau beschützen und er war froh, endlich seiner Trauer und Wut Ausdruck verleihen zu können und so spurtete er auf die Gestalt zu, die in ihre Arbeit so vertieft zu sein schien, das er den herantappsenden Polizeikommissar nicht wahrnahm.
Schnell griff Ete in den vollen Haarschopf des Einrbechers, hörte ein erschrockenes Aufkeuchen und schlug dann auch schon mit voller wucht den Kopf gegen die weiße Bretterwand des Hauses. Mit einem Heulen sank die Gestalt zu Boden und riss dabei auch das Efeugatter mit, das er in der einen Hand hielt, während aus der zweiten Hand eine kleine Zange fiel. Das entsetzte Aufheulen kam Ete vage bekannt vor und ihm wurde siedendheiß als er die Gestalt erkannte, dessen gepeinigtes und blutbesudeltes Gesicht sich aus dem roten Schimmer seiner Augen löste - "Xander!", keuchte Ete und musste sich beherrschen, nicht zuzutreten, als plötzlich eine Tür zu hören war, die gegen die Wand schlug und eine erschrockene weibliche Stimme "Schatz!!! HILFE POLIZEI!!" schrie. Wie in Trance und mit dem Gesicht einer überreifen Tomate drehte Ete sich um und sah in das entsetzte Gesicht Shinshriis, die in der einen Hand Etes Strauß hielt und deren Gesicht mit hilflos geweiteten Augen immer wieder von Etes Gesicht zu Xanders gekrümmter Gestalt wanderte.
Kein Ton wurde gesprochen und bis auf Xanders Keuchen beim Aufstehen, hätte man eine Stecknadel auf dem Boden hören können, während Ete das Gefühl hatte, als hätte man ihm sein Herz ausgerissen und als hätte er die größte Schlacht seines Lebens verloren. Fassungslos blickte er in den Brunnen seiner Seele und ihm würgte, als ihm gewahr wurde, das die Frau des verstorbenen Polizeipsychologen Daens nun mit dem Mann zusammen war, der einst für ihren größten Feind gearbeitet hatte - der Spam-Mafia, die auch erhebliche Schuld am Tode Daens trugen.
Kalkweiß und zitternd setzte er sich auf die frische Erde des Blumenbeetes, während Shinshrii Xander aufhalf der fluchend durch die Tür im Hause verschwand. Schließlich griff Shinshrii sanft nach Etes Hand und zog ihn nach oben und umarmte ihn...
Wenige Minuten später saßen alle drei schweigsam im Wohnzimmer Shinshriis und lauschtem dem Ticken einer großen Uhr aus dem Besitz Marcellus Kelvens, während niemand ein Wort in die Ruhe warf, die angesammelt mit dem Duft von Tee und Gebäck im Raum zu schweben schien.
Schließlich räusperte sich der Kommissar und meinte mit einem schiefen Seitenblick zu Xander: "Das mit Ihrem Kopf tut mir leid. Ich..." Er brach ab und Xander nickte nur stumm und nippte an seinem Tee, bevor er krächzend ein "Ist schon in Ordnung!" herausbrachte.
Weitere Minuten zogen ins Land und Niemand sprach ein Wort. Ete riskierte einen scheuen Seitenblick zu Shinshrii, die totenblaß und stocksteif auf dem Sofa saß, während Xander ihre Hand hielt.
Schließlich hielt Ete es nicht mehr aus, räusperte sich noch einmal kurz und sagte leise: "Wir alle hier....also, im Hauptquartier, wissen um den Verlust, den Sie erlitten haben, Frau Kelven, und ich denke, das Niemand so sehr trauert wie Sie...", er warf einen raschen Seitenblick zu Xander, der beschämt zu Boden blickte, "getrauert haben. Es....freut mich zu sehen, das Sie Ihr Leben wieder im Griff haben und es nach Ihren Wünschen formen und...wieder angefangen haben zu leben...und so wünsche ich Ihnen im Namen der ASP alles Gute für die Zukunft, Frau Kelven." Er blickte noch eine halbe Minute an ihr vorbei an einen leeren Punkt im Wohnzimmer und richtete sich dann auf. "Ich bringe Sie zur Tür.", hauchte Shinshrii mit leiser Stimme und führte ihn auf wackeligen Beinen zur Tür, wo sie noch kurz Trost in der Umarmung Etes fand.
Schließlich schloss sich die Tür und Ete, dem die Trauer ins Gesicht geschrieben stand, murmelte: "Alles Gute, Daen, Alles Gute zum Geburtstag." Und leise schlich er von dannen....
Drinnen nahm Xander Shinshrii in die Arme, die, kaum war die Tür ins Schloss gefallen, mit einem gequältem Geischtsausdruck und zitternden Lippen zu Boden sank und hemmungslos schlcuhzte und heulte, während sich ihr Körper in Krämpfen der Trauer wand. Fast panisch griff sie nach Xander und schlang sich weinend um den Leib des jungen Anwaltes während Sturzbäche von Tränen aus ihren Augen liefen.
Völlig entkräftet, ließ sie sich von Xander auf ein Sofa tragen, der sie sanft hineinbettete, dort ihre Hand hielt und sie sanft streichelte, bis er kurzentschlossen aufstand, zu einer dunklem Kommode ging um dort etwas herauszuholen, das an einen Bilderrahmen erinnerte. Es war ein edler Mahagoniholzrahmen um ein Bild herum, das den verstorbenen Daen zeigte, der vor vielen Monaten im Kampf gegen die Mafia gefallen war. Nachdenklich betrachtete Xander das Bild des Mannes, den er nur kurz kennengelernt hatte und der die Frau geliebt hatte, die er jetzt über alles liebte. Zögernd fuhr er mit dem Finger das Foto entlang und staunte über das Leuchten in den Augen des Mannes, in denen das pure Leben zu pochen schien und sein Herz krampfte sich zusammen, als er für einen kurzen Moment Daen dafür abgrundtief hasste, das er Shinshrii durch seinen Tod so traurig gemacht hatte. "Daen....warum bist du nicht hier....?", flüsterte er und versuchte den Mann zu hassen, dem das Herz seiner Geliebten gehörte...noch immer.
Schließlich trat er wieder an Shinshrii heran, die noch immer zusammengekrümmt und schluchzend auf dem Sofa lag und sie streichelnd, legte er ihr den Rahmen in die Armbeuge, wie man einen Säugling der Mutter an die Brust geben würde.
Shinshrii wurde ruhiger und tastete wie mit blinden Augen den Fotorahmen entlang und mit zärtlichen Fingerspitzen immer wieder über das Bild. Xander lächelte ihr zu, steichelte ihr Haar und wollte geraden aufstehen, um Shinshrii in Ruhe trauern zu lassen, als diese ihn erschrocken ansah und flüsterte: "Bitte...lass mich nicht alleine, Schatz, bitte!"
Xander wurde der Mund trocken und er ließ sich von Shinshrii wieder auf das Sofa ziehen.
"Hey, ich...", fing er an, doch sie legte ihm nur einen Finger auf die Lippen und kuschelte sich an ihn heran. Er konnte durch seinen Pullover hindurch ihr Herz schlagen hören, das sich langsam beruhigte und leise fing er an: "Mein geliebter Schatz...ich weiß, das wir beide den Verlust noch nicht überwunden haben und ich weiß auch, das deine Trauer stärker sein muß, als alles andere in unser beider Leben. Ich weiß, das Daen ein feiner Kerl war und das er die Liebe deines Lebens war. Doch...so sehr ich dich auch liebe...ich kann ihn nicht ersetzen, noch kann ich so sein wie er. Ich will nicht der Daen in deinem Leben sein, sondern der Xander. Ich will nicht die große Liebe deines Lebens sein, sondern dein Partner, dein Mann und vielleicht der Vater unserer Kinder. Trauere...trauere so lange du brauchst - ich werde immer für dich da sein."
Und eng aneinandergekuschelt schliefen die beiden ein, während irgendwo da draußen über den Dächern der Stadt Schüsse peitschten und die Mafia ihren Machtbereich ausbauten...