„Ellione, mach ihn nicht so verlegen“, rügte Edea sie und verkniff sich ein Lachen. „Du siehst doch, dass der Junge seine Freundin mit hat.“ Niidas Gesicht war wirklich zum Schreien. Sie beschloss, seine Krisenfestigkeit noch etwas mehr zu prüfen. „Kinder, das ist ein Schulfreund von Squall“, rief sie nach hinten.
Der arme Niida wusste gar nicht, wie ihm geschah. Sämtliche Kinder, die bis dahin verschüchtert in der Ecke gesessen waren, sprangen wie ein Mann auf, umringten ihn und überschütteten ihn mit Fragen. Er verstand kaum ein Wort. Ellione drohte Edea spielerisch mit dem Finger und diese zuckte mit den Schultern. Schließlich erbarmte sie sich aber doch.
„Das reicht jetzt“, beschloss sie mit fester Stimme. „Lasst ihn jetzt in Ruhe, wir müssen zum Garden. Dort“, meinte sie und streifte ihn mit einem Blick, „könnt ihr wieder über ihn herfallen. Nicht wahr, Niida?“
„Wenn Sie’s sagen“, brummte der Junge und fuhr sich durch die Haare. „Können wir... jetzt bitte gehen?“
Crys verpasste einem Galchimesära gerade den letzten Hieb mit ihrer Stabwaffe, an deren Enden zwei Metallklingen steckten. Das Vieh wankte noch einmal und fiel dann zu Boden, wo es verblasste. Das Mädchen drehte sich um und strahlte Niida an.
„Na, ich denke, ich habe von uns beiden den besseren Part gehabt“, vermutete sie. „Ich hab mich lediglich mit EINEM Quälgeist herumschlagen müssen, du gleich mit einem Dutzend.“
„Wen nennst du hier einen Quälgeist?“, empörte sich Aniery und trat kampflustig nach vorn. Auch ein paar andere Kinder schnappten nach Luft und funkelten Crys an.
„Lass das“, bestimmte Niida. Hier draußen war er plötzlich sehr viel selbstbewusster. „Crys hat es nicht so gemeint und wir haben keine Zeit zu streiten. Wie ihr gesehen habt, gib’s hier immer noch Monster, auch wenn sie nur langsam hereinkommen. Also spart euch eure Diskussionen bitte bis zum Garden auf!“
„Ist schon gut, Niida“, beschwichtigte Crys und ging vor Aniery in die Knie. „Du scheinst mir ein Kämpfertyp zu sein, Kleiner. Wenn wir hier ein bisschen Ordnung geschaffen haben, könnten wir ja vielleicht gemeinsam etwas trainieren.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Das heißt, natürlich nur, wenn deine Mutter es erlaubt.“
Bei diesen Worten stand sie auf und verneigte sich kurz vor Edea. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Edea. Ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Natürlich gilt das auch für Sie, Miss Ellione.“
„Bitte nenn mich Ellione“, entgegnete die junge Frau erfreut. Normalerweise war sie Galbadianern gegenüber misstrauisch, aber dieses Mädchen schien sehr nett zu sein. Auch sie verneigte sich. „Wir müssen dir danken, dass du und Niida uns gerettet habt. Ich muss meinem Onkel gehörig die Meinung sagen, wenn ich ihn wiedersehe. Seine Truppen sind anscheinend sehr nachlässig, was mich angeht.“
„Präsident Loire ist ihr gegenüber völlig hilflos“, erklärte Edea mit todernstem Gesicht. „Er muss sich von ihr alles gefallen lassen, was ihr durch den Kopf geht. Wären Kiros und Ward nicht bei ihm, würde Ell vermutlich Esthar regieren.“ Auch sie verneigte sich. „Ich freue mich auch, Sie kennen zu lernen, Crys. Ich bin sicher, dass Aniery glücklich wäre, LEICHT mit Ihnen trainieren zu dürfen, aber könnten wir diese Diskussion auch später führen? Ich glaube, ich höre schon wieder neue Monster kommen.“
„Sie haben Recht“, bemerkte auch Crys erschrocken. „Gehen wir. Niida, geh du vorn, ich werde auf Angriffe von hinten achten!“
„Aye, aye, Sir“, deklamierte dieser lakonisch und zuckte auf einen fragenden Blick Edeas hin mit den Schultern. Die Hexe lächelte, während sie losgingen, dem Garden entgegen. Was auch immer passiert war, sie hoffte, dass Cid die beiden nicht zu hart bestraft hatte. Hier schien sich etwas Ernsthaftes zu entwickeln, wenn sich Niida schon so bereitwillig herumkommandieren ließ. Sie würde Cid fragen müssen... nachdem er seine neuen Kinder kennen gelernt hatte. Bei diesem Gedanken grinste die Hexe diabolisch.

„Ich werde gegen dich kämpfen“, wiederholte die Gestalt und trat durch den Eingang ins Licht, das durch das riesige Loch in der Decke fiel. Der rote Umhang verdeckte das fremdartige Gesicht, aber das kampfbereit gezogene Schwert machte die Absichten der Gestalt durchaus deutlich.
„Gilgamesh?“, brachte Irvine hervor. „Was machst... du denn hier? Wird das hier ein Klassentreffen, oder was?“
„Ich kam auf die Bitte des Wächters hierher“, entgegnete die seltsame GF, ohne auf Irvines Auflockerungsversuch einzugehen. „Er bot mir an, an seiner Stelle gegen seinen Bruder zu kämpfen, damit ich mir meinen Platz in dieser Welt verdienen kann.“
„Woher hast du Cifers Schwert?“, fragte Quistis, die die Gunblade ihres ehemaligen Schülers jetzt erst erkannte. Sie kniff die Augen zusammen. „Ist er...“
„Ja“, beantwortete Gilgamesh die unausgesprochene Frage. Er sah zu Condenos hin, der die neue, ihm unbekannte GF misstrauisch musterte. „Eure Freunde, die Hexe und ihr Ritter, haben ihn besiegt.“
„Hyyyyne sei Dank“, rief Selphie erfreut aus. „Hast du gehört, Irvie? Sie haben es geschafft!“
„Ja“, verkündete dieser ernst. „Hoffentlich können sie ihre Hochzeit noch genießen, jetzt, da sie Cifer getötet haben. Ich weiß nicht, ob ich es könnte.“
„Er hat Recht, Selphie“, fiel Quistis ein. „Fühlst du dich nicht schuldig, weil Fu-jin und Rai-jin gestorben sind? Ich schon, auch wenn es nicht unsere Schuld war.“
Selphie sah sie einen Moment betroffen an, dann stampfte sie mit dem Fuß auf und zog einen Schmollmund. „Jeeeetzt hört doch mit diesem Gejammer auf!“, rief sie. „Sie wollten diesen Kampf! Sie haben ihn immer gewollt, und jetzt haben sie ihn bekommen! Irgendwaaaaann musste es passieren. Also macht euch nicht fertig. Und denkt nicht mal dran, Squall und Rinoa euer Beileid zu wünschen! Das würde sie nuuur noch trauriger machen.“
„Sie hat Recht“, schaltete sich Leviathan ein. Der mächtige Kopf der Wasserschlange ragte über die Mauern des zerstörten Labors auf und die intelligenten Augen musterten die SEEDs. „Ihr dürft euch nicht schuldig fühlen für etwas, das unvermeidlich ist. Auch die Herrin hatte Mitleid mit unserem Bruder, aber er hat es ihr nicht gut vergolten. Abermals hat er versucht, eure Welt zu zerstören, so wie euer Menschenkrieger. Und so, wie ihr gegen ihn gekämpft habt“, sprach er mit dröhnender Stimme und drehte seinen Kopf zu Condenos hin, „werden wir nun unseren Bruder bekämpfen!“
„Von wegen!“ Condenos’ wilde Bewegungen verrieten seine Furcht, aber geschlagen gab er sich deshalb noch lange nicht. „Ich werde meine Mission zu Ende führen... auch wenn ich euch töten muss.“ Er hob die Hand und senkte den Kopf. „Ich hoffe, ihr werdet mir irgendwann verzeihen können. Ich werde die Herrin bitten, euch alle wiederzubeleben,... auch wenn sie dafür mein eigenes Leben fordert. BOTE DES INFERNOS!“
„Verdammt!“, schrie Quistis und hielt die Hand vor das Gesicht. „Er wird alle GF töten!“
„Das müüüüssen wir verhindern!“, rief Selphie. „Wenn sie sterben, haben wir keine Chance mehr zu überleben!“
„G-Mega-Potions einsetzen!“, befahl Irvine und holte ein Fläschchen hervor. „Sofort!“
Condenos’ Angriff war noch immer verheerend, aber da er die Kraft auf so viele Gegner hatte aufteilen müssen, hatten die zusätzlichen 3000 Lebenspunkte der G-Mega-Potions genügt, um alle GF überleben zu lassen, auch wenn die eine oder andere angeschlagen wirkte. Phönix war gelandet und der Größere der Brothers hielt sich den Arm und knurrte. Nur Gilgamesh wirkte noch völlig unversehrt.
„Falls du hofftest, mich auch damit zu beeinträchtigen, muss ich dich enttäuschen“, vermeldete er auf Condenos’ fassungslosen Blick hin. „Denn ich bin nicht von dieser Welt und eure Magie kann mich nicht verletzen.“ Er hob Cifers Schwert über den Kopf, sodass es hell im Sonnenlicht erstrahlte. „Nun wirst du Zeuge des mächtigsten Angriffs dieser Welt werden, Abtrünniger! KI-Fusion der Guardian Forces!“
Den SEEDs blieb nicht einmal genug Zeit, um überrascht nach Luft zu schnappen, als alle GF sich auf Kommando zu Gilgamesh umwandten und ihm die Arme entgegenstreckten (sofern sie welche hatten). Gleichzeitig flossen aus den Händen (oder Mündern) von Shiva, Ifrit, Quetzacotl, den Brothers, Leviathan, Pandemona, Doomtrain und aus weiter Ferne auch von Alexander Energiestrahlen in allen Farben des Regenbogens auf Cifers Klinge zu. Als nächstes blickten Diabolos, Cerberus, Kaktor, Carbuncle, Siren, Bahamut, Eden und Tombery zu der von Farben schimmernden Klinge empor und 8 weitere Lichtgarben aus reiner Energie vereinigte sich mit Cifers Schwert, welches nun weiß zu glühen begann.
„Ich fass es nicht“, ächzte Irvine und schloss die Augen. „Dagegen sieht Squalls „Löwenherz“ echt alt aus.“
„Wie mächtig diese Waffe wohl jetzt ist?“, fragte Quistis, während sie die Hand vor Augen hielt. „Ob Cifer wohl stolz gewesen wäre, dass ausgerechnet seine Gunblade hierzu verwendet wird?“
Das Gleißen war gerade dabei, unerträglich zu werden, da alle GF den Energiefluss aufrecht erhielten, als Boko und Phönix im selben Moment ein hohes Kreischen ausstießen. Phönix’ „Flamme des Lebens“ brannte kurz um die Klinge, die daraufhin durchsichtig wie Glas wurde, ähnlich wie Squalls Waffe. Dann glühte es noch einen Moment hellrot auf, als Bokos „Choco-Feuer“ die Neuschmiedung der Waffe vollendete. Als Gilgamesh die Klinge nach einigen Sekunden wieder senkte, glühte sie in einem sanften, nicht unangenehmen Orangeton.
„Und jetzt“, erklang seine durchdringende Stimme in diesem Moment der Stille, „kämpfe!“
Im selben Augenblick stieß er sich ab, hob die Gunblade über den Kopf und ließ sie auf Condenos niederfahren. Dieser konnte sich gerade noch rechtzeitig fangen und riss den Arm hoch. Seine Haut, durchdrungen von der Macht Hunderter Zauber schaffte es, dem zerstörerischen Hieb standzuhalten und Gilgamesh musste wieder zurückweichen. Dann griff Condenos’ wütend an und warf einen Ball aus reiner Hitze, den sein Gegner jedoch mit der glänzenden Klinge abblockte und in den Himmel lenkte. Bahamut, der dadurch fast getroffen wurde, fauchte kurz, aber der Kampf ging schon weiter.
„Ich werde blass“, murmelte Selphie. „Was machen wir eigentlich noch hier? Die beiden sind 100 x stärker als wir drei zusammen.“
„Ihr solltet besser gehen“, wisperte Doomtrain mit mechanischer Stimme. „Dies ist unsere Sache, nicht eure. Geht, und bringt eure Freunde in Sicherheit. Wenn dieser Kampf endet, wird so oder so diese Insel auseinanderbrechen.“
„Und das sagt ihr uns schon jetzt?“, fragte Irvine zynisch und wandte sich um. „Los, wir gehen, Mädels!“