„Sofort?“, hörten sie Fu-jin hinter ihnen fragen. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie wissen wollte, ob der Kampf jetzt gleich stattfinden sollte.
„Wenn unsere verehrten SEEDs bereit sind, wüsste ich nicht, was dagegen spräche“, erwiderte Cifer in aufreizendem Ton. „Oder wollt ihr etwa doch abhauen?“
„Lass die blöden Sprüche, Cifer“, entgegnete Squall kalt und zog seine „Löwenherz“, die wie immer in bedrohlich blauem Licht leuchtete. Diesmal jedoch wurde es überstrahlt durch das Pulsieren, das aus dem Eingang der Insel kam. Squall deutete mit dem Kopf unmerklich in diese Richtung und hoffte, die anderen verstanden das. „Das war früher mal unter deiner Würde, weißt du noch?“
„Dorthin wirst du mal nicht kommen, Squall“, verkündete Rai-jin grimmig. Der Junge sah zwar nicht so selbstsicher wie sonst aus, wenn er in einen Kampf zog, aber sein Blick sagte deutlich genug, dass er niemanden vorbeilassen würde. „Jedenfalls nicht ohne uns.“
„Dann sollten wir anfangen, oder?“, meinte Irvine und lud wie immer dramatisch seine Waffe durch. „Wieso noch länger zögern?“
„Woooo kämpfen wir?“, fragte Selphie. Sie blickte als einzige nervös zu den Gegnern, die anderen zeigten es nicht. „Etwa hier?“
„Wieso nicht?“, verkündete Cifer und machte eine weitausholende Geste mit der Gunblade. „Der Platz ist so gut wie jeder andere.“
„Ja, für euch“, murrte Rinoa und zog mit einem heftigen Ruck ihre „Shooting Star“ über das Handgelenk. „Und wo ist Platz für uns?“
„Hinein!“, schlug Fu-jin vor. Die grauhaarige junge Frau zeigte auf den Eingang mit dem pulsierenden Licht. „Ungestört.“
„Von uns aus“, pflichtete Irvine bei und strafte sie mit dem verächtlichsten Blick, den er zur Zeit auf Lager hatte. „Lassen wir unseren Duellanten ihre Privatsphäre.“
„Was anderes würden sie auch nicht akzeptieren“, flüsterte Quistis so leise, dass nur Selphie und Rinoa sie hören konnten. Die beiden nickten zustimmend, Rinoa allerdings mit zusammengebissenen Zähnen.
„Dann mal los“, empfahl Rai-jin und ging auf den Eingang zu, die SEEDs allerdings nicht aus den Augen lassend. Als ob er nicht wüsste, dass sie jemanden, der ihnen den Rücken zuwandte, nicht angreifen würden!
Fu-jin folgte ihm, und sie schien es begriffen zu haben. Sie wandte zwar einige Male den Kopf zu ihnen um, aber nur, um zu kontrollieren, ob sie ihnen auch folgten. Irvine und Selphie sahen Squall noch einmal ernst an, dann folgten sie ihren Gegnern. Auch Rinoa blitzte ihn mit wütenden Augen an, aber Squalls Aufmerksamkeit war voll auf Cifer gerichtet, der anscheinend vollkommen unbekümmert herumlümmelte. Erst, als Quistis sie nicht unsanft, aber bestimmt am Arm packte, gab die Hexe auf und ließ sich wortlos zum Eingang der Höhle führen.
„Na, ist das mal nicht beeindruckend?“, verkündete Rai-jin und deutete mit der Spitze seines Kampfstabes auf die Lichtsäule. „Da drin sind mal sämtliche Zauber der Welt gespeichert.“
„Ja, sehr beeindruckend“, ätzte Quistis. Ihr Blick hätte Ifrit frösteln lassen. „Vor allem, weil wegen diesem verdammten Ding schon ein Haufen Leute gestorben sind!“
„Schluss!“, beendete Fu-jin die Diskussion, als sie merkte, dass ihr Partner unsicher wurde. „Anfangen!“
„Von uuuuuns aus!“ Selphie presste die Lippen zusammen und ließ „Traum oder Illusion“ durch die Luft wirbeln.
„Wir sind bereit“, meinte Irvine. Dann flüsterte er: „Selphie, wir greifen Rai-jin an! Quistis, Rinoa, ihr nehmt euch Fu-jin vor!“
„Moment“, keuchte die ehemalige Ausbilderin plötzlich erschrocken. „Rinoa ist weg!“
„WAS?“
Doch im selben Moment begann der Kampf.

„Verflucht!“ Xell war wütend. Woher kamen diese ganzen Monster auf einmal her? Auf Balamb hatte es noch nie Doppel-Hacker gegeben, ganz zu schweigen von einem Behemoth! Irgendjemand von der Forschungsinsel musste Balamb tierisch hassen. Oder jemand wollte, dass er nicht dorthin kam...
Nachdenklich blickte der Faustkämpfer zu der kleinen Insel hin, die ihnen in den letzten Tagen solche Kopfzerbrechen bereitet hatte. Es würde ihn nicht wundern, wenn derjenige, der die Insel steuerte, versuchte, so viele starke Gegner wie möglich davon fernzuhalten. Rinoa, Squall, Irvine und Selphie waren ein starkes Team, aber fünf waren noch stärker.
Dann schüttelte er jedoch dem Kopf. Nein, selbst wenn er es schaffen würde, durch diese Monsterhorde zu kommen, die auf Balamb zumarschierte, würde er seine Familie und die Leute, mit denen er die zweite Hälfte seiner Kindheit nach dem Waisenhaus verbracht hatte, im Stich lassen. Dann hatten sie nicht mehr die Spur einer Chance gegen die Monster.
Er betrachtete seufzend seine Fäuste. Dieses verdammte Ding hatte ihm schon wieder alle neu zusammengedrawten Zauber geklaut. Jetzt war er zwar noch immer 10 mal stärker und zäher als jeder andere Mensch und konnte auf die Hilfe von Shiva und Pandemona zählen, aber seine wirkliche Kraft war weg. Jetzt konnte er niemanden mehr heilen, keinen Gegner mehr durch Zauber außer Gefecht setzten, nicht einmal mehr Drawen nützte etwas, weil auch die Monster keine Zauber mehr besaßen!
Bei diesem Gedanken riss es ihn plötzlich. Moment! Diese Biester kamen von der Forschungsinsel, das hieß... Vorsichtig versuchte er, das vorderste Monster auszumachen. Es war ein Doppel-Hacker, der es anscheinend ganz besonders eilig hatte, irgendetwas zu zerstören. Wenig verwunderlich. Xell schürzte die Lippen und wandte die Draw-Fähigkeit an.
„Da soll mich doch...“, rief er erfreut aus und brach den Satz ab, um vom Haus der Dinchts auf die Straße zu springen und zum Hafen zurückzulaufen. „Endlich macht unser Feind mal einen entscheidenden Fehler!“
Als er eintraf, hielt Yarrek gerade Wache, obwohl es die anderen Leute gleichzeitig mit ihm merken würden, wenn ein Monster durch Balamb tobte. Aber niemand wollte dem Jungen sagen, wie nutzlos sein Tun war. Mit leuchtenden Augen salutierte er und schnarrte: „Sonderkommandeur von Balamb, Yarrek Nedsha, meldet sich zum Dienst, Sir!“
Xell musste sich mit aller Macht das Lachen verkneifen, salutierte jedoch ebenfalls tapfer. Nur ein leises Zittern in seiner Stimme ließ Yarrek kurz misstrauisch werden, als er sagte: „Rühren, Kommandant! Kundschafter Xell Dincht meldet sich zurück! He Leute, kommt raus, es gibt Neuigkeiten!“
„Was für Neuigkeiten?“, wollte seine Mutter misstrauisch wissen, als sie aus einem Lagerhaus herausging. „Ich traue deinem fröhlichen Lächeln nicht, wenn es um eine Schlacht geht.“
„Keine Sorge“, winkte Xell ab. „Ich habe nur gerade etwas bemerkt, das unseren Gegnern die Köpfe kosten könnte.“
„Und was?“, fragte der Vater von Yarrek. „Du lässt dir immer jedes Wort aus der Nase ziehen, weißt du das?“
Der Faustkämpfer grinste ihn an. „Die Monster, die gerade herkommen, besitzen noch Zauber! Vermutlich war das Ding, welches die Zauber auf der Insel hortet, zu beschäftigt, um sie noch von den eigenen Monstern abzuziehen. Und ich habe noch zwei GF, die wir benutzen können. Das heißt, wir können die eigenen Zauber gegen die Biester einsetzen!“
„Heißt das, dass wir gewinnen, Xell?“ Yarreks Augen leuchteten.
„Das weiß ich nicht“, gab der junge Kämpfer zu. „Aber zumindest können wir uns wirksamer verteidigen. Kann hier jemand mit GF umgehen? Nein? Das hab ich mir gedacht. Trotzdem brauche ich zwei Leute, die den Monstern so viele Zauber drawen wie möglich.“
„Wieso übernimmst du das nicht?“, wollte seine Mutter wissen.
„Weil irgendjemand die Monster ablenken muss.“
Sie riss fassungslos die Augen auf. „WAS? Ohne GF? Bist du verrückt?“
„Ja“, erklärte er unumwunden. „Aber vermutlich würde sich niemand von euch melden, wenn ich ihm diese Arbeit anbiete. Und wenn ich kämpfe, habe ich keine Zeit zum Drawen. Also, wer will Bekanntschaft mit den reizenden Damen Shiva und Pandemona schließen?“ Er ignorierte das belustigte Schnauben der beiden GF im Hintergrund seines Kopfes.
Xells Nachbar trat vor, auch wenn ihm sichtlich unwohl war. „Ich bin verantwortlich für Balamb“, erklärte er schluckend. „Aber du musst mir sagen, was ich machen soll.“
„Ich mach das“, warf Yarrek ein und hakte sich bei seinem Vater unter. „Ich weiß ganz genau, wie man Zauber drawt! Xell hat’s mir oft genug erklärt.“
Xell nickte und zog eine Schnute. „Oft genug“ war noch gehörig untertrieben, „jedes Mal, wenn er Balamb besuchte“ traf es besser. Er sah sich um, doch niemand weiterer trat vor.
„Ich komme auch mit, Xell“, hörte er plötzlich die Stimme seiner Mutter. Erschrocken drehte er sich um, aber seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als er ihr entschlossenes Gesicht sah. „Versuch nicht, mich davon abzubringen! Ich bin zwar nicht so kampfbegeistert wie Yarrek, aber ich habe genug bei euren Gesprächen aufgeschnappt. Wenn du deinen GF sagst, dass sie etwas nachsichtig mit mir sein sollen, werde ich’s schon packen.“
„Aber...“
„Xell!“, erklang plötzlich eine Stimme. Einer von Yarreks Freunden, den Xell als Ersatz beim Stadteingang zurückgelassen hatte, kam keuchend angerannt. „Die Monster,... sie haben Balamb erreicht! Sie werden... jeden Augenblick durch das Tor brechen!“
„Verdammt!“, fluchte Xell. „Dann hab ich ja wohl keine Wahl. Kommt her, ihr beiden, und nehmt meine Hände, damit ich euch die GF geben kann. Und dann werdet ihr...“

Squall wog das vertraute Gewicht seiner Waffe in seiner Hand. Die „Löwenherz“ war die stärkste Gunblade, die es zur Zeit gab, auch wenn Professor Odyne schon nach Alternativen forschte. Die Zutaten für diese Klinge waren selten... und sehr, sehr gefährlich zu beschaffen. Aber ihm und seinen Freunden war es nicht wirklich schwergefallen.
Nicht mit ihren Kopplungen...
„Hast du Angst, Squall?“, fragte Cifer interessiert. Der blonde Junge machte keine Anstalten, mit dem Kampf zu beginnen. Er lehnte immer noch auf seiner Klinge, die einige Zentimeter in den Boden gesunken war.
„Als ob ich dir das sagen würde!“, entgegnete Squall kalt und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Waffe. Das Blut, welches kurz darauf an der blau schimmernden Klinge klebte, sagte genug darüber aus. „Hast du welche?“
„Ein bisschen“, gab Cifer zu. „Obwohl ich nicht weiß, wieso. Da du keine Kopplungen mehr hast, bist du viel schwächer als ich. Aber vielleicht habe ich auch nur Angst, dass ich den letzten Sinn in meinem Leben verliere, wenn ich dich töte.“ Diesmal sah er sehr ernst aus.
„Warum lässt du es dann nicht?“, wollte Squall wissen. Die Frage war platonisch. Er wusste, dass Cifers Entschluss feststand. „Wenn du mit uns gegen Condenos kämpfst, werde ich mich für dich einsetzen.“