Cifer steckte die Gunblade ein. „Dann schlage ich vor, wir entfernen uns von Dollet. Squalls Bande wird garantiert zurückkommen, wahrscheinlich gewappnet gegen deine Spielereien. Und dann möchte ich nicht hier sein. Wir können uns irgendwo im Meer ebenso gut unterhalten wie hier.“
Unwillkürlich ballte das Wesen die Fäuste. Es schien nicht gern Befehle entgegenzunehmen. Nun, das galt für Cifer genauso. Dann jedoch entspannte es sich wieder, obwohl seine Pupillen schon Anfänge von Rot aufwiesen. „Wenn du denjenigen meinst, der Ultima Weapon bezwang, dann hast du vermutlich Recht“, knurrte Condenos. „Ich werde uns irgendwo in der Nähe des Centra-Kontinents verstecken. Danach werden wir weiterreden. Und dann werden wir sehen, was mit euch geschieht.“
Die GF drehte sich zu der Lichtsäule um und tauchte mit den Händen in das Licht ein. Sofort begann es wieder zu pulsieren, nicht mehr so stark wie vorhin, aber doch. Und im selben Moment spürten die drei Kämpfer, wie sich die so massiv wirkende Forschungsinsel von unsichtbaren Kräften gelenkt zu bewegen begann. Erst nur langsam, aber bald so schnell wie ihr Boot bewegte sich die geheimnisvolle Insel auf ihr unbekanntes Ziel zu.
„Das ist mal echt krass“, rief Rai-jin aus, der sich an einer Wand abstützte und überrascht zu der GF hinsah. „Wie macht der Kerl das?“
„Vorsicht!“, mahnte Fu-jin, die in die Knie gegangen war, ihren Wurfstern jedoch noch immer in der Hand hielt.
„Schon gut, ihr beiden“, beruhigte Cifer sie. Er verspürte ein Gefühl von Macht, und das genoss er in vollen Zügen. „Ich vertraue diesem Vieh auch nicht. Aber seine Geschichte interessiert mich, deshalb bleiben wir hier. Es könnte sich hier einiges ergeben.“ Damit setzte er sich und sah zur Silhouette Condenos’ hin, der noch immer unbeweglich die Insel steuerte. Sein erster Eindruck war nicht schlecht... die GF mochte misstrauisch sein, aber sie wirkte nicht so fanatisch wie Feyjar Trepe. Obwohl sie kein Mensch war, spürte Cifer, dass sie ein zwar ein festes Ziel hatte, ihre „Mission“, aber durchaus bereit war, sich beraten zu lassen. Das war eine gute Basis, auf der er aufbauen konnte. Vielleicht rückte sein Traum von einem Duell mit Squall doch schon etwas näher...

„Eclisa! Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Komm ins Haus, es ist schon spät!“
„Ach, Mama Edea“, maulte die Kleine. „Warum darf ich meine Burg denn nicht fertig bauen?“
Edea seufzte hingebungsvoll. „Weil du heute bereits vier Sandburgen gebaut hast“, entgegnete sie mit gebotener Strenge. „Du hast sogar Quistis dazu gebracht, entnervt das Weite zu suchen. Wieso willst du jetzt überhaupt so gern heraußen bleiben? Früher gefiel es dir im Haus doch viel besser.“
„Das war, bevor ich Burgbauer werden wollte“, gab die Kleine trotzig zurück. „Ich gehe hier nicht weg, bis ich mit meinem Schloss fertig bin!“
„Aber es ist nachts nicht ungefährlich hier heraußen“, versuchte es Edea noch einmal. „Was ist, wenn ein böses Monster kommt und dich holen will?“
„Dann wachen Mama und Papa über mich.“ Es half nichts, Eclisa blieb stur. „Sie sind immer bei mir und beschützen mich.“
Edea gab nach, schon deshalb, weil die anderen Kinder im Haus offenbar gerade wieder Ärger machten. Sie hörte lautes Gelächter und Quistis empörte Stimme. Kurz blieb sie noch stehen, dann drehte sie sich um und lief zurück ins Waisenhaus. Bei diesem sturen Fall konnte sie nichts tun. Besser, wenn sie sich den anderen zuwandte.
„Schluss jetzt, Kinder“, befahl sie und klatschte in die Hände, nachdem sie im Haus angelangt war. „Lasst Tante Quistis in Ruhe und seid brav. Wer nicht gleich im Bett ist, der darf morgen nicht an den Strand gehen!“
Protestierende Stimmen wurden laut, aber Edea war unerbittlich. „Keine Widerrede! Es ist schon spät und Squall ist bei mir immer pünktlich im Bett gewesen! Also nehmt euch an ihm ein Beispiel!“
Das wirkte. Erst die meisten Jungen, dann zögernd auch die Mädchen wandten sich um und schlichen in ihre Zimmer. Quistis, die erschöpft auf dem Boden saß, atmete erleichtert auf.
„Hyne sei dank“, brachte sie hervor, „dass du gekommen bist, Mama. Diese Rangen wollten doch tatsächlich schon wieder, dass ich ihnen erzähle, wie Squall und wir anderen damals zu Artemisia vorgedrungen sind.“
„Man möchte meinen, sie würden dieser Geschichte langsam müde“, stimmte Edea mit einem leichten Lächeln zu. „Aber ihr seid nun mal Legenden, da kann man nichts machen.“
„Wieso wird eine Legende dann von einem Dutzend Halbwüchsigen in die Knie gezwungen?“, wollte Quistis wissen, als sie aufstand. „Das passt nicht unbedingt in die glorreiche Heldengeschichte.“
„Monster bekämpfen und Kinder hüten sind zwei verschiedene Paar Schuhe“, entgegnete Edea dramatisch. „Könntest du mir einen Gefallen tun und Eclisa vom Strand heraufholen? Sie will unbedingt ihre Burg fertig stellen, aber ich habe immerzu Angst, ihr könnte etwas zustoßen.“
„Aber Mama! Uns ist doch am Strand auch nie etwas passiert, als wir noch klein waren. Wieso hast du jetzt auf einmal davor Angst?“
„Ich weiß es nicht.“ Edea zuckte mit den Schultern. „Es ist nur so ein Gefühl.“
„Schon gut, ich gehe“, meinte Quistis. „Aber du solltest die Kinder nicht anschwindeln.“
„Wie meinst du das?“
„Squall war tatsächlich der erste von uns, der ins Bett ging... aber nur, weil er später wieder aufstehen und nach Ell suchen wollte!“, erklärte Quistis grinsend.
„Tatsächlich?“ Die ehemalige Hexe tat erstaunt. „Das muss ich wohl vergessen haben.“
Noch immer grinsend schloss Quistis die Haustür und blinzelte einmal, um sich an die geänderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Zwar schien ein fast voller Mond und beleuchtete das Meer, aber dennoch war es viel dunkler als im Haus.
„Eclisa!“, rief sie laut. „Ich komme dich jetzt holen. Befehl von Mama.“
„Tante Quistie, du musst dir aber vorher noch meine Burg ansehen, sonst bleibe ich die ganze Nacht hier draußen!“
„Na gut.“ Sie setzte sich in Bewegung, die Steintreppe hinunter. „Aber nur ein kurzer Blick, dann gehen wir rein. Und keine Widerrede.“
Statt einer Antwort hallte ein heller Schrei durch die Nacht. Einen Moment lang erstarrte Quistis ungläubig, aber dann rannte sie ohne Rücksicht auf ihr beschränktes Sichtfeld die Treppe hinunter. Eclisa kam ihr am unteren Ende entgegen und warf sich ihr an die Beine. Zitternd klammerte sie sich fest.
„I-ich hab Angst, Tante Quistie. Da war w-was im Wasser, das mich beobachtet hat und rausgekommen ist. Bitte gehen wir wieder rein.“ Tränen rannen ihr über das kleine Gesicht. Quistis hatte das Mädchen noch nie so aufgewühlt erlebt.
„Beruhige dich, Eclisa“, murmelte sie, während sie geistig ihre Kopplungen erneuerte. Sie hoffte, das Kind würde davon nichts merken. „Ich bin ja bei dir. Du hast dich wahrscheinlich nur getäuscht.“ Analyse!, sprach sie in Gedanken.
„Nein, nein, ich hab mich nicht getäuscht, Tante!“, widersprach das Mädchen und versuchte, Quistis zum Haus zu ziehen, was nicht sehr gut gelang. „Bitte gehen wir rein, bevor das böse Monster uns holt.“
„Wenn uns ein Monster holen will, sind wir im Haus auch nicht sicher, Eclisa“, widersprach Quistis angespannt. „Lauf sofort rein und sag Mama Edea, dass ich meine Waffe brauche. Schnell! Das Biest kommt näher!“
„Deine Waffe, Tante?“ Sie konnte Eclisas erstaunten Gesichtsausdruck förmlich spüren.
„Eclisa, lauf! Tu, was ich dir gesagt habe, sonst kann ich dich nicht beschützen!“
Einige Momente lang starrte sie in die Leere, ohne dass etwas geschah, aber dann hörte sie, wie Eclisa zögernd loslief. Gut, denn was da gerade aus dem Wasser gekrochen war, wo sich noch nie vorher ein Monster gezeigt hatte, war ein Adaman Tamai!
„Mama! Mama!“, rief Eclisa, als sie die Haustür aufriss. „Mama! Du musst Tante Quistie helfen! Sie ist da draußen und ein Monster ist auch da und…“
„Eclisa, beruhige dich!“ Edea kam aus ihrem Zimmer und blickte das Kind voll Sorge an. Sie ging vor ihm auf die Knie und fasste das Mädchen an den Schultern. „Was hast du gesagt? Ein Monster ist da draußen?“
„Ja“, stammelte die Kleine unter Tränen. „Und Tante Quistie hat mir gesagt, ich soll dir sagen, sie braucht ihre Waffe. Aber wir haben hier keine Waffen, oder? Du musst ihr helfen, Mama!“
„Oh nein!“, murmelte Edea und stand auf. Sie lief in Quistis’ Zimmer und langte unter das schlecht gemachte Bett. Dort, zwischen Matratze und Rost eingeklemmt steckte dort die „Königinnenwache“, Quistis’ mörderische Waffe, mit der sie zahlreiche Monster besiegt hatte. Edea hatte ihrer Ziehtochter so sehr gewünscht, dass Quistis sie nicht brauchen würde, bis sie die Waffe aus eigenem Willen wieder aufnahm. „Aber das ist jetzt hinfällig“, flüsterte sie, während sie die goldgelbe Farbe der Peitsche im Lampenschein ansah.
Sie packte die Waffe und rannte hinaus auf den Gang, so schnell es ihr Nachthemd zuließ. „Komm mit, Eclisa“, forderte sie und ergriff das Mädchen an der Hand. „Du sollst jetzt selbst sehen, wozu Quistis diese Waffe braucht.“
Sie achtete nicht auf den staunenden Blick Eclisas im Angesicht der geschmeidigen und doch starken Peitsche, sondern machte die Tür auf und zerrte sie hinaus. Quistis stand bereits am obersten Ende der Treppe und warf gerade einen kopfgroßen Stein auf ein Monster, das aussah wie eine übergroße Schildkröte. Ein Adaman Tamai!, dachte Edea erschrocken. Aber wieso hier?
„Quistis!“, rief sie und warf gleichzeitig die „Königinnenwache“ auf die SEED zu. „Fang!“
Quistis hatte ihre Kampfreflexe noch nicht verloren, wie sie bewies. Sie drehte sich um, fing die Peitsche mit einer Hand auf, drehte sich sofort wieder zurück und ließ in der gleichen Bewegung die Waffe gegen das Monster schnellen. Es wich zurück. „So, du Biest“, erklärte sie mit kalter Stimme, „gleich wirst du bereuen, dass du jemals diesen Ort gefunden hast!“
„Mama, was geschieht da?“, fragte Eclisa mit erstickter Stimme. „Wie... wieso kann Tante Quistie mit der Peitsche so gut kämpfen?“
Edea drückte das kleine Mädchen an sich, hielt ihren Blick aber weiterhin auf Quistis gerichtet. „Weil sie ein SEED ist, Eclisa“, erwiderte sie mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. „Weil sie einmal zusammen mit Squall Leonhart gekämpft hat.“
Aus Quistis’ Augen sprühten förmlich Funken, als sie vorsprang und dem Adaman Tamai einen heftigen Schlag mit der „Königinnenwache“ versetzte. Die Peitsche war das beste Modell, das es bis jetzt gab. Sie ließ den harten Panzer des Schildkrötenmonsters erbeben, aber Quistis ließ sich nicht täuschen. Diese Biester waren äußerst harte Gegner.
Wie zur Bestätigung ihrer Gedanken fauchte es und sprach „Blenden“ auf ihre Gegnerin. Quistis fluchte kurz und schluckte eine Mega-Pille. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder genug sah, aber dann sprang sie vor und rief laut: „Gravit!“ Der Schwerkraftzauber zog dem Monster ein Viertel seiner Lebenskraft ab, aber besiegt war es deshalb noch lange nicht. Es zischte und beschwor einen Sandsturm, der Quistis dank ihres hohen Geist-Wertes aber wenig anhaben konnte. Wiederum sprang sie vor und ließ die Peitsche auf den Panzer der Riesenschildkröte niederfahren.
Sie hoffte insgeheim, der versteckte Zauber „Schlaf“ in ihrer Waffe würde etwas ausrichten, aber das Ungeheuer war ebenfalls gut gegen Magie geschützt. Sie biss die Zähne zusammen und überlegte, was sie als nächstes machen sollte, als das Monster plötzlich den „Weißen Wind“ beschwor, einen heilenden Balsam, der es sofort regenerierte. Beinahe hätte Quistis vor Enttäuschung aufgeschrieen, aber sie beherrschte sich. Sie tat vor.
„Schlaf!“