Fu-jin sprang vor und hielt ihre Hand vor sich gestreckt, während sie die Monster kalt musterte. „Tornado!“, rief sie aus. Der Wirbelwind hob alle Monster mühelos bis zur Decke und ließ sie mit furchtbarer Wucht wieder herunterkrachen. Die Heckenschlangen wanden sich vor Schmerz, nur der Rubrum-Drache schien zu grinsen. Ihm machte Wind nichts aus, aber sie hatten ihm zum Glück auch noch nichts abgezogen, als dass er sich jetzt hätte regenerieren können.
Eine zweite Heckenschlange ließ ihren Schädel auf Rai-jin herunterkrachen, was dieser lässig mit einer Hand abwehrte. Er machte sich nicht mal die Mühe zu grinsen, statt dessen attackierte er die vorwitzige Echse und schickte sie mit einem gezielten Hieb zu Boden. Eine Sekunde später verschwand sie.
Nun aber wurde der Drache aktiv. Er bäumte seinen mächtigen Leib auf, holte tief Luft und ließ die drei Menschen seinen „Hauch“ spüren. Cifer ignorierte die paar neuen Brandflecken auf seinem Mantel, funkelte den Drachen aber grimmig an. Dieser freche Lindwurm würde noch bereuen, dass er sich mit ihnen angelegt hatte! Die dritte verbleibende Heckenschlange ringelte sich vor und griff ihn an, aber er scherte sich nicht darum, auch wenn der Angriff wieder einige hundert Lebenspunkte kostete.
Cifer sprang vor und hieb die Heckenschlange in zwei Teile. Damit blieb nur noch eine übrig. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er geschworen, dass das Vieh Angst hatte. Was sie jedoch nicht daran hinderte, Bio auf Fu-jin zu sprechen. Die grauhaarige Frau verzog kurz ärgerlich die Lippen, ließ jedoch keinen Schmerz erkennen. Statt dessen ließ sie ihren Wurfstern fliegen und traf die Schlange voll. Cifer runzelte die Stirn, als sich das Biest dennoch aufrecht hielt. Sie schien etwas stärker zu sein als ihre Freunde. Egal.
Rai-jin hielt seinen Kampfstab hinter sich und konzentrierte sich kurz. „Eisga!“, rief er mit triumphierender Stimme. Der Eis-Zauber traf die Heckenschlange, entzog ihr das letzte Leben und schickte sie einen Augenblick später ins Jenseits. Nun war nur noch der Drache übrig.
Und der war wütend. Er tappte vorwärts und schnappte nach Fu-jin, die sich einen schmerzhaften Biss zuzog. Sie unterdrückte den Schmerz, aber ihr Zusammenzucken sagte genug. Cifer verzichtete schweren Herzens auf seinen Angriff und warf ein Mega-Potion in die Luft. Ziemlich viel ihrer Honorare ging für solche Heiltränke drauf, fand er. Manchmal wären GF mit ihren fast unbegrenzten Zauberlagern doch nützlich.
Fu-jin nickte ihm kurz dankbar zu und klemmte dann ihren Wurfstern unter den Arm. Sie hielt beide Arme vor sich und rief: „Melton!“ Die Schockwirkung des Zaubers riss die letzten Reste von natürlicher Verteidigung des Drachens weg. Das Biest taumelte kurz und blickte die drei kleinen Gestalten vor sich verwundert an. Sie machten ihm mehr zu schaffen als andere dieser Art für gewöhnlich, fand er.
Rai-jin stieß einen Kampfschrei aus und schlug dem Drachen so fest er konnte gegen die rote Tatze. Das Untier brüllte auf und verlagerte ihr Gewicht, noch war sie aber nicht bereit zurückzuschlagen. Cifer hatte auch nicht vor, ihr diese Zeit zu lassen.
„Holy!“
Der heilige Zauber setzte dem Monster schwer zu, aber es war noch lange nicht besiegt. Cifer begab sich wortlos wieder in Kampfstellung. Er hatte nicht erwartet, dass ein so riesiger Drache schon nach drei Angriffen zusammenbrach. Diesmal verzichtete Fu-jin auf ihren Angriff und wandte statt dessen noch ein Elixier an, welches ihre HP wieder völlig herstellte.
Der Drache verließ sich ein weiteres Mal auf sein gutes Gebiss, diesmal bei Rai-jin. Aber damit war auch bei dem muskulösen Jungen das Limit noch lange nicht erreicht. Er grinste und schmetterte dem verblüfften Drachen seine harte Waffe auf die Schnauze. Dieser heulte auf und zog sie zurück. Cifer sprang vor, während der Drache abgelenkt war und versetzte ihm einen weiteren tiefen Schnitt. Als das Untier mordlüstern nach ihm sah, war er bereits wieder auf seinem Platz. Fu-jin kramte in ihrer Tasche und warf dem Monster einen Meteor-Stein vor die Tatzen, dessen (ein-)schlagende Argumente dem Drachen ziemlich zusetzten.
Cifer erlaubte sich grade ein Grinsen, als es passierte. Es begann als Kribbeln, dann lösten sich einige Lichtkugeln von ihm und schossen über ihn hinweg nach hinten. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Fu-jin und Rai-jin dasselbe passiert war. Nun, immerhin waren sie vorbereitet gewesen, Squalls Truppe war ziemlich überrascht worden. Aber ihnen machten die paar verlorenen Zauber bei weitem nicht so viel aus wie den SEEDs. Ein großer Vorteil, vor allem jetzt.
„Das... das ist alles?“, erklang plötzlich eine verzerrte Stimme hinter ihnen. „Wie ist das möglich? Die anderen waren ebenso stark wie ihr und hatten zehnmal mehr und stärkere Zauber bei sich!“
„Da staunst du, was?“, rief Cifer, ohne den Drachen aus den Augen zu lassen. Rai-jin griff inzwischen wieder an, was das Vieh taumeln ließ. Lange machte er nicht mehr. „Wir sind von uns selbst aus stark, nicht wegen unserer GF! Uns machen ein paar Zauber mehr oder weniger nichts aus, wie du siehst!“ Wie zum Beweis rannte er nach vorn, ließ seine Klinge durch den Leib des Drachen gleiten und sprang elegant zurück auf seinen Platz. Vor ihnen brach die gewaltige Masse der Bestie heulend zusammen und verschwand.
Cifer ließ triumphierend seine Klinge durch die Luft wirbeln, steckte sie aber diesmal nicht weg. Vielleicht erwartete sie noch ein weiterer Kampf. Rai-jin leerte gerade eine Hi-Potion, er hatte offenbar den selben Gedanken gehabt. Fu-jin hingegen sah sich bereits wortlos im Raum um. Auf seinen fragenden Blick antwortete sie allerdings gewohnt wortkarg mit einem Schulterzucken. Auch sie wusste nicht, wo die Quelle der Stimme sich befand.
Nachdenklich zog Cifer ebenfalls eine Hi-Potion hervor und leerte sie. Bei seiner ungeheuren Anzahl von Lebenspunkte, die er der Hexe Artemisia verdankte, die Kräfte in ihm geweckt hatte, von denen er bis dahin nur hatte träumen können, machte eine Flasche zwar nicht viel aus, aber sie konnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Er blickte die Säule an, die nun nicht mehr so stark pulsierte. Ob sich darin die Antwort auf seine Fragen befand? Wie hatte Xell, der Angsthase, gesagt? In der Säule, in der Bahamut war, oder so ähnlich. Bahamut war ohne Zweifel eine ihrer GF, und wenn er in dieser Säule gewesen war, warum dann nicht auch anderes?
„Cifer!“, meldete sich Fu-jin plötzlich aus dem hinteren Teil des Raumes.
„Fu-jin hat mal was gefunden, Cifer!“, ergänzte Rai-jin überflüssigerweise. „Sieh es dir mal an. Ich weiß nicht recht, was es mal sein soll.“
Der Gunblade-Kämpfer behielt seine Waffe in der Hand, als er um die Säule herum auf seine Freunde zuging. Man wusste ja nie. Aber kein Monster stellte sich ihm in den Weg. Fu-jin und Rai-jin standen neben einer Art Deckel, der irgendetwas verschloss. Stirnrunzelnd kam er näher. So ein Ding hatte er auch noch nie gesehen, aber wenn es so stabil war, wie es aussah, dann musste es etwas Wichtiges verbergen.
„Geht mal zur Seite“, wies er die beiden an und stellte sich breitbeinig hin. „Wir werden ja sehen, was das für ein Ding ist, wenn ich es aufgesprengt habe.“ Damit hob er die Gunblade über den Kopf.
„Das würde ich an eurer Stelle lassen.“
Cifers Kopf ruckte herum und auch Fu-jin und Rai-jin zuckten zusammen. Dennoch gingen alle drei sofort in Kampfstellung. Mehrere Jahre Drill in einer Kampfschule zahlten sich eben doch aus. Vor ihnen stand eins der absonderlichsten Geschöpfe, die er jemals gesehen hatte, und das wollte in dieser Welt schon etwas heißen. Was nicht hieß, dass es hässlich war. Das... was auch immer es war, hatte eine animalische Grazie, fast so wie Artemisias Haustier, der Löwe Griever, den Squall besiegt hatte.
Es besaß graues, an manchen Stellen nachtschwarzes Fell, welches seinen ganzen Körper bedeckte. Unter dem Fell konnte man die Konturen starker Muskeln erkennen, die momentan angespannt waren. Obwohl die Körperbehaarung auf ein Tier schließen ließ, stand es gerade und hochaufgerichtet, wobei es beinahe die Decke erreichte. Die beiden Füße endeten allerdings in Krallen, die kreischend über den Metallboden schliffen, und die Hände glichen den Klauen eines Quals, nur größer. Aus den Schultern wuchsen ihm je drei Stacheln, die gefährlich massiv und scharf aussahen. Auf dem Kopf war die Farbe seines Fells weiß und es war länger, was es wohl menschenähnlicher erscheinen lassen sollte. Die Schnauze im Gesicht, aus der den drei Kämpfern nadelspitze Reißzähne entgegenblitzten und vor allem die dämonisch rot brennenden Augen ruinierten diesen Effekt gründlich.
„Große Hyne“, murmelte Rai-jin erschrocken. Seine Finger umschlossen den Kampfstab so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Was bist du?“
„Ah, eine sehr direkte Frage“, entgegnete das Wesen, während die rote Farbe in den Augen nachließ und einem intensiven Gelb wich. „Nicht wer, sondern was! Nun, ihr Menschen würdet mich wohl eine GF nennen, obwohl ich noch niemals gekoppelt war, und mein Name lautet Condenos.“
„Woher?“ Natürlich stammte diese direkte Frage von Fu-jin.
„Das hättet ihr doch wohl selbst erraten können.“ Die GF stieß ein heiseres Bellen aus, das wohl ein Lachen sein sollte. „Ich komme aus der Wachstumskammer.“ Er deutete mit der rechten Kralle auf die Lichtsäule. „Dort drin kann sich eine GF nach einem Kampf regenerieren und neue Kräfte sammeln.“
„Und wieso haben dich Squall und seine Kumpane dann bei ihrem ersten Besuch nicht gefunden?“, wollte Cifer wissen. Er hielt die Gunblade noch immer erhoben. „Immerhin haben sie Bahamut eingefangen, wer auch immer das sein mag.“
„Bahamut? Jemand hat meinen Bruder besiegt?“ Die Miene von Condenos wurde ernst. „Er ist einer der mächtigsten von uns. Er würde sich nur denen anschließen, die ihn im Kampf besiegen. Die Menschen sind sehr stark geworden.“
„Nicht alle“, gab Cifer zu. „Aber dazu später. Wo bist du früher gewesen, wenn Squall dich nicht gefunden hat?“
„Früher.“ Die Muskeln der GF spannten sich und einen Moment lang hatte Cifer das Gefühl, sie würde angreifen. Aber dann beruhigte sie sich wieder. „Sagen wir, ich war... unter Bewachung. Die Herrin über unser Volk sperrte mich tief unten im Ozean ein, weil ich wagte, ihr meine Meinung zu sagen. Dann schuf sie ein grauenvolles Monster und gab ihm den Befehl, den einzigen Ausgang von diesem Ort zu bewachen. Um sicher zu gehen, dass ich niemals würde fliehen können, verlieh sie dem Monster zusätzliche Kraft, indem sie meine stärkste Schwester anwies, es zu unterstützen. Vielleicht kennt ihr ihren Namen... Eden... oder den des Monsters, der Ultima Weapon lautete.“
„Cifer, Eden ist mal eine GF von Squall“, warf Rai-jin aufgeregt ein. „Er hat sie mal nach der Schlacht von Esthar Edea geborgt und als ich ihn darauf ansprach, sagte er mal, er habe diese GF von einem äußerst starken Monster an einem gefährlichen Ort erhalten.“
„Gefährlicher Ort? Dann hat euer Freund nicht übertrieben.“ Condenos lachte kurz auf, aber Bitterkeit schwang darin mit. „Kein normaler Mensch hätte Ultima Weapon besiegen können. Auch meine Kräfte reichten dazu nicht aus. Wenn die Menschen wirklich schon so stark sind, dann bezweifle ich, dass ich meine Mission zu Ende führen kann.“
„Mission?“ Fu-jin war noch immer misstrauisch, wurde aber schön langsam neugierig.
Die GF hob abwehrend eine Pranke und seine Augen färbten sich orange. „Darüber werde ich euch jetzt noch nichts sagen. Erst müsst ihr mir verraten, warum ihr mich gesucht habt.“
„Das kommt später“, erwiderte Cifer und zeigte damit wieder einen Teil seiner natürlichen Arroganz. „Erst mal verrätst DU uns, wieso wir diese Luke da nicht öffnen dürfen. Ich halte nichts von Verboten, die ich nicht erklärt bekomme.“
Ein Raubtiergrinsen stahl sich in die Züge des Riesen. „Brich das Siegel ruhig auf, wenn du schwimmen kannst“, antwortete er höhnisch. „Dieses Schott verschließt den Riss, durch den man früher zu dem gefährlichen Ort kam, an dem ich gefangen war. Jetzt, da ich diese Insel mobil gemacht habe, muss sie natürlich geschlossen bleiben, damit sie nicht absäuft.“
„Mobil?“, fragte Cifer interessiert. „Heißt das, du kannst diesen Steinklotz überall hin steuern, wo du willst?“
„Solange es einen Seeweg gibt, ja. Das ist Bestandteil meiner Mission.“