by G. Girlinger
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Was bisher geschah
Bei der „Träne des Mondes“, die die Esthar-Hexe Adell wieder zur Erde brachte, kam auch etwas anderes vom Mond zur Erde: eine Kapsel, die einen Passagier beherbergte, den Adell selbst hinaufverbannt hatte. Als Squall und seine Freunde die Kapsel fanden, stellten sie fest, dass der ominöse Reisende in der Lage war, die Monster des Planeten zu kontrollieren. Auch Cifer erfuhr davon und suchte den Monsterbeschwörer auf. Er erklärte ihm die Gefahr, die von Squall und seinen Freunden ausging und verlangte dafür die Chance, gegen Squall antreten zu dürfen. Inzwischen entdeckten die SEEDs, dass der Mann vom Mond nur ein Ziel hatte: Esthar, die Stadt, in der Laguna Loire herrschte, zu zerstören!
Als sie das Versteck des Monsterbeschwörers in den Bergen rund um Esthar ausfindig machten, wurden sie von ihm gefangengenommen. Auch Cifer mitsamt Fu-jin und Rai-jin wurden eingesperrt, da der Beschwörer keinen Nutzen mehr in ihnen sah. Nur Quistis wurde von ihm verschont. Er erklärte er, dass er Feyjar Trepe war, Quistis’ Vater, den Adell verbannt hatte, weil ihm seine Fähigkeit, Monster zu kontrollieren, zu gefährlich wurde. Quistis stellte sich auf seine Seite und die SEEDs entkamen nur knapp, als sie gegen eine Hundertschaft von Monstern antreten mussten.
Jeder von ihnen suchte noch einmal einen Platz auf, den er besonders liebte, um sich für den Endkampf um Esthar vorzubereiten. Auch die Gardens wurden benachrichtigt, auch wenn der Galbadia-Garden eigentlich den Befehlen von Deling City gehorchte, die in Esthar einen Konkurrenten sahen. Schließlich standen die SEEDs zusammen mit Cifer und seinen Freunden zusammen der Monsterarmee von Feyjar Trepe gegenüber. Laguna versuchte noch einmal, ihn zur Vernunft zu bringen, aber er ließ sich nicht beirren.
Im Kampf waren die Krieger zunächst erfolgreich, aber nach und nach gewannen die Monster die Überhand. Quistis war beunruhigt, weil sie eigentlich ihre Freunde nicht sterben sehen wollte, aber erst, als Edea auf dem Schlachtfeld erschien, erkannte sie ihren großen Fehler. Sie stellte sich dem Monsterbeschwörer mit einer neuen GF, die er selbst vom Mond mitgebracht hatte. Der „Seraphim“ tötete Feyjar, aber Selphie leistete den größten Teil: Als sie sah, wie Irvine niedergestochen wurde, sprach sie ihren Zauber „The End“, der auf der Stelle alle Monster tötete. Beim nachfolgenden Fest gestanden sich unter anderem Selphie und Irvine ihre Liebe und Quistis zog zu Edea, ihrer Ziehmutter, ins Waisenhaus. Diese Geschichte spielt 6 Monate nach diesen Geschehnissen. Unsere Helden haben sich einige Zeit vom Garden beurlauben lassen, um auszuspannen.
Kapitel 1:
„Entschuldigen Sie bitte“, erklang die piepsige Stimme direkt hinter ihm. Der großgewachsene, braunhaarige Junge in Lederkluft drehte sich um und sah stirnrunzelnd auf das kleine Mädchen hinunter, welches ihn scheu anguckte.
„Ja?“, fragte er so freundlich wie möglich, aber der gewohnt finstere Ausdruck seines Gesichtes machte den Effekt gründlich zunichte. Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
„Jetzt verängstige doch nicht immer die Leute, Squall!“, rügte ihn das schwarzhaarige Mädchen, welches sich bei ihm eingehenkt hatte. „Man kann sich mit dir ja nirgends mehr sehen lassen, wenn du überall so eine Weltuntergangsstimmung verbreitest!“ Aber das Lächeln, das sie Squall zuwarf, bewies, wie wenig ernst sie diese Worte meinte.
„Was möchtest du denn, Kleine?“, wandte sich nun Rinoa an das kleine Mädchen, wobei sie in die Knie ging, damit die sicher noch keine 10 Jahre alte Göre ihr ins Gesicht sehen konnte, ohne sich das Genick zu brechen. Ihr sanftes Lächeln, welches stets ihre gesamte Umgebung bezauberte, verfehlte auch jetzt seine Wirkung nicht: Das Mädchen beruhigte sich wieder.
„Ich... ich hätte gern... ein Autogramm von Ihnen beiden,... wenn es Ihnen nichts ausmacht...“, stammelte die Kleine, die offenbar jetzt erst bemerkte, wie schwer es war, berühmte Persönlichkeiten anzusprechen. Sie senkte den Blick, als sie merkte, dass sie rot wurde.
Squall verzog kurz die Lippen, während er in Gedanken eine Rechnung aufstellte, wie viele Personen, darunter meist solche Kinder wie dieses hier, Rinoa und ihn heute schon um ein Autogramm angefleht hatten. Aber er beherrschte sich, schon seiner Freundin zuliebe. Die bekannteste Hexe der Welt hatte darauf bestanden, dass ihr stolzer Hexenritter sie heute auf einen Stadtrundgang durch Dollet begleitete, also musste er sich eben zusammenreißen.
„Na, sag das doch gleich“, strahlte Rinoa das Mädchen an und nahm ihr den Schreibblock und die Füllfeder aus der Hand. „Bevor Squall noch auf den Gedanken kommt, dass du ihn mir ausspannen willst.“ Ohne auf das amüsierte Schnauben hinter ihr zu achten, schrieb sie mit ihrer schwungvollen Handschrift ihren Namen auf das Blatt.
„Lass das, Rinoa“, bemerkte Squall ärgerlich, als das Mädchen ihn furchtsam anstarrte. „Du machst ihr noch mehr Angst, als sie bereits hat.“ Er ging in die Knie, nahm den Schreibblock von Rinoa entgegen und setzte seine etwas fahrige Unterschrift unter die ihre. Einen Moment lang betrachtete er prüfend sein Werk, dann ergriff er die Hand des Mädchens und legte den Block hinein. Er lächelte ihr ermutigend zu, aber wie immer gelang es ihm nicht so gut wie seiner Freundin. Das Mädchen nickte ihm zu und verschwand in der Menge.
„Wir sollten einmal was gegen deinen Gesichtsausdruck unternehmen, Squall“, verkündete Rinoa kichernd, während sie sich wieder bei ihm unterhakte. „Für den Schulsprecher und Kampfführer eines Gardens mag diese ernste Miene ja genau die richtige sein, aber privat wird niemand wagen, dich anzusprechen.“
Squall schnaubte kurz und berührte Rinoas Wange. „Kann dir doch ganz recht sein, nicht wahr?“, fragte er leise. „Dann kann mich keiner dir wegnehmen.“
Rinoa sah ihn belustigt an. „Wer weiß, vielleicht finde ich mir ja hier einen neuen Freund, Auswahl genug gibt’s ja. Oder weißt du einen Grund, warum ich bei dir blei...“
Squall verschloss ihr die Lippen mit einem Kuss, den Rinoa sofort erwiderte. Natürlich hatte sie das erwartet. Vor ein paar Wochen wäre es ihm noch peinlich gewesen, mitten auf der Straße jemanden zu küssen, aber inzwischen kannte ohnehin beinahe jeder auf dieser Welt ihre Gesichter und ihre Geschichte, also konnte auch niemand etwas dagegen sagen. Außerdem hatte Rinoa, wenn es um Küsse ging, ungefähr so viel Scheu wie ein Baby vor einem neuen Spielzeug. Und seltsam: Er hatte mit dem Vergleich mit einem Spielzeug nicht einmal etwas einzuwenden.
„Reicht das als Grund aus?“, fragte er leise, während er ihr mit der Hand durchs lange Haar fuhr.
„Danke, vorläufig genügt das“, meinte sie grinsend. „Aber später sollten wir das noch einmal nachprüfen, meinst du nicht?“
Squall sah auf die Uhr. „Was genau meinst du mit später?“
„Jetzt“, verkündete sie und presste ihre Lippen wieder auf die seinen. Squall genoss Rinoas Offenherzigkeit, die er selbst niemals gekannt hatte. Seit er dieses Mädchen getroffen hatte, lernte er jeden Tag, was es hieß, das Leben auszukosten. Und um nichts in der Welt würde er dieses Gefühl wieder aufgeben.
„Irviiiie! Die Batterien sind schon wieder aaaaalle!“, ertönte plötzlich eine höchst amüsierte und kindliche Stimme hinter ihnen in einer Lautstärke, die sämtliche Nebengeräusche wie Autos, Radios und andere Leute mühelos übertönte.
„Ach, das ist genug. Du hast jetzt mindestens drei Minuten Video für deine Garden-Homepage. Lass den beiden doch wenigstens etwas Privatsphäre.“
„Aaaaaber es war doch ein so schöööner Anblick, findest du nicht?“
Höchst ungern löste sich Squall von Rinoa und versuchte, die beiden jungen Kämpfer, die hinter ihm standen, möglichst streng anzusehen. Nicht, dass das die beiden sehr beeindruckt hätte. Selphie war ohnehin noch damit beschäftigt, ihren Film zu begutachten, auf dem sie gerade seinen und Rinoas Kuss aufgenommen hatte und Irvine blickte ihn mit seinem unschuldigsten Lächeln an.
„Hat euch Mama nicht beigebracht, dass man seine Vorgesetzten nicht in Privatsituationen filmt?“, fragte er, während er den Griff auf seine Gunblade Löwenherz legte.
„Müsstest du doch eigentlich selbst wissen“, erwiderte der Scharfschütze gelassen grinsend. „Sie hatte genug damit zu tun, dich daran zu hindern, die ganze Welt nach Ell abzusuchen, weißt du nicht mehr?“
Vor vielen Jahren hatten Squall, Irvine selbst, Selphie, Quistis, die jetzt wieder dort wohnte, Xell und Cifer in einem Waisenhaus gelebt, das die Hexe Edea geleitet hatte. Außerdem hatte es ein Mädchen dort gegeben, das für sie alle wie eine große Schwester gewesen war: Ellione. Als sie auf einmal verschwunden war, war das besonders für Squall schlimm gewesen, der dadurch den einzigen Menschen verloren hatte, dem er wirklich vertraut hatte. Seit damals hatte er sich von der restlichen Menschheit abgeschottet und mit niemandem eine Beziehung geknüpft, und sei sie auch nur freundschaftlich. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, als er Rinoa kennen gelernt hatte.
Infolge vieler Verwirrungen hatten sie sich alle wiedergefunden, um gegen ihren ehemaligen Kameraden Cifer und die Hexe Artemisia zu kämpfen, die alles Leben mittels eines gigantischen Zeitzaubers hatte auslöschen wollen. Und Squall hatte dabei gelernt, dass es nur noch Schmerz einbrachte, wenn man sich vor anderen Menschen verschloss. In Momenten wie diesen allerdings wünschte er sich seine kaltschnäuzige Art zurück. Nach außen hin hatte er sie bewahrt, aber die Tatsache, dass er nicht fähig war, Irvine böse zu sein, zeigte ihm, wie sehr er sich verändert hatte.
„Irviiine!“, krähte Selphie fröhlich. Squall konnte sich kaum an ein Dutzend Momente erinnern, in denen er dieses braunhaarige Mädchen ernst erlebt hatte. Und wenn noch so schreckliche Dinge passierten, Selphie betrachtete es als ein Spiel. Vielleicht war dies das größte Geschenk, welches ein Mensch bekommen konnte. „Der Film ist wirklich guuut geworden! Wir müssen sofort zum Garden...“
Sie hatte nicht auf Rinoa geachtet, welche die Finger ihrer rechten Hand gespreizt hatte. „Blenden!“, flüsterte die Hexe so leise, dass nur Squall es hören konnte. Und im selben Moment wurden die Aufnahmen schwarz, von einem plötzlichen hellen Licht unbrauchbar gemacht.
„Das waaar gemein!“, heulte Selphie auf. „Weeeer war das? Jetzt kann ich das Zeug nicht mehr veröffentlichen.“ Sie bot einen so mitleiderregenden Anblick, dass Irvine sie tröstend an sich drückte. Impulsiv schlang sie ihre Arme um ihn.
„Macht doch nichts, Sephie“, behauptete er. „Irgendwann klappt’s schon noch. Es kann nicht lange dauern, bis sich die beiden da wieder küssen. Du weißt doch, dass sie süchtig danach sind. Wir kriegen schon irgendwo einen neuen Film.“
Squall gab ein kurzes „Pah“ von sich und Rinoa kicherte leise in sich hinein, als Selphie schniefend und mit einem Verwundetes-Reh-Blick zu Irvine aufsah. Dann, von einem Moment auf den anderen, zauberte sie von irgendwoher ein Lächeln auf ihre Züge. Sie strahlte ihn an wie eine ganze Honigkuchenpferdfabrik.
„Danke, Irvie“, rief sie und kuschelte sich an den Scharfschützen. „Duuuu bist der Einzige, der mich versteht.“ Irvine schloss die Augen und legte sein Kinn auf die Haare des Mädchens. Noch vor einem halben Jahr hätte niemand auch nur ein Gil darauf gewettet, dass der größte Casanova zwischen Galbadia und Esthar sich ernsthaft in dieses kindische Mädchen verlieben könnte. Aber seit der letzten Schlacht mit dem Monsterbeschwörer, in der Irvine beinahe gestorben wäre, hatten sie sich endlich gefunden. Und Squall erkannte neidlos an, dass sie ein mindestens so schönes Paar abgaben wie Rinoa und er selbst.