„Aber euren Freund wiederbeleben können wir nicht. Das kann niemand.“ Ihr Sirenengesang ließ einem Rumbrum-Drachen den Meteor-Zauber im Hals stecken bleiben.
Squall blickte sich wieder um. Selphie hatte Irvines Kopf auf ihren Schoß gelegt und weinte. Sie schien den Kampf völlig vergessen zu haben, mit ihr war momentan nicht zu rechnen. Wieder drehte er den Kopf. Cifer, Xell und Rinoa hatten, während Rai-Jin und Fu-Jin ihn beschützt hatten, eine Bresche in die Monstermenge geschlagen, die sich langsam wieder zu formieren begann. Sie wollten zu Quistis vordringen, aber sie kamen immer langsamer voran. „He, Wunderknabe!“ schrie Cifer ihm zu, während er einem Stahlgiganten die Waffe aus der Hand schlug. „Hilf uns mal ein bisschen!“ „Ihr beide bleibt hier!“ befahl Squall seinen beiden Helfern, ohne sie anzusehen, dann rannte er zu Rinoa, Cifer und Xell hin, die bereits wieder eingekreist wurden. Um Irvine konnten sie sich später kümmern. Jetzt mussten sie Quistis helfen. Dann sah er das Licht kommen.

Der Aufprall war grauenhaft. Der Rumbrum-Drache hatte sie aus einer Höhe von mindestens 10 Metern fallen lassen. Sie fragte sich ohnehin, wieso sie sich nichts gebrochen hatte. Mühsam stemmte sich Quistis hoch und sah nach oben, in ein Paar funkelnder Monsteraugen. Aber noch heller loderten die Flammen in den Augen ihres Vaters. „Du Verräterin!“ sagte er mit einer Stimme, die so kalt war, dass sich Quistis unwillkürlich duckte. „Du bist nicht meine Tochter. Meine Tochter würde mich nicht davon abhalten, meine Rache zu vollenden. Ich werde dich töten, und mit dir werden deine Freunde sterben. Einen hat es ja schon erwischt.“
Irvine! Dieser Gedanke ließ pure Wut in ihre Adern strömen und gab ihr die Kraft, aufzustehen und ihren Vater ins Gesicht zu sehen. Es war die Miene eines Fanatikers. Er würde nicht eher ruhen, bis der letzte Einwohner Esthars tot war, das sah sie jetzt. Wieso hatte sie das nicht nur schon früher gemerkt? Dann wäre Irvine jetzt noch am Leben! Aber ohne G.F. konnte sie diesen Ur-Drachen nicht besiegen.
Der Beschwörer lachte irre. „Ich hätte es wissen müssen“, sagte er zu sich selbst. „Es gibt niemanden, dem man vertrauen kann. Alle sind gegen mich und meine Schöpfungen. Sogar diese seltsame Energie auf dem Mond. Ich habe sie gefragt, ob sie mir helfen wolle, auf die Erde zu gelangen, aber sie hat nicht geantwortet und meine Monster angegriffen. Ich habe sie vernichtet, nur ein Anhänger blieb von ihr zurück. Aber von dir, Verräterin, wird nichts mehr zurückbleiben!“
Quistis fasste sich an die Brust. Der Anhänger vom Mond! Eine Energie, die die Monster angegriffen hatte! Konnte es sein, dass... Sie sandte mit Hilfe ihrer SEED-Kräfte eine Botschaft in das kühle Metall. Da! Eine Antwort! Die Macht, die ihren Vater auf dem Mond angegriffen hatte, war eine G.F.! Eine G.F., die der Erdtrabant erschaffen hatte, um sich gegen die Monster zu verteidigen! Hastig versuchte sie, ihren Geist mit dem fremden Bewusstsein zu koppeln, aber es war so anders als die irdischen Schutzgeister. Sie hörte, wie der Drache Luft einsog, um sein tödliches Feuer auf sie zu schleudern. „Stirb!“ kreischte der Beherrscher des Tieres. Der Flammenstrahl schoss auf sie zu und hüllte sie ein.
Die Health-Points der neuen G.F. waren nach diesem Angriff fast aufgebraucht. Auch wenn sie es gerade noch geschafft hatte, sie zu koppeln und aufzurufen, eine weitere Chance hatte sie nicht mehr! Mühsam nahm sie noch einmal Kontakt mit dem Schutzgeist auf, wobei sie hoffte, dass der Drache und sein Herr lange genug verwirrt sein würden, um sie nicht anzugreifen. Sie sah das Gesicht des fremden Wesens vor sich, wie es sie verwirrt anstarrte. Es war noch nie zuvor gekoppelt worden. Aber es erkannte langsam seinen Besitzer. Wieder sog der Drache Luft ein, um zu einem noch gewaltigeren Feuerstoß anzusetzen.
„Seraphim!“ flüsterte Quistis. Dann umtanzten grüne Flammen sie und sie rief mit lauter Stimme: „Zorn Gottes!“ Dann verschwand sie. Und die Lichtgestalt kam. Man konnte nicht sehen, welche Gewänder der Engel trug, denn das Licht blendete so stark, dass man keine Konturen erkennen konnte. Nur seine Augen verrieten ein bisschen über sein Wesen. Er kannte keinen Hass, keine Gerechtigkeit oder Rache. Er erfüllte nur seinen Zweck, für den er geschaffen worden war. In der linken Hand schwang er ein Schwert, an dem meterlange Flammen züngelten. Und mit diesem holte er aus und ließ es durch den Körper des Drachen gleiten, als wäre er aus Gelee.
Nachdem sie aufgetaucht war, versuchte Quistis festzustellen, ob ihr Vater noch lebte. Aber nichts konnte seine verkohlten Überreste mehr von denen des Drachen unterscheiden. Sie fiel auf die Knie. Diese G.F. war so anders gewesen, so viel stärker... Das waren ihre letzten Gedanken, dann fiel sie in Ohnmacht.

Selphie erwachte aus ihrer Lethargie. Für einige Zeit hatte es in ihrem Leben nur sie und Irvines starres Gesicht gegeben, welches sie unaufhörlich streichelte. Sie hatte nichts gedacht in dieser Zeit, wie ein Roboter hatte sie seinen toten Körper angesehen und ihn liebkost. Jetzt wurde sie aus diesem Zustand gerissen, durch einen Behemoth, der auf sie zurannte. Erstaunt sah sie ihn an, sie war sich nicht bewusst, in welcher Gefahr sie schwebte. Einige Schritte, bevor er sie erreichte, traf ihn eine Wurfwaffe, die ihn niederstreckte. Dann erschienen zwei Gesichter vor ihr.
„Aufwachen!“ herrschte Fu-Jin sie an. „Hilf uns mal ein wenig“, schloss sich Rai-Jin ihr an. „Die Biester drehen mal durch, jetzt, wo keiner mehr Kontrolle über sie ausübt!“
Selphie sah sich um. Tatsächlich, die Monster, die jetzt ohne Führung waren, stürzten sich zum Teil aufeinander, aber auch oft auf die Menschen in ihrer Nähe. Auf einmal wuchs Zorn in ihr, als sie sich erinnerte, dass solch ein Geschöpf Irvine getötet hatte. Und er verwandelte sich in blanken Hass, als sie einige Stahlgiganten sah, die ihn ihre Richtung stapften. „Ihr“, flüsterte sie. „IHR!!!!“ Sie hob ihr Nunchaku auf, visierte die Monster an und wartete, bis die goldenen Blitze um sie herum erstarben. „THE END!“ rief sie mit einer Stimme, die durch das ganze Tal zu hören war.

Kapitel 9

Als sie wieder erwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie war. Erst nach und nach wurden aus den unförmigen Klumpen um sie herum die Einrichtungsgegenstände der Krankenstation des Balamb-Garden. Auch ein Gesicht schälte sich langsam aus den Umrissen heraus. „Na, bist du endlich aufgewacht?“ fragte die dazugehörige Stimme erleichtert. „Ich dachte schon, wir verlieren dich ganz!“
Selphie sah sich um. „Was... ist passiert?“ fragte sie. Ihre Stimme wollte ihr nicht mehr ganz gehorchen. Dr. Kadowaki zuckte mit den Schultern. „So genau weiß ich das auch nicht“, meinte sie bedauernd. „Ich weiß nur, dass du und Quistis gestern von Squall und den anderen hier reingebracht wurdet, als der Kampf zu Ende war. Sie haben irgendwas davon gefaselt, dass ihr beide für den Sieg verantwortlich seid und ich euch schnellstmöglich wieder zusammenflicken soll. Quistis ist schon ein paar Stunden später wieder aufgewacht, aber du hast einfach weitergeschlafen, so als wolltest du gar nicht mehr aufwachen. Erinnerst du dich noch an etwas?“
Sie versuchte es. Bilder tauchten vor ihrem Auge auf, erst Bilder von unzähligen Monstern, dann von Irvines totem Gesicht. Diese Vorstellung trieb ihr die Tränen in die Augen, aber sie zwang sich, weiterzuforschen. Sie erinnerte sich an eine Gruppe Stahlgiganten, die auf sie zukam und an ein unglaublich dunkles Gefühl. Dann fiel es ihr wieder ein. „The end“, flüsterte sie. „Ich habe... den stärksten aller Zauber eingesetzt!“ Sie hatte den ultimativen Zauber erst ein einziges Mal aufgerufen, das war in einem Zufallskampf gewesen. Aber dass er zu solchem fähig war, hatte sie nicht gewusst.
Dr. Kadowaki hob die Augenbrauen. „Ach, das meinten die anderen. Ich konnte gar nicht glauben, dass du alle verbleibenden Monster allein besiegt haben sollst!“ In ihrer Stimme schwang Bewunderung mit. „Warst das wirklich du?“
Selphie nickte und drehte den Kopf zur Seite. Sie konnte sich über diesen Triumph nicht freuen. Der Sieg war zu teuer erkauft. Viel zu teuer. „Irvine“, sagte sie. „Irvine ist tot.“ Sie merkte vor Trauer gar nicht, dass sie auf einmal ganz normal sprach. Sie setzte sich auf, zog die Knie an und versteckte den Kopf dahinter. „Er... hat sich für mich geopfert und ist dafür gestorben. Warum nur? Warum hat er sein eigenes Leben weggeworfen, um mich zu schützen?“
„Kannst du dir das nicht denken?“ fragte eine sanfte Stimme von der Tür her. Einen Moment lang schluchzte sie einfach weiter, bevor sie bemerkte, wem diese Stimme gehörte. Sie erstarrte förmlich. Unmöglich! Absolut unmöglich! Er war tot! Aber dennoch hörte sie die Schritte, die langsam auf sie zukamen. Das war sein Gang, eindeutig. Zaghaft hob sie den Kopf, wartete, bis sich der Tränenschleier etwas gelichtet hatte und – schrie auf.
Sie versteckte ihren Kopf wieder zwischen den Knien und schrie weiter: „Du bist nicht hier! Du bist nicht hier! Du bist tot! Lass mich in Ruhe! Verschwinde!“ Dann fiel sie wieder in hemmungsloses Schluchzen zurück. Nur am Rande ihres Bewusstseins bekam sie mit, wie Dr. Kadowaki die Person anschnauzte: „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie so bald noch nicht zu ihr dürfen, Kinneas! Sie sehen doch, dass sie gerade erst aufgewacht ist! Ich warne Sie, wenn sie Ihretwegen jetzt einen Schock bekommt, werfe ich Sie persönlich aus dem obersten Fenster des Gardens!“
Sie bekam keine Antwort. Selphie spürte, wie sich jemand zu ihr auf das Krankenbett setzte. Beinahe hysterisch rückte sie so weit zurück, bis sie bei der Wand anstieß. Die Person folgte ihr. Sie wollte niemanden sehen, sie wollte in diesem Moment für immer so sitzen bleiben, aber jemand löste mit sanfter Gewalt ihre Arme, die um ihre Füße geschlungen waren und hoben ihr Gesicht in die Höhe. Sie schloss die Augen. Sie wollte nichts sehen, was sie verletzen würde, sie wollte das Phantom nicht ansehen. Ihre Sinne narrten sie. „Lass mich in Ruhe!“ rief sie noch einmal. „Geh fort! Du bist nicht er! Er ist...“
An diesem Teil des Satzes wurde sie unterbrochen, als ihr jemand sanft die Lippen mit einem Kuss verschloss. Sie war so überrascht, dass sie sogar aufhörte zu weinen. Der Kuss war nicht scheu, auch nicht fordernd, aber er wirkte beruhigend auf sie. Als dieser Jemand seine Lippen wieder von ihren wegnahm, verspürte sie ein Gefühl des Verlustes. Aber sie war nun bereit, die Augen zu öffnen. „Das... ist unmöglich“, hauchte sie förmlich. „Du bist tot! Du bist... vor meinen Augen gestorben! Wie...?“
Irvine verschloss ihr die Lippen mit dem Zeigefinger. Er strahlte sie derart glücklich an, dass sie plötzlich gar nicht mehr das Bedürfnis verspürte, etwas zu fragen. „Würden Sie uns wohl einige Minuten allein lassen, Doktor?“ fragte er Kadowaki. Sie brummte irgendetwas vor sich hin, sagte aber: „Aber nur ein paar Minuten! Und wenn Sie auf dumme Gedanken kommen sollten, ich bin gleich im Nebenzimmer!“ „Keine Sorge.“ „Pah!“
Als sich die Tür geschlossen hatte, wandte er sein Gesicht wieder ihr zu. „Pssst!“ sagte er. „Sag jetzt bitte nichts. Du bist noch zu schwach dazu. Lass mich lieber erzählen.“ Sie nickte. Sie war momentan auch gar nicht in der Lage, etwas anderes zu machen. „Ich war wirklich tot, als der Stahlgigant mich niederstach“, fing er an zu erzählen. „Ich weiß nichts davon, was danach geschah, aber die anderen haben mir erzählt, dass Quistis den Monsterbeschwörer besiegt hat und du The end eingesetzt hast. Danach seid ihr beide zusammengebrochen. Nachdem sich alle ein wenig erholt hatten, brachte Edea Ell und Rinoa dazu, einen Teil ihrer Kräfte auf mich zu übertragen. Ich kann nicht beschreiben, wie es sich anfühlte, ich glaube, bei der Geburt verspürt man dasselbe. Ich wollte sofort aufspringen und das nächstbeste Monster anvisieren, als ich dich sah. Wir haben dich und Quistis sofort hierher gebracht, aber während sie nach ein paar Stunden wieder fit war, bist du nun schon seit nahezu anderthalb Tagen hier. Ich bin die ganz Zeit hier gewesen und habe gewartet, dass du aufwachst, auch auf die Gefahr hin, von Dr. Kadowaki skalpiert zu werden. Ich wollte dir nämlich etwas sehr Wichtiges sagen.“
Ihre Augen flackerten. Sie wusste, was er ihr sagen wollte, aber sie konnte es einfach nicht glauben. Ihr Atem beschleunigte sich. Irvine zog sie ganz nah zu sich heran und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Du hast mich gefragt, warum ich mich für dich geopfert habe. Ich habe es getan, weil ich dich liebe, Selphie. Ich liebe dich.“ Als er den Kopf wieder zurückzog, sah er, dass in ihren Augen schon wieder Tränenbäche warteten. Blitzartig fragte er sich, ob es so klug gewesen war, ihr jetzt schon davon zu berichten. Immerhin, vor ein paar Minuten hatte sie noch geglaubt, dass er tot war und jetzt das...
Mit einer Schnelligkeit, die er ihr in diesem Zustand niemals zugetraut hatte, setzte sie sich auf und umklammerte ihn mit beiden Armen. Er bekam fast keine Luft mehr, so fest hielt sie ihn. „Ich dich auch, Irvine!“ jauchzte sie glücklich. „Ich liebe dich auuuuch!“ Na also, dachte Irvine zufrieden. Der Sprachfehler ist auch wieder da. Jetzt ist alles wieder in Ordnung. Er legte ihr ebenfalls die Arme um den Rücken und drückte das diesmal vor Glück weinende Mädchen fest an sich. Sie saßen lange so da. So lange, bis Dr. Kadowaki wieder hereinkam und ihn sehr bestimmt aus dem Zimmer bugsierte.

„Ich kann mich nicht erinnern, Laguna jemals so aufgekratzt gesehen zu haben!“ bemerkte Squall. Er runzelte die Stirn. „Und ich habe ihn nun schon bei weiß Gott nicht wenigen Dummheiten gesehen!“ Rinoa, die sich bei ihm eingehängt hatte, schmunzelte. „Das ist doch verständlich, oder, mein großer starker Beschützer?“ neckte sie ihn. „Immerhin wurde gerade seine Stadt gerettet. Das ist doch ein ziemlich triftiger Grund zum Feiern, denkst du nicht?“
Squall blickte seinen Vater an. Er wusste nicht so recht, ob er heulen oder lachen sollte. „Mag ja sein“, gab er zu. „Aber muss er deswegen den Schlagzeuger aus der Band vertreiben und sich selbst daran versuchen? Ich meine, er hat dafür ungefähr so viel Talent wie ein gichtgeplagter Gartenzwerg!“ Tatsächlich. Der Esthar-Präsident hatte wirklich schon ein paar Gläser zu viel intus, denn er hatte der Band gedroht, sie allesamt aus der Stadt zu schmeißen, wenn sie ihn nicht unverzüglich mitspielen ließen. Rinoa kicherte leise über diesen Vergleich. „Könnte hinkommen!“ bestätigte sie noch immer grinsend. „Aber es hätte viel schlimmer kommen können. Stell dir mal vor, er hätte sich an der Trompete versucht!“ Nun, DAS wollte er sich besser nicht ausmalen!
„Na, bei euch herrscht ja anscheinend eine Bombenstimmung!“ hörten sie eine bekannte Stimme hinter sich. Als sie sich umdrehten, konnten sie gerade noch sehen, wie Xell zu Laguna hinsah und das Gesicht verzog. Wie Squall hatte er die SEED-Uniform an, was beiden gut stand, und seine Begleitung war niemand anders als die junge Bibliothekarin aus dem Balamb-Garden. Sie wusste augenscheinlich nicht, wohin vor lauter Glück, denn sie brachte kein Wort heraus, um sie zu begrüßen. Rinoa, die in ihrem smaragdgrünen Abendkleid einfach hinreißend aussah, lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich frage mich ernsthaft, wo du dich verkriechen willst, wenn sich die Leute zu fragen beginnen, ob der Sohn des Gastgebers wohl seine Begabung in Sachen Entertainment geerbt hat, Squall!“ ließ Xell vernehmen.
Dieser schnitt eine Grimasse und antwortete: „Nun, ich hatte eigentlich gehofft, dass du mich wegen einer wichtigen Angelegenheit hier wegholen könntest...“ „Keine Chance“, erhob der Faustkämpfer Einspruch. „Meine Begleitung und ich sind gerade erst gekommen und haben vor, das Fest auch noch ein wenig länger zu genießen, nicht wahr?“ Er legte dem jungen Mädchen, welches noch mehr errötete, den Arm um die Schultern und sah es grinsend an. „Ich kann dir schließlich nicht immer aus der Patsche helfen, Squall! Wieso fragst du nicht Irvine?“
„Der ist momentan... verhindert“, entgegnete Rinoa. „Er hat sich seit gestern nicht mehr aus der Krankenstation weggerührt. Er will um jeden Preis dabei sein, wenn Selphie wieder aufwacht. Keine Sorge“, winkte sie ab, Xells Frage vorausahnend, „es geht ihr gut. Sie schläft nur ein wenig länger als sonst. Aber ich möchte zu gerne wissen, was sie sagt, wenn sie aufwacht.“ Weiter konnte sie nichts sagen, denn in diesem Moment schritten Ward und Kiros zwischen sie.
„Squall“ zischte Kiros bittend, „du musst Laguna zur Vernunft bringen! Wenn er noch weiterhin so spielt, wird er die nächsten Wahlen niemals überleben. Du als sein Sohn solltest dich für das Image deines Vaters doch verantwortlich fühlen!“ Ward nickte zustimmend und blickte besorgt zu Laguna hinüber, der gerade wieder ein Solo einlegte, welches ihnen einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Squall nickte ernst. „Mag schon sein. Aber momentan interessiere ich mich mehr für MEIN Image, und das wird gewaltig leiden, wenn ich jetzt zu ihm hingehe und mich mit ihm öffentlich zeige! Ihr müsstet solche Auftritte von ihm doch schon gewohnt sein, holt ihr ihn doch runter! Ich habe jedenfalls vor zu verschwinden, wenn er auch nur einmal meinen Namen nennt!“
Kiros knirschte mit den Zähnen und warf Ward einen hilfesuchenden Blick zu. Der Riese zuckte nur mit den Schultern und deutete unauffällig auf die Kabel, die zur Bühne führten, wo die Musiker saßen. Kiros nickte, auf einmal diabolisch grinsend und beide verschwanden in der Menge von SEED-Anwärtern aller Gardens, Esthar-Bürgern und normalen Soldaten, die sich alle in der Residenz eingefunden hatten. Squall hatte das Gefühl, dass die Scheinwerfer, die die Band beleuchteten, in den nächsten Sekunden einen bedauerlichen Stromausfall haben würden.
„Irvine Kinneas wollte wirklich nicht auf diese Party hier?“ knüpfte die junge Bibliothekarin an das unterbrochene Gespräch an. „Mag sein, dass ich ihn verkenne, aber ich habe gehört, er würde kein Fest auslassen!“
Rinoa schüttelte den Kopf und lächelte Squall an. „Das ist normalerweise auch richtig“, bestätigte sie. „Aber ich glaube, dass ihm der Augenblick, in dem Selphie aufwacht, wichtiger ist als die ganze Nacht auf dieser Party hier.“ Xell blickte sie nachdenklich an. „Ja, scheint so“, meinte er. „Hätte mir das jemand vor ein paar Wochen gesagt, hätte ich ihn sofort zu Dr. Kadowaki geschickt... hallo, was ist denn da hinten los?“
Squall dachte im ersten Moment, dass er den Stromausfall meinte, der soeben stattgefunden hatte, aber Xell sah verwundert in Richtung Eingang. Erst nach ein paar Sekunden konnte er erkennen, was sein Freund meinte: Irvine war in den Saal gekommen, hatte seinen Hut in die Luft geworfen und nach dem erstbesten Mädchen gegriffen, das in seiner Nähe stand. Er hatte das total verwirrte Ding ein paar Mal herumgewirbelt und wieder losgelassen. Jetzt kam er mit einer zweiten Tanzpartnerin auf sie zu. „Leute!“ rief er, als er sie sah. „Lasst uns feiern!“ Mit diesen Worten ließ er das Mädchen gehen, das noch immer sehr verdattert drein sah – und griff nach Rinoas Hand!
Diese war so verdutzt, dass sie sich protestlos mitziehen ließ und einige Schritte mit ihm mittanzte, bevor er sich mit unverständlichen Jubelrufen zum Büffettisch durchdrängte. „Jetzt ist er vollkommen verrückt geworden!“ erkannte Squall Cifers sarkastische Stimme. „Ich hab’s ja gleich gesagt, wer so lange in der Krankenstation sitzen bleiben kann, ist nicht normal! Zu viele Dämpfe!“ Als Squall zu ihm, Rai-Jin und Fu-Jin zurücksah, war sein Gesichtsausdruck so überrascht, dass Rai-Jin lauthals zu lachen begann. Sogar Fu-Jin musste sich das Grinsen mit der Hand verhalten. „Was ist?“ fragte Cifer scheinbar ruhig. „Willst du deine Freundin nicht wieder zurückholen?“ Dann fing auch er zu lachen an. „Sonst brennt sie dir noch mit diesem Verrückten durch!“
Einen Moment lang sah er sich versucht, seinem ehemaligen Trainingspartner gründlich die Meinung zu sagen, dann erinnerte er sich erst wieder. Schuldbewusst drehte er sich um und konnte Rinoa gerade noch auffangen, als sie auf ihn zustolperte. „Großer Gott!“ entfuhr es ihr. „Was hat Selphie bloß mit ihm gemacht? Konfus auf ihn gezaubert?“ „Ach, die Kleine war das?“ mischte sich Cifer wieder ins Gespräch. „Deshalb hat dieser Irre Fu-Jin, als er an uns vorbeigerannt ist, also eine Kusshand zugeworfen. Und mir hat er zugerufen: „Viel Spaß noch, ihr Unwissenden!“ Ich hab mir gleich gedacht, dass ihm was zu Kopf gestiegen ist. Aber das dieses Etwas Selphie war...“
Xell, der dieses Gespräch anscheinend wieder in normale Bahnen lenken wollte, fragte schnell: „Was macht ihr eigentlich noch hier? Nach dem Kampf wart ihr auf einmal verschwunden! Wir dachten schon, ihr hättet euch aus dem Staub gemacht!“