Kapitel 8
„Waaaas ist, wenn die beiden es nicht geschafft haben?“ fragte Selphie argwöhnisch. „Vielleicht halten es diiiiie Gardens für zu gefährlich, um einzugreifen!“ Squall beantwortete die Frage nicht einmal. Selphie wusste genauso gut wie er, dass zumindest der Balamb-Garden kommen würde, und wenn es mit dem aus Galbadia Schwierigkeiten gegeben hätte, wäre Irvine heraußen gestanden, um sich von Squall abholen zu lassen. Aber er hatte gar nicht heraußen stehen können, weil es kein Heraußen mehr gab. Denn der Garden war weg. Sie würden kommen. Doch es könnte zu spät sein.
„So ein Quatsch!“ kommentierte Rinoa. „Wenn überhaupt, dann werden sie ein bisschen später kommen, solange müssen wir eben durchhalten! Aber die beiden würden uns niemals im Stich lassen! Glaubst du etwa, Irvine hätte eine neue Eroberung gemacht und uns darüber vergessen?“ Sie schielte grinsend zu Selphie hinüber, die ärgerlich schnaubte. „Blöööödsinn!“ erwiderte sie. „Aber vielleicht ist ihnen etwas zugestoßen? Squall, was meeeeinst du?“
Auch darauf antwortete Squall nicht. Er stand einfach mit verschränkten Armen da und starrte in die Richtung, aus der die Monsterarmee kommen würde. Wenn es den Monstern auf den anderen Kontinenten gelang, so ausgezeichnete Kämpfer wie Irvine und Xell zu töten, dann waren ihre Chancen noch schlechter, als sie ohnehin schon waren. Aber die beiden wussten um die Wichtigkeit ihrer Aufgabe. Sie würden eher aus den Kämpfen fliehen, als ein Wagnis einzugehen. Sorgen machte er sich viel mehr um die Anzahl der Kämpfer, die die Stadt verteidigten. Die Soldaten, die bisher hinter ihnen standen, gemischt mit einigen SEED-Anwärtern aus Trabia, waren vielleicht genug, um die Monster zu töten, die zwischen seiner Truppe durchbrachen. Aber sie würden ihnen nicht mehr bei ihrem Kampf helfen können, und allein konnten sie diese ungeheure Anzahl an Monstern unmöglich besiegen. Die Gardens MUSSTEN einfach kommen.
Dennoch gab es auch etwas, aus dem der doch eher pessimistisch eingestellte Squall Hoffnung schöpfte: Ihm war aufgefallen, dass die Monster beim Kampf im Grandieri-Wald sehr viel stärker gewesen waren als auf der freien Ebene. Offenbar konnte der Beschwörer die Monster nicht mehr ganz kontrollieren, wenn sie in einer solchen Zahl auftraten, was bedeutete, dass sie nicht mit all ihrer Kraft angriffen. Nicht, dass das irgendeine Bedeutung hatte, wenn die Verstärkung nicht eintraf. Sollten die Gardens nicht auftauchen, würde die Monsterhorde sie durch die schiere Übermacht überrennen.
„Sie kommt!“ schrie auf einmal einer der Esthar-Soldaten, der auf einem der Elektrotürme positioniert war, die Laguna hatte aufstellen lassen. Sie würden nicht sehr viel nützen, aber die Monster, die seine Gruppe und auch das Verteidigungsheer durchdrangen, würden es dadurch nicht bis zur Stadt schaffen. „Die Monsterhorde kommt!“
Er kniff die Augen zusammen. Tatsächlich. Man sah die Staubwolke zwar noch kaum, aber sie war dennoch so breit, dass man wusste, was da angewalzt kam. Er zog die Gunblade, die in bläulichem Feuer erstrahlte und stützte sich damit ab. Es war noch zu früh, um G.F.s wirksam aufrufen zu können. Auch Rinoa zog ihre Shooting Star hervor und Selphie spielte bereits mit ihrem Nunchaku Marke „Traum oder Illusion“ herum. Trotz der Furcht, die das Heer hinter ihnen gepackt hatte, fingen einige an, beim Anblick dieser Waffen Hoffnung zu schöpfen. Sie hatten Artemisia besiegt. Wieso sollten sie den Monsterbeschwörer nicht auch besiegen? Squall wünschte sich, er könnte diese Zuversicht teilen.
Plötzlich hörte er ein Auto näherkommen. Erstaunt drehte er sich um und sah, wie Laguna zusammen mit Kiros, Ward und Professor Odyne ausstieg. Er runzelte die Stirn. „Was macht ihr denn hier?“ fragte er. „Ihr solltet besser nicht in der Gegend herumstehen, wenn die Monster hier ankommen. Wo ist Ell?“
„In Sicherheit, in einem der Schutztürme. Ich bin nur hier, weil ich mit diesem Typen reden will, bevor er meine Stadt in Schutt und Asche legt. Immerhin ist Adell tot, Esthar existiert schon seit Jahren ohne jeden Krieg. Vielleicht können wir ihn ja von diesem Wahnsinn abbringen.“ Laguna sah selbst nicht sehr überzeugt davon aus. „Ich muss es versuchen“, meinte er. „Wenn’s nicht klappt, bin ich hier schneller wieder weg, als du mir mit den Augen folgen kannst, versprochen!“
Squall’s Miene zeugte von Skepsis, aber dann wandte er sich an Professor Odyne: „Und warum sind Sie hier, Professor? Ich nehme nicht an, dass dieser Suizid-Anwärter hier Sie kurzfristig zum Vizepräsidenten ernannt hat.“ Er hörte, wie Laguna empört Luft einsog und Rinoa und Selphie leise kicherten, achtete jedoch nicht darauf. „Das sei durchaus nicht so, oder?“ antwortete der untersetzte Wissenschaftler. „Präsident Loire habe mich lediglich gebeten mitzugehen, weil dieser Feind früher war mein Untergebener. Vielleicht höre er ja auf einen ehemaligen Vorgesetzten, oder? Es sei einen Versuch wert, oder?“
Squall zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder um. Als Laguna neben ihn trat, hörte er seinen Vater flüstern: „Um auf dieses Suizid-Thema zurückzukommen: ICH bin es nicht, der hier vorne stehen bleibt, wenn die Monster hier antanzen, falls du das vergessen hast!“ Squall nickte lediglich. Er hätte auch nichts sagen können, denn in diesem Moment hörte man einen weiteren Posten rufen: „Der Balamb-Garden kommt! Der Balamb-Garden ist in Sicht!“
Tatsächlich. Man konnte bereits die schneckenhausförmige Silhouette der Kampfschule ausmachen. Aber nur zaghafter Jubel brach in den Reihen der Verteidiger aus, denn auch das Monsterheer war nun heran. Man konnte bereits einen sogar für diese Tierart riesigen Rumbrum-Drachen erkennen. Er war so groß, dass Squall sich unwillkürlich fragte, ob er mit seinem Herzensbrecher bei diesem Vieh eine Chance hatte. Und auf ihm standen zwei Gestalten: der Beschwörer und auch Quistis.
„Sieh an, da sind unsere Freunde ja wieder“, bemerkte Feyjar Trepe. „Aber nicht vollständig, wie ich sehe. Aber wer sind diese zwei Neuen, die neben dem Anführer stehen? Und diesen Riesen mit seinem kleineren Freund beim Auto kenne ich auch noch nicht.“
Quistis strengte die Augen an. „Der Riese und sein Freund sind Ward und Kiros, die obersten Berater des Präsidenten.“ Sie achtete nicht auf das überraschte Gesicht ihres Vaters und fuhr fort: „Der kleine Mann im Vordergrund ist Professor Odyne, der Zauberforscher. Und der Mann neben Squall ist der Präsident selbst, Laguna Loire! Anscheinend will er mit uns sprechen!“
„So, die ganze Hochprominenz ist also vertreten.“ Ihr Vater schüttelte verwundert den Kopf. „Meine Achtung vor der neuen Führungsspitze von Esthar steigt angesichts dieses Mutes. Aber dieses Gespräch ist sinnlos. Wir werden Esthar einnehmen, egal, was er zu sagen hat!“ Quistis schwieg.
„Sie da, Feyjar Trepe! Und auch du, Quistis! Wenn du dich noch an meinen Namen erinnerst, er lautet Laguna Loire, und ich bin der derzeitige Präsident von Esthar!“ Laguna machte eine Pause, um seine Stimme zu schonen. „Ich will Sie im Namen aller Esthar-Bürger bitten, mit diesem Wahnsinn aufzuhören! Adell, die Sie damals auf dem Mond aussetzen ließ, ist tot! Ihre Tochter und mein Sohn haben sie gemeinsam besiegt! Dass Ihre Frau durch sie sterben musste, tut mir Leid, aber niemand konnte etwas tun! Sie kennen Adells Macht, sie war zu stark, um sie anzugreifen!“
„Sie haben es gewagt“, schrie Feyjar zurück. „Und dass sie besiegt werden konnte, haben diese jungen Leute gezeigt! Aber damals hat keiner, absolut niemand versucht, sie aufzuhalten, als sie mich ins Exil schickte oder meine Frau ermordete! Niemand dieser verfluchten Esthar-Bürger, wie Sie sie nennen, ist aufgestanden und hat ihr widersprochen!“ Er sprühte geradezu vor Hass. Quistis wollte ihm beruhigend die Hand auflegen, aber er schüttelte sie ab. Er schien sie vergessen zu haben.
„Squall und seine Freunde konnten die Hexe nur besiegen, weil sie die G.F.-Kräfte nutzten!“ entgegnete Laguna. Professor Odyne, Ihre ehemaliger Vorgesetzter, kann Ihnen bestätigen, dass niemand sonst dazu in der Lage gewesen wäre!“ „Das sei richtig!“ begehrte der Wissenschaftler auf. „Adell sei gewesen viel zu stark, um allein angegriffen zu werden, oder? Es hätte gebraucht viele Opfer, um sie zu besiegen, oder? Nur die SEEDS...“
Der Beschwörer fiel dem Professor ins Wort. „Halten Sie den Mund, Professor! Ich erkenne Sie wieder, ja. Sie hätten damals Ihr Wissen über Hexen ausspielen können, um Adell aus dem Weg zu schaffen, aber Sie taten es nicht. Ich habe kein Interesse an Ihren Ausreden!“ Quistis ergriff ihn am Arm. „Vater!“ zischte sie warnend, aber er beachtete sie nicht. „Sie haben mir keine Chance gelassen, also lasse ich Ihnen auch keine. Meine Schöpfungen, die Sie abgelehnt haben, werden jeden einzelnen von Ihnen töten!“ Er wollte die Hand heben, als Quistis ihn herumriss. „Vater“, begehrte sie auf. „Lass ihnen doch wenigstens Zeit, sich zurückzuziehen! Sie sind immerhin gekommen, um zu verhandeln! Lass sie gehen, sie kommen doch ohnehin nicht weit!“
Sein Blick zeugte von Wahnsinn. „Ja“, gab er zu. „Das stimmt. Welchen Unterschied macht es also, wenn sie jetzt sterben? Keine Sorge, meine Tochter, bald ist alles vorbei. Dann sind deine Freunde, die unseren Tod wollen, selbst tot und Esthar gehört uns. Erst dann können wir in Frieden leben, denn wer könnte uns danach noch gefährlich werden?“ Nur zögernd ließ Quistis seinen Arm los. Und im selben Moment setzte sich die Monsterhorde in Bewegung, direkt auf die Verteidiger zu!
„Laguna!“ schrie Kiros, während er dem Präsidenten seine MG zuwarf, „fang!“ Laguna fing sofort an, in die Monstermenge zu ballern, womit er aber nicht sehr viel Schaden anrichtete. „Gut, dass ich verrückten Monsterbeschwörern grundsätzlich nicht traue, was, Squall?“ fragte er, aber sein Sohn hörte ihm nicht zu, denn er beschwor gerade wie seine Freunde eine G.F. Laguna begann, mit Odyne, Kiros und Ward im Schlepptau rückwärts zu rennen, auf die noch sichere Verteidigerlinie zu. Eben, als er sie erreichte, erschienen in Sekundenabständen Bahamut, Alexander und Kaktor und brachten Tod über die erste Monsterreihe. Aber noch immer war die Ebene voll von ihnen.
Squall warf schnell seine vorbereiteten Schutzzauber über sich und spreizte die Beine. Jetzt wurde es ernst, jetzt mussten sie zeigen, was in ihnen steckte. Er sah aus den Augenwinkeln, wie Rinoa und Angel zusammen auf die Horde zuliefen, um sie mit „Sternschnuppe“ zu dezimieren, aber auch das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Selphie warf Ultima- und Meteor-Steine um sich, während sie auf ihr Limit wartete und er selbst sprang in die Luft und fegte einige der Ungeheuer mit seinem „Schicksalszirkel“ zu Boden. Den Angriff eines Gogue Seals beantwortete er mit einem Konter, der das Monster gegen seinen Hintermann warf. Selphie beschwor „Mega-Vita“, was sich glücklicherweise auch auf ihre Hintermänner auswirkte, denn auch wenn sie viele Monster töteten, nur zu viele kamen auch durch. Die Verteidiger, unterstützt von den Elektrokanonen, taten ihr Bestes, um die Bestien aufzuhalten, aber mehr als einer lag schon tot auf dem Boden.
Dann war der Garden heran, und mit einem freudigen Aufschrei landeten vier Gestalten neben ihnen, die sich sofort in den Kampf stürzten. Squall leistete sich nicht den Luxus, zu überlegen, wo zum Teufel Cifer, Rai-Jin und Fu-Jin herkamen, statt dessen vollführte er einen „Herzensbrecher“, der drei Rumbrum-Drachen und zwei Grendel tot hinfallen ließ. Aber genug Monster standen noch. Rai-Jin zauberte einige Blitzga auf eine Gruppe Lebensverbieter, die sofort auseinander fielen. Fu-Jin griff sofort drei Drachen-Isolden an, die sich an ihr vorbeidrängen wollte und schaffte es tatsächlich, sie zurückzutreiben. Cifer wandte seine „Teufelsklinge“ an und stoppte so den Vormarsch eines Rudels Archeodinos. Xell unterstützte ihn dabei tatkräftig, wobei er keinen Unterschied machte, ob seine Kicks nun Stahlgiganten oder Archeodinos trafen. Rinoa rief noch einmal Angel und zwei Morbole wurden von der „Angel-Kanone“ durchstoßen.
Plötzlich erschien ein seltsames Licht am Himmel und vier Schwerter fielen herunter, wobei eins sogar einen Behemoth an den Boden nagelte. Gilgamesh erschien in einem Wirbel aus roter Farbe, nahm ohne eine Miene wegen der Gegnermasse zu verziehen, das Masamune zur Hand und spaltete mehr als zwei Dutzend Monster in der Mitte durch. Dann verschwand die sonderbare G.F. wieder. Squall dankte ihm im Stillen, während er einen weiteren Herzensbrecher vollführte, der sieben Ungeheuer das Leben kostete. Neben ihm zauberte Fu-Jin Tornado auf ein Rudel Galchimesäras, das sofort tot war, als es am Boden aufschlug. Rai- Jin erlegte mit seinem „Drachentöter“ einen Schmelzdrachen, den er so heftig nach hinten schmetterte, dass auch sein Hintermann sein Leben aushauchte, während Selphie vier Meteor-Zauber auf einmal auf die Horde losließ. Cifer probierte noch einmal seine Teufelsklinge an zwei Morbolen aus, die in Stücken wieder auf die Erde zurückkamen. Xell hatte sich inzwischen ganz den Stahlgiganten zugewandt, von denen er mit seinem „Xell’s Final Heaven“ gleich fünf auf einmal durchbohrte. Rinoa ließ Angel mit dem „Angel Strike“- Befehl einen besonders großen Rumbrum-Drachen hochheben und auf einige Drachen-Isolden und Chimära-Hirne fallen, die ebenfalls in die Erde gestampft wurden.
Dennoch, hinter ihnen wurde die Sache langsam ungemütlich. Trotz unzähliger Phönix-Federn lagen schon viele Verteidiger tot am Boden. Wenn nicht bald Verstärkung kam... „He, Leute!“ erschallte in diesem Moment eine Stimme über ihnen. „Lasst mir auch noch ein paar von den Viechern übrig!“ Irvine sprang über das Geländer seines ehemaligen Gardens, der bereits begann, neue Verteidiger auszuspucken, landete neben Selphie und begann sofort, die Bestien mit Pulsarmunition zu beschießen. Zwei Morbole und ein Grendel waren unter seinen ersten Opfern. Gut, dachte Squall, während er den Angriff eines Chimära-Hirns konterte, jetzt haben wir drei Teams und neue Verteidiger. Damit halten wir wieder ein bisschen länger durch. Aber wie lange noch? Er warf einen Mega-Phönix hinter sich, um die Lage des Heeres ein wenig zu verbessern und spürte dankbar die Wirkung des von Rai-Jin geworfenen Final-Elixiers. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Kampf.
Quistis wurde immer unwohler, je länger sie den Kampf betrachtete. Du gehörst nicht hierher, flüsterte der SEED in ihr, du musst die Menschen vor diesen Monstern beschützen! Dass ihr Vater sie anscheinend gar nicht mehr wahrnahm, sondern verzückt bemerkte, wie seine Schöpfungen mehr und mehr Verteidiger töteten, verstärkte die Stimme noch, aber sie hatte die Verleumdungen aus dem Mund ihrer Freunde noch nicht vergessen. Dieser Trotz hielt sie davon ab, etwas zu unternehmen. Nervös sah sie zu den Gardens hinüber, um das Sterben nicht länger mit ansehen zu müssen.
Und blickte in das Gesicht ihrer Mutter. Natürlich nicht ihrer richtigen Mutter, sie war tot, aber die Frau, die sie aufgezogen hatte, die sie wie ihr eigenes Kind geliebt hatte, stand an der Seite ihres Mannes auf der Brücke des Balamb-Gardens und sah sie an. In ihrem Blick lag ebensoviel Zorn wie Trauer. „Mama!“ flüsterte Quistis betroffen. Edea war hier! Der Kopf ihres Vaters fuhr herum und gewahrte Edea. „Deine Mutter ist tot, Quistis!“ schrie er mit überschnappender Stimme. „Diese Frau hat dich aufgezogen, aber sie hat dich nicht geliebt, wie deine Mutter es getan hätte! Sieh sie nicht an!“
Quistis konnte ihre Augen nicht von Edea abwenden, ganz gleich, wer es ihr befohlen hätte. Und als hätte ihre Ziehmutter gewusst, dass sie Quistis’ ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, zeigte sie mit ihrer Hand zu den SEEDs hin, die noch immer gegen die Monster fochten. Sie folgte der Richtung der Hand und sah wieder den Kampf vor sich. Irvine! schoss es ihr durch den Kopf. Bist du verrückt geworden? „Nein“, schrie sie, packte ihren Vater und riss ihn um. Im nächsten Moment fühlte sie sich hinten an der Kleidung gepackt und hochgehoben.
„Vorsicht!“ schrie Irvine, aber Selphie war gerade dabei, Ultima-Zauber auf einige Gogue Seals und Stahlgiganten anzuwenden. Aus den Augenwinkeln hatte er bemerkt, wie sich von hinten ein Schmelzdrache an das Mädchen heranschlich. Blitzartig erinnerte er sich an seine erste Unterrichtsstunde im Galbadia- Garden, in der es lautete: „G.F.s sind die Grundlage der Stärke der SEEDs, aber sie sind launische Partner. Man darf sie nicht verärgern, wenn man am Leben bleiben will! Sie sind Geister, die den Regeln des Kampfes unterworfen sind, also hütet euch, jemals diese Regeln zu verletzen! In diesem Fall werden euch die Schutzgeister sofort verlassen und ihr steht ohne Schutz da!“ Selphie’s Verteidigung ist nur nach vorn ausgerichtet! Was passiert, wenn ein Monster sie gegen die Kampfesregeln von hinten tötet? Kann man sie dann überhaupt wiederbeleben? Aber was passiert mit mir, wenn ich dieselben Regeln breche, um sie zu retten?
Doch während sein Kopf noch Für und Wider dieser Aktion abwog, reagierte sein restlicher Körper bereits. Er fuhr herum, riss die Exetor hoch und schoss den Drachen mit einem gezielten Treffer nieder. Einen Moment lang wartete er, dann durchströmte ihn wilde Freude, als er bemerkte, dass ihn seine gekoppelten G.F.s nicht verlassen hatten. Er drehte sich um und wollte schon auf das nächste Monster anlegen, als – ihn das Schwert des Stahlgiganten mit voller Wucht traf und durchbohrte. Er sah verwirrt auf die Waffe herab, die ihn eben getötet hatte. Wieso das? dachte er, ohne Schmerz zu verspüren. Ich spüre Ifrit und die anderen doch noch! Wie kann es dann sein, dass...
Bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, zog der Stahlgigant das riesige Schwert wieder aus seiner Brust heraus und er fiel zu Boden. Das letzte, was er hörte, bevor sich sein Blick trübte und eine sonderbar endgültige Finsternis ihn einhüllte, war Selphies Stimme, die etwas schrie: „NEIN! Irvine! Erzengel!“ Es war der schönste Klang, den er jemals in seinem Leben gehört hatte, auch wenn er von den Todesschreien von Menschen und Monstern etwas getrübt wurde. Er versuchte zu lächeln, als das Mädchen noch einmal Erzengel auf ihn zauberte, dann schloss er seine Augen.
Squall sah verwundert nach vorn zu dem riesigen Rumbrum-Drachen, auf dem eigentlich der Beschwörer und Quistis stehen sollten. Jetzt sah man den Mann nicht mehr, offenbar war er gestolpert, deshalb sahen sich die Monster momentan verwirrt um. Einige wenige griffen noch mit unverminderter Wucht an, aber die meisten fragten sich wohl gerade, warum sie hier miteinander gegen Menschen kämpften, die sie sehr wohl töten konnten. Und Quistis wurde von dem Rumbrum-Drachen gerade auf den Boden geschmettert!
„Quistis!“ schrie er und wollte sich gerade einen Weg durch die Monster bahnen, um seiner Freundin zu helfen, als er Selphie schreien hörte. Hastig drehte er den Kopf und riss die Augen auf. Irvine lag tödlich getroffen auf dem Boden, aber seltsamerweise konnten ihm die Wiedererweckungssprüche des Mädchens nicht mehr helfen. Dann, nach ein paar Sekunden begann sein Körper in einem purpurnen Licht zu glühen und seine gekoppelten G.F., Ifrit, Pandemona und Siren lösten sich von seinem Körper und schwebten gen Himmel.
Da Rai-Jin und Fu-Jin sich momentan um seine Monster kümmerten, von denen sich nicht wenige selbst anfielen, hatte er genug Zeit, die Schutzgeister anzurufen: „He, wartet! Wo wollt ihr hin? Der Kampf ist noch nicht vorbei!“ Siren drehte sich um und blickte ihn mit ihren strahlenden Augen ernst an. „Dieser Mensch hat gegen die Gesetze des Kampfes verstoßen, die Hyne einst aufstellte! Er ist tot und wir somit frei! Lebt wohl!“
Er tötete einen Lebensverbieter, der sich zu ihm durchgekämpft hatte und rief: „Bleibt hier! Wir haben euch besiegt, in einem ehrlichen Kampf! Sagt Phönix, er soll Irvine wiederbeleben!“ Nun drehte sich auch Ifrit um und seine volltönende Stimme ließ die Monsterhorde erzittern: „Wir sind frei, wenn jemand den Kampfregeln zuwiderhandelt, Mensch! Selbst wenn Phönix den Toten wiederbeleben könnte, was nicht der Fall ist, würden wir ihn nicht darum bitten! Was willst du dagegen unternehmen?“
Squall wurde von einem Zorn ergriffen, den er noch nie verspürt hatte. „Wenn ihr jetzt flieht und uns im Stich lasst“, brüllte er, „dann schwöre ich, werde ich euch jagen, wohin ihr auch geht! Ich werde gegen euch kämpfen und euch töten, ohne Gnade! Und wenn ihr darum fleht, wieder unsere G.F. sein zu dürfen, ich werde euch töten, wie ihr Irvine habt sterben lassen!“
Er wusste nicht, ob es sein Blick war, oder ob die drei Guardian Forces selbst zu dem Schluss kamen, dass sie hier noch etwas zu erledigen hatten. Jedenfalls blähte Pandemona plötzlich ihren Windbeutel auf und saugte die ihr nahestehenden Monster ein, um sie gleich darauf wieder auf ihre Artgenossen herabstürzen zu lassen. Auch Ifrit beschwor einen Meteor aus dem All und ließ ihn auf die Ungeheuer herabstürzen. Nur Siren blickte ihn noch aus ihren unmenschlichen Augen an. „Wir werden euch helfen“, sagte sie schließlich.