Also verzichtete er auf den Hieb und heilte das Mädchen, das sich daraufhin wieder gekräftigt aufrichtete. Der zweite Drache, welcher Selphie vorher angegriffen hatte, machte schon eine Bewegung auf sie zu, dann (Squall war erstaunt, denn so etwas hatte es noch nie gegeben) zuckte es zurück – und stürzte sich auf Xell. Anscheinend lernten die Biester doch! Aber wieso? War daran etwa auch dieser Monsterbeschwörer schuld? Dass Monster, die normalerweise keinen Affen im IQ-Test schlagen konnten, auf einmal bemerkten, welcher Kämpfer gefährlich war und welcher nicht? Noch ein weiterer Grund, diesen komischen Kauz mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Langsam wurde er Squall wirklich unheimlich.
Anscheinend war Xell genauso verblüfft wie er, denn er starrte das Monster an, als hätte es sich gerade auf die Hinterpfoten gestellt und den Garden-Gruß vollführt. „Xell!“ schrie er seinem Kampfgenossen zu. „Wach wieder auf, verdammt!“
Der blonde Junge straffte sich, nickte kurz und ging wieder in Kampfstellung. Dennoch merkte man ihm an, dass er verunsichert war. Kein Wunder, Monster dieser Gattung waren schon so wie sie waren gefährlich, aber wenn sie nun auch noch lernten, sich auf Kampfsituationen einzustellen, dann konnten sie auch für eine Truppe wie sie wieder tödlich sein. Aber Xell war nicht umsonst in einem Garden ausgebildet worden. Auch wenn er selbst noch zögerte, sein Körper hatte den Hieb registriert und wollte sich nun dafür revanchieren. Der Faustkämpfer sprang vor und bearbeitete den Schmelzdrachen mit den Fäusten, bis er zusammenbrach und wie seine Vorgänger verschwand.
Nun stand nur noch ein Ungeheuer, welches sich augenscheinlich nicht wohl fühlte. Es hatte wohl gemerkt, dass es alleine keine Chance gegen die drei SEEDs hatte. Squall hatte fast den Eindruck, dass sich das Monster zurückgezogen hätte, wenn es dazu fähig wäre. Nun, er hatte nicht vor, es entkommen zu lassen. Wenn es (wie auch immer) dem Monsterbeschwörer noch Meldung machen konnte, bevor sie ihn stellen konnten, dann würde er all ihre Stärken und kennen und sich darauf einstellen. Und bei einer solchen Armee, die dieser Typ anscheinend aufzubauen imstande war, konnte das sehr wohl eine tödliche Schwäche sein.
Er packte die bläulich-schimmernde Gunblade fester, rannte auf den Drachen zu und ließ die Klinge durch Haut und Knochen des Tiers fahren. Das Ungeheuer war nun schon von solchen Wunden übersät, aber jeder SEED-Anwärter wusste, dass ein solches Monster solange kämpfen würde, bis es sich nicht mehr rühren konnte. Squall sah, wie animalische Wut in den Augen des Schmelzdrachen hochschoss, sich seine gewaltigen Muskelpakete unter der Haut spannten, ein gereiztes Knurren aus der rauen Kehle ertönte – und er sich langsam zurückbewegte!
Squall war so erstaunt, dass ihm fast die Waffe aus der Hand gefallen wäre, was mit Sicherheit seinen Tod bedeutet hätte, denn dann hätte der Drache sicher wieder angegriffen, da er den Hieb nicht mehr hätte parieren können. Auch Xell und Selphie starrten das Monster an, als hätte es gerade „Eyes on me“ angestimmt, aber das Mädchen kam als erster wieder zu sich.
„Heeeeee!“ rief sie dem Drachen nach. „Wo willst duuuu denn hin? Wir sind noch nicht fertig!“ Bei diesen Worten zog sie einen Stein aus der Tasche und warf ihm dem Monster, das nun schon einige Meter weggekrochen war, nach. Weiße Lichtkugeln umschlossen den Körper des Untiers, als der Holy-Zauber seine Wirkung tat und es niederstreckte. Das Monster bäumte sich noch einmal auf, so als ob es das Leben zurückhalten wollte, welches nun aus ihm herausströmte, dann sank es jedoch nieder und verschwand.
Squall schwang traditionsgemäß seine Klinge, aber tief im Inneren war er erschüttert. Wenn alle Monster in der Nähe ihres Herrn und Meisters solche Schläue aufwiesen, dann gute Nacht. Dann würden alle SEEDs der Welt eine Horde von solchen Untieren nicht mehr aufhalten können. Er bezweifelte ohnehin, dass sie eine vollkommen normale Monsterhorde aufhalten konnten, deshalb war es umso wichtiger, den Monsterbeschwörer zu finden und zu töten, wenn er solches im Sinne hatte. Aber wieso sollte er sich sonst hier draußen irgendwo verstecken, wenn nicht, um eine Armee aufzubauen?
Nachdem er seine Siegespose beendet hatte, sah er sofort zurück zum Rest seiner Truppe. Nein, Irvine, Quistis und Rinoa, die nebenbei offenbar interessiert ihren Kampf verfolgt hatten, ging es noch immer gut. Zum Glück hatte kein weiteres Monster die ungekoppelten Kämpfer angegriffen, sonst wäre es ihnen schlecht ergangen. „Los, zurück zu den anderen!“ befahl Squall. „Wir hätten uns ohnehin nicht so weit von ihnen entfernen sollen!“ Aber er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie ein ernstzunehmender Feind wie diese Schmelzdrachen angriff.
Irvine musterte sie kritisch, als sie mit gezogenen Waffen auf ihn, Rinoa und Quistis zukamen. Dann begann er zu klatschen, wenn auch nur ganz leise. „Nicht schlecht, nicht schlecht“, kommentierte er den Kampf. „Ihr habt die Viecher ja echt Mores gelehrt. Alle Achtung. Aber dass du dich von ihnen hast umpusten lassen, Xell, tss, tss, tss! Außerdem, hättet ihr nicht wenigstens ein paar Limits zeigen können? Ein paar Spezialeffekte hätten dem Kampf echt gut getan! Ihr denkt wohl überhaupt nicht an euer Publikum, was?“
Squall und Xell beachteten ihn gar nicht. Wenn Irvine mal nicht den Coolen raushängen ließ, dann war er entweder krank oder er musste gerade auf seine Mutter schießen, die die Weltherrschaft anstrebte. Selphie merkte allerdings nicht, dass der galbadianische SEED sie nur auf den Arm nehmen wollte, denn sie marschierte sofort auf ihn zu und sah ihn böse an. „Waaaaas willst du damit sagen?“ fuhr sie ihn an. „Glaubst du vielleicht, du hättest das besser hingekriegt? Dann beweis es gefälligst! Los, looos, wir duellieren uns, hoch mit dir! Rinoa, Quistis, seid ihr meine Sekundanten?“
Die anderen sahen das zornige Mädchen belustigt an, aber das merkte sie in ihrer Wut gar nicht. Irvine blinzelte ihnen für Selphie nicht sichtbar zu, dann schlug er die Hände über den Kopf und rief schlecht schauspielernd: „Du lieber Himmel, nur das nicht! Mein guter Ruf wird auf ewig ruiniert sein, wenn überall bekannt wird, dass ich mich mit einem Mädchen geschlagen habe! Bitte, Mylady, verzeiht diesem Unwürdigen, der euer Geschick nicht richtig auffasste und nehmt seine demütige Entschuldigung an.“ Bei diesen Worten ging er plötzlich in die Knie, ergriff Selphies Hand und küsste sie.
Auf einmal wurde es völlig still. Nein, nicht so still, wie es ein Lehrer in der Schulklasse verlangt, sondern die Stille, die entsteht, wenn man auf einer Party lauthals verkündet, dass der Gastgeber soeben verstorben ist. Alle starrten auf Irvine, der sein Gesicht wieder von Selphies Hand zurückzog. Anscheinend war niemand mehr über seine Aktion überrascht als er selbst, denn er hob völlig fassungslos den Kopf und sah seiner Freundin unsicher in die Augen. Auch Selphie war vollkommen überrumpelt worden, denn sie verzichtete auf ihr kindisches Auftreten und sah ihren Jugendfreund mit dem Blick an, den sich normale Teenager zuwerfen, wenn einer den anderen fragt, ob er mit ihm gehen will.
Squall, der, obwohl er seit seiner Begegnung mit Rinoa schon ein bisschen geläutert war, nicht sehr viel für Liebesgeschichten übrig hatte, runzelte die Stirn. Selphie erschien ihm plötzlich viel älter, als ihr Auftreten vermuten ließ. Zum ersten Mal, seit er sie kennen gelernt hatte, sah er in ihr die junge Frau, die sie war, nicht das übermütige Kind. Das war ziemlich ungewohnt. Er sah in die Gesichter der anderen. Quistis’ Miene zeigte mäßige Überraschung, gepaart mit Frust, Xell fassungsloses Erstaunen über die Tat seines Freundes, und Rinoa stand lächelnd neben ihm. Sie warf Squall einen „Ich-hab’s-gewusst“-Blick zu und weidete sich dann wieder an den zögernden Blicken von Irvine und Selphie.
Squall musste plötzlich an seinen ersten Kuss mit Rinoa denken. Das war damals auf der Feier im Balamb- Garden gewesen, die anlässlich von Artemisias Niederlage stattgefunden hatte. Er und Rinoa hatten nicht bemerkt, dass all ihre sogenannten Freunde hinter dem Vorhang gestanden hatten und sie angafften. Auch Edea und Cid waren schließlich darauf aufmerksam geworden und hatten sich einen Blick auf das gestattet, was Selphie, Irvine und Quistis so faszinierte. Xell, der inzwischen auch herangekommen war, war sofort hinter Edea getreten, um sie aufzufangen, wenn sie in Ohnmacht fallen sollte, aber das war gar nicht der Fall gewesen. Ihre Ziehmutter hatte lediglich die Hand ihres Mannes gedrückt und ihren Kopf an seine Schulter gelegt, dann hatten sie beide lächelnd diesem Ereignis beigewohnt. Ungefähr so wie Edea damals sah Rinoa jetzt aus. Squall fiel auch jetzt noch immer ein Stein vom Herzen, wenn er daran dachte, dass Irvine ihren Kuss beinahe gefilmt hätte, wenn die Batterie nicht aufgegeben hätte.
Dann fand Selphie ihre Beherrschung wieder. Sie hob theatralisch die Hand und verkündete betont hochnäsig: „Wir vergeben ihm. Er möge sich jetzt zurückziehen.“ Dabei machte sie eine Handbewegung, die verdeutlichen sollte, Irvine möge sich schleunigst verziehen.
Dieser kam der Aufforderung nur sehr langsam nach. Er starrte immer noch Selphies Gesicht an, dann jedoch stand er abrupt auf, drehte sich von einem Augenblick zum anderen um und rannte beinahe auf die Felswand zu. Sofort begann er damit, einen Eingang zu finden, während er es panisch vermied, einen Blick zurückzuwerfen. Die anderen sahen immer noch abwechselnd ihn und dann Selphie an, die wieder grinste.
„Daaaaamit erkläre ich das Duell für abgeblasen! Meine Sekundantinnen kööönnen sich zurückziehen! Was sollen wir jetzt machen, Chef?“ wandte sie sich an Squall.
Dieser blinzelte ob dieser Wendung der Ereignisse, dann dachte er kurz nach und meinte dann: „Nun, ich denke, zuerst müssen wir den Eingang finden, der ja hier irgendwo sein muss. Also, Rinoa, Quistis, nehmt euch an Irvine ein Beispiel! Seht ihr, wie fleißig er schon am Suchen ist, während ihr in der Gegend rumsteht? Und ihr, Selphie und Xell, kommt mit mir. Wir werden weiter Wache hal...“
„Nicht mehr nötig, Squall!“ kam auf einmal Irvines triumphierende Stimme von hinten. Squall drehte sich mit der nötigen Würde, die ein Anführer ausstrahlen muss, aber dennoch sehr schnell um und sah den Scharfschützen, dessen linker Arm beinahe bis zur Gänze in der scheinbar massiven Felswand verschwunden war. „Ich denke mal, ich habe den Eingang gerade gefunden!“, erwähnte er ebenso überflüssigerweise wie grinsend.
„Scheint so“, bestätigte Squall. Er ging zu ihm hin und betrachtete das Phänomen. „Anscheinend ein Hologramm“, bemerkte er. „Dieser Kerl, wer immer er auch ist, hat wirklich alles getan, um sich zu schützen!“
„Also, was ist?“ fragte Quistis angespannt. „Gehen wir jetzt rein?“ Ihre Laune hatte sich nicht gebessert, was angesichts der Szene vorhin durchaus verständlich war. Squall nahm sich vor, ein längeres Gespräch mit Direktor Cid über sie zu führen, wenn diese Mission vorbei war. Vielleicht auch mit ihrer Ziehmutter Edea, aber momentan konnte das warten. Jede Minute, die sie hier verplemperten, gab ihrem Gegner mehr Zeit, seine Verteidigung vorzubereiten.
„Squall, wir müssen noch die G.F. umkoppeln!“ ermahnte ihn Rinoa. Er nickte und entließ ein paar der Schutzgeister in ihre Sphäre zurück. Xell und Selphie machten dasselbe, und Rinoa, Quistis und Irvine, der nun endlich wieder den Arm aus dem Berg herausgezogen hatte, riefen sie zu sich. „Wir sind fertig!“ meinte Rinoa schließlich. „Gehen wir jetzt?“
Squall antwortete nicht, sondern zog lediglich seine Gunblade und ging langsam durch das Tor. Die anderen folgten ihm ebenso vorsichtig.

Cifer lehnte sich genervt zurück. Fast eine ganze Stunde diskutierten er, Fu-Jin und Rai-Jin nun schon mit diesem seltsamen Kerl, und sie hatten noch immer so gut wie nichts über ihn herausgefunden. Nun ja, er diskutierte, die anderen beiden beschränkten sich darauf, gelegentlich Fragen einzustreuen, die meist nicht beantwortet wurden. Aber im Gegenzug kannte der Beschwörer jetzt das aktuelle politische Klima, die neuesten Waffenentwicklungen, die Verbreitung der meisten Monsterarten (obwohl er die wahrscheinlich selbst gut genug kannte) und den neuen Präsidenten von Esthar.
Er hatte nicht glauben können, dass Adell nicht mehr auf dem Thron der Stadt saß und Cifer ausgiebig darüber berichten lassen. Für einige Momente wirkte er seltsam desorientiert, so als ob etwas seine gesamten Pläne durcheinander geworfen hatte. Diese Kleinigkeit vermerkte Cifer stumm in seinem Gedächtnis. Der Wissenschaftler musste einen guten Grund gehabt haben, um in einen Krieg gegen seine Heimatstadt zu ziehen, und anscheinend spielte Adell da eine größere Rolle. Nur die SEEDs und ihre eigene Geschichte hatte der blonde Junge bis jetzt verschwiegen, und das war auch gut so. Bevor er mit diesem letzten großen Geheimnis herausrückte, musste der Mann erst einmal selbst etwas preisgeben.
„Und Sie behaupten, eine so mächtige Hexe wie Adell wäre kurz nach meinem Verschwinden von einem Soldaten mit einer mickrigen Handvoll Verbündeter versiegelt und dann in den Weltraum geschickt worden?“ Kurz zeigte sich ein amüsiertes Lächeln auf seinen Zügen. Er hatte nicht gelächelt, seit er sie hereingebeten hatte. „Welche Ironie! Zuerst lässt sie eine echte Gefahr wie mich auf den Mond schießen und dann wird sie von einem kleinen Mann wie diesem... Laguna Loire, nicht? Wird also von ihm tiefgefroren und ebenfalls in einem Sarg hinaufgeschossen. Aber Sie haben auch noch erwähnt, dass sie vor kurzem wieder heruntergeholt wurde. Wieso hat sie dann nicht bereits wieder die Macht ergriffen?“
Die Frage war so beiläufig gestellt worden, dass Cifer fast geantwortet hätte. Aber er beherrschte sich im letzten Moment. „Diesen Punkt möchte ich jetzt noch nicht beantworten, Mister. Erst sollten Sie selbst ein paar Dinge erklären, finde ich.“ Wie zufällig bewegte sich seine Hand zur Gunblade, die er vorsichtshalber auf den Tisch gelegt hatte. Auch Rai-Jin und Fu-Jin spannten sich.
Eine Sekunde lang sah der Wissenschaftler so aus, als wollte er sich auf die drei stürzen, trotz seiner offenkundigen Unterlegenheit, dann sah er jedoch die Sinnlosigkeit seines Unternehmens ein. „Sie haben wahrscheinlich Recht. Bitte verzeihen Sie mir, aber nach einer so langen Zeit im Exil war ich begierig darauf zu erfahren, wie es in der Welt aussieht. Bitte stellen Sie ihre Fragen. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich alle beantworten werde!“
Cifer nickte gelassen. Das war zu erwarten gewesen und akzeptabel. „Wie lange waren Sie auf dem Mond im Exil und was haben Sie in dieser Zeit gemacht?“ begann er.
„Es muss etwa 20 Jahre her sein, seit Adell den Countdown heruntersagte. Die Reise selbst dauerte ungefähr einen Tag, dann wurde ich auf einer stillgelegten Esthar-Basis auf der südlichen Mondhalbkugel ausgesetzt. In den ersten Jahren forschte ich wie verzweifelt nach einer Möglichkeit, wieder nach Hause zu kommen. Die Raumfahrtkapsel, die sie zweifellos gefunden haben, stammt von mir. Sie war perfekt bis auf ein winziges Teil: den Treibstoff. Die Esthar-Techniker hatten es so eingerichtet, dass ich alle nötigen Teile auf der Raumstation fand, um das Raumschiff selbst zu bauen, aber sie machten sich offenbar einen Spaß daraus, alles, woraus man Treibstoff produzieren konnte, mitzunehmen!“ Sein Gesicht verzerrte sich vor Hass, und Cifer zog es vor, ihn nicht zu unterbrechen. Hass bringt die Leute dazu, viel mehr zu erzählen als ein klarer Kopf wagen würde.
„Beinahe wäre ich an diesem Scherz zugrunde gegangen. Erst nach ein paar Wochen, in denen ich wie verrückt die Raumstation durchquert hatte, fing ich mich und richtete ein altes Labor so ein, dass ich darin mein altes Forschungsprojekt wieder aufnehmen konnte.“ Er machte eine Pause, so als ob ihn die Erinnerung schmerzen würde.
„Genexperimente!“ vermutete Fu-Jin. Rai-Jin übersetzte für den Wissenschaftler: „Fu-Jin meint, dass Sie mal wahrscheinlich Ihre Forschungen über Monsterzüchtung fortgeführt haben.“ Cifer nickte kühl. „Natürlich hat er das. Wie hätte er sonst diese ganze Armee zusammenbekommen können? Auf dem Mond hatte er genug Zeit dazu!“
Offenbar war der Beschwörer überrascht. Er hatte anscheinend nicht damit gerechnet, dass seine Gegenüber von seiner Arbeit wussten. Er fasste sich allerdings schnell wieder. „Das ist richtig, wenn ich mir auch nicht denken kann, woher Sie das wissen. Die Monster auf dem Mond waren genauso schwach wie die, die ich auf der Erde erforschte. Ich machte mir mein Wissen zunutze und formte sie so um, dass sie jeden mir bekannten Kämpfer besiegen konnten. Drachen entstanden, Behemoths, Morbole, um nur einige zu nennen. Meine Armee war unbesiegbar, auch wenn ich nie zu hoffen gewagt hätte, sie irgendwann auf der Erde anführen zu können. Ich weiß bis jetzt nicht, warum die Träne des Mondes wieder beschworen wurde und warum.“
Bei diesen Worten sah er die drei so scharf an, dass Rai-Jin blinzeln musste und Fu-Jin den Blick dem Boden zuwandte. Einzig Cifer schaffte es, gelassen zu bleiben. Der Kerl hat eine befehlsgewohnte Stimme, fast so wie Artemisia. Aber nicht so stark wie die Hexe, dachte er. Er dankte seiner ehemaligen Herrin im Stillen für diese Beherrschung, die sie ihn unwissentlich gelehrt hatte, als sie ihm ihre Macht zeigte.
„Immer der Reihe nach“, meinte er kühl. „Erzählen Sie fertig. Sie haben schon viel von uns gehört. Bevor ich weitererzähle, will ich auch den Rest der Geschichte erfahren. Sehen Sie’s doch als Vertrauensbeweis.“
Der Wissenschaftler lachte kurz und bitter. „Vertrauen“, murmelte er, begann jedoch wieder zu sprechen: „Nun, es gibt nicht mehr viel zu erzählen. Ich wies meine Schöpfungen an, die Kapsel zum Startpunkt der Träne zu bringen und mit mir auf die Erde zu fliegen. Während des Fluges wertete ich alte Vermessungskarten aus der Station aus, die mir diesen Gang durch den Berg enthüllten. Es ist ein alter Bergwerksstollen, der aber schon längst vergessen ist, aber das nur nebenbei. Jedenfalls begann ich damit, die Kinder all jener Monster, die ich damals in Esthar veränderte, zu mir zu rufen. Und wie Sie unzweifelhaft sehen konnten, bilden sie die mächtigste Armee, die man sich nur vorstellen kann. Das dachte ich zumindest bisher.“ Er runzelte die Stirn und blickte die drei mit einem respektvollen und abschätzenden Blick an. „Bis Sie kamen und fünf meiner stärksten Kreaturen erschlugen, ohne dass einer von ihnen starb. Ich habe Ihnen jetzt alles erzählt, was sich in meinem Leben an Wichtigem zugetragen hat. Nun verraten Sie mir eine letzte Sache: Gehören Sie zu einer Spezialeinheit aus Esthar, die fähig und willens ist, mich zu vernichten?“
Irrte sich Cifer, oder war der Blick dieses Kerls lauernd geworden? Vorsichtshalber legte er seine Hand neben die Gunblade und ließ seine Finger über den Griff tanzen. Der Monsterbeschwörer sollte wissen, wie weit er gehen durfte. „Nur die Ruhe, Doktor, oder was Sie auch sonst sind. Wir kommen nicht aus Esthar, und wir haben mitnichten die Absicht, Sie zu vernichten. Im Gegenteil. Wir haben den weiten Weg von Balamb hierher unternommen, um uns Ihnen anzuschließen!“
Nun wirkte der Beschwörer überrascht. „Sich mir anschließen? Warum? Hat der neue Herrscher von Esthar Sie rausgeschmissen oder dienten Sie Adell?“ Cifer schüttelte den Kopf. „Keins von beiden. Aber wir haben einen gemeinsamen Feind, der mindestens so gefährlich ist wie die gesamte Esthar-Armee.“ Und damit begann er zu erzählen. Er berichtete, wie die Gardens gegründet worden waren, wie eine ansehnliche Zahl von Kampfexperten ausgebildet worden war, die gegen übernatürliche Wesen geschickt worden waren. Darüber, wie sie in diesen Wesen die G.F. fanden und diese Schutzgeister einsetzten, um zu mächtige Leute zu stoppen. Er beschrieb, wie er und seine Stiefgeschwister im Garden ausgebildet worden waren, wie er, Rai-Jin und Fu-Jin zu Artemisia gekommen waren und wie Squall und die anderen SEEDs die übermächtige Hexe schließlich besiegten. Er erwähnte auch, dass es nur sehr wenige SEEDs außer dieser Truppe gab, die solche enormen Kräfte besaß.
„Unglaublich“, flüsterte der graugekleidete Mann am anderen Ende des Tisches. „Da bin ich gerade einmal 20 Jahre weg, und schon wird eine neue Elite-Einheit gegründet, die mir gefährlich werden kann. Und Sie behaupten, diese sechs Leute könnten Rumbrum-Drachen und Morbole mit der selben Leichtigkeit wie Sie selbst töten?“
Cifer knirschte mit den Zähnen. „Ich muss zugeben, dass es ihnen sogar noch leichter fällt, wegen ihrer verdammten Schutzgeister und den Kopplungen, die sie ihnen verleihen. Soweit ich gehört habe, fliegen sie zum Trainieren zum Tor der Hölle raus.“
Der Wissenschaftler wollte etwas erwidern, aber er wurde durch ein Warnzeichen unterbrochen. Hastig ging er zum Pult hinüber, das eine Menge Überwachungsmonitore aufwies. Einige Sekunden starrte er hinein, dann verkündete er: „Wenn ich Ihnen richtig zugehört habe, dann sind die Leute, die Sie eben beschrieben haben, gerade auf den Gang gestoßen. Kommen Sie bitte einmal her.“
Das brauchte er Cifer nicht zweimal zu sagen. Er stand mit solcher Geschwindigkeit auf, dass der Stuhl umflog und war zwei Sekunden später am Monitor. „Zur Hölle!“ fluchte er. „Das sind wirklich die SEEDs. Sie müssen wie die Verrückten gesucht haben, um den Gang so schnell zu finden.“ Rai-Jin und Fu-Jin waren ebenfalls nähergekommen, um den Bildschirm zu betrachten. Auch auf ihren Gesichtern zeigte sich Missbilligung.
„Quistis!“ bemerkte Fu-Jin plötzlich. Rai-Jin runzelte die Stirn und zählte: „Squall, Rinoa, Xell, Selphie, Irvine... sie hat mal Recht, Cifer! Quistis Trepe fehlt!“