Auch sie beachtete Cifer nicht. Statt dessen streifte er die Hände seiner Freunde ab und trat beiseite, damit man seinen Kunden sehen konnte. Kein Wunder, dass man ihn bis jetzt nicht gesehen hatte. Immerhin war er nicht größer als Angel, Rinoas Hund und schwebte außerdem über dem Boden, auch wenn er in einer Einkaufsstraße durchaus damit Eindruck schinden würde.
„Koyo-Koyo!“ riefen Squall, Rinoa und Quistis gleichzeitig aus. Tatsächlich, das kugelförmige Ding, das langsam auf sie zuschwebte, war wirklich das UFO des kleinen Außerirdischen, dem die drei Freunde schon einige Male begegnet waren. Das Alien zeigte sich sehr interessiert an der irdischen Kultur und hatte ihnen für ihre Hilfe eine einzigartige Triple-Triad-Karte überlassen.
Ja, antwortete es, als es vor Squall angekommen war. Ich bin zurückgekommen, weil ich euch gesucht habe. Vor einiger Zeit brauchte ich eure Hilfe. Jetzt braucht ihr meine.
Ein paar Sekunden lang starrten sie das kleine blaue Wesen an, bis sich Direktor Cid räusperte. Natürlich, er kannte das Alien ja nicht. „Squall, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir erklären könnten, mit wem ich es hier zu tun habe. Ich glaube nicht, dass ich diesem... Wesen bereits begegnet bin. Und Sie, Cifer“, wandte er sich an seinen ehemaligen Schüler, „Sie sollten diesen Raum und am besten auch diesen Garden jetzt verlassen, bevor sich jemand hier nicht mehr beherrschen kann!“ Das war unmissverständlich als Befehl gemeint.
Ärgerlich schürzte dieser die Lippen, aber er hatte sich auch jetzt noch in der Gewalt. „Nicht, bevor wir bezahlt worden sind!“, presste er hervor. „Als wir diesen komischen Kerl begegnet sind, hätte ich ihn fast zweigeteilt, als er eine Menge Gil fallen ließ. Weiß der Geier, wo er es her hat, aber er hat versprochen, uns angemessen zu bezahlen, wenn wir ihn zum Garden eskortieren. Und ohne dieses Honorar werden wir diesen Raum nicht verlassen!“
Koyo-Koyo, der offensichtlich bestrebt war, die Situation friedlich beizulegen, wendete sein Sternenschiff und hielt auf Cifer und seine Freunde zu. Dann erschien sein seltsamer Traktorstrahl, in dem eine Menge Gil erschien, mit der man in Galbadia ein mittleres Haus kaufen konnte. Rai-Jin sog erstaunt Luft ein, und auch Fu-Jin schien erstaunt über die Menge des Geldes zu sein. Dennoch zögerten sie nicht, sondern sammelten den Reichtum ein.
Ich hoffe, das reicht als angemessene Bezahlung, ließ Koyo-Koyo vernehme. Ich verstehe leider nichts von dieser Währung, aber es dürfte genügen. Mehr habe ich nicht dabei.
Squall musste unwillkürlich lächeln. Wie viele Taschen das kleine Alien wohl gelehrt haben musste, bis es diesen Haufen Gil beisammen hatte? Es musste sie wirklich verzweifelt gesucht haben.
„Das reicht durchaus, Koyo-Koyo“, versicherte ihm Quistis, bevor Cifer etwas Gegenteiliges behaupten konnte. Der Junge warf ihr dafür einen eisigen Blick zu, sagte jedoch nichts, sondern drehte sich abrupt um und verließ beinahe rennend den Raum. Offenbar hatte auch ihm die Atmosphäre des Gesprächs nicht zugesagt. Rai-Jin und Fu-Jin beeilten sich, ihm mit vollen Taschen zu folgen. Die Tür wurde zugeworfen, dann waren die drei verschwunden.
Direktor Cid hob wieder an: „Wenn Sie nun die Güte hätten, mir zu sagen, wer uns um Hilfe gebeten hat. Langsam bekomme ich das Gefühl, dass ich hier vollkommen überflüssig bin.“
Squall wollte antworten, aber Rinoa kam ihm zuvor: „Dieses Wesen, Direktor Cid, ist ein Außerirdischer, dem wir auf der Suche nach Artemisia begegnet sind. Er stiehlt gerne Dinge von der Erde, um sie als Andenken zu behalten und ist verrückt nach Elixieren. Er hat uns im Tausch dafür seine Triple-Triad-Karte überlassen.“
„Danke, Miss Heartilly“, bemerkte Cid trocken, „doch ich würde es begrüßen, wenn Sie von nun an dem Truppenführer das Wort überlassen würden.“
Rinoa wurde etwas rot und trat einen Schritt zurück. Man merkte ihr noch immer an, dass sie früher eine Widerstandstruppe geleitet hatte und deshalb gewohnt war, Berichte vorzutragen.
„Nun, Squall“, fuhr der Direktor fort, „haben Sie irgendeine Ahnung, wieso Herr... Koyo zu uns gekommen sein könnte? Irgendwas?“
Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Ich denke, das sollten wir Koyo-Koyo selbst fragen. Ich dachte bisher, er sei schon längst zu seinem Planeten zurückgekehrt.“
Wie aufs Stichwort kam das UFO des Außerirdischen zwischen die zwei geschwebt und verharrte dort. Koyo-Koyo war es offenbar nicht gewohnt, Berichte anzuhören, und deshalb wunderte er sich, warum ihn keiner ansprach.
Ich bin hierher zurückgekommen, weil sich eure Erde in Gefahr befindet. In sehr großer Gefahr. Ich habe sie bemerkt, als ich eben in meine Heimat zurückkehren wollte.
Quistis spitzte die Ohren. „Etwa eine Gefahr aus dem Weltraum? Ein Meteor oder andere Außerirdische?“
Das blaue Alien schüttelte den Kopf, so gut es das ohne Hals vermochte. Nein, meinte es, nichts aus dem Schwarzraum. Die Gefahr befindet sich bereits auf eurem Planeten. Sie kam schon damals, bei dem großen Himmelstunnel.
„Ich muss ehrlich sagen, dass ich kein Wort davon verstehe“, bekannte Rinoa. Sie hockte sich vor dem UFO hin und lächelte es an. „Erzähl uns bitte alles von Anfang an, Koyo-Koyo. Wir verstehen einige deiner Begriffe nicht.“
Ich versuche es, sagte das Wesen. Damals, als ihr mir geholfen habt, meine Energie zurückzugewinnen, habe ich sofort damit begonnen, mein Schiff zu reparieren. Ich hatte vorläufig genug von eurer Heimat und wollte wieder zurückfliegen, musste aber ein paar Tage lang die Teile des Schiffs suchen und wieder einbauen. Schließlich wagte ich einen Testflug bis zu einer sehr seltsamen Skulptur. Sie war über einem Steinkreis und schien auf irgendetwas zu warten. Und dann kam von einem Moment auf den anderen der rote Himmelstunnel.
„Einen Moment“, unterbrach der Direktor. „Kann das einmal jemand übersetzen? Ich komme nicht mehr ganz mit. Was meint er mit „Himmelstunnel“?“
„Ich vermute, er meint mit der „Skulptur über dem Steinkreis“ die Lunatic Pandora, die zu dieser Zeit über dem Tears Point in Esthar schwebte. Sie war es, die die „Träne des Mondes“ auslöste, und wahrscheinlich bezeichnet Koyo-Koyo die Monsterschwemme als „Himmelstunnel““, warf Squall ein.
„Klingt plausibel“, bestätigte Rinoa. „Fahr fort, Koyo-Koyo.“
Ich flog hinaus in den Schwarzraum, um nach der Ursache des Himmelstunnels zu suchen. Der Außerirdische war etwas verwirrt, nachdem er diese ganzen Begriffe gehört hatte, erzählte jedoch weiter. Dort sah ich den weißen Begleiter eurer Erde, der auf einmal ein Teil des Himmelstunnels geworden war.
„Das bestätigt Ihre Geschichte, Squall!“ Cid nickte anerkennend.
Ich wollte den Tunnel genauer untersuchen, als ich bemerkte, dass ihr das auch schon versuchtet, fuhr Koyo-Koyo unbeirrt fort. Mehrere Objekte waren im Schwarzraum, die dem Himmelstunnel sehr nahe waren, und ich wollte nicht von ihnen entdeckt werden, also wollte ich weiterfliegen. Aber auf einmal war im Tunnel selbst ein Ding, das zu euch hinab wollte. Ich wurde neugierig und folgte ihm. Es war sehr schnell, schneller als die anderen Metallobjekte, aber ich blieb dicht hinter ihm und sah seinen Absturz in den Erdwölbungen nahe den hohen Türmen. Es war anscheinend nicht sehr beschädigt.
„Wie?“ entfuhr es Quistis. „Er hat etwas IN der Monstersuppe schwimmen sehen? Bist du dir sicher, dass du nicht die Esthar-Station meinst, die von der Träne mitgerissen und zerstört wurde, Koyo-Koyo?“ Dieser verneinte jedoch.
„Und was ist mit dieser Kapsel, die Sie in Ihrem Bericht erwähnten, Quistis?“ ließ Cid vernehmen. „Die, in der Sie, Ellione und die Esthar-Techniker zur Erde zurückkamen? Könnte Herr Koyo nicht die meinen?“
Wieder verneinte das Alien. Nein, das Objekt war direkt im Tunnel und trennte sich erst kurz vor dem Boden davon. Und dann kam ein Mensch hervor. Er blieb ein paar Minuten stehen, bis ein violettes Tier kam, das ihn nicht mochte. Es wollte ihn angreifen, dann drehte er sich um und es fiel vor ihm auf die Knie. Er machte ein komisches Geräusch, dann setzte er sich auf das große Tier und ritt auf ihm weg. Das komische Geräusch folgte ihm.
Squall packte Rinoa am Arm. „Rinoa“, stieß er hervor. „Sag mir, dass er keinen Behemoth beschreibt! Sag mir, dass er nicht gerade behauptet hat, dass jemand auf einem Behemoth geritten ist!“
Auch Rinoa war erschrocken, und Cids Gesichtszüge verrieten echtes Entsetzen. Er hatte noch nie ein solches Ungetüm gesehen, aber er wusste, wie gefährlich diese Kraftprotze waren. Nur Quistis blieb einigermaßen beherrscht und holte den Laptop des Direktors, tippte einige Male auf der Tastatur und zeigte dem Alien den Bildschirm, auf dem ein Bild eines Behemoths erschienen war.
„War das das Tier, auf dem dieser Mensch weggeritten sein soll?“ fragte sie ihn.
Ja, bestätigte Koyo-Koyo, und er IST darauf weggeritten. Ich kann euch zu der Stelle führen, wo das Objekt abgestürzt ist, wenn ihr mir nichts glaubt.
„Das halte ich für eine sehr gute Idee“, meinte Quistis nickend. „Was meinen Sie dazu, Direktor? Sollen wir die Geschichte einmal überprüfen?“
Cid, der versuchte, das Gefühl zu verdrängen, dass ihm die ganze Sache allmählich über den Kopf wüchse, nickte schnell. „Ja, fliegen Sie mit Selphie, Irvine und Xell hin. Und wenn Sie einen konkreten Hinweis erhalten, wo sich dieser... Monsterbeschwörer aufhalten könnte, dann zögern Sie nicht, sie zu verfolgen! Sie haben in dieser Sache absolute Handlungsfreiheit!“
Squall nickte. „Quistis!“ wandte er sich an das blonde Mädchen. „Versuch, Xell aus der Bücherei zu holen, ohne dass er Amok läuft und Selphie und Irvine dazu zu überreden, ihr Kartenspiel zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen! Rinoa und ich werden in der Zwischenzeit zur Ragnarok gehen und mit Koyo-Koyo einen Kurs berechnen. Komm so schnell du kannst wieder!“
Quistis nickte und wandte sich zur Tür. Squall glaubte allerdings einen traurig-wütenden Blick zu sehen, der in seine und Rinoas Richtung ging. Sie drehte sich allerdings gleich wieder weg und lief zum Aufzug. Er beschloss, die Sache momentan auf sich beruhen zu lassen. Wenn jemand in seinem Team Probleme hatte, dann meldete er sie vor dem Beginn einer Mission, so hatte er befohlen. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn jemand erst im Kampf feststellen musste, dass er Fieber hatte!
„Ich denke aber nicht, dass Koyo-Koyo mit unseren Landkarten zurecht kommen wird“, flüsterte ihm Rinoa augenblinzelnd zu. „Glaubst du wirklich, er wird an Bord der Ragnarok etwas ausrichten können?“
„Um ehrlich zu sein“, entgegnete er schelmisch grinsend, „hatte ich vor, auf gut Glück loszufliegen. Aber man kann die verbleibende Zeit doch auch anders nützen, oder?“
„Aber nur, wenn du mich kriegen kannst! Wenn du mich bis zur Ragnarok einholen kannst, kriegst du eine kleine Belohnung, wenn nicht...“ Mit diesen Worten rannte sie los. Einen Moment lang war Squall sprachlos über diese vertraute Szene vor Direktor Cids Augen, dann warf er diesem einen verzeihungsheischenden Blick zu – und rannte seiner Freundin nach, als wäre Omega Weapon hinter ihm her!
Koyo-Koyo war sehr verwundert. Diese Menschen scheinen mir die Sache nicht sehr ernst zu nehmen, wandte er sich an den Direktor, der den beiden lächelnd nachsah. Ich bekomme Zweifel, die richtigen Leute gewarnt zu haben.
„Sie sind vollkommen unbegründet“, entgegnete Cid, „denn so sind junge Menschen nun einmal. Sie können sich darauf verlassen: Wenn irgendjemand auf dieser Welt es mit diesem Raumfahrer aufnehmen kann, dann sind sie es! Aber damit tragen sie auch eine schwere Verantwortung, und die versuchen sie eben zu überspielen.“
Koyo-Koyo wirkte ziemlich verwirrt, aber er fragte nicht weiter, sondern wendete sein UFO und schwebte den beiden hinterher. Direktor Cid schloss die Augen. Es fiel ihm immer wieder schwer, diese jungen Leute, die Edea und er aufgezogen hatten, in den Kampf zu schicken. Aber es war das Leben, für das sie ausgebildet worden waren und – was noch wichtiger war – das sie leben wollten!
„Na, war das nicht eine gute Idee, an dem komischen UFO mal einen Sender anzubringen?“ fragte Rai-Jin, stolz auf seine Idee. „Jetzt wissen wir, was diese seltsame Blechbüchse war!“
Fu-Jin nickte ihm lediglich knapp zu, Cifer jedoch meinte: „Ja, das war eine grandiose Idee. Bis heute dachte ich, dieses Stück Weltraumschrott wäre ein völliger Fehlschlag gewesen, aber jetzt...“
Mit diesen Worten stieß er sich von der Wand ab, an der er lehnte und zog er einen abgerissenen Computerausdruck aus der Tasche seines Mantels. „... jetzt weiß ich, dass wir auf eine Goldmine gestoßen sind! Mit diesem Monsterbeschwörer als Verbündeten wird es uns endlich möglich sein, Rache an Squall und seiner Truppe zu nehmen! Endlich!“ Er schwenkte ihn triumphierend über seinem Kopf. „Der rote Punkt in den Bergen nördlich von Esthar... das muss ein Versteck sein, in das sich unser künftiger Auftraggeber zurückgezogen hat. Wir werden ihn suchen und finden!“
„Bist du mal sicher, dass du dich an Squall rächen willst, Cifer? Immerhin hatte er Recht, Artemisia hat dich mal wirklich benutzt, um an ihr Ziel zu gelangen“, warf Rai-Jin ein.
„Stolz?“ fragte Fu-Jin auf ihre roboterhafte Weise, was sie irgendwie kalt wirken ließ.
„Stimmt“, pflichtete ihr Cifer bei. „Ich will mich nicht rächen, weil die SEEDs Artemisia besiegt haben, das war schließlich ihr Job. Ich hätte ihn genauso gemacht, wäre ich nicht ihr Hexen-Ritter gewesen. Nein, ich will mich rächen, weil sie mich besiegt haben, sogar mehrere Male! Mich! Ich will, dass sie zugeben, dass sie mich nur dank ihrer verdammten G.F. besiegen konnten!“ Er ballte die Faust und steckte das Papier ruckartig wieder in seine Tasche. Dann begann er wieder zu lächeln, allerdings unheilversprechend. „So, was haltet ihr davon, wenn wir uns sofort auf den Weg machen? Squall und seine Bande werden sicher bald losfliegen und die Zeit, die sie verlieren werden, um die Kapsel zu untersuchen, gibt uns nicht gerade viel Vorsprung! Dieses verrückte Alien hat uns ja zum Glück genug Reserven überlassen, um die ganze Weltbahn zu kaufen, warum mieten wir uns also kein Abteil?“ Er klimperte grimmig lächelnd mit den Münzen in seiner Tasche.
„Weit!“ warf Fu-Jin auf ihre unnachahmliche Art ein.
Rai-Jin stimmte ihr zu. „Ja, wir müssen mal einen großen Umweg über Fisherman’s Horizon machen. Wir sollten schleunigst los, sonst kommen uns die SEEDs mal zuvor!“
Cifer nickte und wandte sich um. „Dann nichts auf wie nach Balamb zum Bahnhof! Und dann unserem Schicksal entgegen!“
Kapitel 3
Die Berge südlich der Weltstadt Esthar kamen schnell näher, sehr schnell sogar. Die Geschwindigkeit, die von einer Rakete verlangt wurde, wirkte auf der Erde wirklich unglaublich. Vor allem, wenn man im Cockpit saß. Squall stand in der Mitte des Raumes und hatte die Hände verschränkt. Er hatte es sich angewöhnt, vor einer Mission seine Freunde heimlich zu beobachten. Rinoa saß an der linken Waffenkanzel und hatte sich entspannt zurückgelehnt. Selphie plapperte angeregt mit Koyo-Koyo, der dies augenscheinlich zu begrüßen schien, was das kleine Alien Squall noch fremdartiger erscheinen ließ. Nun ja, vielleicht erwartete es sich Informationen, was es als nächstes als Souvenir mit nach Hause nehmen konnte...
Da das gelbgekleidete Mädchen gleichzeitig auch noch fliegen musste, stand Irvine hinter ihr, um sie zu warnen, wenn etwas, das groß genug war, um die Ragnarok zu beschädigen, in ihre Flugrichtung kam. Eine mittlere Bergkette zum Beispiel. Irvine machte sich nichts vor. Er wusste genau, dass alle anderen wussten, dass er Selphie sehr mochte, und deswegen machte es ihm auch nichts aus, dass sie die bewundernden Blicke sahen, die er seiner früheren liebsten Spielkameradin im Waisenhaus zuwarf. Leider war er sich bei dem Mädchen selbst nicht sicher, ob sie seine Gefühle erwiderte, deshalb beobachtete er sie nur verstohlen.
Squall schüttelte kurz den Kopf. Er selbst war froh, dass diese Phase der aufkeimenden Liebe bei Rinoa und ihm bereits vorbei war. Es war einfach lächerlich, mit ansehen zu müssen, wie die zwei füreinander schwärmten, Selphie mit ihrer kindlichen Unschuld, Irvine mit einer für ihn absolut untypischen Scheu, und sie nicht merkten, dass der andere genau so empfand. Nun ja, andererseits hatte Selphie nie offensichtlich tiefergehende Gefühle als Freundschaft für den Scharfschützen gezeigt, vielleicht verunsicherte ihn das. Liebe war so kompliziert!
Weiter im Text. Xell stand hinter Squall und verdrehte gerade die Augen, während er anklagend die Hände gen Himmel hob. Er war bei weitem nicht der einzige, der Selphies Sprachtalent nicht zu schätzen wusste, eigentlich gab’s da außer Irvine fast niemanden, aber sie machte das bei den meisten durch ihr fröhliches Wesen mehr als wett. Bei Xell nicht. Aber auch er mochte das Mädchen, auch wenn er es nicht offen zeigte. Aber vielleicht war das auch nur die Frustration, weil er bei seiner Lektüre gestört worden war, die er zufälligerweise neben einer gewissen Bibliothekarin sitzend gelesen hatte. Squall gestattete sich ein amüsiertes Schnauben, dann sah er weiter.
Als letztes fiel sein Blick auf Quistis. Die ehemalige Ausbilderin des Gardens hatte sich in den letzten Tagen ziemlich seltsam verhalten. Immer wieder warf sie kurze Blicke auf Rinoa und ihn, aber auch auf Selphie und Irvine, die teils traurig, teils anklagend waren. Er wurde daraus nicht schlau, oder besser, er wollte es nicht werden. Wahrscheinlich war er für diese Sache auch nicht der richtige Gesprächspartner. Sein Blick wandte sich Rinoa zu. Das war wohl eher ein Job für das Mädchen, das es selbst jetzt noch schaffte, den großen Helden und Hexenbezwinger Squall Leonhart aus der Fassung zu bringen.
Er machte einen Schritt auf seine Freundin zu und flüsterte ihr zu: „Rinoa, sieh jetzt nicht hin, aber ist dir schon aufgefallen, dass Quistis in letzter Zeit sehr... deprimiert wirkt? Und zwar immer dann, wenn sie uns zusammen über den Weg lief?“
Rinoa sah ihn überrascht an, dann begann sie zu strahlen. Sie flüsterte zurück: „Ja, das ist mir auch aufgefallen, aber ich hab’s nicht so ernst genommen. Ich freue mich allerdings, dass es dir aufgefallen ist. Das zeugt von einem guten Anführer. Soll ich mal mit ihr reden?“
Squall nickte und richtete sich wieder auf. „Quistis, Rinoa!“ rief er. „Ihr beide seht euch mal die Verteidigungssysteme an. Ich hoffe nicht, dass wir von jemandem angegriffen werden, aber man kann nie wissen.“
Xell sah ihn überrascht an. „Aber Squall“, protestierte er. „Du weißt doch genau, dass ich die Systeme gestern erst...“
Sein Truppenführer schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab und versuchte, ihn anzublinzeln, ohne dass es jemand anders sah. Er wusste allerdings nicht, ob Xell das Zeichen verstehen würde. Anscheinend ja, denn er widersprach nicht mehr. „Ich finde es aber trotzdem besser, wenn die beiden es noch einmal überprüfen. Wenn dir langweilig ist, halte ich dich nicht auf, die Waffenkontrollen zu checken, Xell!“
Einen Moment lang war der Faustkämpfer völlig perplex ob des scharfen Tons, den Squall angeschlagen hatte, dann zuckte er mit den Schultern. „Soll mir Recht sein“, entgegnete er. „Immer noch besser, als hier drinnen taub zu werden. Tschüss, ruft mich, wenn wir landen!“ Dann verschwand er mit dem Aufzug.
Rinoa stand auf und trat ebenfalls vor die Lücke, die der davonfahrende Aufzug hinterlassen hatte. Quistis wirkte zwar nicht sonderlich begeistert, erhob sich aber trotzdem und ging zu Rinoa hin. Eine Minute später fuhren auch sie hinunter. Squall nickte und sah wieder nach vorn. Irvine blickte ihn an, lächelte und gab ihm das O.K.-Zeichen. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit oder eher Selphie zu. Squall war beruhigt. Er war sich selbst nicht sicher gewesen, ob es eine gute Idee war, mit Quistis über ihr Problem zu reden. Dass Irvine, der doch schon die eine oder andere Erfahrung mit Frauen hatte (ach was, er war mit Abstand der Junge im Garden, der am meisten über die weiblichen Bewohner der Kampfschule wusste!) seine Entscheidung billigte, stimmte ihn fröhlicher, auch wenn man es ihm wie üblich nicht ansah. Außerdem zeigte es ihm, dass der Scharfschütze trotz gewisser ablenkender Faktoren noch immer auf seine Umgebung konzentriert war.