Kapitel.2

Um die Mittagszeit saß Deniz wie immer vor ihrem großen
Schreibtisch in der Kaserne und blätterte verärgert in der
Zeitung. „Hier könnte auch mal wieder aufgeräumt werden!“
dachte sie schmunzelnd und pustete den Staub von ihrer
Stuhllehne, der sich von Generation zu Generation dort
angesammelt hatte. Sie hatte dieses Büro schon in einem
makaberen Zustand zugeteilt bekommen, aber nun war es das
reinste Schlachtfeld. Deniz musste an den gestrigen Abend
zurück denken. Ihr war es peinlich das ihr Kumpel Moriz sie
wie ein Baby durch die Straßen schleppen musste und auch
noch ins Bett gelegt hatte. Und als ihr Moriz erzählt hatte wie
sie sich ihm gegenüber verhalten hatte war ihr Scharm nicht
mehr zu bremsen. „Es könnte gut möglich sein, dass ich tatsächlich mit Moriz ins Bett gegangen wäre, wenn er sich
nicht so anständig verhalten hätte!“ dachte Deniz schockiert
und ließ die Zeitung mit einer schnellen Bewegung auf den
Tisch knallen. Die Presse hatte kurz nachdem sie den Tatort
verlassen hatte, natürlich sofort Schlagzeilen für die heutige
Morgenausgabe geschrieben. Da lagen sie nun, die Berichte
über einen wahnsinnigen Killer der jenen unschuldigen
Menschen in der Nacht auf geheimnissvolle und brutalle
Weise umbrachte. „Dabei ist es doch bis jetzt nur einmal
passiert...“ murmelte Deniz wütend und ballte ihre Hände zu
Fäusten zusammen. Es klopfte an die Tür. Deniz erhob
überrascht ihren Kopf und schloß das enge Korsett, dass viel
von ihrer Oberweite preisgab, bis zu ihrer Kragenweite. Eine
zwielichtiger Mann betrat ihr Büro. „Was wollen sie von mir
Hilda? sind sie nicht für einen anderen Bereich des Königs
zuständig?“ warf Deniz barsch ein und würdigte ihn nicht
eines Blickes. Man konnte merken das Deniz nicht sehr viel
für ihn übrig hatte, und das lag vor allem daran das er ein
Frauenfaschist war und man ihm des Mordes an seiner Gattin
bezichtigte. Da man ihm das aber nie nachweisen konnte
hatte es seinem Ruhm bei Hofe auch nicht geschadet. Er war
ein hoher Berater des Königs und genoß allgemein viel Ansehen bei den Frauen, aber Deniz konnte er nicht täuschen.
Sie fühlte das er böse hintergedanken mit sich trug und achtete deshalb auf jedem seiner Schritte. Hilda setzte sich
aufgelockert in einen Sessel und begann sein Schwert zu
polieren. Dann sprach er: „Deniz, Deniz... wie soll das bloß
weitergehen? ich fürchte in letzter Zeit hast du deine Pflichten
mehr als nur vernachlässigt. Der König wird äußerst unzufrieden darüber sein! ich fürchte du bist so einer wichtigen Aufgabe nicht gewachsen. Wenn du einverstanden
bist die Finger von diesem Fall zu lassen, dann bitte ich den
König um die Übertragung dieser Sache!“. „Was ich einmal
anfange bringe ich auch zu Ende! und ich sage dir das ich diesen Fall nicht an einen Idioten wie dich abgeben werde!“
preschte Deniz wütend hervor. „Ach ja? und was hast du schon erreicht? gar nichts! du weißt nicht einmal wer der Täter oder das Opfer ist, und das finde ich primitiv! eine
junge Dame wie du sollte lieber stricken als Detektiv zu spielen.“ warf Hilda lächelnd ein und erhob sich aus dem
Sessel. „Raus aus meinem Büro!!!“ schrie Deniz wütend und
warf dem Berater des Königs einen ihrer Lackschuhe nach.
„So sieht es also im Zimmer einer Komanndantin aus! eine
tolle Begrüßung nenne ich das! ich komme herein und man
schleudert mir einfach seine Schuhe entgegen. Was kommt
als nächstes? etwa die Strümfpe und der BH?“ ächzte eine
dunkel gekleidete Person und kam näher an ihren Schreibtisch
heran. „Äh... entschuldigen sie! ich wollte eigentlich nicht
sie treffen...“ stotterte Deniz rot vor Scharm. „Nun das ist
ihnen aber gelungen! ich bin Vincent Valentine und von Beruf
Traumjäger!“ erklärte der blauhaarige Mann grinsend.
„So So... von eurer Rasse habe ich schon gehört! ihr Besitzt
die Fähigkeit in die Träume der Menschen einzutauchen. Sag
mal... wie ist das denn so? muss doch ein irres Gefühl sein
im Körper eines anderen zu stecken, oder?“ fragte Deniz
schmunzelnd. Vincent ließ sich in einen Sessel fallen und musterte Deniz lächelnd. „Was ist los? warum grinst du mich
so an?“. „Dein Korsett ist halboffen...“ murmelte er leise.
Erschrocken versuchte Deniz den Reißverschluß ihres blauen
Korsetts zu schließen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. „Na los! schauen sie gefälligst weg!!“ kreischte sie
unruhig. „Ich habe eine bessere Idee! keine Bange ich tu ihnen schon nichts!" meinte Vincent gelassen und griff mit einer sanften Bewegung nach ihrem Verschluß. „Was soll denn das du Perversling!“ schrie Deniz rot vor Scharm auf
und wagte es irgendwie nicht sich dem Griff zu wiedersetzten.
Langsam öffnete Vincent das Korsett etwas nach unten und zog dann anschließend den Reisverschluß ganz nach oben.
Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel und schwieg.
„Danke... aber machen sie das nicht nochmal!“ murmelte Deniz schüchtern und zog gleich darauf wieder ihre ernste
Miene auf. „Nun, was treibt sie nach Gene Opale? Ferien
hier zu machen kann ich ihnen nur abraten. Wie sie sicher
schon erfahren haben regiert ein Diktator diese Stadt! seine
Männer haben alles fest im Griff und kann ihnen von einer
Konfrontation mit ihm nur abraten.“ meinte Deniz lächelnd.
Vincent blickte zum Fenster hinaus und sprach: „Ich bin
mit einer wichtigen Mission beauftragt worden... ich soll das
Böse in dieser Stadt vernichten! der gestrige Mord und der
heutige Alptraum waren nur der Anfang von etwas teuflischem! ich spüre das etwas Böses diese Stadt umhüllt!
sagen sie mir eines... beten die Leute in ihrer Stadt Dämonen-
götzen an?“ fragte Vincent ernst. „Vor einigen Jahren
vielleicht, aber die die Kleriker verboten es vor einem Jahr!
zur selben Zeit sank auf mysteriöse Weise der weiße Palast
am Zelon See in die Tiefe. Ich glaube der König ist selber ein
Götzenanbeter... seine Priester haben diesem Glauben jedenfalls noch nicht abgeschworen. Einige Leute behaupten
sogar sie hätten geflügelte Gestalten im Palast umherschleichen sehen. Der König streitet dies natürlich alles
ab, aber ich glaube das er selbst in dieser Geschichte mit
drin steckt.“ antwortete ihm Deniz mit unruhiger Stimme. „Ich bin hier um die Dämonen zu vernichten! sie sind hinter
dem geheimnisvollen Mörder her, der wahrscheinlich eine
Verbindung zu den Alpträumen darstellt.“ meinte Vincent
nachdenklich. „Eine ziemlich abwägige Verbindung!“ korrigierte Deniz ärgerlich. „Nun wie auch immer! danke für
ihre Hilfe, ich werde die Dämonen schon aufspüren...“ murmelte Vincent leise und ging gemächtlich auf den Flur zu.
„Nein warten sie!!“ rief ihm Deniz hinterher und hielt ihm an
den Ärmeln fest. „Ohne mich kommen sie in kein Regierungsgebäude oder Blockhaus hinein! ich könnte ihnen
behilflich sein!“ stotterte Deniz unschlüssig. Vincent entwand
sich ihrem Griff und drückte die Türklinke hinunter. „Ich erledige meine Aufgaben immer alleine! jemand an meiner Seite würde mich nur behindern.“ sprach Vincent selbstsicher
und spazierte durch die Tür hinaus. „Passen sie auf sich auf
und wenn sie etwas benötigen oder Fragen haben wissen sie
ja wo sie mich finden...“ murmelte Deniz leise und verschloss
die Tür hinter sich. „So ein Angeber! er wird schon kapieren
was er ohne mich in dieser Stadt erreichen kann! ich werde
ihm erst wieder helfen wenn er auf Knien zu mir angekrochen
kommt!“ murrte Deniz grimmig und goß sich eine Tasse Kaffee ein.

Inzwischen marschierte Vincent lustlos durch die große
Hauptstadt Gene Opale. Vielleicht hatte Deniz ja recht gehabt
und er hätte ihre Hilfe annehmen sollen. „Nein!“ dachte Vincent. „Ich kann sie da nicht mit hinein ziehen! wenn sie mir hilft wird sie früher oder später auf die Dämonen treffen
und das kann ich nicht zulassen. Sie soll das Leben eines jeden Menschen erhalten. Ich will nicht das sie ihre Zukunft
für die Träume der Menschheit aufs Spiel setzt, so wie es
Zefira getan hat...“ dachte Vincent im stillen und musste an
seine harte Vergangenheit zurückdenken. Damals wurde er
mit drei anderen Gefährten zum Traumjäger ausgebildet. Das
geschah alles so plötzlich für ihn und er hatte überhaupt keine Ahnung von der Träumerei. Die Zeit war sehr schwer für ihn,
aber mit Hilfe seiner zwei Freunde Lantes und Zefira meisterte er jede Hürde in seinem Leben. Mit dem Traumjägermädchen Zefira Flair hatte er eine enge Verbindung gehabt. Vielleicht hätten sie sogar eine gemeinsame Zukunft aufgebaut, wenn nicht vor 5 Jahren dieses schreckliche Ereigniss sein Leben zerstört hätte. Es
geschah bei einem Alptraum für den schon alles hoffnungslos
schien. Vincent hatte sich geweigert in den Traum einzutauchen, da die Sache schon für ihn geregelt war. Aber
sein Freund Lantes hatte nicht locker gelassen, bis er schließlich eingewilligt hatte und mit ihnen in den Traum
eingedrungen war. Aber dort geschah das unfassbare. Der
legendäre geflügelte Chimär hatte sich in die Seele des kranken eingenistet und war nahe daran gewesen ihn zu töten.
Mit ihrer ganzen Kraft gelangen es Vincent und Zefira ihn
zu besiegen und seinen Schlaf von 100 Traumjahren wieder
herzustellen. Aber was sie damals noch nicht wussten war das
der Alptraumkönig alles geplant hatte und die Traumjäger nicht mehr aus diesem Traum herauslassen wollte. Letzten
Endes entpumpte sich sogar der gesamte Traum als riesige
Mausefalle. Sie wären bestimmt heil davon gekommen, wenn
nicht ein Verräter in ihrer Reihe zu den Dämonen übergelaufen wäre. Das Zefira sterben musste hatte Vincent
nur seinem damaligen besten Freund Lantes zu verdanken.
Er hatte Vincent seinen Erfolg noch nie gegönnt und war
vor Neid und Missucht beinahe gestorben, als ihm der Alptraumkönig ein verlockendes Geschäft vorgeschlagen hatte. Von nun an waren sie erbitterte Feinde und konnten
einander nicht mehr leiden. Jahrelang hatte Vincent nach
Lantes gesucht um sich an dem Mord von seiner Gefährtin
Zefira zu rächen. Sie war in seinen Armen gestorben. Seitdem
wollte Vincent nicht mehr leben und fand kein gefallen mehr
an anderen Frauen. Schließlich überwand er seine Krise
und nahm seine alte Arbeit als Traumjäger wieder auf. Vincents Gedanken wurden abrupt gestört als er auf der Straße ein junges Mädchen mit grünen, kurzen Haaren stehen
sah. Ihr Blick war leer und er konnte sich einfach kein Bild von ihr machen. Für einige Minuten sahen sie sich schweigend in die Augen. „Willst du vielleicht eine rote Blume
kaufen?“ fragte das Mädchen schweigend. Vincent nickte stumm mit dem Kopf und hielt dem ärmlich gekleideten Mädchen ein Goldstück hin. Langsam kramte das Mädchen eine kirschrote Lilie aus ihrem Korb und tauschte sie gegen das Geldstück in Vincents Hand aus. „Du bist ein Traumjäger... habe ich Recht?...“ flüsterte das Mädchen mit
leiser Stimme. „Und du eine Tagträumerin...“ antwortete ihr
Vincent ernst. „Ja... ich heiße Iona... siehst du sie auch
Traumjäger? diese Schatten die von Tag zu Tag größer werden und bald die gesamte Stadt mit ihren Schmerzenschreien überrollen?“ fragte das Mädchen in Gedanken. Vincent sah sie erstaunt an. Konnte es sein, dass
sie eine übernatürliche Begabung beim Träumen besaß?
woher konnte sie das Böse sehen und seit wann?. Dutzende
von Fragen kreisten in Vincents Gedanken umher, aber er
wollte lieber nicht genauer darauf eingehen. „Wo wohnst du?“ fragte Vincent leise. Das Mädchen deutete mit ihrem
Zeigefinger auf ein halb eingestürztes Blockhaus hin. „Ich
wohne hier... aber wenn du mich wirklich suchst dann findest
du mich nur in meinen Träumen...“ flüsterte Inoa leise ehe
sie in dem halb zerfallenen Gebäude verschwand. „Wer ist
sie?“ dachte Vincent nachdenklich und ging mit schnellen
Schritten auf eine Synagoge zu. Hier wurden im 16. Jahrhundert unzählige Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, da man damals noch für alles unmögliche nur die
Erklärung zur Hexerei fand. Vincent fröstelte es stark, wenn er daran dachte, dass ihm vor 100 Jahren das gleiche Schicksal bestimmt gewesen wäre. Mit einem ruhigen Gang
schritt der Traumjäger die Stufen zu dem Tempel empor und
betrat ihn gemächtlich. Man konnte merken das im 17 Jahrhundert die Kleriker hier ihre volle Macht entfalten konnten. Es sah so aus als hätte der König die ganze Macht,
aber in Wahrheit musste er sich auch an die Gesetze der
Kleriker halten. „Sie sind eine wahre Teufelsbrut geworden...
sie verstecken ein Geheimnis hinter ihrer trügischen Fassade!“ vermutete Vincent im stillen und kniete vor dem
Opferstein nieder. Vom Turmzimmer schritt ein feingekleideter Mann mit einem Bischofsstab zu ihm herab und musterte ihn misstrauisch. „Mein Junge... bist du der
Traumjäger der zu uns kam? wie kannst du es wagen ohne ein
Gebet vor dem Opferstein zu Knien und deine Bitte auszusprechen!“ warnte ihn der Priester mit einem scharfen
Blick der nichts gutes in sich trug. „Entschuldigen sie Bischof... das habe ich übersehen...“ murmelte Vincent kaum
verständlich. „Dann lass uns gemeinsam zu Gott beten und ihn bitten die Seelen der Verstorbenen würdig zu ehren.“ sprach der Priester mit würdiger Stimme und kniete neben
Vincent nieder. Gemeinsam sprachen sie das Gebet der 12.
Psalme und ließen ihre Worte mit Ehrfurcht erklingen. Als
sie fertig waren winkte ihm der Priester zu. „Nun kannst du
deine Bitte vortragen Traumjäger. Zuvor möchte ich aber erst
noch deinen Namen wissen.“ meinte der Priester ernst. „Mein
Name ist Vincent Valentine. Und wie ist ihrer?“. „Man nennt
mich Helos. Ich bin der Erzbischof von allen Synagogen und
Kathedralen in Gene Opale. Ich habe schon vor geraumer Zeit
gehört das du in unsere Stadt gekommen bist um das Böse zu
vertreiben. Ich kann deinen Pflichteifer nur loben, aber ich
glaube kaum das ihr Traumjäger stärker seid als unsere Gebete. Glaube mir mein junger Freund. Unser Glauben wird
uns von allen Problemen und Sorgen befreien!“ sprach der
Priester mit einem ernsten Unterton. „Ihr Priester steckt doch
alle unter einer Decke. Wir werden schon noch sehen wer mehr Erfolg hat Hochwürden!“ meinte Vincent verärgert und
stürmte aus dem Tempel. „Ja... das werden wir noch sehen!“
kicherte der Priester mit einer hämischen Stimme und verschwand hinter seiner Kanzel.