Hier mal etwas Neues von mir, auch als Liebeserklärung an meine Freundin gedacht, es mag klar werden in diesem Text, was sie mir bedeutet. Also, Marta, ich liebe dich, und das ist für dich!
Eine Sommernacht
Wo sind wir? Wir sitzen neben Ihm. Wir werden Ihn nicht nach seinem Namen fragen. Das ist jetzt nicht wichtig. Wir werden Ihm einfach zuhören, wenn Er etwas zu sagen hat. Wir werden mit Ihm schweigen, wenn Er still ist. Aber sehen wir uns doch zunächst noch mal genau um. Wir sitzen auf einem Fensterbrett. Er sitzt auf einem Mauervorsprung, der von den Fenstern dieses Hauses einmal rund ums Gebäude verläuft. Das erscheint uns sehr gefährlich, denn wir befinden uns im 6. Stock eines Hochhauses, und es gibt kein Netz und keinen doppelten Boden. Außerdem wirkt es erstaunlich auf uns, dass dieser alte Mann dorthin geklettert sein könnte. Aber so ist es. Wir sind jemand, der sich Sorgen macht. Vielleicht nur ein Nachbar, aber die machen sich in unseren Tagen kaum noch Sorgen um andere. Vielleicht sind wir also auch ein Polizist, oder ein Feuerwehrmann, oder auch ein Schutzengel. Doch auch das ist jetzt nicht wichtig. Er zündet sich eine Zigarette an, und wir denken, dass das ungesund ist. Doch wir ahnen auch, dass es in dieser Situation nicht mehr drauf ankommt. Schließlich ist Er schon alt, nicht wahr? Obwohl Er gar nicht alt wirkt, wie Er da sitzt wie ein rebellischer Jugendlicher, sich den kühlen Wind in dieser Höhe durch das Haar wehen lässt und mit verträumten Augen der langsam untergehenden Sonne zusieht. Es wird immer kühler, auch wenn es ein wunderschöner Sommertag war. Warm, mit strahlendem blauen Himmel, dem Lärm vergnügter Jugendlicher in der Luft (nein, nicht alle hocken vorm PC und lesen in irgendwelchen Foren), dem Duft von Wasser aus dem nahen Freibad, den wir uns wohl nur einbilden. Aber wer erinnert sich nicht an das Gefühl einer verchlorten Nase nach einem Freibadbesuch, unangenehm, aber in der Erinnerung unersetzlich! Aber jetzt schweifen wir ja ab und vergessen Ihn beinahe, auch wenn das im Moment nicht schlimm ist, denn Er sagt nichts, sondern hängt weiterhin seinen Gedanken nach. Also können wir Ihn uns noch genauer ansehen. Er ist alt, ziemlich alt, was die grauen Haare, die vielen tiefen Falten in seinem Gesicht, der kleine schwächliche Körper und der rasselnde Atem uns verraten. Doch dieser Blick, so voller Träume scheint er zu sein. Auch wenn Er ernst zur Sonne blickt, mit einem dünnen, zusammengepressten Mund, so scheinen seine Augen zu lachen. Aber ganz so lustig kann das alles hier wohl nicht sein, oder? Sonst wären wir ja nicht hier und würden uns Sorgen machen. Jetzt atmet Er tief ein, gleich einem Seufzen.
„Nun, junger Mann, was wollen sie noch hier? Sind sie erst zufrieden, wenn ich gesprochen habe? Was wollen sie denn hören?“
Das können wir ihm nicht sagen. Wir wissen es nicht, nichts Bestimmtes. Wir wollen vielleicht etwas über Ihn hören.
„Auch eine?“ Er bietet uns eine Zigarette an, und wir überlegen nicht lange, sondern nehmen sie. Es scheint jetzt richtig zu sein.
„Sieh dir diesen Sonnenuntergang an. Ist diese Farbe nicht einmalig? Wo gibt es sie in solcher Pracht sonst zu sehen, mein Freund? Hier draußen ist sie eins mit den Geräuschen der Stadt tief unter uns. Hörst du sie, die Menschen? Welchen Geschäften gehen sie wohl nach? Junge Leute wie du. Vielleicht sitzen sie auf einer der grünen Wiesen da unten, mit ihrer ersten großen Liebe wohlmöglich. Erinnerst du dich, wie es war, wenn dieses Gefühl, das einen innerlich zerreißt, in der Luft liegt, man es aber nicht fassen kann und in Worten ausdrücken? Sie sitzt neben einem, ihr Blick ruht auf dir, nichts erwartend, sondern zart und verstehend, so wie es nur in diesen Momenten ist, wenn nichts gesagt wird aber alles klar ist. Wenn dein Magen dir beweist, dass er die stärkste Zone deines Körpers ist, wenn es um Gefühle geht. Wenn er kribbelt, dir die Luft abschnürt. Das Herz mag stark in deiner Brust pochen, der Kopf mag dir schwindeln, aber in nichts spürst so stark, das etwas ist zwischen dir und ihr, wie in deinem Bauch. Ein süßes Gefühl, das Spannung nahe kommt, aber viel mehr ist.“
Wir wissen, von was Er redet, oder nicht? Und fallen uns nicht tausend Lieder ein, die wir in solchen Momenten hörten oder die zu solchen Augenblicken in unseren Köpfen spielten, wieder und wieder? Das Gefühl, auf eine Feier zu sein, an einem Sommerabend wie diesem, der laute Bass der Musik vibriert leicht durch unsere Körper, aber wir sitzen abseits, mit ihr, wer immer sie in deinem Fall auch gewesen sein mag. Wir sehen sie an, und sind verloren für diesen Moment, und wollen von niemanden gerettet werden, wir wollen nur bei ihr sein, und unser Herz schlägt immer schneller und fester.
„Da sitzen sie also, und verlieren sich gegenseitig in ihren Augen, in dem Strahlen dieser Augen.“
Und da sehen wir eine Andeutung dessen, in seinen Augen, und wir wissen, Er erinnert sich an diese seine Tage, so fern sie in Jahren auch sein mögen, jetzt sind sie ganz nah, so dass wir sie sogar spüren können.
„Dann legen sie sich auf die Wiese, beobachten den Himmel, wie die Sterne langsam erscheinen und die Sonne in einer goldenen Flut vergeht, wie sie im Glanz ihrer Augen vergehen. Sie spüren die Nähe des anderen, liegen Arm an Arm, und während es immer kühler wird kann nichts die Hitze auslöschen, die in ihren Herzen flammt, in ihrer Brust. Dann werden sie sich anblicken, wieder und wieder, und bei jedem Mal werden sie mehr von sich dem anderen Preis geben, ohne etwas sagen zu müssen. Sie wird lächeln, und nie wird er etwas derart Wunderschönes gesehen haben oder jemals wiedersehen. Diese Augenblicke sind einmalig und niemals ersetzbar. Es wird dunkler um sie herum, von fern schweben die Töne einer der vielen nächtlichen Sommerfeiern heran, die erst beginnen werden zu dieser Zeit. Kennst du diese Momente, diese Abende, die voller Magie sind?“
Ja, wir nicken, wir kennen sie, und wollen sie wieder erleben, wollen wieder damals sein. Und als Er uns die zweite Zigarette anbietet, nehmen wir auch die. Manche von uns erinnert sie vielleicht an einen jener Abende, wie sie die Lunge mit ihrem giftigen Rauch durchflutet, aber jetzt ist uns klar, dass wir in diesem Moment unsterblich sind, also was solls? Wir sind glücklich, und das ist es, was zählt. Und jetzt verstehen wir, dass auch Er glücklich ist in diesem Moment, und entspannen uns etwas.
„Sie wird ihn umarmen, oder er sie, und so wärmen sie sich, während um sie herum die Menschen dem Sommer dankbar sind, sie werden die Nacht in einem Rausch verbringen, sie werden trinken und lachen, und die Zeit wird zu einem Moment der für immer eine ewige Bedeutung hat, ein Moment des Sommers, der unvergänglich ist. Die Sonne ist nicht mehr zu sehen, aber man kann noch immer die strahlenden Streifen erkennen, die sie an den Wolken hinterlässt, wie kühles Feuer, das über den Himmel wandert. Auch die beiden da unten, irgendwo auf der Wiese sehen es. Und während es dunkler wird, wird das Rauschen der nahen Bäume lauter, wenn der Sommerwind durch sie hindurchstreift. Sie spüren, wie ihre Herzen schlagen, und nun ist der Moment gekommen, sich nochmals in die Augen zu sehen. Der längste Moment von allen, in dem sie nichts und alles denken, in dem sie sich sehen, klar wie nie wieder. So schön wird ihm nie wieder ein Mensch erscheinen. Er wird ihren warmen Atem spüren, der näher zu kommen scheint, immer näher. Er wird durch ihr Haar streichen, das weich durch seine Finger fällt, so wie er fällt. An einen Ort, an dem es nichts außer ihr gibt, nichts außer diesen glänzenden Augen, die gefangen nehmen. Er scheint nicht mehr atmen zu können, und dann werden sie sich küssen. Das ist die Ewigkeit. Es wird nie verloren gehen. Es wird ihn für immer begleiten, es wird ihn niemals loslassen. Es sind nur noch diese beiden und ihr Kuss und eine Sommernacht für die Ewigkeit.“
Wir stocken, sagen nichts. Wir erinnern uns... und sind glücklich und unglücklich zugleich.
Wo ist sie, wollen wir fragen, warum ist sie nicht bei Ihm? Aber wir wissen es, wir werden Er, wir sind Er, von Beginn an gewesen. Wir erinnern uns an vergangene Jahrzehnte, an unzählige Sommerabende, von denen nur wenige, vielleicht nur ein einziger der ist, von dem Er, von dem wir sprechen. Wir sind jetzt allein, sie ist seit Jahren nicht mehr da. Und da ist ihr Gesicht, unsere eine große Liebe, wie sie lacht, wie sie weint, wie sie Angst hat, wie sie voller Freude ist. Wie sie uns ansieht und voll der Liebe ist, an die wir uns eben erinnern konnten. Und bevor die Krankheit unsere Gedanken wieder verschleiert und uns dem grauen Nichts, dem finsteren Vergessen überlässt, tun wir das, wofür wir herkamen, weswegen wir hier sitzen. Wir zünden uns noch eine Zigarette an, ihr Geschmack soll das Vergessen noch etwas länger vertreiben. Lang genug, um ihm zu entkommen. Wir hören uns ihren Namen in die Nacht heraus schreien, wir ahnen dass die Leute tief unter uns sich wundern, vielleicht lachen sie über den, der da so verrückt vor Liebe ist. Und das ist gut. Lachen und Lieben sind die Dinge, an die wir denken, als wir uns in den Strom der Sommernacht übergeben, als der Wind zum Sturm wird, sie uns ruft und uns zulächelt. Sie ist bei uns, wie in jener Nacht auf der Wiese, und wir sind in diesem Moment der Ewigkeit, während die Sommernacht uns umfängt und ihre tröstliche Dunkelheit alle Krankheiten auslöscht. Es ist kein Sturz. Es ist ein Schweben, weil sie bei uns ist. Es ist kein Ende. Es ist die Ewigkeit, weil sie für immer bei uns sein wird.