Kapitel 2

In der Nacht des 30. Januar bedeckten schwarze Rauchwolken den Sternenhimel. Das ewige leuchten der Himmelskörper erlosch für wenige Stunden. Niemand schenkte diesem Ereignis Aufmerksamkeit. Die meisten Leute schliefen oder waren mit anderen Dingen beschäftigt. Erst als sich am Himmel ein roter Streif abzeichnete bemerkte man etwas. Vielleicht hätte man da schon wissen können, was passiert war. Vielleicht hätte man die Feuerwehr rufen können. Vielleicht hätte man etwas tun können. Aber ein Blick nur in den Himmel. Auf den Streif. Dann kümmerte man sich wieder um seine Angelegenheiten. Erst als die Flammen schon hoch in die Wolken aus schwarzen Rauch aufragten, wurde man sich der Gefahr bewusst. Ein kurzer Anruf, der schon viel eher hätte geführt werden können. Kurz darauf wurde die Luft der Stadt mit dem durchdringenden Ton der Feuerwehrssierene erfüllt. Und nun hatte man die gesammte Aufmerksamkeit auf das Geschehniss vor den Fenstern gerichtet. Man wandt den Blick von den Fernsehern ab. Sah nach draußen. Hier und da traten die Menschen ins freie. In die kalte Nacht. Warteten was passieren würde. Die Hypnose der Flammen trieb sie zu der Bowling Bahn. Man erinnerte sich an das eine oder andere Spiel. Schade um die Bahn.
Die Männer der Feuerwehr rollten hastig die Schläuche aus. Öffneten die Hydranten. Sie waren die einzigen die nicht nur fasziniert starrten. Nach wenigen Minuten schoss der erste Wasserstrahl durch die großen Fenster, die den Eingangsbereich umrahmten. Sollte man der Besitzerin bescheid sagen? Wusste irgendwer ihren Namen?
Plötzlich bog ein blauer Ford umdie Strassenecke. Er hielt auf die ausbrennende Bahn zu. Menschen sprangen zur Seite um dem Fahrer Platz zu machen. Mit quietschenden Reifen hielt der Wagen vor dem Löschfahrzeug. Eine dunkle Gestalt trat aus dem Ford. Mrs. Pelchow!
Panikartig machte sie ihren Weg zu den Männern, die das Feuer nicht unter Kontrolle zu bringe drohten. Sie stürzte. Fiel.
Einer der Feuerwehrmänner beeilte sich ihr zu helfen. Doch sie wehrte seine helfenden Hände ab. Wollte etwas sagen. Brachte kein Wort heraus. Nur Wortfetzen. Schwerfällig erhob sich die Alte und zeigte immer wieder auf die Bahn.
„Da..!“, sie tat einige Schritte nach vorn, wurde aber von dem Feuerwehrmann zurückgehalten.
„Da drin sind noch Menschen!“, schrie sie endlich.
„Keine Angst, wir kümmern uns darum.“, antwortete der Mann in beruhigendem Ton. Erleichterung darpber, das man den beiden helfen würde, ergriff sie. Und Erschöpfung zugleich. War sie die drei Etagen hinunter zu ihrem Wagen wirklich gesprintet?
Kraftlos sackte sie zusammen. Der Feuerwehrmann fing sie auf. Und wäre unter der Last des Gewichtes fast selbst zusammengebrochen.
„Hey, sie da!“, sagte er zu einem der umstehenden jungen Männern. Einer stürmte sofort zu dem ungleichen Paar. Half die alte Lady auf den harten Asphalt zu betten. Die Strasse war ganz warm. Von irgendwoher wurde eine Jacke gereicht, die sie ihr unter den Kopf schoben.
Der Feuerwehrmann stürmte nun zu seinen Kollegen. Informierte sie über die neuerliche Komplikation.
War es nicht schon genug, diese Leute auf der Strasse stehen zu sehen?
War es nicht schon Strafe genug, das die Feuerwache der Rationalisierung der Gemeinde zu Opfer fiel?
War es nicht genug das die Wasservorräte durch die lange Trockenheit zur Neige gingen?
„Wir müssen da rein! Dort drinnen sind noch Menschen!“, brüllte er über das Getöse der Schläuche und Flammen hinweg.
Damit griff er sich aus dem Löschfahrzeug Atemmaske und Sauerstoffflasche. Zwei seiner Kollegen taten es ihm gleich. Die drei Männer halfen sich gegenseitig beim Anlegen des schweren Geräts. Dann ranten sie in das Flammenmeer.
Hitze. Erstickende Hitze. An jeder Ecke, jedem Stuhl, jedem Tisch und sogar an dem Thresen mit der Kasse im Eingangsbereich leckten die Flammen.
War es überhaupt noch möglich die Personen zu retten?
Wieviele waren es wohl?
Würden sie ihre Familien je wiedersehen?
Ein Schleier aus rot und orange legte sich über die Augen der drei Männer. Für einen Augenblick sahen sie nichts weiter als das hypnotische Tänzeln der tödlichen Geister um sie herum. Jegliches Gefühl war ausgelöscht.
Irgendetwas war anders als sonst.
War es heißer?
Das kam bestimmt nur von der ungewöhnlichen Wärme dder letzten Tage.
Eine magische Anziehungskraft befiel einen der Männer, der, fast zur Unkenntlichkeit verkleidet durch die signalrote Uniform, der Sauerstoffflasche und Atemmaske, seine behandschuhten Finger in Richtung Feuer streckte.
Riefen ihn die Flammen?
Hatte er nicht gerade seinen Namen rufen gehört?
Fast wäre er in die Flammen gestiegen, als seine Kollegen ihn zum Weitergehen drängten. Dieses Feuer war die Hölle. Sie wollten so schnell wie möglich wieder nach draußen. Verständlich. Doch wo sollten sie suchen?
Die drei Männer suchten ihren Weg zwischen der heißen Glut. Nach wenigen Schritten erreichten sie die Schwingtür zu den Bahnen. Sie war halb herrausgerissen. Ein großes Stück fehlte ganz.
„Mein Gott! Was ist hier passiert?!“, sagte einer der drei.