Die neu geborene Gefahr eröffnete den Schatten einen Weg durch die Türen, wodurch viele Welten, die sich in Sicherheit wägten, in kürzester Zeit verloren waren. Zurück blieben nur Verzweiflung, Tod und Dunkelheit. Und wieder war es nur ein kleiner Haufen von Welten, die all ihre Kraft aufbringen konnten, um den Verräter zrück zu drängen und die Türen zu schützen. Doch wie lange würden diese Welten überleben?

Inhan. Wo war diese Stadt. Zum Teufel, Bastijan folgte dem Weg nunmehr seit über 5 Wenden, und er war auf nichts gestoßen als Stein, gelegentlichen Wäldern und Dunkelheit. Wo blieb die Stadt? Es konnte unmöglich wahr sein dass sie noch weiter entfernt lag... dann hätte er längst weitere Wegzeichen finden müssen. Aber was das eindeutig merkwürdigste war: Es hatte nicht eine einzige Abzweigung vom Hauptweg gegeben. Nur dieser Weg, seit Sunden und Wenden. Die Vorräte des Wanderers neigten sich dem Ende zu, wenn er sehr sparsam wäre könnte er es zurück zur Taverne schaffen... aber das war absurd. Die Stadt musste doch irgendwo in der Nähe sein.
Frustriert setzte sich der Wanderer auf einen Felsen am Wegesrand und lauschte der ewigen Nacht. Und da war, was vor ungefähr zwei Wenden begonnen hatte... Nichts. Kein Geräusch von auffliegenden Vögeln, kein Grunzen irgendwelcher Waldtiere (was auch neue Nahrung bedeutet hätte), nicht einmal das Kriechen von Sprungschnecken. Absolut nichts.
Bis auf dieses Gefühl, verfolgt zu werden, und zwar schon seit seinem Aufbruch von Torvernis. Und nach allem, was ihm Torch erzählt hatte, befürchtete er zu ahnen, was ihn verfolgte. Es wäre nicht das erste mal in seinem Leben, von diesem „Etwas“ beobachtet zu werden. Es war genau wie damals, doch die Erinnerung daran und an Tiara (- denk an die Türen -) schienen nur die Dunkelheit sich noch enger um ihn drängen zu lassen. Er brauchte einen Plan. Und es wäre leichter gewesen, einen zu entwickeln, wenn er nur etwas von der Hellsicht verstände. Aber diese große Fähigkeit der Wanderer war nur den Meistern zugänglich. Und zu einem Meister hatte man ihn nie ausbilden können. Nur zu einem Kämpfer. Zu einem der Besten, das immerhin. Ansonsten wäre er schon längst nicht mehr unter den Lebenden nach dem was in den Sanarbar-Weiten geschehen war.
Das Tote Volk hatte sich aus dem Staub der Ewigkeit erhoben, um ihn zu halten, ihn in ihr Reich zu zerren... doch sie hatten nicht mit seiner Gegenwehr gerechnet, nicht nach dem, was sie ihm gezeigt hatten. Eine Zukunft die... Gott sei gedankt noch keine Gegenwart war, und um aller Menschen Willen es nie werden würde. Sie hatten ihn nicht täuschen können, und so hatte der Kampf begonnen. Es sollte nun genügen, zu sagen, dass er sie ihrer einsamen Verzweiflung überließ und weiterziehen konnte. Dieses kranke, verbotene Volk kümmerte sich letzten Endes recht wenig um das, was mit den Menschen geschehen mochte.
Aber das war Vergangenheit. Jetzt saß er hier auf einem finsteren Pfad fest, der zu nichts zu führen schien. Was lag am Ende dieses Weges? Bestimmt nicht Inhan, soviel wurde dem Wanderer langsam klar. Vielleicht nichts. Doch wie, wann, war er hierher geraten? Oder war er getäuscht worden? Wurde getäuscht?
Gerade als er sich wieder erheben wollte, ertönte eine weiche, fast feminine Stimme aus der Dunkelheit. Die Stimme einer Schlange, die Stimme des Verrats.
„Bastijan endo Mithriwan, der verlorene Schüler, beraubt seines Lehrers. Beraubt dieses alten Narren. Erkennst du noch immer nicht deine Möglichkeiten, Wanderer? Was du werden könntest. Was du an meiner Seite darstellen könntest? Wohl nicht, denn nun sitzt du hier, verloren in der Dunkelheit, auf einem kalten Felsen, und starrst ins nichts. Wie traurig.“
Er hatte es geahnt, aber nicht wahrhaben wollen. Die Falle in Torvernis war nur ein Vorgeschmack gewesen. Seturnas hatte auf ihn gewartet. Und das Knurren, das nun bedrohlich im Vorhang der Dunkelheit anschwoll, verriet ihm auch, wie er ihn gefunden hatte.
„Ruhig, mein gehorsamer, starker Diener. Du könntest so wie dieser Tugir sein, Bastijan. Ergeben, aber mächtig. Viel mächtiger, als dieser Haufen von erbärmlichen Wanderern.“
Bastijan erhob sich nun, und seine beeindruckende körperliche Statur stand gegen alle Bedrohungen, die die Dunkelheit entsenden mochte.
„Halte deine widerlichen und überflüssigen Reden hinter deiner falschen Zunge, Verräter. Wir haben dieses Gespräch schon einmal geführt, vor vielen Wenden, und meine Antwort wird sich nie ändern: Ich werde dich umbringen.“
Seturnas sanftes, beinahe nachsichtiges Lachen verdeutlichte nur die Abartigkeit seiner gesamten Existenz. Diese Kreatur war zerfressen von Gleichgültigkeit, nur angetrieben von dem Hunger nach Zerstörung und Verbreitung der Finsternis, der Dunkelheit, der Schatten.
„So sei es denn wenn es wahrhaftig ist. Doch das glaube ich nicht. Ich war einst so blind wie du, Bastijan...“ , „Nenn meinen Namen nicht, Verräter“ , „...doch bin ich auch der Beweis dafür, das Blinde sehen können, wenn man ihnen nur die Augen öffnet. Ich würde auch meine Zeit nicht verschwenden, wenn ich nicht wüsste, welches unfassbares Potenzial in dir gefangen ist, Wanderer. Wenn die Sonnen es nur gewusst hätten... nein, es können nur diese widerwärtigen Sterne gewesen sein, die sich solches erdacht haben.“
„Hör auf mit diesen lästerlichen Reden, Monster. Du weißt nichts über die altvorderen Götter, über die Herrscher des Lichts. Du weißt nichts über das Licht!“
Nun schwoll das nachsichtige zu einem lauteren, verächtlichen Lachen an.
„Ich habe das Licht schon gesehen, sie haben es mir gezeigt, Bastijan. Und es hat nichts, was es so wertvoll machen würde, sich deswegen den Schatten entgegen zu stellen. Wenn man erst Teil dieser Dunkelheit ist, dann... sieht alles ganz anders aus, du dummer Mensch. Du solltest einen Freund fragen der hier bei mir steht.“
Nun wurde der Wanderer langsam unruhig. Das Gerede des Lästerhaften kümmerte ihn nur wenig, aber es ging durchaus reale Bedrohung von Seturnas aus. Wo zur Hölle stand dieser Verräter. Er konnte ihn trotz seiner scharfen Sinne nirgends in der Dunkelheit ausmachen.
„Du kannst natürlich gerne versuchen, mich zu finden, endo Mithriwan, aber es wird dir nicht gelingen. Ich bin nicht da, wo du bist. Ich bin in deinem Kopf, mehr nicht, aber das reicht schon gänzlich, um dich zu vernichten, wenn ich es will. Dein Geist ist seit drei Wenden nicht mehr in der Welt, die du kennst. In der Tat sieht der Körper, den du hier an einem Wegesrand zurücklassen musstest, sehr geistlos aus.“ Ein eiskaltes, hohes Kichern. „Nicht wahr, Melvin?“ „Ja, Mister White.“
Bastijans Wut steigerte sich nun in eine Stufe, die der Raserei nicht fern war. Er hätte seine Schwerter nun gezogen, wenn es nur irgendeinen Zweck gehabt hätte.
„Was... hast... du... getan?“ fragte ihn Bastijan, kaum mehr in der Lage, seine verzweifelte Wut zu beherrschen.
„Ich habe ihm nur das genommen, was er sich in seinen letzten großen Minuten noch zurück holen wollte... seinen Stolz. Wie stolz kann nun ein jämmerlicher, aus allen Körperöffnungen stinkender, mit Schlamm bedeckter Sklave des Schattens sein?“ Und nun endlich ertönte das wahre Wesens dieses Monsters, ein krächzendes, gar nicht mehr sanftes Kreischen, das mit Lachen nur wenig gemeinsam hatte. Nichts mit Freude, was das anging. Und überraschender Weise milderte das die Wut des Wanderers. Er wurde sich wieder bewusst, welche erbärmlichen Motive diese Kreatur Seturnas am Leben erhielten. Oder das, was man im entferntesten Sinne als Leben bezeichnen mochte.
Sein Verstand schaltete sich wieder ein.
„Du hast es getan, als ich schlief, nicht wahr, Feigling? Es ist so, wie Mithriwan es stets ahnte. Du bist zu kriecherisch für mutige Taten, und seien es auch Taten für das Böse, für das Dunkel. Wie recht er hatte.“
Stille, Schweigen. Seturnas letzte gebliebene Möglichkeit, Zorn oder Scham auszudrücken.
„Nun gut, Bastijan. Ich habe langsam keine Zeit mehr, länger mit dir zu scherzen. Hier mein Angebot: Werde dir an meiner Seite deiner wahren Macht bewusst, und wir können selbst den Schatten zeigen, was Herrschaft bedeutet, und wir können die Sterne verspotten. Weigerst du dich weiterhin, was ich befürchte, dann bleibst du da wo du bist, während dein Körper hier verrottet. Entscheide, Narr.“
Es dauerte nicht einen Bruchteil einer Sekunde, bis die Entscheidung gefallen war. Sie hatte nie in Frage gestanden.
„Du hast Tiara umgebracht. Ich werde ich verfolgen, bis ich dich finde, egal in welcher Welt, und ich werde dich töten. DANN werde ich mir meiner wahren Macht bewusst, denn die brauche ich nicht, um dich Wurm ausbluten zu lassen.“
Langes Schweigen, Stille. Dann ein verzerrtes, eindeutig unbehagliches Lachen. Der Wanderer musste Lächeln. Sieg an dieser Stelle.
„Du wirst nie wieder diese Welt sehen, du dreckigere Versager, du lächerlicher Wanderer. Komm, Sklave, es wird Zeit, diesen Ort zu verlassen. Das war unser letztes Treffen, Wanderer. Du hast entschieden.“
Langsam entfernte sich die Anwesenheit des Schattenmeisters.
„Du wirst wissen, wenn unser letztes Treffen gekommen ist, „Mister White“. Es ist der Tag, an dem du sterben wirst.“
Es kam keine Antwort, doch Bastijan wusste, das Seturnas es gehört hatte. Und das es ihn verfolgen würde. Nicht, weil es die Worte eines Wanderers waren, sondern die Worte Bastijan endo Mithriwans.
Nach einiger Zeit setzte er seinen Weg im finsteren Nichts fort, darauf hoffend, das er irgendetwas am Ende dieses Weges finden mochte. Er wusste nicht, in welcher Welt er nun war, sein Geist nun war, aber er wusste, durch was ihn Seturnas ihn hierher geschickt hatte. Durch eine Tür. So, wie Tiara es ihm im Traum gesagt hatte.
Und während sein Körper ungeschützt am Rande eines finsteren Weges lag, näherte sich sein verkörperter Geist in einer kahlen, zerstörten und finsteren Welt mit jedem Schritt einer schwarzen Küste. Einem Strand, der von toten Körpern übersät war und von schweren düsteren Monolithen. An dem das ewige Zwielicht einer von den Schatten zerstörten Welt herrschte und ein einsamer Junge ihn erwartete.

To be continued, if anyone cares...