Die Türen führten zu einigen wenigen Welten, die durch eine List der Sterne vor der Dunkelheit geschützt waren. Die Sterne opferten ihr Licht, ihr Leben, für diese Welten und durchfluteten sie mit ihrer heiligen Kraft. Dadurch konnten die Türen zu diesen Welten vor der Dunkelheit geschlossen gehalten werden, und vile Wesen flüchteten dorthin. Doch gab es Kräfte, die den Sternen Unterstützung beim Schutz der Türen zusagten. Als eine dieser Kräfte das Vorhaben korrumpierte, war eine neue Gefahr geboren.

“Bastijan... hallo?? Wach auf, Bastijan. Du schläfst nun schon seit einer Ewigkeit!“
Diese sanfte Stimme, dieser wundervolle Duft von frisch gewaschenem, langen Haar.
„Ahh, na endlich öffnen sich deine schönen Augen, mein Held.“ Das klingendste, hellste Lachen der Welt, das ihm eine Vorstellung davon gegeben hatte, wie ein sonniger Tag wohl aussehen würde. Und ihre Augen, das samtigste Hellblau, das er jemals in seinem Leben gesehen hatte.
„Hast du denn wenigstens von mir geträumt, Schlafmütze?“
Von ihr? Immer träumte er von ihr. Tiara.
„Aber natürlich, wovon auch sonst?“ sagte er, und spürte wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. Und es fühlte sich so... jung und glatt an.
„Sei ehrlich, ich kenne dich doch, mein Krieger des Ordens. Du siehst so blass aus.“
Er konnte sich nicht verstellen, nicht vor ihr. Niemals.
„Also gut, wie du willst. Ich hatte einen Albtraum von fürchterlichen Dingen, von Bedrohungen, von dem Übel der Welt... solchen Kram!“
„Was für Dinge, was für ein Traum?“ Sie strich ihm sanft über sein Gesicht. „Sag es mir.“
Das helle und doch sanfte Licht ihrer Tengua - Käfer, die in kleinen Glaszylindern brummten, erhellte den ganzen Raum, ihr jugendliches Zimmer, so unbeschwert wie ihr Leben hier im Zentrum der Welt. Er lag auf ihrem Bett, weich und noch ganz durchdrungen vom süßen Geruch der Dunkelwende, die sie darin verbracht hatten. Die Schimmerwende hatte schon lange begonnen, wie die Uhr in ihrem Zimmer ihm sagte. Er streckte sich und hätte am liebsten den Albtraum vergessen.
„Ein Traum von einem fernen Ort, den es womöglich nicht gibt, mit Leuten, die es sicher nicht gibt!“ Er sah tief in ihre Augen, und versuchte sich zu erinnern, was ihn eine Wende zuvor zu ihr geführt hatte. Hatte er nicht Training bei Mithriwan, seinem Meister des Ordens, gehabt?
„Küss mich, meine Sonnenfee! Vertreib meine düsteren Gedanken!“ Er beugte sich zu ihr hin, doch sie wich aus, jedoch mit einem süßen, verhaltenen Lächeln, das den Kuss beinahe ersetzte.
„Nein, zuerst sag mir was so bedrohlich in deinem Traum war!“
Warum nur musste sie so hartnäckig sein? Er dachte kurz nach, dann verfinsterte sich seine Miene. Er wollte sich daran nicht erinnern. Es war schlecht.
„Die Schatten.“
Plötzlich schien ihr Blick von großer Traurigkeit erfüllt zu sein, doch küsste sie ihn trotzdem.
Sofort durchflutete ihn eine Wärme, die er, so schien es, seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte. Warum? Er sah sie beinahe jede Woche, warum also dieses Gefühl.
Je intensiver der Kuss wurde, desto mehr schien sein Herz zu entflammen, seine Lungen schienen sich unter dem hämmernden Schlag seines Herzens zusammen zu ziehen. Es war so großartig, so schön, diese unglaubliche Liebe seines Leben ließ ihn unter ihrem Kuss seine harte Hülle ablegen.
Als sie kurz stoppte und ihn mit loderndem Blick ansah, bemerkte er, dass es dunkeler geworden zu sein schien. Ihr blondes Haar hatte seinen Glanz verloren, ihre Augen waren verblasst, sie schien in Ferne zu rücken.
„Tiara, was...?“ Sofort war sein Panzer, seine Mauer, die alle Gefühle aussperrte, wieder angelegt.
Als der ganze Raum zu verschwinden begann, sich in einen Sumpf aus nichts als Dunkelheit verwandelte, wusste er, das Mithriwan ihn nicht mehr trainieren konnte. Er war tot.
Und er würde Tiara nie mehr küssen. Sie war tot.
„Bastijan...“, ihre Stimme kam nun von sehr fern, sie verschwand in der Dunkelheit, war fast nicht mehr zu sehen, „ich bin so allein. Es ist so kalt und so dunkel. Geh nicht! Bleib bei mir!“
Aber das konnte er nicht. Er musste Antworten finden, die seit undenkbaren Zeiten gesucht wurden. Aber er könnte sie finden. Das wusste er. Er könnte.
Schließlich verschwamm der Traum fast völlig, nur ein Hauch ihrer Stimme schien aus dem Dunkel seines Zimmers zu ihm zu wispern.
„Die Türen...“, dann war alles still.

Er lag im Bett der Taverne, noch völlig hingerissen von seinem Traum. Noch nie hatte er Sie so deutlich gesehen, hatte fast vergessen, wie sie sich anfühlte, wie sie duftete.
Warum jetzt und hier? Warum dieser Traum?
Langsam setzte er sich auf und versuchte sich klar darüber zu werden wann und wo er genau war, und was zuvor geschehen war. Es dauerte nicht lange, bis er sich an alle grausamen Einzelheiten der letzten Dunkelwende erinnerte.
Melvin, der gebrochene Mann, der zum aufrechten geworden war... kurz bevor er sterben musste. Die Falle, die ihm zweifellos Seturnas, der Gegensatz all dessen, wofür die Wanderer standen, der Feind des Kampfes gegen die Dunkelheit, gestellt hatte. Die Schatten schienen ihm zu dienen, doch das war ein Trugschluss, den wohl nicht einmal Seturnas selbst durchschaute. Er war williger Sklave der Dunkelheit, so lautete die Wahrheit. Aber natürlich war Seturnas, wie die letzte Dunkelwende gezeigt hatte, ein sehr mächtiger Sklave.
Nach einigen Minuten betrat Bastijan die noch immer sehr verwüstete Bar, in der Torch emsig damit beschäftigt war, alles aufzuräumen.
„Guten Morgen Torch, Licht auf deinen Wegen. Hast du die letzte Nacht etwas verarbeitet?“
Torch sah ihn kurz etwas mürrisch an, als sei die Frage ein schlechter Scherz. Dann graulte er sich kurz in seinem Schnurrbart und brachte sogar ein Grinsen zustande.
„Na ja, ich denke mal ich habe es überlebt, und das ist schließlich die Hauptsache, oder? Aber was ist mit euch, endo Mithriwan, erst die Sanarbar-Weiten, dann dieses Fiasko! Ich hoffe nur, ihr zieht nicht noch mehr Ärger dieses... Seturnas auf euch... oder auf uns!“
Bastijan zog seine zwei Hauptschwerter aus seiner Galerte, um sie zur feierlich zum Abschied vor Torch zu kreuzen, während er sich dahinter kniete. Eine ehrerweisende Geste der Wanderer, die nur geschätzten Leuten zuteil wurde.
„Ich bin froh an diesen Ort gekommen zu sein, Torch, Gastwirt von Torvernis, denn ich habe gelernt, dass man Menschen zu schnell verurteilt. Ich habe mich in Melvin geirrt. Und in euch ebenso. Verzeiht mir und nehmt diese Geste der Ehre an.“
Torch sah nun doch sehr verblüfft aus, beinahe beschämt, und glotzte den Wanderer nun mit völlig verständnislosen und großen Augen an, während sein Mund so offen stand wie die Türen der leichten Häuser der reichen Städte. Dann besann er sich schließlich und deutete verlegen eine Verbeugung an.
„Auch ich habe mich geirrt, Wanderer, und ihr verblüfft mich einmal mehr. Ich werde euren Besuch hier nie vergessen!“
Und das schien wahr, Bastijan hörte nichts sarkastisches in der Stimme des Wirtes.
Dann steckte er seine Schwerter weg und sah Torch noch einmal fest in die Augen. Dann wand er sich um und verließ Torvernis. Sein weg führte ihn nun nach Westen, zu den „wilden“ Städten, die so in seiner Heimat im Osten genannt wurden, da man alle jenseits der Sanarbar-Weiten für Barbaren hielt. Das es sich dabei um ein unsinniges Vorurteil handelte, hatte ihm die letzte Dunkelwende bewiesen. Er würde selbst sehen, wie die Menschen in den Städten westwärts waren.
Nach einigen Kilometern Marsch auf dem Hauptweg der Gegend kam er zu einem mit einer schwachen Käferlampe erleuchteten Wegweiser. Der Weg gabelte sich an dieser Stelle, und wie er dem Wegweiser entnehmen konnte, führte der nördliche Weg zum Giltangebirge, der westliche nach Inhan, der ersten Stadt jenseits der Sanarbar-Weiten. Also entschied sich Bastijan für den Westweg. Und während er über seinen Traum nachdachte ( - Türen... welche Türen meint sie - ) und versuchte nicht in die Vergangenheit zu entgleiten, wurde er von einem kalten Paar Raubtieraugen beobachtet. Der schwarze Tugir schnurrte kurz zufrieden, bevor er lautlos die Verfolgung seines Opfers fortsetzte.

To be continued, if anyone cares...