Jaaa... Ist ja gut. Ihr habt mich überredet. Ab jetzt immer zwei Kapitel.


Kapitel 7: Die Trauer

Sidartha erwachte und musste sich anstrengen, um die schweren Schmerzen am ganzen Körper zu ignorieren. Die erwachsenen Sklaven schliefen noch, aber die geplagten Geräusche, die sie von sich gaben, ließen nicht auf gute Träume schließen. Der Junge lockerte den Arm seines Vaters, der ihn warm gehalten hatte, denn wenn es etwas gab, das noch schlimmer war als die glühende Tageshitze, dann war es die klirrende Kälte der Nacht. Die Wachen schienen ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden zu weilen, denn diese rücksichtslose Art der Sklaverei bot den "Vorteil", dass die Arbeiter nachts viel zu müde waren, um bewacht werden zu müssen. Das Mondlicht führte den kleinen Sidartha heraus zu den Arbeitsplätzen, auf denen es bei Nacht nur gespenstische, traumatisierende Ruhe gab. Der nackte Fuß des Kindes traf eine Flüssigkeit auf dem Boden und er schreckte zurück, als er den toten Körper sah, aus dem der Lebenssaft gewichen war. Das Blut war lange geronnen, aber der Aufschrei des Kindes schien das Lager aus dem Trauma zu reißen. Lichter gingen an und die empörten Stimmen der Aufseher erklangen aus den flachen Lehmbauten. Sidartha war noch immer geschockt, realisierte nun aber, was er getan hatte. Panisch schaute er sich um und rannte, als er sicher war, dass ihn niemand gesehen hatte, zurück in die Hütte seiner Gruppe. Auch die anderen Sklaven waren nun wach und glotzten entsetzt zu dem Jungen, gewiss der Folgen, die seine Störung hinter sich ziehen würde. Ihre Blicke zeigten neben der gebeutelten Angst, die man in jedem Sklavenauge erkennen konnte, auch ein Misstrauen und einen Hass, der diesen sonst fremd war. Sidarthas Vater nahm seinen Sohn schützend in die Arme, als die schlaftrunkene, bullige Figur des Sklavenmeisters im Türrahmen erschien.
"Wer war das?!"
Stille lag über der Menschenmenge, aber die Blicke der Anwesenden lagen auf Sidartha. Der Körper des Jungen zuckte vor Angst, und Schweiß lief über seine dunkle Stirn. Der Aufseher grinste ihn wissend an, sprach dann aber wieder zu allen.
"Ich frage euch noch einmal, ihr Sackratten! Wer hat hier geschrien?!"
Der bullige Mann lachte bösartig, als sich wie erwartet niemand meldete.
"Nun gut! Da sich der Übeltäter nicht freiwillig stellen will, werde ich wohl die ganze lustige Mannschaft hier bestrafen..."
"Ich war es!"
Sidartha hatte sich zu seiner vollen Größe aufgestellt und schaute dem verblüfften Sklavenmeister in die Augen.
"Du kleiner Mistjunge hast mir den Schlaf geraubt?!"
"Ja, das habe ich, aus Entsetzen über die ganze verdammte Sklaverei!"
Die Anwesenden gafften mit einer Mischung aus Schrecken und Anerkennung zu dem 5-Jährigen, der nicht einmal die halbe Größe des Meisters einnahm, welcher nun wieder grinste.
"Das ist schön, kleiner... Du weißt sicher auch, dass wir dich nun bestrafen müssen, wenn du dich hier so gut auskennst, oder?"
Der harte Blick des schlotternden Jungen änderte sich nicht, als sein Gegenüber eine große Peitsche vom Gürtel schnallte.
"Wer hier ist verantwortlich für das Kind?!"
Sidarthas Vater stand emotionslos auf und blickte hoffnungsvoll zu seinem geschockten Sohn. Dieser kreischte abermals auf, als der Lederstrang auf dem Rücken seines schreienden Vaters niederprasselte, immer und immer wieder. Sidarthas Hoffnungsfunke schrumpfte zusammen wie ein kleiner Eiswürfel in einem aktiven Vulkan.


Kapitel 8: Die Hoffnung

Die dunklen, roten Streifen auf dem Rücken seines schlafenden Vaters erinnerten Sidartha an die vergangene Nacht. Nun stand Selûne, der Mond, wieder über der Erde und schaute auf seine Kinder herab. Sidartha wollte nicht schlafen. Die Wut kochte in seinem kleinen Körper, aber er hielt sich zurück. Sei nahezu einer Stunde saß er nun regungslos in seinem Zelt und zweifelte. Sidartha wusste, dass es nicht so bleiben konnte, wie es ist, aber er hatte am letzten Tage mitbekommen müssen, wie schmerzhaft es seien kann, etwas verändern zu wollen. Das war wohl auch der Grund, warum es überhaupt Sklaven gab. Der Junge stand lautlos auf und ballte die Hand zur Faust. Leise schlich er sich abermals aus dem Raum, der für so lange sein unfreiwilliges Zuhause gewesen war, hinaus auf die Arbeitsfläche und zu dem riesigen Zaun, der ihn seit Beginn seines Lebens von der Freiheit fernhielt. Seine Beine zitterten schon wieder und ihm wurde schmerzhaft bewusst, wie klein und unbedeutend er abermals war. Der Zaun war um vieles größer. Sidartha zog an dem Gerüst, aber zu seinem Entsetzen verursachte es mehr Lärm, als ihm lieb gewesen wäre. Abermals gingen die Lichter an und schwere Schritte zogen sich über den Boden. Sidartha hämmerte nun wie ein Irrer gegen den Metallzaun, aber der Wall gab natürlich keinen Wink nach. Nicht die Vernunft ließ ihn gegen das Metall treten und schlagen, nein, einzig und allein die Hoffnung. Von hinten näherte sich langsam der grinsende Sklavenmeister, dessen Sadismus in seinen Augen glühte. Sidartha drehte sich um und wollte wutentbrannt auf ihn zurennen, als der bullige Körper plötzlich leblos vor ihm in den Sand fiel. Der Vater des Jungen zog einen blutigen, im Mondlicht glänzenden Dolch aus der Leiche und lächelte zu seinem Sohn.
"Nun, Sidartha. Ich habe bis hierher auf dich aufgepasst. Nun ist es Zeit für dich, auf dich selbst aufzupassen."
Sidartha verstand nicht, was sein Vater sagte, auch nicht, als er ihm den Dolch in die Hand drückte und ihn mit seinen kräftigen Armen in die Luft hob.
"Was tust du, Vater? Bist du verrückt?! Sie werden dich umbringen!!"
"Mein Leben ist aus, mein Sohn. Ich hatte nie deinen Mut und deine Stärke. Mein Leben gegen deins. Erscheint mir ein fairer Tausch!"
Nun lachte der ältere Mann und Tränen liefen über seine Wangen. Nun kamen weitere Aufseher aus den Häusern und rannten auf die Beiden zu. Sidartha war mit Panik erfüllt.
"Lebe wohl, mein Sohn. Sorge dafür, dass sowas hier nie wieder nötig wird!"
"Was meinst du, Vater?"
Dann nahm Sidarthas Vater seinen Sohn, drückte ihm den alten Schlapphut, den er immer selbst getragen hatte, auf den Kopf und warf ihn mit einem lauten Schrei über den Zaun. Der Junge kam weich auf, in einem Haufen Stroh. Das war ihm allerdings egal. Er rannte tränenüberlaufen zu dem Zaun zurück und drückte sich daran.
"Nein!! Vater!!"
Er sah nur noch, wie die Sklavenmeister die nächtliche Silhouette seines Vaters im Mondschein zerpflückten. Der Hut fiel in den Dreck und Sidartha warf sich heulend auf den Boden. Niemand in dem Sklavenhaus interessierte sich noch für den Jungen, der da einsam und allein im Dreck lag. Doch seine Hoffnung war aufgeflammt. Er rammte sich mit wütenden Blick den Hut seines Vaters auf den Kopf, und schrie in die Nacht herein. Dann rannte Sidartha los und fluchte und schwor mehr, als es ein gewöhnlicher Mensch in seinem ganzen Leben tuen würde. Wut ließ seinen Körper aufflammen und trieb ihn weiter durch die Stadt, die er nicht einmal mehr kannte. In dieser Nacht gab es mehr Licht als Schatten, durch den hellen Schein des Mondes.


Puh.