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Thema: Unterwegs in Düsterburg - Roman

Baum-Darstellung

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  1. #34
    "Fahles Mondlicht schien auf das Blätterdach des riesigen Waldes, der einen großen Teil der Ostmarken, dem Namen nach eben dem östlichsten Landstrich des Herzogtums, bedeckte.
    Die Vegetation war urig und üppig; knorrige, moosbewachsene Baumstämme, Farngeflecht und dichtes Unterholz, süßlich riechendes Laub wie ein samtener Teppich auf dem vom Nebel angefeuchteten Waldboden. Die Natur war alt und wild, ungezügelt und ungezähmt, hatte sich noch längst nicht der Besiedelung durch menschliche Zivilisation gebeugt, mit Ausnahme von ein paar kleinen Gehöften und einem Dorf, das sich an den Rand der Wälder schmiegte. Der Forst selber aber war unberührt – in der Ferne sangen Wolf, Uhu und Krähe ein schauriges Terzett, und außer den angestammten Bewohnern des Waldes wagte keiner, die Ruhe zu stören. Ganz Ostmarken schlief.
    Ganz Ostmarken? Nein, ein einsamer, verloren wirkender Wanderer wagte es trotz der späten Stunde und der unheilvollen, geflüsterten Drohung des tiefen Gehölzes, auf seiner Suche durch das Laub zu streifen.
    Er mochte an die Mitte Zwanzig bis Dreißig sein, junge, aber dennoch wettergegerbte Gesichtszüge. Zotteliges, feuchtes dunkles Haar klebte auf seiner Stirn, dank der kühl-klammen Nachtluft und des Nebels war er so durchweicht, als wenn es geregnet hätte. Sein nasser, blattgrüner Umhang drückte ihm schwer auf die Schultern, einzig die schlichte Ledertunika darunter verhinderte, dass die Feuchtigkeit aus ihm bis in sein Leinenuntergewand sickerte und seine Knochen zum Einfrieren brachte. Das am Gürtel baumelnde Schwert lastete schwer an ihm, als er mit lehmverdreckten Stiefeln durch den Wald stapfte, ohne jede Orientierung, ohne jedes Ziel.
    Er wusste nicht, wo er war, er wusste nicht, wohin er ging, er wusste nicht einmal seinen Namen. Alles, an das er sich erinnerte war, dass er aus dem Nebel kam – und den Drang verspürte fortzulaufen, fort, fort von hier, weit weg, weiter weg, so weit ihn seine Füße trugen.
    Wirre Bilder waberten wie die Nebelschwaden der Umgebung durch seinen Kopf, ungeklärte Fragen hallten als Echo in seinem Gedächtnis nach. Woher kam er? Wer war er? Warum kam er sich vor wie Indiana Jones aus einem Wolfgang Hohlbein-Abenteuerroman? Und wer, bei allen Höllen, war Wolfgang Hohlbein? Er konnte sich keinen Reim darauf machen, aber er fühlte sich wie die Hauptfigur in einer klassischen Fantasiegeschichte. Achja, und warum halten sich so viele Leute beinahe penibelst genau an eine Vorlage, wenn sie auf deren Grundlage versuchen, eine Geschichte zu erzählen, die dann an dieser Genauigkeit zum Scheitern verurteilt ist?
    Der Wanderer schritt schneller und verschwand im Nebel. Fort. Fort."

    ***

    Spaß mal beiseite, Jungs und Mädels, die Ansätze sind ja alle ganz nett, aber wenn man einfach hingeht und der Reihe nach die Etappen und Spielabschnitte abklappert, um diese schriftlich in etwas länger gestreckter Fassung auszuwalzen, kommt dabei nicht unbedingt was gutes bei rum.
    Ich erinnere mich an eine Erzählung von Isaac Asimov, „der positronische Mann“, die nachher irgendjemand sich geschnappt hat, um einen Roman draus zu machen, was effektiv darauf hinauslief, dass es das gleiche in grün war, nur durch ein paar mehr Worte in die Länge gezogen. Das sollte bei einer Romanadaption nicht passieren.
    Ein ähnliches Phänomen sind beispielsweise Bücher, die NACH einem Film entstehen. Die sind in der Regel Mist, weil es ihnen etwas an Gehalt fehlt; andersherum sind die Bücher, nach denen ein Film gemacht wird, meistens besser als die anschließende Verfilmung. Warum ist das so? Mit einem Roman kann man viel machen, man kann viele Dinge, insbesondere Gedanken, Gefühlsregungen und Konflikte viel eindrücklicher vermitteln, als es die meisten visuellen Dinge je könnten (nun, sie könnten vielleicht schon, nur wäre es dann meist ironischerweise langweilig).

    Also, wie Grandy schon sagte – man kann das Konzept und die Basis von UiD nehmen, um daraus einen spannenden Abenteuerroman zu machen. Dabei gibt’s dann auch mehrere Vorgehensweisen. Entweder man klappert es streng chronologisch ab und verlegt sich dabei stark auf Actioneinlagen, und voila, Hohlbein lässt grüßen. Das ist nicht schlecht, das ist die klassische Variante, die man sich durchliest, beiseite legt und die einen danach nicht mehr sonderlich interessiert und einen auch nicht merklich beeindruckt. Die andere Variante wäre, sich mal in Ruhe hinzusetzen, und einen Plot zu konstruieren. Charaktere mit Persönlichkeiten zu versehen, ihnen Motivation und Vorgeschichte verpassen, sie individueller machen, sie auf diese Weise in den Kontext einbinden und sie entwickeln lässt. Man baut Konflikte und verschiedene Handelsstränge auf, fokussiert sich dabei nicht strengstens nur auf eine Person oder eine Personengruppe, und erhält am Ende ein viel komplexeres Gebilde, das zwar schwerer verdaulich, dabei aber meistens eindrücklicher ausfällt. Das Ergebnis ist dann ein Wälzer im Ken Follett Format.
    Natürlich gibt es auch noch Dinge zwischen Himmel und Erde, und für eine UiD-Adaption funktioniert wohl am besten etwas, das sich ein klein wenig über Hohlbein hinaus erhebt, aber bitte nicht in den Erzählungsgezeiten eines Follett endet.

    Soll nur heißen: Das ist Arbeit, und einfach so drauf los zu schreiben führt da bestimmt nicht zu einem gelungenen Resultat. Mein mahnender Zeigefinger, vielen dank für ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

    Geändert von Remains of Scythe (19.08.2004 um 19:02 Uhr)

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