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Drachentöter
Mit einem stummen Nicken pflichtete Ingrim dem Thominiel bei. Teils war es erleichternd, wenn ihm jemand bei der Arbeit zusah, denn er empfand es manchmal als Bürde, Menschen zu verarzten. Vor allem, wenn es so viele Verwundete waren, die Hilfe benötigten. Durch Anwesenheit anderer Leute würde ihm ein wenig von dieser Bürde abgenommen werden, und er schöpfte neue Kraft.
Auch Shinu, das Mädchen, war sehr fleissig. Sie verstand es, kleine Wunden zu säubern und diese nach bestem Gewissen zu binden. Sie flitzte in den letzten Stunden hin und her, brachte pausenlos frisches warmes Wasser. Ingrim spülte die schlimmsten Wunden erst einmal vom Eiter frei, drückte eine Paste aus Kräuterextrakten und wilden Gräsern in die Wunde, was anfangs sehr brennen musste, denn die Patienten stiessen einen heiseren Schrei aus, verkrampften kurz, entspannten sich aber sichtlich wieder. Es sah sogar so aus, als delektierten sie sich an der Wundpaste. Ein frischer Verband wurde dann um die Wunde gewickelt und ein Schluck Eberkrautsaft (eine scheusslich riechende Mixtur, half aber wunderbar gegen Fieber) verabreicht. Ingrim streichelte die Stirn eines wunden Soldaten und legte ein feuchtes Tuch auf seinen Kopf.
Die Fratze ging ihm nicht mehr aus dem Gedächtnis. Tiefe Kratzer, beinah Krater im Gesicht. Diebe könnten das wahrlich nicht verrichtet haben, vielleicht ein Bär, oder etwas kleineres Reissendes.
Um sich sich von dem Gedanken zu lösen, fragt er Thominiel, ob er bestimmte Heilblätter kenne, und ob er diese in der Umgebung suchen könne, Ingrim brauche sie für einen Sud gegen Entzündungen oder Verbrennungen. Der Frostelf gab sich nun etwas geselliger, nickte, nannte ein Wort in Sindarin und machte sich sogleich auf den Weg rund um die Burg herum.
Das Wortgefecht Larissas beeindruckte Ingrim tief. Einer solchen schillernd auftretenden Persönlichkeit Paroli zu bieten, dazu braucht es schon Einiges an Mut. Der Hüne stand neben ihr, sie schienen wohl gerade die Lage zu besprechen. Wie ein ungleiches Paar traten sie auf: er, gross und stark, nicht gerade der Schönste, Kraft in den Armen und Beinen, bereit, jeden Feind zu zerschmettern; sie, rank und schlank, lasziv, eingehüllt in einen langen Mantel, reichte dem Riesen gerade bis zur Brust. Bei dem Bilde musste Ingrim fast schmunzeln.
Und im gleichen Moment fühlte der Medicus eine Anspannung in der Luft, jeder wartete wohl auf irgendein Zeichen, ein Pfeifen, ein Angriff, ein Horn, irgendetwas. Alle kamen ihm so kampfeslustig vor. Nun wünschte er sich insgeheim, er könne ein Lied zur Besänftigung der Gemüter vom der Bardin hören... Ingrim sah die Bardin in einem Moment der Ruhe kruz an. Da stand sie, klopfte sich etwas Schnee von ihrem Geand, und sah überrascht wütend aus. Jemand muss sie wohl in den Schnee gestossen haben. Doch als ihr Blick, mit dem sie den Schuldigen suchte, auf ihn selbst fiel, wurde er leicht rot und wandte sein Gesicht zu einem Patienten und stopfte einen tiefen Schnitt mit der Wundpaste. "Hab ich es nicht einmal bemerkt...?" dachte sich Ingrim.
Er hörte ein Kinderweinen.
Was für ein Elend.
Für eine weitere Patientin kam jede Hilfe zu spät. Ihre Wunden wollten sich nicht schliessen, sie blutete aus. Er wandte sich ab, als Soldaten die Frau mit einem Leinentuch zudeckten.
Thominiel kehrte alsbald zu Ingrim zurück und überreichte ihm einige Blätter in der Grösse einer flachen Hand. Er warf die Blätter in einen Topf mit kochendem Wasser. Sofort färbten sich die einst bruanen Blätter in ein dunkles Grau, und das Wasser wurde gelblich.
"Hervorragend..." sprach Ingrim und klopfte Thominiel auf die Schulter.
Geändert von TheByteRaper (20.02.2004 um 00:13 Uhr)
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