Verschiedene Sachen zu Homo faber von Max Frisch:
geschrieben zEvG 2003
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Wie sieht die Weltanschauung von Walter Faber aus?
Walter Faber ist durch und durch Pragmatiker. Er ist fasziniert von Technik; für ihn ist Technik System. Die angewadnten Wissenschaften beherrschen die Natur und Walter Faber erlebt die Welt durch das Medium Technik. Für ihn ist alles durch Mathematik, Physik, Biologie, whatever erklärbar. Andere Faktoren, etwa Schicksal oder Fügung belächelt er.
Ich denke, dass ihm dies sein Leben erleichtert. er sieht alles kontrollierbar, die Natur als Sklavin der Wissenschaft. Das gibt ihm das gefühl der Sicherheit, denn er hat einfach das Bedürfnis, über allem zu stehen. Er ist unglaublich egozentrisch, obwohl er gleichzeitig weiß, dass er nicht das Zentrum von allem ist. Einer der vielen Lügen, auf die er sein leben lang hereingefallen ist, bis zu einer Stelle kurz vor seinem Tod.
Ich denke, er denkt so bemüht logisch und kausal (meiner Meinung nach fast unmenschlich), weil er Angst hat, sich auf Dinge einzulassen, die er nicht versteht, wobei er das Verstehen fast mit „Kontrollieren“ gleichsetzt.
Nun, wenn man einen Blick auf die Zeit wirft, in der Walter Faber lebt, so ist seine Weltanschauung durchaus nachzuvollziehen. Die ersten 50 Jahre des 20. jahrhunderts (wie auch die zweiten 50 Jahre, aber die sind hier ja irrelevant) brachten viele Revolutionen hervor. Eine Erfindung jagte die nächste, selbst jüngste erfindungen wurden durch immer neue Dinge übertrumpft. Das Fernsehen, das Radio, die Verbreitung von Autos – all diese Dinge wurden in vergleichweise kürzester Zeit erfunden. Der elektrische Strom revolutionierte die Technik und so auch den Geist der Menschen. Doch nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die allgemeinen Kentnisse über das Unsiersum etc. potenzierten sich. und so fühlten sich die Menschen als Herrscher über allem. Es schien, als habe man bald den ewigen Traun der Menschheit erfüllt – die Allmächtigkeit. Und so blieb in dieser Zeit kein Platz für „unbekannte Faktoren“, so dass diese einfach ignoriert wurden (und noch heute werden, obwohl sie durchaus wissenschaftlich anzugehen wären). Und Walter Faber ist ein Kind dieser zeit und spiegelt den Zeitgeist in extremer Form wider. Einerseits, weil ihm diese Vorstellungen gefallen (oder ihm die anderen nicht gefallen), andererseits natürlich auch wegen seines Berufs. Er glaubt nur an das, was er sieht, fühlt oder erlebt – alles andere ignoriert er. Er glaubt alles zu wissen und alles kontrollieren zu können, bis ihm dieser Hochmut zum Verhängnis wird und er schlagartig lernt, dass als das Unsinn ist. Doch dafür muss er den Tod seiner eigenen Tochter als Preis zahlen.
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Der Widerspruch im Charakter Fabers anhand der Notlandung:
Es gibt die Weisheit, der Mensch zeige nur in Extremsituationen seinen wahren Charakter – auf nichts passt dieser Spruch wohl besser, als auf Walter Faber. Es wird exakt der Widerspruch im Charakter Walter Fabers dargestellt. Einerseits sein Bemühen, alles emotionslos und klar zu sehen und andererseits das wirkliche Verhalten.
(„Und ich wußte, es wird keine Piste kommen, trotzdem presste ich das Gesicht ans Fenster[...] Im letzten Augenblick verlor ich die Nerven.“)
Dort kommt seine plump übernalte aber immer im Verborgenen vorhandene Eigenschaft durch – die Menschlichkeit. Der Mensch ist nunmal keine Maschine, die alles nur analysiert und dementsprechend reagiert und auch kein Walter Faber kann sich davon befreien.
Gefühle verleiten den Menschen oft zu verkehrten Entscheidungen, somit ist der Mensch unökonomischer als ein Tier, welches eher konsequent und logisch (berrechenbar) handelt.
Die Gefühle sind der Preis für den Verstand; von der Natur entwickelt, um den Menschen trotz seines Wissens und Verstands kontrollieren zu können. Auch ein Walter Faber ist nur ein „Sklave“ seiner gefühle – auch wenn er sich anderes einbildet. Doch wiegesagt, in Extremsituationen scheint der wahre Charakter durch. So auch bei Walter Faber, der ebenfalls Ängste hat, ebenfalls hofft.
Normalerweise verdrängt er die Angst. Schaut man sich folgendes Zitat an, so wird das deutlich: „Minutenlang flog man vollkommen ruhig, dann wieder ein Stoß, so daß die Tragflächen wippten, und wieder ein Schlenkern, bis die Maschine sich fing und stieg, als wäre es für immer in Ordnung, und wieder sackte – wie üblich bei Böen.“
in dem Moment, in dem Walter Faber eine naturgesetzliche Erklärung/Begründung für Beunruhigendes etc. findet, ist seine Angst überwunden. Er verdrängt die menschlichen Gefühle, durch den irrglauben, alles zu verstehen. So glaubt er, in Sicherheit zu sein, obwohl das ja Unsinn ist.
Er meint, eine andere (höhere) geistige Ebene erreicht zu haben und so passt sein wirkliches Verhalten nicht in das Bild.
Doch er hat nicht etwa daraus (aus den Gefühlen, die immer wieder durchkommen) gelernt, denn die Art, in der er den Absturz beschreibt, ist immer noch kalt und sachlich; als sei er nicht selbst migeflogen, sondern schreibe lediglich einen Bericht als Außenstehender darüber.
Soweit ist er schon abgestumpft, Angst ist er unfähig als solche zu empfinden, aber auch über die gefühle für seine lebensgefährtin Ivy ist er sich nicht im Klaren. Er liebt sie nicht und ist eher aus Bequemlichkeit (nicht nur im konkreten Sinn!) mit ihr zusammen.
Seit Hannah ist er unfähig, gefühle wirklich zu empfinden – vielleicht ist das eine Art Schutzfunktion seines Körpers, da er damals sehr enttäuscht wurde und möglicherweise nur so damit klar kam. Ob eine bewusst oder unbewusste Entscheidung, die Gefühle zu ignoreiren ist hier irrelevant.
Jedenfals war es Sabeth, die ihn davon befreite – die Tochter seiner einzigen (wahren) Liebe.
Ich denke, Walter Faber hat eine regelrechte Angsstörung, denn er ist unfähig Angst wirklich zu empfinden, nur noch als statisches Gerüst; wie ein Schatten. Die Szene des Absturzes macht das sehr deutlich.
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Fabers Verhältnis zur Natur:
Insgesamt hat Walter Faber ein sehr gestörtes Verhältnis zur Natur. Die Natur ist eigentlich unberrechenbar und so sieht er die Technik als Möglichkeit, die Natur zu kontrollieren. Die Stellen aber, an denen er der Natur ausgeliefert ist, breiten ihm größtes Unbehagen – zum Beispiel die Djungelszene. Natürliche Begebenheiten findet er widerlich; in Allem sieht er nur Schlechtes. Der Jeep ist dort für ihn der Rettungsanker zu seinem Leben; ein Stückchen Technik inmitten der Natur. Wie ein Floß auf dem Ozean. Doch auch dieses Verhältnis ändert sich in seinem urlaub auf der sonnigen Insel. Plötzlich genießt er die Natur, das klare Gewitter, den prasselnden Regen etc.
Die wohl entscheidende Frage ist, woher seine Abneigung gegen die Natur kommt. Einerseits sicherlich, weil er als Techniker die Natur „zum feind“ hat. Er baut Maschinen, um die Natur einzudämmen, zu kontrollieren. Aber es steckt meiner Meinung nach noch mehr dahinter:
Walter Faber fühlt sich auf einer höheren menschlichen Ebene. Er sieht sich als pefekt funktionierende Maschiene – konsequent, sachlich, objektiv. Vor allem aber sagt er sich von einer entscheidenden Beeinflussung frei – die der Natur.
Denn eigentlich ist der Mensch mit seinem Willen frei. Er handelt nicht wie ein Tier, ohne zu denken, also nur nach Instinkten, sondern ist eigentlich dazu imstande, ein ganz unabhängiges Leben zu führen.
Eigentlich, denn damit erfüllte er nicht mehr den einzigen Sinn seiner natürlichen biologischen Existenz – der Fortpflanzung zur Arterhaltung.
Also hat die Natur in einer Wechselwirkung mit dem Verstand eine Art Kontrollsystem entwickelt – die Gefühle. Liebe, Hass, Freude, Furcht – all diese Gefühle beeinflussen jeden Menschen.
und die Gefühle sind die entscheidende Instanz, die unser Handeln, Denken und Reagieren beeinflusst. Als Beweis könnte man die kitschige „Liebe-besiegt-den-Verstand“-Situation anbringen; es gibt aber genug andere Beispiele, auch aus dem Buch.
Man denke etwa an die Assoziationen Fabers in der Wüste oder an die Hoffnung, es möge trotz Notlandung eine Piste auftauchen, aber auch Höhenangst ist das Gleiche. Denn an all diesen Stellen entsteht ein geistiges Paradoxon – der Verstand weiß, dass eine Angst (Höhenagst) oder eine Hoffnung (die Langebahn möge kommen) unbegründet ist, und dennoch gibt es sie. Im direkten konflikt siegt das Gefühl. So auch bei Walter Faber. Für ihn ist das das Schlimmste.
Die Natur steht im Buch stellvertretend für Gefühle, die ebenfalls natürlich sind und so verabscheut Faber diese. Gleichzeitig hat er Angst davor. Sein ganzes Wahrnehmungsbild wird dadurch verändert. Also passiert letztendlich doch genau das, was er nicht will –
Gefühle verändern sein Urteilsvermögen.
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Kurzcharakterisierung Sabeth´s:
Sabeth ist 20 Jahre alt und die Tochter von Walter Faber und Hanna. Sie ist sehr wissbegierig und interessiert; insbesondere auf dem Gebiert der Kunst und der Geschichte. Teilweise ist sie ziemlich naiv und verträumt, während sie in anderen Dingen druchaus erwachsen denkt. Sie lebt in den Tag hinein und spontan. Sie hat nur ungefähre Vorstellungen, wie ihre Zukunft aussehen soll und lässt alles zunächst auf sich zukommen.
Sie ist prinzipiell eher verschlossen und zurückhaltend, doch wenn sie mit jemandem auf einer Wellenlänge ist, öffnet sie sich. Sie genießt es dann, Dinge von sich preiszugeben und andere Menschen an ihren träumen und Gedanken teilhaben zu lassen. in gewisser Weise muss man als ihr gegenüber nur den Schlüssel zu ihrem Herz/Geist finden, um mit ihr über die intimsten Dinge philosophieren zu können.
Sie ist außerdem intelligent; daher auch ihr großes Interesse und Verlangen nach immer neuem Wissen, welches sie begierig aufsaugt; wie ein Schwamm.
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Reisebericht auf der Sicht Sabeth´s:
Er war mir schon am ersten Abend aufgefallen - ein älterer Herr, adrett gekleidet, höflich, aber interessant. Ich dachte erst, wir hätten bereits früher Bekanntschaft gemacht; irgendwie schien es mir als kenne ich ihn, und auch er schien sich an mich zu erinnern – das sah ich an der Art, wie er mich unbewusst anstarrte und musterte. Ich sprach ihn nicht an – er sagte ebenfalls nichts.
Später lernten wir uns kennen. Doch auch dann bleib das Thema unberührt, obschon ich immer das gefühl hatte, dass es irgendwie zwischen uns stünde; auf einer anderen Ebene und so blieb es dann auch. Es war okay. ich wusste, dass er es auch spürte.
Anyway, in Paris trafen wir uns dann wieder und so war es – wenn auch nicht offen – klar, dass wir die Reise durch Frankreich, Italien bis nach Athen zusammenbeschreiten würden.
Faber war ein komischer Mensch. Er verstand nichts von Kunst, ogleich er sehr gebildet war. Ich glaube, er versteht nicht, warum man Kunst braucht. Er ist unfähig, Gefühle Anderer zu erfassen und Kunst ist oft genau das. Ich versuchte ihm die Wichtigkeit der Ästhetik zu zeigen – vergeblich. Später gab ich es auf.
Denn obschon er sich in vielen Dingen von mir unterschied, unterhielten wir uns oft auf einer ganz besonderen Ebene. Ich dachte, dies sei die oft angesprochene Liebe, da ich so etwas bei noch niemandem vorher gespürt hatte. Es war keine Liebe, das weiß ich jetzt, aber damals war ich nicht soweit und so verbrachten wir auch eine Nacht miteinander. Es war merkwürdig, ihm so nahe zu sein, denn oberflächlich waren wir noch immer auf dem Schiff; unser Verhältnis hatte sich eigentlich nicht geändert – abgesehen eben von jener unterschwelligen Ebene – Seelenverwandschaft vielleicht.
Es war wie ein Zwillingsbruder oder mehr noch, ein Abbild meiner selbst. So kommunizierten wir, wie ich bisher noch mit niemandem hatte sprechen können. Ich habe auch nach seinem Tod nie wieder jemanden getroffen, der ihm ähnlich war/ist. Hanna reagiert seltsam, wenn ich ihr davon erzähle, sagt mir aber trotz allem Drängen nichts.
Es ist mir jetzt eigentlich auch egal; was für mich zählt, ist, dass ich mich auf dieser reise selbst gefunden habe. Ich bin erwachsen geworden und dieser ominäse Walter Faber war der Schlüssel dazu. Er war mir so nahe wie kein anderer Mensch – von Anfang an.
Es war nicht nötig unser oberflächliches verhätnis zu verteifen, denn wir trafen uns auf einer anderen Ebene – wie waren seelich verbunden. Er kam so schnell in mein Leben, wie ihn der Tod mir wieder entriss und blieb/belibt doch für immer – in jedem Teil meiner Persönlichkeit, die er mir zu entfalten half. Es war keine gewöhnliche Liebe - es war viel mehr.