29.01.2004
Ich weiß nicht, was mit mir heute los ist.
Nun, vielleicht weiß ich es doch. Es fühlt sich an, als ob ich gebrochen wäre. Nicht irgendwie nur schlecht drauf oder melancholisch oder depressiv oder soetwas ähnliches, sondern wirklich gebrochen, zersplittert.

Egal, was auch immer los mit mir sein mag, es schmerzt so. So unendlich.

Ich bin niemand besonderes, jeder Mensch besitzt etwas, das ihn besonders macht. Jeder Mensch, alle, außer mir.

Ich dachte immer, ich sei ziemlich intelligent, doch ist das alles Blödsinn, allein unter meinen Freunden verstehen alle etwas immer ein bisschen schneller als ich. Können etwas ein bisschen besser als ich. Arbeiten ein wenig selbstständiger als ich.
Ich dachte immer, ich besäße einen ziemlich guten/interessanter Charakter. Aber das ist nicht wahr, ich bin nicht einmal sonderlich außergewöhnlich. Es gibt immer noch Menschen, die witziger sind als ich, oder melancholischer, tiefsinniger oder lockerer, offener oder einfach besser. Ich dachte immer, viele Menschen interessiert es, wer ich bin, wie ich bin. Doch im Prinzip bin ich ihnen egal, nicht einmal, weil sie mich nicht verstehen würden, wie ich es mir bissher einredete, nein, einfach, weil ich ihnen unangenehm bin, weil ich kein Mensch bin, der lebt, sondern wünscht zu leben.
Ich dachte immer, ich wäre wenigstens sportlich, körperlich beneidenswert gut und eisern zu mir slebst. Doch das stimmt nicht. Ich bin ein Schwächling, und nicht mal so labil, um als etwas außergewöhnliches zu gelten.
Heute beim Karate... Machtlosigkeit... Schmerz...
Ich trainiere und strenge mich an, aber es geht einfach nicht, ich besitze keinen Willen, keine Ausdauer, keine Härte zu mir selbst. Alle anderen sind stur, besitzen Motivation und überwinden sich, ich kann es nicht. Mein Körper, meine Muskeln verkrampfen sich, doch bewegen sie sich nicht, kann ich sie nicht zu bewegen, das zu tun, was ich will. Ich dachte immer, ich wäre etwas Besonderes, weil ich eisern wäre, doch das ist nicht war. Ich habe nichtmal eine gute Kondition, keinen Kampfgeist. Mir tut alles weh, mein Karateanzug ist voll Blut, und ich spüre die Wunde nicht, weil das Adrenalin in meinem Körper jegliche Schmerzempfindung lähmt, andere Menschen sind in diesem Zustand zu Höchstleistungen fähig, bei mir ist es mehr wie eine dumpfe Lähmung. Ständig stand ich zwischen Aufgeben, Liegenbleiben und einfach krampfhaft Losheulen, verstehst du, heulen.
Heulen, weil ich nicht mehr kann, und doch stehe ich wieder auf, um noch mehr Schmerz entgegenzunehmen. Und alle sehen mich an, hart, kalt, für sie ist es unverständlich, das ich vor dem Zusammenbruch stehe.

Dann denke ich, wenigstens besitze ich noch meine Melancholie, mei Empfinden für die Schönheit der Sprache und Philosophie, doch bin ich nichts als ein billiger Abklatsch, weiß nur Schmerz von mir zu geben, Schmerz über mein eigenes Versagen, und nicht einmal das ist besonders.

Ich sehe dich, und du bist ein Mensch, mit dem ich über alles reden kann. Einer nur von wenigen, die das behaupten können. Ich dachte es macht mich zu etwas Besonderem, solch eine tiefe Verbundenheit für jemanden zu empfinden. Doch nicht einmal das ist besonders, ich bilde mir nur ein, das es etwas besonderes sei. In Wahrheit schreibe ich dir, weil ich diese Besonderheit sehen will, doch dir ist es herzlichst egal, nein nicht egal, du besitzt Mitleid, vielleicht sogar Mitleid mit meinem Schmerz.
Fürwahr, du wärest ein Mensch, bei dem ich mir vorstellen könnte, ihn irgendwann einmal vielleicht zu lieben. Doch nur, weil ich mir einrede, dass du mich in die Arme nimmst, wenn ich weine.
Weil ich glaube, dass du meine Welt ungeschehen machen kannst, weil ich glaube, etwas besonderes zu sein, wenn du mich lieben würdest.
Ich heule, die Tränen hören nicht mehr auf.
Wie könnten sie? Ich habe alles verloren, was mir so wichtig war, weil es mich zu etwas Besonderem macht, doch nun sehe ich, dass ich es nie besessen habe. Bin aufgewacht aus der Illusion, die mein Leben verschönern sollte.
Und nicht einmal das ist etwas Besonderes, es ist sogar das älteste der Welt, etwas, dass alle Menschen schon erleben, dass alles, was für sie das Leben ausmacht, eigentlich nur auf der Lüge der Wertschätzung passiert, das heißt, dass ich mir vorlüge, dass das, was ich besitze, wertvoll ist, um nicht einsehen zu müssen, wie umsonst eigentlich alles ist.

Ich weiß, du wirst nicht verstehen, was ich dir nun schreibe, aber das macht auch nichts.
Du bist ein lieber Mensch, und irgendwann später werde ich das hier geschriebene wieder als Nichtigkeit abtun, als vorüberziehende Melancholie oder als ein Depressivum, um mir wieder eine neue Lüge aufzubauen, der ich wieder Wertigkeit für mein Leben zustecken kann.

Vielleicht ist es auch gut so, meine Tränen werden wieder trocknen in der sanften Wonne der Zeit. Und irgendwann werde ich etwas besitzen, das mir lange erhalten bleibt, und mir die unendliche Wertigkeit dessen Besitzes wieder vorlügen zu können udn alles vorhergehende als Nichtigkeit abtuen kann. Jeder Schmerz wird ausklingen in der seligen Wonne dieses Gedanken, dieser Lüge, und das ist es dann, was Menschen ein "glückliches" Leben nennen.

Glücklich sind die Unwissenden. Glücklich sind die wissendlichen Ignoranten. Glücklich sind die Außergewöhnlichen, traurig nur der einzige normale Mensch, der Nichtige.