Das Ölgemälde an der Wand war alt und die Farben im Laufe der Zeit nachgedunkelt, doch die Frau auf dem Bild schien erschien dennoch real.
Hätte sie plötzlich die Augen bewegt, es hätte Dekard kaum gewundert.
Tarn Y´said fuhr mit seinen Fingern beinahe zärtlich über das Bild.
"Und dann, meine Geliebte, wird es vollendet."
Er machte sich am Rand des Bildes zu schaffen und obwohl es scheinbar auf den Stein gemalt war, schwang es zur Seite hin weg.
Dahinter war, in einer kleinen Nische, eine schmucklose, beinahe armseelig wirkende Urne.
"Dass diese Idioten es einem aber auch immer so leicht machen!", lachte Tarn über seinen eigenen Scherz.
Er griff nach der Urne als ihn plötzlich ein Energiestrahl traf und ihn zurückzucken ließ.
"Ihr dachtet, mit euren primitiven Fallen könntet ihr mich aufhalten? Hah!"
Das schwarze Leder seines Handschuhes rauchte und der üble Geruch drang auch in Dekards Nase.
Der war immer noch hinter seinem Vorsprung und beobachtete genau jede Bewegung seines Feindes.
Er griff in das innere seiner grünen Robe und holte ein kleines Fläschchen heraus. Nachdem er seine Handschuhe ausgezogen hatte, rieb er seine Hände damit ein.
Dann griff er wieder, diesmal unbehelligt, nach der Urne.
Als er sie sorgsam aus der Nische hob, glaubte Dekard ein Seufzen zu hören.
Bevor Dekard noch die Möglichkeit hatte, zu reagieren, war Tarn Y´said mit seiner Beute verschwunden.
Dekard zögerte noch etwas, dann wagte er sich aus seinem Versteck.
Als er sich überzeugt hatte, dass er tatsächlich alleine war, ging er nach draußen und holte seine Kameraden.
Sie wollten sich selbst von dem überzeugen, was Dekard ihnen erzählt hatte, desshalb führte er sie in die Gruft.
Kane sah sich das Gemälde an.
Aroa untersuchte die Nische, obwohl Dekard sie vor der Faööe warnte. Doch ihr geschah nichts.
"Es ist seltsam...", ließ sich plötzlich Kane vernehmen.
"Was meinst du? Das Bild?", wollte Jerril wissen.
"Nicht das Bild selbst. Das, was es darstellt. Sieh es dir genau an. Besonders du, Deria!"
Diese kam zögernd näher.
Eine Weile starrte sie das Bild teilnahmslos an.
Dann, als sie entdeckt hatte, was Kane ihr zeigen wollte, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.
Die Frau auf dem Bild trotzte den Feuerbällen, die die Magier auf sie warfen als wären sie nichts.
Die Magier selbst, in Roben verschiedener Farben, konzentrierten sich ihrerseits voll auf das Produzieren ihrer magischen Geschoße.
Da und dort hatte Holz, das um die Frau herum aufgetürmt war Feuer gefangen.
Sonst schien sich nichts auf dem Bild zu befinden.
Doch abseits, am Rande des Kreises der Magier, war eine junge Frau zu sehen, die mit einem erhobenen Messer auf einen der Magier zustürmte, der ihr ahnungslos den Rücken zuwandte.
Und diese Frau, so musste Deria feststellen, sah aus wie sie selbst.
Kane sah ratlos zu Deria und dann zu Dekard und Aroa, die nun ebenfalls dieses erschütternde Detail bemerkt hatten.
"Was soll das? Was..", stammelte Deria hysterisch.
Dekard nahm seine Schwester schützend in den Arm.
"Eine zufällige Ähnlichkeit wahrscheinlich. Was sonst?", versuchte er sie zu beruhigen.
Doch so leicht ging das nicht.
"Dieses Wesen, Tarn, hat doch auch gesagt, ich soll die Seite wählen, auf der stehe. Und ihr anderen seid ohnehin schon verloren."
Sie schluchztemehr, als sie es sagte, doch ließ sie es zu, dass ihr Bruder ihr sanft über den Kopf strich.
"Er wollte dich nur verwirren, nicht mehr."
Dann begegnete er dem Blick seiner Frau und erschrak.
Aroa schüttelte langsam den Kopf.
"Deria, wir müssen reden. Aber nicht hier."
Deria hatte keine Energie zu widersprechen.
Beritwillig folgte sie ihrer Schwägerin wieder nach draußen, wo sie unter einem Baum Platz nahmen.
Dann begann Aroa mit ihrer Erklärung.

Kildis und seine Frau waren überglücklich, als ihr Sohn geboren wurde. Ein Stammhalter war alles, was sich das Paar gewunschen hatte. und als dann, nur wenige Monate nach Dekards Geburt Feria schon wieder guter Hoffnung war, kannte das Glück des jungen Herrscherpaares keine Grenzen.
Feria brachte ein Mädchen zur Welt, zart und zerbrechlich, viel zu früh. Und Feria verlor Blut, mehr Blut, als es eine schlanke Frau, wie sie es war, verkraften konnte. Als das Mädchen wenige Tage nach seiner Geburt starb, fürchtete Kildis immer noch um das Leben seiner Frau. So sehr er sich noch ein Kind von seiner Frau wünschte, er wollte seine Gattin nie wieder in eine solche Gefahr bringen und gab seinen Wunsch nach weiteren Kindern auf.
Nicht jedoch Feria.
Sie wollte noch ein Kind, um jeden Preis.
Also besprach sie sie sich mit den Damen am Hof und fand eine, die gegen genügend Geld bereit war, für ihre Herrin das Kind auzutragen. Gemeinsam mit ihr arrangierte sie einen Kostümball, zu fortgeschrittener Stunde zog sich das Herrscherpaar zurück, doch es war nicht Feria, mit der Kildis das Bett teilte.
Und die Täuschung Ferias ging weiter.
Sie spielte dem besorgtem Kildis tatsächlich eine Schwangerschaft vor, und als die neun Monate umwaren und die Hofdame ihr Kind zur Welt brachte, nahm es Feria ansich und Kildis war stolz auf seine gesunde, kräftige Tochter, die so sehr nach ihm kam.
Und Feria, die das Mädchen liebte, als wäre es ihr eigenes Kind, zog sie mit der selben Liebe auf, die sie auch ihrem Sohn entgegenbrachte. Nie wurde ein Wort darüber verloren.
Doch Aroas Mutter war die Hebamme gewesen, die bei Derias Geburt dabeigewesen war und die sie ihrer neuen "Mutter" gebracht hatte.
Und die hatte Aroa die Geschichte erzählt, nachdem Feria gestorben war und keiner am Hof um das Geheimnis wusste.
Und wenn Aroa ihrer Mutter glauben durfte, dann glich das Mädchen Deria im Laufe der Jahre immer mehr ihrer leiblichen Mutter, die die Stadt Kildis wenige Tage nach der Geburt für immer verlassen hatte.

Als Aroa ihre Ausführungen beendet hatte, sah Deria starr auf ihre Fußspitzen. Keiner konnte erraten, was nun in ihrem Kopf vorging.