Kapitel.11 Vergissmeinnicht oder „Spiegeltrauma“

„Es ist schon nach 8.00. Ich sollte aufstehen“. Shinji richtete seinen Oberkörper benommen in die Höhe und sah sich in dem, durch das Morgenlicht erhellte Zimmer, um. Vor seinem Schoß weilte Asuka die zufrieden ihren Kopf auf seine Beine gelegt hatte. Sein Blick wanderte durch das Zimmer. Er konnte Rei nicht finden. Wahrscheinlich war sie wiedereinmal unterwegs. Wohin? Das hatte Shinji noch nie interessiert. Er hatte es einfach so hingenommen wie es schon immer gewesen war. Shinji bewegte seinen rechten Arm. Er bemerkte das der lange Schlauch einer Infusion an ihm feststeckte. Seiner Lunge schien es schon viel besser zu gehen, bis jetzt hatte der Junge anscheinend einen recht ruhigen Schlaf verbracht. Schweigend blickte er auf Soryu, die leise vor sich hin stöhnte und mit ihren Tränen seine Bettdecke bewässerte. Seine Hände waren kreidebleich. Das war aber schon immer so gewesen und er machte sich nichts daraus. Es klopfte leise an der Tür. Die Krankenschwester betrat den Raum und reichte ihm seine täglichen Medikamente. „Du musst wissen, das du wirklich ausgesprochen nette Freunde hast!“ sprach sie freundlich auf den Jungen ein. „Dieses Mädchen hat die ganze Nacht neben deinem Bett geweilt, vielleicht solltest du ihr einestages dafür danken?“. Shinji nickte und brachte ein halbherziges Lächeln über sein Gesicht. Als die Schwester wieder gegangen war dachte der Junge über einiges nach. Vielleicht hatte er sein ganzes Leben in einer Art Scheinwelt verbracht oder viel ihm erst jetzt auf was für gute Freunde er eigentlich besaß? Er hatte sich stets von den anderen abgekapselt um nicht verletzt zu werden. Dabei hatte er sich innerlich zurückgezogen und sogar noch mehr verletzt. Sein ganzes kaputtes Leben war durch einen falschen Eindruck entstanden. Aber hier war nun Schluss! Er konnte ganz neu anfangen wenn er wollte. Mit Rei oder Asuka glücklich werden und eine Zukunft aufbauen. Endlich etwas erreichen und Wert sein. Shinji ließ seinen Kopf wieder nach hinten sinken. Für ein paar Stunden konnte er noch ausruhen. Asuka murmelte schlafend einige Worte vor sich hin. Shinji beugte sich nach vorne um sie besser zu verstehen. „Mmm...Shinji...ich will ein Kind von dir... und gib mir einen Kuss...“. Sein Gesicht errötete sich wieder einmal. Konnte Soryu an nichts anderes mehr denken? Und warum wollte sie unbedingt ein Kind? Shinji schüttelte sich verwirrt. Ein weiteres Mal öffnete sich die Zimmertüre. Dieses mal war es Rei Ayanami die den Raum betrat. „Rei!“ Shinji setzte sich erfreut in seinem Bett auf. „Endlich weiß ich wie ich mein Leben gestalten werde! Es ist unsere Zukunft! Du wirst mit einbezogen sein!“ rief der Junge strahlend aus. Seine Freundin sah Anteilnahmelos an ihm vorbei. Shinji stockte verwirrt. Ohne ein weiteres Wort warf sie ihn seinem EVA.01 Kampfanzug auf die Bettkante und kehrte ihm anschließend den Rücken zu. Shinji riss entsetzt seine beiden Augen auf. Er konnte ihn wieder riechen, diesen Duft nach Blut. „Du wirst wieder kämpfen müssen! Zieh dich um und komm mit!“ erklärte Rei kurz angebunden. Shinji war im ersten Moment wie gelähmt. „Ich...NEIN!“ rief er aufgebracht aus. „Hast du eine andere Wahl? Erinnere dich Shinji. Hattest du jemals freie Entscheidungen zu treffen? Wir Leben um die EVA´s zu steuern. Wir beschützen unsere Mitmenschen da draußen!“ gab sie ernst zu verstehen. Seine Hände verkrampften sich. Wütend riss sich Shinji die Infusion vom Arm und stieß dabei den Nachtisch seines Krankenzimmers um. „Ich will das nicht mehr tun... ich muss wieder töten...warum Rei?“ schluchzte der Junge bitter. „Wir müssen es tun Shinji! Auch Soryu! Alle anderen Children trifft das selbe Schicksal. Gerade bei dir sollte man eine Ausnahme machen? Das ist Egoistisch von dir!“ erwiderte sie kühl. „NEIN! ICH WILL NICHT!“ schrie der Junge von Sinnen und strampelte wie wild in seinem Bett. Rei schüttelte traurig den Kopf. Dann ging sie mit schnellen Schritten auf ihn zu und gab ihm eine heftige Ohrfeige ins Gesicht. „Hast du dich genug ausgetobt? Dann können wir ja gehen!“ Shinji wimmerte getroffen vor sich hin. Die Zukunft die er sich nun so sehr wünschte zerfloss vor seinen Augen wie Wasser. Alle seine Träume zerstört. War dies nicht viel egoistischer? Schweigend erhob er sich von seinem Bett und ging hinter die Umkleidekabine. Asuka die inzwischen aufgewacht war, konnte sich gar nicht erklären warum die beiden plötzlich kein Wort mehr miteinander sprachen. Als Shinji die Synapsen am Anzug betätigte konnte er es wieder fühlen. Diese Gelüste. Diese unendliche Gier nach dem Blut und der Zerstörung. Wie viele Sünden würde er noch begehen?

Neo Tokyo3, später Nachmittag um 16.00. Es herrschte reges Treiben in den unterirdischen Hallen des Militärs. Eine junge Frau gefolgt von drei Kindern bahnten sich den Weg durch heftiges Panzergeröll und Restorierungsarbeiten. Hinter einer gewaltigen Türe verstummte der Lärm. Misato Katsuragi verschloss sie mit ihrer ID-Karte von ihnen und wandte sich dann an die Children. „Rei...Asuka...Shinji..es ist lange her!“ fing die Sub Kommandantin freundschaftlich an. Sie wollte die Atmosphäre etwas auflockern. „Ja...du sagst es! Ich wollte dich eigentlich für den Rest meines Lebens meiden. Das hat sich wohl anders ergeben“ antwortete ihr Shinji finster. „Wir müssen sie nur töten was? Kleinigkeit für jemanden wie mich!“ ertönte Asukas Stimme in der weiten Halle. „Ich habe sie mitgebracht, wie versprochen Misato! Aber bevor ich mich in meinen EVA begebe, sage mir eines. Wirst du uns gehen lassen wenn dieser Krieg gewonnen ist? Wir wollen alle einen Neuanfang machen“ flüsterte Rei mit leiser Stimme. Misato blickte ernst in die Runde. „Es wird nie wieder so sein wie früher...“. „Das wissen wir!“ entgegnete Rei standhaft. „Und wir sind auch bereit unser Leben für diese Sache zu geben. Die Menschheit darf nicht untergehen. Dafür kämpfen wir!“. Asuka zwickte Shinji in die Elle. „Und danach verdrücken wir uns mal schnell hinter die Toiletten, nicht wahr?“. Der Junge verdrängte spezifische Gefühle und versuchte möglichst gelassen zu wirken. Diese blauen Handschuhe hatte er seit Jahren nicht mehr getragen. Sie brannten wie verrückt an den Fingern. „Gut! Diese Sache wäre also geregelt! Wisst ihr mit wem ihr es zu tun bekommt?“ erkundigte sich die Sub Kommandantin. Stillschweigen brach unter den Kindern aus. „Insgesamt sind es 3 Engel die ihr bekämpfen müsst! TELU, ESTER und MARDUKE. Alle sind einzigartig und verfügen über die unterschiedlichsten Tötungswaffen, achtet also gut auf mögliche Fallen“ warnte Misato vor. Rei stockte unschlüssig. „Sind das alle?“. Misato wandte sich von den Children ab. „Es gibt da noch jemanden, sozusagen von altem Eisen, aber immer noch Brandgefährlich!“. Shinji blickte getroffen zu Seite. „Du meinst Nagisa, nicht wahr?“ flüsterte der Junge mühsam. Asuka sah erschrocken auf. „Ja, du hast Recht, es ist Kaworu unserer damaliger fünfter Pilot“ schloss Misato mit geschlossenen Augen ab. „Schon gut. Das ist kein Problem für mich. Er wird es nicht mal merken wenn ich ihn vernichte!“ sprach Shinji mit zusammengebissenen Zähnen. „Das ist nicht so einfach!“ meinte Misato nachdenklich. „TABRIS verfügt seid seiner letzten Schande durch dich Shinji, über einen eigenen Evangelion. Des weiteren befürchte ich das er einige Artefakte, die zur völligen Optimierung der Menschheit nötig sind, in seinen Besitz gebracht hat, darunter auch der berüchtigte Speer des Loginus! Es wird schwer ihm die Stirn zu bieten“. Rei blickte ungläubig zu Misato. „Er hat den Speer des Loginus? Die einzige Waffe die durch das AT-Feld der Engel und EVA´s geworfen werden kann? Fraglich ob sich dieser Speer mit einem Engel identifizieren würde“. Shinji blickte zu Soryu die ihn Siegessicher anlächelte. „Wir schaffen es!“ rief sie triumphierend aus. „Ja...“ antwortete er ihr verlegen. „Wir schaffen es!“. Die Sub Kommandantin hatte inzwischen eine geologische Karte auf einem ihrer PC´s zum Vorschein gebracht und erläuterte den Children nun ihre Stellungspositionen. „Vom Norden Yokohamas her, stößt TELU auf uns zu. Rei, du übernimmst ihn! Aus dem Westen Kiotos wird ESTER erscheinen. Er gehört dir Asuka! Südlich von Tokyo3 nimmt MARDUKE kurs auf uns. Du wirst ihn vernichten Shinji! Das wäre zunächst alles. Über TABRIS habe ich keine Daten. Ihr müsst einfach die Augen offen halten. Ich wünsche euch noch alles gute für den Kampf!“ beendete Misato die Besprechung. Die Kinder reichten sich noch einmal gegenseitig die Hand und stürmten dann auf ihre Kampfroboter zu. „Ach und Shinji!“ rief sie ihm noch hinterher. Der Junge blieb stehen und wandte sich aufmerksam um. „Sei nicht nett zu deinen Gegnern! Ein EVA-Pilot darf keine Gefühle zeigen!“. Das Third Children nickte stumm und begab sich in die Luke der Zugangskapsel. Durch einen Knopfdruck verriegelte Misato die Kapseln und begann mit dem Synchronisieren. „Jetzt könnte ich dich gut gebrauchen Ritsuko...“ murmelte sie leise.

Dunkelheit und der Geruch nach verwestem Fleisch umfingen ihn als Shinji dort in seinem EVA saß. Wie lange war es her seit er das letzte Mal Hand an diese Maschine gelegt hatte? Durch ihn wurde EVA.01 eine Tötungswaffe. Viele Menschen starben durch sein falsches Handeln. Auch wenn es sich nur um Augenblicke gehandelt hatte, keinem Ort sah Shinji mit soviel Abscheu entgegen wie diesem hier. Zu viele Erinnerungen an ihn und seine Eltern hausten hier. Eine Funknachricht von Misato erschien auf dem Display. Sie begannen nun mit der Einspeisung des LCL. Shinji zog mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Augen zusammen. Es brannte furchtbar zwischen den Pupillen. Von dem Geruch nach Blut wurde ihm schlecht. Die gelbe Flüssigkeit drang ihm in die Nase. Er musste atmen. Nach einer Weile ließen die Koordinationsprobleme nach, er konnte wieder klar sehen. Mit seiner rechten Hand schaltete er die Bild- und Tonverbindungen zu EVA.00 und EVA0.2 frei. Sofort war Asuka in der Leitung. Ihr Gesicht blickte zornig über den Bildschirm. „Wieso hat das so lange gedauert? Ich dachte schon du wärst zusammengebrochen ehe der Kampf überhaupt angefangen hätte!“ Shinji lächelte sie an. „Ich habe etwas länger mit dem Synchronisieren gebraucht als ihr beide. Es ist alles in Ordnung!“. Sofort änderten sich ihre Gesichtszüge. „Macht ja nix Shinji... ich bin immer für dich da, ok?“ flüsterte ihm Soryu liebevoll zu. Rei erschien ebenfalls in der Leitung. „Gleich starten wir! Geht es dir auch wirklich gut Shinji...? Ich mache mir etwas Sorgen um dich“ meinte Rei nachdenklich. „Ich sagte schon, es ist alles im grünen Bereich bei mir! Kein Grund zur Besorgnis!“ winkte er verächtlich ab. Dann beendete er das Gespräch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Sauerstoffblasen bahnten sich ihren Weg nach oben und zerplatzten dort. Seine Gedanken kreisten im Moment um seinen Vater, Gendo Ikari. Schon immer hatte man ihn als kaltherzige, verantwortungslose und überhebliche Person beschrieben. Ihr Verhältnis war nie das beste gewesen. Bei Gesprächen überschritten sie nie die fünf Minuten Grenze. Seltsam. Für Shinji wurde es langsam kalt in seinem EVA. Er fror. Warum hatte man gerade ihn Ausgewählt um der Beschützer der Welt zu sein? Im Grunde wusste er warum, aber das wollte er nicht wahrhaben. Nun ging es um seine Zukunft. Shinji lächelte kalt. Das war ein Egoistischer Gedanke. Es ging um die Zukunft aller Menschen, nicht nur um seine. Der Boden unter seinen Füßen begann zu ruckeln. Die Abschussrampen machten sich fertig. Es schien schon irgendwie seltsam, das die EVA´s diese Jahrtausende ohne schwerwiegendere Schäden überwunden hatten. Hinterher musste er Misato unbedingt fragen wie man sie so lange aufbewahrt hatte. Ein gewaltiger Stoß beförderte sein Kinn senkrecht nach oben. Sein Hals fühlte sich steif an. Die Abschussrampen waren dabei ihre Pflicht zu tun. Ein gewaltiger Druck presste seinen Körper zusammen. Dann, wie bei einem Höhenunterschied oder Luftdruck, dehnte sich sein Körper wieder aus.

Als er wieder freie Sicht bekam, bemerkte Shinji das er durch die Luft gestoßen wurde. Der Boden unter seinen Augen erschien so mickrig. Schnell gewann er aber wieder an Gewalt, denn der Luftdruck verschaffte EVA01 einen harten Aufprall auf dem Boden. Staubige Luft wurde vor seinen Augen aufgewirbelt. Shinji hielt sich reflexartig die Hände vor das Gesicht und hustete, obwohl ihn die Kelle gar nicht reizte. EVA schien wieder eins mit ihm geworden zu sein. Er konnte gehen, rennen und auch töten. Seine schnelle Reaktionsrate war für ein Child nicht ungewöhnlich. Er war dazu geboren diese Monster zu steuern und obwohl es ihm nicht gefiel musste er seine Arbeit erledigen. „Was ist eigentlich Freiheit? Hatte ich so etwas überhaupt schon einmal? Vielleicht wäre mein ganzes Leben anders verlaufen, wenn man mir nur mehr Spielraum gegeben hätte!“. Shinjis Gedankenströme fluteten das LCL in seinem Blut. Seine Hände zitterten. Dieser Drang alles Lebende zu vernichten kam erneut in ihm herauf. Reis sanfte Gesichtszüge erschienen auf seinem Display. „Du hast die Verbindungen getrennt. Ich hätte dir helfen können...“ beharrte das junge Mädchen besorgt. Shinji blickte getroffen zur Seite. So sollte sie ihn nicht sehen. Schwach, ängstlich und zerbrechlich. „Mit mir ist alles in Ordnung, nun geh endlich auf deinen Posten, sonst verpasst du deinen Gegner noch!“ meinte der Junge mit ernstem Gesicht. Er wollte sich nichts anmerken lassen, aber sein Körper war äußerst nervös. Sein Atem hatte sich mit dem von EVA01 angepasst, es drückte ihm trotz allem wie ein riesiger Betonklotz auf seinen Lungenflügeln. Mit einer raschen Handbewegung schaltet er das Radar auf Automatische Zielerfassung und späte erwartungsvoll in die Ferne. Die Sonne begann gerade unter den Firmament der Berge zu verschwinden. Ihre letzten Strahlen ließen die Gegend rund um Neo Tokio noch einmal verdächtig aufblitzen. Es schien jedoch alles ruhig zu sein. Shinji nutzte die überflüssige Zeit zum nachdenken. Des öfteren blickte er auf seine digitale Armbanduhr. Schon halb sieben. Asuka schaltete sich in seinen Kanal dazwischen. „Langsam frag ich mich ob sie überhaupt noch kommen...“ murmelte sie irritiert. „Vielleicht war alles nur ein Schwindel? Wahrscheinlich wollten sie testen ob wir wirklich mitmachen würden“. Shinji schüttelte abwehrend seinen Kopf. „Es muss schon stimmen, sonst hätte die Regierung es nicht riskiert die EVA´s wieder zu reaktivieren. Warten wir noch!“ teilte er seinen Freundinnen mit. Rei nickte schweigsam und schaltete sich wieder auf den Stand-by Modus. Asuka tat das gleich, jedoch unter nörgeln. Sie wollte endlich wieder Aktion erleben. Shinji brachte ein gezwungenes Lächeln zustande. Asuka besaß schon immer einen sehr ausgeprägten Charakter der sich besonders im Kampf schon des öfteren als nützlich erwiesen hatte. Eine Nachricht erschien auf dem Display. Der Computer hatte Probleme sie in eine für die Menschen verständliche Sprache umzusetzen. Der Junge grübelte eine Weile, dabei bemerkte er den stetig anwachsenden Schatten im Norden. Der Junge wurde stutzig. Plötzlich spiegelte sich ein grelles Licht in seinem Visier, und sein EVA fuhr reflexartig zurück. Keinen Moment zu früh, denn von oben ergoss sich so eben ein Hagel von Prog Messern über ihn. Hektisch sprang der Junge einige Schritte zurück und hielt sich ängstlich die Hände vor das Gesicht. Ein dünner Strich schoss über seinen Kopf hinweg, landete einige Meter vor ihm und nahm die Gestalt eines mächtigen Engels an. Shinji stockte der Atem. Ihm kam es vor wie eine Ewigkeit und die Sekunden verstrichen für ihn wie Stunden. Seltsam das sich auch der Engel nicht mehr von der Stelle bewegte. „Er wartet, aber auf was?“ murmelte der Junge unruhig. „Er will meine Reaktion beobachten, ist es das? Engel sind lernfähig. Diese Informationen haben wir schon seit dem Third Impact! Was mag er tun, wenn ich mich nicht bewege?“. Einige Minuten vergingen. Asuka und Rei schalteten sich fast gleichzeitig in den Kanal dazwischen. Er hatte Probleme alles aufzufassen was sie in ihrem hysterischem Ton von sich gaben. „Shinji! Vernichte ihn! Greif endlich an! Du musst ihm zuvorkommen!“ rief Asuka hektisch aus. „Nun mach schon!“ drängte auch Rei. „Wenn du ihn nicht zuerst angreifst wird er dich erbarmungslos töten!“. Ihre Stimme war fast dem weinen nahe. „Es tut mir Leid Rei...“ flüsterte der Junge bitter. Sowie er gesprochen hatte durchtrennte er sämtliche Sprachverbindungen und schaltete in den Stand-by Modus um. Der Engel zeigte keinerlei Veränderung. Wie ein Fels in der Brandung schien er durch EVA01 hindurch zu starren. Shinjis Finger zuckten unruhig hin und her. Diese Anspannung war das schlimmste was er durchmachen musste. Gerade wegen dieser ständigen Nervosität hatte er seinen Job als EVA-Pilot in den Sand gesetzt. Sein wahrer Beweggrund war dies aber nicht gewesen. Es waren die Menschen und die Umgebung um ihn herum gewesen die der Junge nicht mehr ertragen konnte. Seine rechte Wimper begann unmerklich zu zucken. Plötzlich verwandelte sich der scheinbare Fels in der Brandung zu einer gewaltigen Welle stürmischer Angriffe. Der Engel wurde aktiv. Der rechte Arme dieser Killermaschine wuchs über sich hinaus und schnellte mit einer nahezu tödlichen Geschwindigkeit auf EVA01 zu. Im selben Moment wurde die Notleitung in EVA01 aktiviert und Kommandant Katsuragis Stimme erklang vor den Augen des Third Children wie ein schallendes Echo. „SHINJI! Besinn dich endlich, wach auf aus deiner Traumwelt und tauche ein in die Realität! Sonst wirst du sterben! Bitte Shinji!!!“ schluchzte ihre Stimme laut auf. Seine Augen weiteten sich zu einem entsetzten Blick. Seine Reaktion war die eines verstörten Kindes. Seine Hände fielen schlaf nach unten, er hatte keine Kraft mehr. Shinji wollte nicht mehr. „Ist dies das Ende...?“ dachte der Junge schweigsam. Ein scharfer Schmerz durchfuhr seine Lunge. Im nächstem Moment hatte er das Gefühl sein ganzer Körper würde explodieren. Schreiend vor Schmerzen fiel der Junge in die Knie und umklammerte mit einem schmerzverzehrtem Gesicht den langen Arm der sich durch seine Schutzrüstung und die inneren Synapsen gebohrt hatte. Dann wurde es still. Sein Kopf sank schlaf nach vorne, die Haare fielen ihm ins Gesicht und bedeckten seine Augen. Einzig sein stiller Atem war noch zu vernehmen aber auch dieser wurde stetig unregelmäßiger bis er schließlich gänzlich versagte.

Misato wurde kreidebleich im Gesicht. „Los! Beatmet ihn sofort mit LCL, sonst stirbt er uns noch weg! So ein IDIOT! Schnell gebt ihm einen Stromschlag 2 Grades und reguliert seinen Puls! Wir...“ Sie wollte mit ihren Worten fortfahren als ihr von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt wurde. Tränen ließen die restlichen Ereignisse vor ihren Augen verschwimmen. „Das hat doch keinen Sinn mehr Misato....“ murmelte ihr der erste Offizier mitfühlend zu. Sie hörte ihn schon gar nicht mehr.

Rei und Asuka waren von den Sachen die in den letzten Sekunden vergangen waren noch völlig schockiert. Soryu betätigte mit einer raschen Fingerbewegung den Knopf zur Sprachverständigung. Kein Geräusch erklang. Der Klang ihrer Lieblingsstimme blieb aus. Verärgert schlug sie immer wieder auf den Tasten herum. Nichts geschah. Jetzt schnürten sich die Tränen an ihrer Kehle empor. „Shinji...nein! Das kann nicht sein...“ stammelte sie am Boden zerstört. Rei sagte nichts dazu. Sie konnte nicht, die Tränen um das geschehene hatten sie in einen Trance ähnlichen Zustand versetzt. Das er nun Tod war. Einfach so, ohne das er sich vorher von ihr verabschieden konnte. Die Welt ist manchmal grausam und hatte besonders ihnen schon oft übel mitgespielt. Aber das sie ihr einfach Shinji aus den Händen gerissen hatte. Das konnte Ayanami nicht verkraften. Asuka schluchzte heulend vor sich hin und ihre Ängste um Shinji verwandelten sich in einen erbitterten Schrei als Misato ihnen alles über den Sprachkanal mitteilte. „Du Mörder!!!“ schrie Asuka wütend aus. Wie ein Blitz nahm sie Anlauf auf den Engel und wollte ihn mit ihrem Prog Messer durchtrennen. Ein plötzlicher Gegenstoß schleuderte sie jedoch einige Meter von ihrem Ziel hinfort. „Verdammt ESTHER! Jetzt sind sie zu zweit, aber ich mache euch beide fertig!“ keuchte Soryu mit einer verzweifelten Stimme die sich mit Rachegelüsten vermischte. MARDUKE ließ sich nicht ablenken. Obwohl der Pilot von EVA01 kein Lebenszeichen mehr von sich gab ließ der Engel nicht von ihm ab. Immer wieder schlug er mit seinen mächtigen Pranken auf ihn ein und der Körper von EVA01 glich nun mehr einem Trümmerfeld. Rei wollte ihm diesen letzten Triumph nicht gönnen. Wenn sie schon nicht mit Shinji eine gemeinsame Zukunft aufbauen konnte, so wollte sie doch wenigstens mit ihm sterben. Das aufblitzen einer Strahlenkanone verleitete sie jedoch dazu sich zuerst mit ihrem eigentlichem Ziel zu befassen. Die Vernichtung ihres Engels.