Wem langweilig is, der kann das ja ma lesen! Ist erstmal nur ein Ausschnitt.
Der Himmel war pechschwarz und das Grollen des Donners ließ die See erzittern. Die dicken Regentropfen peitschten über das Deck des Schiffes. Saigo saß auf dem Kapitänshäuschen und seine langen, weißen Haare hatten sich dem Regen gebeugt und hingen nun schlapp und leblos über seinen Schultern. Sein Gesicht zeigte die Züge eines Fünfundzwanzigjährigen, regte sich aber kein Stück, auch nicht, als ein Blitz den Nachthimmel erhellte und die harten Tropfen auf seine Augen schlugen.
Seine braunen Kleider waren hoffnungslos durchnässt, ebenso der weiße Poncho. Der Mann schaute hoch zum Mond, als plötzlich eine quietschige Stimme die gespenstische Atmosphäre unterbrach, die das Unwetter mit der Zeit verursachte.
„Verdammt, Saigo!! Ich hab Schiss!!!“
Saigo zog reflexartig, aber mit Ruhe eine grüne Kugel unter seinem Poncho hervor. Seine Antwort existierte nur in seinem Kopf, ebenso wie die Stimme.
„Denkst du im Ernst, die Nussschale hier geht unter?“
„Aber NEIN!! Wie könnte ich auch?!? Etwa nur, weil dieses Schiff „Tote Ente“ heißt?! Oder, weil der Kapitän schläft, während er uns durch diesen Sturm lenkt?!?! Oder etwa, weil er der einzige ist, der bei diesem verschissenem Mistwetter schlafen kann?!?!!!“
Ein Donnerschlag ließ die Stimme kurzzeitig verstummen, als die Tote Ente mal wieder einen besonders hohen Sprung über eine Welle machte, kurz bis zur Hälfte untertauchte, dann aber sofort wieder aus dem Wasser flutschte.
„Erik ist ein fähiger Kapitän, außerdem hat die Ente schon Hunderte Stürme heil überlebt.“
„Soweit, so gut. Aber das ist keine Begründung, sich bei 30 Tonnen Wasser pro Meter aufs Deck zu setzen!!!!!“
„Ich mag dieses Wetter, Greel. Außerdem kann es dich ja nun als Letzten interessieren.“
„Aber ich hasse es doch so, meinen Wirtskörper sterben zu sehen!“
„Sind wir heute wieder besonders charmant? Warum diskutiere ich eigentlich mit einem Irren?“
Irre erkennt man am Besten an der Art, wie sie „Ich bin nicht irre.“ sagen.
„Ich bin NICHT irre!!!!!!!!“
Das Gespräch stoppte abrupt, als die Melodie erklang. Die Noten zerfetzten die Ruhe regelrecht und schoben das Toben des Sturms in den Hintergrund. Saigo riss seine Augen auf und warf sich vor Schmerzen auf den Boden. Das letzte, was er sah, war endloses weiß.
Es hatte keine Wände und er schwebte schwerelos darin. Dann erklang die Stimme eines jungen Mädchens, aber dennoch so surrend, dass es unheimlich klang.
„Hallo, Saigo, mein Kleiner!“
Sein Kopf dröhnte. Ein paar Sekunden länger diese Musik und er wäre wahrscheinlich zerbrochen.
„Oh, die Chefin höchstpersönlich? Was verschafft mir die Ehre?
Vor ihm materialisierte sich die Gestalt eines kleinen, vielleicht acht Jahre alten Mädchens, das sich in einen langen, schwarzen Umhang geworfen hatte. Sie hatte schwarze Haare, die ihr bis zu den Füßen gingen, gespickt mit vielen kleinen, weißen Strähnchen. Ihre Augen waren weiß und in ihren zarten Händen trug sie ohne Probleme eine reich verzierte und geschwungene Sense, von der sie leicht um einen Meter überragt wurde. Auch sie schwebte.
„Ach, weißt du, hier oben ist es ja sooo langweilig und die Schwestern streiten den ganzen Tag nur rum, da dacht ich mir, ich nutze gleich die nächste Möglichkeit und plaudere ein Wenig mit dir!“
Saigo hasste Sarkasmus, aber wenn sogar sie ironisch wurde, hätte er innerlich platzen können.
„Außerdem hattest du gerade einen Herzinfarkt, das hatten wir seit, was weiß ich wie langer Zeit nicht mehr!“
Die Musik, die ihn umgebracht hatte, dröhnte noch immer in Saigos Ohren. Er hatte vor vielen Jahren sein Gedächtnis verloren. Die Melodie hatte ein Leck in die sonstige Gedankenleere in seinem Kopf gerissen und nun strömten einige ungeordnete Erinnerungen heraus. Es waren die Ersten seit vielen, vielen Jahren.
„Lass uns keine Zeit verschwenden, du müsstest doch am Besten wissen, das nichts unendlich ist. Lass mich für immer hier oder schick mich gleich zurück.“
„Aber, Saigo! Wenn du mir nicht mal zuhören möchtest, bist du es wohl, der unendlich ist!“
In seinen Erinnerungsfetzen sah er Personen, oder besser gesagt ihre Silhouetten. Sie waren im Schatten und es waren viele. Aber keine war deutlich genug.
„Lass die einfallslosen Scherze. Ich will wieder zurück.“
Das Mädchen schaut empört.
„Das sind ja mal ganz neue Töne! Früher war es lustiger, du hast jedes Mal einen Heidenschreck gekriegt! Es gab auch mal Zeiten, da hast du mich angebettelt, hier zubleiben!“
„Muss lange her sein. Könnte mich nicht erinnern.“
Im Hinterkopf hatte er noch immer die Melodie.
„Du bist ein Sturkopf! Aber jetzt mal im Ernst: Ich lass dich nun wieder runter und du bist in der nächsten Zeit etwas aufmerksamer, denn die Ewigkeit gibt’s für dich gratis, den Tod musst du dir schon verdienen!“
Als er den letzten Satz verarbeitet hatte, war es zu spät, um zu reagieren. Die Regentropfen, die nun wieder in sein Gesicht fielen, waren ein erster Beweis dafür. Auch die Musik hörte er nun wieder und musste sich zusammenreißen, um nicht noch mal abzukippen. Und spätestens Greels kreischende Stimme zog ihn zurück in die Realität.
„AAARGGGHHH!!!!! Du bist schon wieder verreckt!!!! Lass den Scheiß!! Das ist doch nur Musik!!!“
Die Noten drangen wieder in seinen Kopf ein und trugen einige Brocken vom Dreck vor seinen Erinnerungen ab. Er versuchte, die Bilder, die nun darin eintrafen, zu sortieren, aber es war aussichtslos. Sie blieben namenlos. Das Lied war schön. Es hätte auch dem Verzweifelsten am Rand einer Klippe noch Hoffnung gegeben. Saigo wäre gerade deshalb gesprungen. Er kannte die Noten, und er summte wie im Reflex mit, aber es war wie eine Folter. Die Musik hatte er bestimmt schon tausend mal gehört, aber sein Gehirn gab keines seiner Geheimnisse frei. Als er sich an die Pein gewöhnt hatte, schaute er auf, um den Ursprung des Liedes herauszufinden. Es war nicht schwer. Eine Etage unter ihm, direkt unter dem zusammengerolltem Segel saß eine Frau. In ihrem dunklen Mantel war sie unauffällig, aber ihre mittellangen silbrigweißen Haare glänzten im Mondlicht. Ihre Haut war sehr dunkel und ihre dünnen Finger glitten behutsam über ein Banjo. Dabei lächelte sie. Es war weder ein gestelltes Lächeln, noch war es aus Glück. Saigo sah auf den ersten Blick, dass dieses Mädchen immer lächelte, aus reiner Lebensfreude. Als die Melodie nach einigen Minuten verklungen war, atmete Saigo aus. Die Schmerzen hatten mit der Zeit nachgelassen, auch der Erinnerungsfluss war gestaut, aber er konnte seinen Platz nicht verlassen, denn die Töne schienen ihn zu lähmen. Der Mond schien an diesem Tage unnatürlich rot. Die Frau schien nun zu schlafen und auch Saigo ging auf seine Kajüte, gefolgt von Greels Kreischen und Schreien. Solange Greel schrie und kreischte, konnte er gut schlafen, denn dann war alles in bester Ordnung.
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