Re: Die Bedeutung der Seele?
Zitat
Original geschrieben von Shihayazad
Warum spielt die Seele bzw. der psychische Zustand eine so geringe Rolle? Psychische Schmerzen sind in der Regel viel größer als körperliche und doch finden sie IMO kaum Beachtung.
Sicher psychische Probleme sind nicht sofort sichtbar, sie sind schwerer zu verstehen und niemand kann sie medizinisch genau beurteilen aber ist das ein Grund sie beinahe vollständig zu ignorieren?
Was denkt ihr über die aktuelle Bedeutung der Seele in unserer Gesellschaft?
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Als erstes würde ich Platon nennen, der nicht eine geringe Schuld daran trägt, dass unsere Gesellschaft weniger Bedeutung zuschreibt als wie den Körper. Die direkte Verbindung lässt sich zwar jetzt nicht erkennen, da er ja davon spricht, dass der Körper nur eine Hülle für die Seele ist; demnach müsste man eher behaupten, dass der seelische Zustand höher bei ihm eingeschätzt wird. Nun vielleicht stimmt das sogar, aber hier kommt das Christentum ins Spiel, die viele Teile der Philosophie Platons übernommen hat. Das Christentum wiederum hat aber eine eigene Philosophie und man musste sich die Philosophie umschreiben um es so einmal auszudrücken. Sie wurde dahingehend interpretiert, dass das irdische Leben gering geschätzt wurde und so auch das seelische Leid.
Ein zusätzlichen Beitrag zur Trennung von Leib und Seele hat Decartes geliefert, der diese Dialektik hervorhob. Mediziner stehen heute immer noch diesem Problem gegenüber, dass sie hauptsächlich den Körper sehen, da sie keine Verbindung zwischen Körper und Seele sehen. Psychologen haben gegenüber Ärzten auch nur eine geringe Wertschätzung und stehen sich häufig als feindliches Lager gegenüber. Und seit wann gibt es denn nun die Psychologie als eigenständiges Fach? Die Grüdung des Wundtschen Labors war, wenn ich mich Recht erinnere, so um 1885, während die Medizin ihren Ursprung auf Hippokrates zurückführen, obwohl dieser noch nicht so sehr Körper und Seele trennte, man denke dabei an seine 4-Typen-Leere (Melancholiker, etc.). Diese Phänomen trat er später auf und als Ursprung sehe ich die Interpretation der Platonschen Philosophie durch die Christen.
Vielleicht ist es eine eigenwillige Interpretation, ich kenne die genauen Zusammenhänge nicht, aber ich bin mir sicher, dass es kulturell bedingt ist, dass wir das Seelische geringer schätzen, als wie das Körperliche. Als Vergleich möchte ich die chinesische anführen, die stärker die Verbindung zwischen beiden betont.
Als Beispiel möchte ich noch anführen: seit wann gibt es den Begriff Psychosomatik? Nicht sehr lange; unsere Kultur hat immer wieder die Psyche ausgegliedert, wie z.B. die Materialisten, aber auch überbetont, wie in der Romantik, die Wissenschaft hält aber immer noch teilweise an der Überbetonung des Körperlichen fest.
Dabei möchte ich gleich zu einer anderen Interpretation überführen, die sich um eine Definition von "Stärke" dreht. Angst wird in unserer Kultur als Schwäche gesehen und wer Angst hat, wird unterdrückt, ausgebeutet. Zeigt man diese Schwäche, hat das meist eine geringere Schätzung bis zum Mobbing zur Folgen. Menschen, die kein körperliches Gebrechen und scheinbar gesund sind, können aber dennoch psychische Probleme haben; Ereignisse in der Kindheit, aber auch körperliche Defizite, ich denke dabei an das Gehirn, können zur Folge haben, dass der Mensch seelische Wunden haben, Wunden, in die gerne andere Menschen treten um so ihre "Stärke" gegenüber dem "Schwachen" zu zeigen. Ich bin aber kein Soziologe um Genaueres dazu zu sagen und meine Interpretation mag freilich völlig irrsinnig sein.
Ein weiteres Defizit innerhalb unserer Gesellschaft sehe ich, dass wir sehr, sehr wenig in der Schule über das Seelenleben der Menschen erfahren; ich hatte z.B. nur einen 1-2jährigen (so genau kann man das nicht sagen) Psychologieunterricht und das in meinen letzten beiden Schuljahren; meiner Meinung nach, sehr wenig um auch nur in etwa etwas darüber zu erfahren. Wenn jemand keine Eltern hat, die sich damit auskennen, wird er auch nie die Chance dazu haben, einen geeigneten Umgang mit Menschen mit psychischen Leiden zu lernen. Zu starkes Leistungsstreben könnte auch noch dazu zu führen, einen bestimmten Typus von Menschen zu fördern, während andere auf der Strecke bleiben.
Einen Grund für die Überbetonung des Seelischen gegenüber dem Körperlichen zu finden, ist nicht leicht, doch ich meine, dass ein großer Teil dessen in unserer Vergangenheit zu finden ist und wir nur ein Produkt von ihr sind und es nun an uns liegt, dieser entgegen zu wirken, indem wir unsere Kinder einerseits, aber auch uns daran erinnern, dass der Mensch auch eine Seele hat.