Als hätte er seine Gedanken frei geäußert konnte er den Strom der Gefühle jetzt nicht mehr zurückhalten. Immer wieder sprach seine innere Stimme zu ihm selbst und erinnerte ihn daran auf welch grausame und schmerzhafte Weise seine Verlobte aus dieser Welt geschieden war.„Aysha wird nicht wiederkommen. Sie ist Tod!...“ entfuhr es Valnar mit kaum hörbarer Stimme.
„Ja, das ist sie. Ich hab sie getötet. Vor meinen Augen ist sie gestorben und ich habe...“
Ilana blieb im Türrahmen stehen und wandte sich mit betrübten Blick wieder Valnar zu. „Hattet ihr so einen schlimmen Streit das du sie schon für Tod in deinem Herzen hälst?...“ Valnar blickte getroffen zur Seite. Sie hatte seine Worte nicht verstanden. Keiner in der Stadt hatte es verstanden. Wahrscheinlich würde ihm nicht einmal Dr. Jarn glauben. „Ilana. Ob du es mir jetzt glaubst oder nicht. Aysha ist gestern Nacht ums Leben gekommen. Sie wird nie mehr zu uns zurückkommen und zu mir schon gar nicht!“
„...nicht den Mut gehabt ihren Peiniger dafür zu strafen für das war er ihr angetan hat....“
Valnar hatte ein feuchtes Glitzern in seinen Augen als er auf seine Hände hinunterblickte. Sie waren immer noch blutig, und das Blut rann unentwegt von seinen Fingern auf die Bettdecke hinunter. „Sie Bluten...Siehst du es denn nicht? Ich bin der Mörder. Nur ich allein...“ Ilana trat mit besorgten Blicken an Valnars Bett und nahm seine Hände mitfühlend in die ihren. Ein Blick auf seine Hände verriet ihr das sie völlig in Ordnung waren, nur an einer Stelle klebte noch etwas getrocknetes Blut von einer inzwischen verkrusteten Schürfwunde an der rechten Hand. Sicher hatte er sie sich beim Aufstieg in das Gebirge geholt, anders war es nicht zu erklären. Doch das eigentliche was sie erschreckte war die Kälte seiner Hände. Sanft strich sie ihm mit ihren warmen Fingern über die Handflächen. Eine Gestik die ihre Mutter schon damals benutzt hatte um sie zu beruhigen, als sie erfuhr das ihr Vater bei einer Überschwemmung gestorben war. Valnar schossen Erinnerungen an eine ähnliche Situation mit Aysha durch den Kopf und zuerst empfand er es als ungewohnt, doch nach einer Weile gewöhnte er sich daran und langsam schloss er seine Augen. Es war ein angenehmes Gefühl menschliche Wärme auf der Haut zu spüren Als er damals krank war hatte ihn Aysha ebenfalls immer mit dieser Sanftheit über die Handflächen gestreichelt, und hatte nicht eher aufgehört bis er eingeschlafen war. Ilana´s sanfte Bewegungen mit ihren zarten Händen erinnerten Valnar daran was für eine gutmütige und liebliche Persönlichkeit seine Aysha besessen hatte. Wenn er etwas falsch gemacht hatte, war sie nie böse auf ihn gewesen. Sie hatte ihn belehrt, aber sie verlor niemals ein böses Wort über seine Einfältigkeit, oder hatte ihn auf irgendeine Art und Weise zurechtgewiesen.
„Du warst stark... Du hast nie den Mut verloren...“
„In den letzten Augenblicken deines Lebens musst du gekämpft haben... und hast auf mich vertraut...“
„Hoffnung hast du getragen. Du hast mir mal gesagt wenn wir Menschen sterben ist das letzte was wir im Leben sehen wollen ein bekanntes Gesicht...“
„Ich bin nicht gekommen. Und du bist gestorben....alleine.“
Ilana bemerkte das es Valnar durch ihren Trost etwas besser zu gehen schien und sie bemühte sich ihm noch etwas mehr dieser trostspendenden Wärme zukommen zu lassen. Der Streit zwischen den beiden musste heftiger gewesen sein, als es den Anschein hatte, wie sonst hatte sich Valnar das Blut auf der Stirn unter den Haaren zugezogen? Es konnte natürlich auch sein das er bei seinem nächtlichen Ausflug ins Gebirge unglücklich gestürzt war, wobei die einfachste Art die Wahrheit zu erfahren aus einer simplen Frage bestand, die Ilana aus einem unbewussten Grund nicht ansprechen wollte. Sie fühlte das es nicht der richtige Zeitpunkt war. Jedenfalls noch nicht jetzt, wo Valnar doch vor kurzem noch unter Schock gestanden hatte. Bei einem Versuch ihre Hand zurückzuziehen bemerkte sie sofort wie ihm erneut die Unruhe und der Kummer überfielen und so beeilte sie sich ihre Hände wieder in die alte Position zurück zu bringen. Mittlerweile schien Valnar dermaßen entspannt wie schon lange nicht mehr. Der Kummer und die Sorgen waren zwar noch vorhanden, aber für den Moment des Daseins brauchte es keine Worte um die Situation zu schildern in der sich die zwei Menschen befanden. Ilana hatte Valnar sehr gern. Vor einigen Wochen noch hatte sie ihn mit ganz anderen Augen gesehen, bis zu dem Zeitpunkt des Streits war er ihr immer wie ein starker, selbstsicherer Mann der wie viele Männer der Stadt gerne etwas angab und es nicht unterlassen konnte mit seiner Jagdbeute herum zu prallen, vorgekommen. Jetzt schien er wie ein hilfloses Kind, alleine und einsam. Wie ein Mensch der den Willen am Leben verloren hatte. Was auch immer der Grund war, für Ilana war Valnar um Jahre gealtert und gleichzeitig hatte sie ihn auch lieber gewonnen. Eine Träne rann an ihren Wangen hinunter bis auf seine Hände, und sie war nicht im Stande ihm länger in die Augen zu sehen. „Tut mir Leid...ich kann es nicht länger mit ansehen dich so leiden sehen zu müssen....“ flüsterte sie mit zittriger Stimme.
„Ja? Was ist so schlimm daran mich ansehen zu müssen? Es ist doch nur Valnar. Ein junger Mann der seinen Vater kaum gekannt und sich oft auf offener Straße geprügelt hat, als er noch jung war. Ich bin ein Versager, Großmaul und ein Feigling. Ich bin bemitleidenswert...und ich hasse mich.... wieso sorgst du dich also um mich?“
Valnar öffnete seine Augen wieder. Noch immer umspielten sie Traurigkeit und Hass gegen sich selbst, aber die Situation hatte sich für den jungen Mann etwas beruhigt. „Ilana...du hast mir etwas gegeben das ich wahrscheinlich heute zum letztem Mal verspürt habe...dafür möchte ich dir danken. Du bist Ayshas Freundin und hast dir im Laufe der Jahre viele Eigenschaften von ihr angeeignet. Ich bin dir so so dankbar....dankbar das ich Momente, die mir schon jetzt fehlen, für einige Zeit erneut erleben konnte. Ich weiß auch das du etwas für mich empfindest, deshalb tut es mir Leid das du...mich so sehen musst...“ antwortete ihr Valnar mit einem traurigem lächeln um seinen Mundwinkel. „So darfst du nicht denken!...du musst dir helfen Valnar...“ Ihre Wangen waren von den Tränen gerötet und am liebsten wäre sie davon gelaufen, wäre ihr nicht Bewusst geworden was sie doch für den Mann ihrer besten Freundin empfand. „Niemand kann mir helfen. Nicht einmal ich selbst. Ich muss vergessen was in dieser Nacht geschehen ist, doch mein Gewissen wird mich niemals ruhen lassen. Du und der Rest der Stadt, ihr glaubt mir zwar nicht, aber nur ich kenne die Wahrheit...ich möchte es vergessen, doch es wird mich mein Leben lang verfolgen, und ich möchte dieses wohltuende Gefühl ein letztes Mal verspüren...“ Als sich seine Hand plötzlich sanft um ihre Wange legte, wich sie erschrocken zurück, wurde jedoch urplötzlich von seinem starken Griff festgehalten und konnte nichts tun als er ihr näherkam. Dabei bemerkte sie seine dunklen Augenringe und seine geröteten Augen. Sicher hatte er letzte Nacht viel geweint. Jetzt musste sie weinen. „Valnar....das können wir nicht tun. Du hast deine Aysha....es ist nicht recht...“ flüsterte sie ihm fast tränenerstickt zu. Sie wollte ihn ja küssen! Das wollte sie so sehr. Aber er hatte sich schon für Aysha entschieden, lange bevor sie sich beide überhaupt kannten. Jetzt kam es ihr vor wie etwas verbotenes. Etwas schmutziges. Und doch kam sie ihm ebenfalls entgegen, gewillt ihm die Schwere Bürde zu erleichtern, und wenn es auch nur für einen Moment galt. An Ilana lief die Realität vorbei wie ein Wasserfall. Als ihre Lippen zu einem gemeinsamen Kuss verschmolzen und sich beide dabei in den Armen hielten hatte sie erneut Tränen in den Augen. Das einzige was sie Valnar bieten konnte, war sie selbst, doch das würde nicht reichen um sein Herz wieder schlagen zu lassen, und das wusste sie. Dennoch konnte sie ihm die Bitte nicht abschlagen ein letztes Mal dieses Gefühl zu entfachen, dass Valnar und sie selbst förmlich verzerrten. Es war nur einfacher unschuldiger Kuss gewesen, aber für Valnar war es viel mehr. Es war, als hielte er seine Aysha noch ein letztes Mal in seinen Armen, und das, gab ihm zumindest in diesem Augenblick, den Seelenfrieden.
„Wie ist das? Wie fühlt sich das an? Du vergehst dich an ihrem Körper und erfreust dich an ihren Schreien. Das erfreut dein Gemüt, nicht wahr? Das ist es doch was du willst!- Dein Seelenfrieden!“
„Nein, so ist es nicht!....Ich brauche diese Nähe weil ich mich dann besser fühle...“
„Ein Gefühl der Schuldigkeit. Mitleid?...“
„Ja, so muss es sein!! Weil ich Hilfe brauche...!“
„Weil du das Opfer bist?“
„Ja. Das ist meine Daseinsberechtigung...ich hab sonst nichts mehr...“
Als die beiden sich schließlich aus ihrer engen Umarmung lösten fühlte sich der junge Mann seltsam befreit, so als ob ihm ein kleiner Stein vom Herzen gefallen war. Und er wusste das es eine von seinen inneren Stimmen war, die zufrieden mit der Antwort schien die er ihr gegeben hatte. Valnar hatte seit gestern oft solche Zwiegespräche mit sich selbst gehabt. In Gedanken war er seit Ayshas Tod einfach nicht mehr er selbst. Da waren diese ganzen anderen Stimmen die ihm Fragen stellten und versuchten seine Handlungen zu beeinflussen. Für Augenblicke war er in der Realität, doch wenn diese Stimmen überhand nahmen schleppten sie ihn weit fort. Dann war er wie abgekapselt von der Außenwelt und erst wenn ihm diese Stimmen losließen konnte er wieder handeln. Das ganze erinnerte ihn an ein Versteckspiel aus Kinderzeiten nur das er sich nirgendwo verstecken konnte, wenn er vor diesen Stimmen flüchten wollte. Aber er wusste genau das es viel mehr sein Schuldgefühl war, welches noch immer wie ein klaffender Abgrund in seinem Bewusstsein existierte und nicht viel kleiner geworden war. Es würde ihn mit Sicherheit nicht eher ruhen lassen bis er Ayshas Mörder gefunden und ihm seiner gerechten Strafe entlohnt hätte. Valnar wusste was er zu tun hatte und plötzlich hatte er auch den Willen dazu. Es war ihm auf einmal so als ob neuer Lebenssaft in seinen Adern zum fließen gebracht wurde. Der Wille zu Leben war erneut entfacht worden. Nicht durch Aysha oder gar Ilana. Viel eher durch ein Gefühl von persönlicher Rache. Immer noch besser als nutzlos herumzusitzen und sein Schicksal zu bejammern. Ilana hatte sich inzwischen wieder erhoben und war schon auf den Weg zur Türe. Die Ereignisse waren ihr etwas peinlich, und sie kam sich schlecht vor, was ihre beste Freundin Aysha anging. Und dann war es wiederum ein so überwältigendes Gefühl für sie gewesen. Fest nahm sich das junge Mädchen vor, es bei diesem Kuss zu belassen, alles andere hätten den beiden nur geschadet. „Ilana?...“ Valnars Stimme klang nicht mehr so düster wie vor einer halben Stunde. Sie drehte sich um und sah in das Gesicht eines lächelnden Mannes.
Nachdenklich lehnte Asgar gegen den Stamm einer mächtigen Eiche und genoss die frische Luft die an diesem Morgen durch die Straßen von Klennar wehten. Wie lange stand dieser mächtige Baum wohl schon an Ort und Stelle? 10 Jahre oder gar 100? Asgar hatte keine Ahnung was den Lebenslauf dieser mächtigen Eiche anging, und es interessierte ihn auch nicht wirklich, solange sie ihm nur Schatten in der Morgensonne und Schutz vor dem rauen Wind der zu diesen Tagen durch die Gegend wehte, spendete. Der ehrgeizige Vampir hatte das Vorhaben seine Geliebte wieder auferstehen zu lassen, keineswegs vergessen. Viel mehr hatte er die letzten Wochen damit verbracht Nachforschungen über einen weiblichen Vampir anzustellen der sich in der Gegend von Klennar versteckt halten sollte. Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen brauchte Asgar das Blut eines Menschen der schon einmal mit einem Vampir geschlafen hatte. Und nachdem er nächtelang schier ruhelos in seinem Studierzimmer gewütet hatte, hatte ihn plötzlich eine Stimme gerufen, dem Blutorakel nach zu urteilen handelte es sich hierbei um einen jungen Mann namens Valnar Darius. Asgar hatte sein Glück kaum fassen können, auch wenn er an diesem Abend scheinbar mehrere Vampirkräfte gespürt hatte- aber das war nebensächlich. Er hatte erfahren was letzte Nacht geschehen war und hatte sich auch die seltsame Version Valnar´s von einigen Stadtbewohnern mehrere Male erzählen lassen. Hier bestanden absolut keine Zweifel mehr. Gestern musste etwas vorgefallen sein was den weiblichen Vampir das Leben gekostet und Valnar verletzt haben musste. Das erklärte auch das plötzliche erlöschen einer Lebensflamme, denn Vampire können gegenseitig fühlen ob einer der ihrigen stirbt. Das war ihm aber alles völlig Gleichgültig, denn die Hauptsache war das Valnar nur verletzt, nicht aber Tod war. Seine Leiche hätte der ehrgeizige Vampir vielleicht höchstens noch als stumpfes Skelett wieder ins Leben zurückbringen können, aber mehr als eine nervige Seele mehr hätte ihm das auch nicht gebracht. Da er aber lebte konnte Asgar seinen Plan in die Tat umsetzen und musste nur auf den richtigen Moment warten um ihn auf den Straßen von Klennar abzufangen. Das Ereignis von letzter Nacht hatte nicht ungleich zu leichten Änderungen seiner Pläne geführt. Hatte er zuvor vorgehabt Valnar zu entführen und ihm sein Blut auszusaugen, konnte er ihn nun bequem mit einer List hinters Licht führen und anschließend ebenso mit ihm verhandeln. Asgar begann leise zu murren. Seine Ungeduld war nicht zu überhören, selbst Vampire konnten nicht den halben Tag lang an einem Fleck herumstehen. Wann mochte Valnar wohl endlich sein Haus verlassen? Sein Stehplatz gab ihm einen ausgezeichneten Blick auf den Wohnsitz seines Opfers. Es war alles nur eine Frage der Zeit und Geduld, woran es Asgar gerade in diesem Moment mangelte.
„Valnar, so kann das doch mit dir nicht weitergehen. Du sprichst kaum noch mit den Leuten und kapselst dich auch sonst seit gestern vom ganzen Dorf ab. Was auch immer passiert ist, du kannst es uns doch anvertrauen!“ Der Bürgermeister von Klennar zerhackte gerade einen mittelgroßen Holzscheit mit einer geschliffenen Eisenaxt, die so lange ihn Valnar schon kannte, nie von seiner Seite gewichen war. Manchmal war es faszinierend mit anzusehen wie sich das Holz unter den gelernten Bewegungen des Mannes spaltete. Wenn man sich seine stämmigen Muskeln und seine mit triefendem Schweiß bedeckte Haut ansah, zweifelte keiner daran das dieser Mann vor seiner Wahl ein ausgelernter Holzfäller gewesen war. Trotz seines Alters von 60 Jahren schien er noch erstaunlich fit und standhaft auf den Beinen zu sein. Valnar hatte sich diesen Mann immer insgeheim zum Vorbild genommen, denn einen besseren Bürgermeister hatte die Stadt wohl kaum gehabt. In all den Jahren hatte es keine großen Vorkommnisse in Klennar gegeben, so das sich die Bürgermeister vor ihm gemütlich hinter ihrem Schreibtisch zurücklehnen konnten und genug Zeit hatten ihren eigenen Beschäftigungen nachzugehen. Bürgermeister Leon war in der Hinsicht jedoch ganz anders. Er hatte alles dafür gegeben damit sich die Dorfbewohner von Klennar in ihrer Stadt wohl fühlen konnten. Oft legte er Veranstaltungen und Feste fest, zu denen alle Menschen freien Zutritt hatte, einzige Bedingung war das jeder der Gäste seinen Teil beizutragen hatte. Für alle in der Stadt war Leon so etwas wie ein Vater, man konnte zu ihm gehen und mit ihm über viele Dinge reden. Er schien auch selbst viel herumgekommen zu sein und gab an manchen festlichen Abenden Geschichten aus seiner Jugend von Fremden Kontinenten und den damit verbundenen Gefahren zum besten. Besonders die Kinder hörten ihm immer gerne zu. Aber das was letzte Nacht passiert war konnte Valnar selbst ihm nicht anvertrauen. Er selbst schien ebenfalls eine Entwicklung durchgemacht zu haben, was das eigentlich erschreckende an dieser ganzen Angelegenheit war. „...Wir alle trauern Valnar...was auch passiert ist, du musst die Vergangenheit hinter dich bringen. Öffne dich den Menschen Valnar. Sie sind nicht schlecht. Und öffne dich mir...vielleicht kann ich dir helfen, wenn du mir nur die Wahrheit sagen würdest...“ Leon blickte Valnar mit seinen runzeligen Augen an. Er schien sich sichtliche Sorgen um ihn zu machen. Am liebsten hätte Valnar ihm alles gesagt, denn Leon war für ihn oft wirklich wie der Vater gewesen den er sich so gewünscht hatte. Es war nicht so das Valnar seinen Vater nicht lieb hatte. Es gab nur kaum Gelegenheit sich kennen zulernen. Sein Vater war schon seit er lebte ständig auf langen Forschungsreisen gewesen. Hierher nach Klennar verschlug es ihn selten. So selten das er die letzten 10 Jahre sogar überhaupt nichts mehr von sich hatte hören lassen. So hatten die beiden ein eher Unväterliches Verhältnis miteinander gehabt. Das hatte er damals auch Aysha anvertraut. Aber damals schien es ihm wie eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein. Er brauchte keine väterliche Liebe weil sie bei ihm war. Jetzt war sie fort und ein längst vergessenes Gefühl von Einsamkeit hatte begonnen an ihm zu nagen. Valnar öffnete langsam seinen Mund, so als wolle er Leon all seinen Kummer anvertrauen. Doch kamen keine Worte über seine Zunge. Der Bürgermeister blickte ihn getroffen von der Seite an, ehe er sich den nächstbesten Holzscheit schnappte und mit seiner Arbeit fortfuhr. Der Junge wagte es nicht dem rechten Mann in die Augen zu sehen. Sein Schweigen hatte ihre Freundschaft verletzt, aber was hätte es genützt? Ohnehin hätte er ihm nur das sagen können was er dem halben Dorf gestern abend gesagt hatte. Und wenn er noch erwähnt hätte, das er sich in manchen Momenten so fühlen würde als könne er von einem Moment auf den anderen Suizid begehen, hätte ihn das sicher nur noch mehr beunruhigt. „Manchmal sagen wir Menschen uns nichts, damit sich andere....,die die man Freunde nennt, sich nicht Sorgen müssen. Ich tue Recht. Es ist mein Sache und ich werde alleine damit fertig werden. Auf meine Art.“ dachte Valnar in Gedanken. „Leon. Vielleicht verlasse ich bald das Dorf. Die Zeit mit euch war sehr schön, aber nun bindet mich nichts mehr an diesem Ort und ich empfinde nur noch Schmerz wenn ich mich an die Menschen hier wende. Vielleicht ist es mein Stolz...vielleicht meine Rache. Aber möchte das du weißt das ich dich immer sehr geschätzt habe. Ich hoffe du verstehst meine Entscheidung.“ rang sich Valnar endlich hindurch. Es waren Worte die der Junge schon die ganze Zeit auf der Zunge hatte. Der Bürgermeister schien ihn nicht wahrzunehmen oder nicht wahrnehmen zu wollen. Unbeirrt fuhr er damit fort seine Axt zu schleifen, die durch die große Anzahl von Holzscheiten etwas stumpf geworden war. Valnar hatte ihm den Rücken zugekehrt und wollte gerade gehen, als ihm eine lederne Reisetasche aus Eberhaut zugeworfen wurde. Ein Stück Hoffnung. Ein Zeichen. Valnar fing die Tasche reflexartig auf und blickte Leon ehrfürchtig in die Augen. „Auf einer Reise sollte man immer gut vorbereitet sein. In dieser Tasche findest du alles was du brauchst und noch etwas mehr. Meine Erziehung. Meine Zuneigung dir gegenüber. Das alles wird dich nicht verlassen wenn du deines Weges gehst und diese Tasche bei dir trägst.“ Sein Blick war streng, doch als er die letzten Worte ausgesprochen hatte formten seine Lippen ein Lächeln. Valnar nickte ihm dankbar zu. Auch er hatte den Mund etwas nach oben verzogen. Und er wusste plötzlich warum er sich direkt nachdem Ilana gegangen war, dazu durchgerungen hatte Leon noch einen letzten Besuch abzustatten, anstatt das Dorf wie geplant zu verlassen. Seit gestern Abend lächelte er wieder. Nun schon zum zweiten Mal. Nicht mehr für Ilana. Aber für Leon.