Jugendamt warnt vor "Yugi"
Kampf gegen kleine Monster
Äußerst seltene Spielkarten kosten im Internet bis zu 300 Euro
Ein scheinbar harmloses Kartenspiel beschäftigt derzeit Polizei und Pädagogen. Die Rede ist von "Yu-Gi-Oh", einem Monsterduell nach japanischer Art. Mit bis zu 300 Euro werden die Karten auf Schulhöfen und im Internet gehandelt. Das Jugendamt der Stadt Nürnberg warnt Einrichtungen und Schulen davor und rät, notfalls sogar ein Verbot des beliebten Kartenspiels auszusprechen.
Christian versteht die Aufregung nicht. Für den Achtjährigen ist die Figur "Yugi" ein echter Held. Die Laien erinnert der Protagonist dieses Manga-Comics ein wenig an eine aggressive Version von Harry Potter, nachdem er in die Steckdose gefasst hat: Wild stehen die Haare des Jungen zu Berge, die Augen reißt er weit auf. Ein furchtloser Rebell. Aber das war nicht immer so, erklärt Christian, und spult die Geschichte von Yugi herunter.
Früher war Yugi also klein und wurde in der Schule verspottet - so schreibt sein Erfinder Kazuki Takahashi die Story vor. Durch Zufall geriet er jedoch an ein "Millennium-Puzzle", das ihm mystische Kräfte verleiht. Yugi wird zum Kämpfer gegen die bösen Mächte. Zu diesem Zweck lässt er Monster gegen seine Widersacher antreten.
Nachzuspielen ist dieser Teil der fantastischen Handlung mit dem Kartenspiel "Yu-Gi-Oh - Duell Monsters". Vereinfacht gesagt, folgt das Spielprinzip dem, was früher Auto-Quartett hieß: Die Figur mit den besseren Eigenschaften gewinnt den Spielzug. Neben den Monsterkarten gibt es bei Yu-Gi-Oh noch Fallen- und Zauberkarten, die ausgespielt werden können.
So weit, so harmlos. Ein Starter-Set mit Gebrauchsanweisung und Einstiegs-Monstern gibt es bereits ab fünf Euro. Das ist aber nicht einmal das halbe Spiel. Um gewinnen zu können, braucht der Spieler weitere Karten. Und die wichtigsten davon sind nur äußerst selten in den bunten Verpackungen zu finden. Das ruft nun den Jugendschutz auf den Plan, denn der junge Spieler hat nach Ansicht des Nürnberger Jugendamtes nur zwei Möglichkeiten: Entweder kauft er Set um Set in der Hoffnung, seine gewünschten Monster zu finden, oder er hilft seinem Glück auf die Sprünge und erwirbt die begehrten Karten im Internet zu Preisen von bis zu 300 Euro.
Während die Methode des Nachkaufens die Spielsucht fördere, übersteige der Direktkauf den Taschengeldparagrafen um ein Vielfaches, warnt das Jugendamt in einem Schreiben an Schulen und Freizeiteinrichtungen.
Die Polizeiinspektion Mitte registrierte bereits Straftaten, die mit dem Spiel zusammenhängen. Gerade in Comicfachgeschäften komme es vermehrt zu Diebstählen. Teilweise pressen sich Schüler die Karten gegenseitig ab. In einem Fall plünderte ein Zwölfjähriger die Urlaubskasse seiner Eltern, um in neue Monster zu investieren.
"Kein bleibender Wert"
Uli Trautner, Mitinhaber des Comicgeschäftes Ultra-Comix in der Rothenburger Straße, hat sich daher eine freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt: An Kinder unter zehn Jahren wird nicht mehr verkauft, ältere Minderjährige dürfen nur noch im Rahmen des Taschengeldparagrafen (bis zu 20 Euro) einkaufen. Eine definitive Sicherheit gibt es jedoch nicht: "Die Kinder kaufen bei uns für 15 Euro und gehen dann zu Obletter und Karstadt und holen sich das gleiche Spiel", sagt Trautner.
"Wann das Kartenspiel tatsächlich zur Sucht wird, ist schwer festzustellen, weil die Grenzen fließend sind", sagt der Suchtbeauftragte der Stadt, Georg Hopfengärtner, auf Anfrage. Eltern sollten wachsam sein und das Konsumverhalten der Kinder im Auge behalten. Als bedenklich stuft Hopfengärtner "Yu-Gi-Oh" vor allem deshalb ein, weil "die jungen Käufer keinen bleibenden Wert erwerben. Wenn der nächste Trend kommt, sind die alten Karten nahezu wertlos". Eltern und Schüler sollten nach Ansicht des Suchtbeauftragten eng zusammenarbeiten. So könne man Absprachen treffen und möglicherweise gemeinsam einen Trend überspringen. Lässt der Gruppendruck nach, werde auch der Kaufdruck geschwächt.
Die Sperberschule in der Südstadt ist eine der Schulen, die dem Rat des Jugendamtes gefolgt ist. "Yu-Gi-Oh", den die Lehrer schon längere Zeit kritisch beobachten, hat hier ab sofort Hausverbot. Nicht nur die Gefahren des Spiels beschäftigt die Pädagogen. Viele fragen sich auch noch etwas anderes: "Warum können sich meine Schüler Namen wie Katsuya Jounouchi und Suyoroku Mutou merken - aber nicht, was ein Tunwort ist?"
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