Um mit einem Wittgenstein Zitat zu beginnen: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss schweigen."
Ich glaube nicht, dass unsere heutige Informationsgesellschaft diesen Ausspruch zu herzen nimmt, vielmehr wird über Dinge gesprochen, worüber man keine Ahnung hat, aber wie soll man sonst im Wirrwar der Spezialinfos etwas allgemeines herauspiecken. Und selbst Spezialisten, die sich im Themenbereich auskennen sollten, können durch ihre begrenzte Sichtweise, nie wirklich in einen Menschen sehen. Wie sollte z.B. ein Psychologe wissen, was in einem Menschen vorgeht, der alkoholsüchtig ist, wenn der Psychologe selbst jenes noch nicht erfahren hat. Wie soll man sich in die Gedankenwelt eines Depressiven einarbeiten, wenn man selbst noch nie einen solchen Zustand hatte.
Es gibt wie immer die Unterscheidung zwischen bloßer Betrachtung und selbst mitten im Geschehen sein. Jemand der einem Konzert beiwohnt, wird es anders erfahren, wie jemand, der bloß es über einen Fernseher anschaut. Aber dennoch gibt es immer noch einen Rahmen gemeinsamer Erfahrungen, die fast ein jeder Mensch durchmacht und diese stellen doch ein beachtliches Maß an gemeinsamer Erfahrung da. Natürlich kann man nie sagen, dass man genauso gefühlt hat, wie jener Mensch sich jetzt fühlt, doch kann man vielleicht durch die Anteilnahme sein Leid lindern und ihm das Gefühl geben, dass er nicht alleine mit seinen Problemen ist, dass es auch andere Menschen mit ähnlichen Sorgen gibt.
Und das ist auch das Ausschlaggebende, nämlich dem Menschen Anteilnahme zu vermitteln und so ihm zu helfen, ob man dabei wirklich sich in ihn hineinfühlen kann oder nicht, ist dann auch egal, wenn es hilft oder?
Das was du kritisierst sind, glaube ich, solche Menschen, die aufgrund irgendeines Dranges sozial erwünscht zu agieren und nur ein paar Worte sagen, um sich nachher besser zu fühlen, jedoch das eigentliche Problem, die eigentlichen Sorgen, damit unter den Teppich kehren. Das entspricht dem Nicht-wahr-haben-Wollen, dass es anderen Menschen schlecht geht. Jedoch fehlt in diesem Fall, der Schmerz-lindernde-Part und so finde ich, ist deine Kritik zu recht. Es ist in gewissermaßen eine scheinheilige Anteilnahme nur um zur sozialen Erwünschheit zu handeln.
Ursachen kenne ich dafür leider keine, aber ich weiß, dass man nicht nur dabei zur sozialen Erwünschheit handeln möchte; es zeigt sich auch in vielen anderen Situationen, du hast bereits es teilweise angeschnitten. Sowas ähnliches gibt es auch in Familien, wo man oberflächlich auf das Kind eingeht, aber nie wirklich mit ihm spricht; Depressionen, deviantes Verhalten, etc. können Ausdruck dessen sein.
Vielleicht hängt auch der Trend, sich in Szene zu setzen, dieses "Be yourself", wie Latency dazu sagte, damit zusammen und es nur noch zu oberflächlicher Anteilnahme kommt; so wie es große Firmen machen, die Geld für ein Hilfwerk spenden, nur um ihren sozialen Status zu erhöhen, kümmert man sich eben um die Probleme anderer, aber dieses Kümmern kratzt nur an der Oberfläche, aber es hilft um seinen sozialen Stellenwert zu erhöhen.