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Ritter
Als der Wecker an diesem Morgen klingelte, war das Bett bereits verlassen. Noch warm, aber leer.
Das Frühstück stand unberührt auf dem kleinen Küchentisch und das Radio summte ungehört vor sich hin. Das Telefon hatte dem Wecker die Arbeit weggenommen, obwohl es nur Bote war.
Die Tür war nicht abgeschlossen worden, denn diesmal war keine Zeit dafür.
Eigentlich war es schon zu spät.
Auf den Straßen herrschte noch bedächtige Stille und die Lampen beugten sich nur zögernd der anschwellenden Helligkeit. Der Wind beobachtete diesen Szenario nur still, nicht mal die bunten Blätter und die silbernen Nebelfetzen reizten ihn zum Spielen. Er überlegte nur, ob er die dunkelgrauen Wolken am Ende des Horizontes holen oder vertreiben sollte.
Ein junge, schlanke Gestallt durchschnitt ihn in seiner Grübbelei. Gespannt folgte er ihren Bewegung. Von einer inneren Panik getrieben, rannte sie über die noch ruhigen Straßen und durch einen raschelnden Park. Ihr Herz konnte nicht mehr und mußte doch weiterschlagen.
Sie sah die vertrauten Wege nicht, nur das Ziel in ihrem Kopf.
Als sie vor dem kleinen Backsteinhaus stand, wagte sie zu hoffen. So friedlich und sanft schien es im ersten Licht der Sonne. Vielleicht war es doch nicht passiert.
Ganz sicher, sie hatte es im Halbschlaf nur geträumt und war vollkommen unsinnig aufgebrochen.
So, wie man manchmal auf den Wecker blickt, die falsche Zeit sieht und dann eine Stunde zu früh auf Arbeit ankommt.
Aber ihr Herz verlangte Gewissheit. Sie wollte es zum Schweigen bringen, doch es schlug heftig dagegen. Mit zitterndem Atem betrat sie den Treppenflur und schlich die die Treppe hinauf.
Sie hatte sich ganz sicher alles nur eingebildet. Bestimmt würde sie voll Unverständnis empfangen und sich bis auf die Knochen blamieren. Aber was, wenn sie ausnahmsweise mal doch in der Realität angekommen war ?
Vor der Tür wirbelte der Wind nervös ein paar Zeitungsfetzen auf. Er sollte vielleicht doch etwas tun.
Verloren, wie er sich in dem Moment fühlte, entschied er sich für den Regen.
Während die verunsicherte Gestalt mit zweifelndem Blick vor einer unscheinbaren Holztür stand, flackerten die Laternen verärgert über die zurückkehrende Dunkelheit. Mit einem dumpfen Grollen begrüßte das Gewitter den Wind, der nun immer wilder durch die Strassen fegte.
Das Herz wollte es wissen und die Gestalt mußte unwillkürlich klingen. Ihr würde schon eine Ausrede einfallen. Doch die Tür öffnete sich nicht. Die Panik forderte wieder ihre Aufmerksamkeit und lies sie den anvertrauten Schlüssel aus der überfüllten Hosentasche heraussuchen.
Die Tür flog auf und die Gestalt glit wie ein Schatten in die seltsam riechende Wohnung. Nein, sie hatte es doch nur geträumt. Sie hatte es sich nur eingebildet. So wie immer.
Ihr Augen waren leer, als sie das Bad betrat und sich der erste Blitz des jungen Morgens rot in ihnen spiegelte. Der Donner krachte in ihrem Kopf und formte die letzten Worte.
"Lebe wohl."
Geändert von Valada (03.12.2003 um 11:57 Uhr)
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