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Halbgott
Der Himmel ist dunkel und die Wolkendecke undurchdringlich.
Seit mehreren Stunden regnet es ununterbrochen auf die Erde.
An solchen Tagen wünschte ich, dass ich einfach in ruhe Zuhause vor meinem Fernseher sitzen könnte und mir mit einem Bier in der Hand das Programm durchforste.
Aber das Leben als Bauarbeiter ist eben nicht leicht. Und so stehe ich mehrere hundert Meter über dem Boden auf einem Stahlträger und friste mein Dasein. Jeder Tropfen Kälte platscht auf meinen Helm und verursacht Kopfschmerzen. Ich kann kaum fest stehen weil alles etwas rutschig ist. Nur eine Sicherheitsleine festgemacht an diversen Haken und Ösen verhindert eine nähere Bekanntschaft mit dem Tod. Dieses Gebäude raubt mir aber auch so schon den letzten Nerv.
Der Termin der Fertigstellung wurde meiner Meinung nach sehr eng bemessen.
Hätte ich was zu sagen, würde ich den Männern erst mal Urlaub verschaffen.
Doch ich bin nicht mal in der Lage dem Vorarbeiter klar zumachen das uns die Bolzen ausgehen.
Zumal dieser unten sicher vor dem kalten Nass in seinem, Baumwagen sitzt.
Wahrscheinlich liest er grad die aktuellen Fußballergebnisse oder wie schön das Wetter im Süden ist.
Meine Handschuhe sind schon total durchnässt und ich habe jetzt schon keinen Bock mehr.
Der Tag kann einfach nicht noch schlechter werden ich kann es mir kaum vorstellen.
Ein Blick in den Himmel sagt mir, dass es sicher nicht vor Abend auf hören wird mit Regen.
Selbst am Horizont ist kein Lichtblick zu erkennen. Kein heller Schein der mir sagen könnte: „Hey in eine paar Minuten hast du es mal wieder trocken.“ Der Tag hat Scheiße angefangen und er wird auch so enden. Es ist immer so. Erst versagt heute morgen das heiße Wasser.
Weswegen ich keinen Kaffee trinken konnte und die Dusche verwöhnte mich auch nur mit kaltem Wasser. Nichts desto trotz ich musste ich auf Arbeit. Auf der Baustelle angekommen fand ich dort nur Matsch, Kälte und Regen vor. Und weil ich auch noch der Einzige bin der die Bolzen Maschine bedienen kann und nicht Krank ist, darf ich hier oben rumhocken.
Es ist fast Mittag, sagt jedenfalls die Anzeige auf meiner Armbanduhr. Welche natürlich nicht Wasserdicht ist. Ein lautes Tönen aus der Sirene gab mir das Zeichen zur Pause.
Hmm heute mal etwas früher als Sonst. Wenigstens hat unser Vorarbeiter etwas Anstand.
Der Weg bis zum Fahrstuhl nach unten ist leichter gesagt als getan. Zehn Meter muss ich selbst nach unten klettern über schmale Stege und feuchte glitschige Stahlträger.
Langsam setze ich einen Schritt vor den anderen. Halte mich hier und da an den Eisenkonstruktionen Fest. Nur auf den letzen Metern ist es gefährlich. Ich muss das Seil Abschnallen für einige Schritte, da es auf der Höhe des Fahrstuhls schon ein Stockwerk gibt und die Betonplatten genug sicheren Halt bieten. Dennoch bei diesem Sauwetter wäre ich ruhiger wenn ich irgendwas hätte was mich vor einem Fall aus dieser Höhe bewahrt.
Ironischer weise würde ich aus dieser Position ziemlich sicher genau in den Bauwagen krachen und dem Herren da unten einen plötzlichen Besuch abstatten. Ob er sich darüber freut ist Ansichtssache. Noch ein halbes Stockwerk liegt vor mir. Und ich bin auf relativ sicherem Grund.
Doch dann höre ich diese Stimme in meinem Kopf. „Pass auf, vor dir, es ist nicht sicher“
„Was“ sage ich Laut. Und bleibe stehen. Sehe mich um. Schaue in alle Richtungen. Doch ich kann nichts erkennen. Irgendwie kommt es mir auch so vor als würde der Regen stärker geworden sein. Ein lautes Rattern unter mir gibt mir zu verstehen , dass der Fahrstuhl mit meinen Kollegen schon auf dem Weg nach unten ist. Ich bin also der Letzte hier oben.
„Mach dir keine Gedanken. Ich werde Aufpassen das dir nichts passiert.“ Ertönte wieder diese Stimme. „Wer ist da. Wo bist du. Ich kann dich nicht sehen.“ Antworte ich, doch nichts passiert. Der Regen wird tatsächlich Schlimmer. Die Winde stärken sich, das Wasser wird mehr und in meinen Ohren rauscht es nur noch. Ich kann kaum noch erkennen was vor mit liegt weil ich die Augen vor Kälte fast nicht mehr auf halten kann. Doch ich kann nicht stehen bleiben ich muss weiter gehen. Ein paar Schritte noch dann bin ich auf der Sicheren Seite.
„Du solltest dennoch Aufpassen“ und wieder klang die Stimme in meinem Kopf.
Und diesmal lenkte sie mich so sehr ab, das ich ausrutsche.
Der nasse Stahl in Verbindung mit dem starken Wind läst mich das Gleichgewicht verlieren.
Ich rutsche aus und stürze zwei Meter tief auf den Beton. Doch der Aufprall war nicht wie erwartet.
Irgendwas fing mich auf, hielt mich fest. Etwas irritiert und nervös stelle ich mich schnell auf meine Füße. Doch als ich mich umdrehte war da nichts. Die Stelle wo ich aufkam war aus Stein. Weiß Grauer Beton gefleckt mit Regenpfützen und allerlei Bauteilen. Eigentlich hätte mein Rücken schmerzen müssen, doch nichts dergleichen war der Fall.
Ungläubig sah ich mich um, gespannt darauf etwas zu entdecken, was mir Aufschlüsse geben könnte. „Schau nicht so bedeppert. Ich habe dich doch nur aufgefangen damit dir nichts passiert.“
Die Stimme diesmal kommt sie nicht aus meinem Kopf. Erstaunt drehe ich mich in die Richtung aus der die Stimme kommt. Hoch über dem Boden mitten in der Luft schwebt sie.
Sie kuckt mir ins Gesicht und lächelt mich an.
„Wer..bist..“ Doch ehe ich zu ende reden kann unterbricht Sie mich. „Meinen Namen könntest du eh nicht aussprechen. Und du brauchst auch keine andren Fragen stellen.
Ich werde sie dir nicht beantworten. Es muss das reichen was du siehst.“
Doch das was ich sah schien mir so unglaubwürdig. Ich zweifelte an meinem Verstand.
Ich war so damit beschäftigt sie anzusehen das ich nicht einmal bemerkte das es auf gehört hatte zu Regnen.
Jedoch nur innerhalb des Konstrukts. Außerhalb davon goss es noch immer in Strömen.
Hier wo ich stand jedoch schien es als wäre die Zeit stehen geblieben.
Die Regen Tropfen standen in der Luft ich konnte sie berühren noch bevor sie auf den Boden auftrafen.
Wobei es in der momentanen Situation schien als würden sie dies für die nächsten Augenblicke eh nicht.
Doch meine Umgebung interessierte mich nicht im geringsten so sehr wie dieses Wesen, welches sich jetzt langsam zu mir herabbegab.
Langsam und sachte schwebte sie zu mir herunter und bleib vor mir stehen.
Immer noch lächelte sie mich an. Ihr Aussehen und ihr Auftreten verschlugen mir den Atem.
Vorsichtig lies ich meine Blicke über ihr Äußeres schweifen.
Gekleidet in ein weißes Gewand, welches sich sachte im nicht vorhandenen Wind bewegte.
Sie trug es wie eine Toga um den Körper gewickelt. Nur ihre nackten Füße schauten unten hervor.
„Na fehlen dir etwas die Worte“ sagte sie mit einer zärtlich beruhigenden Stimme zu mir.
„Nein.. äähm ich meine Ja doch irgendwie schon. Ich darf keine Fragen stellen und dennoch ich weis doch auch nicht. Ich denke ich werde jetzt in meine Mittagspause gehen.“
Während ich das sprach wanderten meine Augen weiter an ihr lang. Ihr Blick den sie mir entgegenbrachte war so warm und wohlfühlend. Er lies mich das schlechte vom heutigen Tage vergessen. Dieser Blick schaffte es mir selbst ein Lächeln abzuringen.
„Ja du kannst ruhig gehe“ sagte sie „ Ich passe schon auf das du heil unten ankommst.“
Nach dem sie diesen Satz beendet hatte war es wie ein Schnitt im Film.
Der Regen setze wieder ein der Sturm war wieder da und sie war weg.
Kurz erschrocken raffte ich mich zusammen und ging zum Fahrstuhl. Dieser war schon wieder auf dem Weg nach oben. „Bist du noch da“ flüsterte ich leise in meinem Kopf.
„ Ja ich bin noch da.“ Antwortete sie.
Der Fahrstuhl schien in dem Sturm zu welchem sich das Wetter nun entwickelt hatte nicht mehr klar zukommen. Wild Ratternd stockte es im Motor und dann bleib er stehen.
„Na Super“ grummelte ich laut vor mich hin „Jetzt sitze ich hier oben fest bis dieses Mistwetter aufhört.“
Doch im selben Augenblick kam mir wohl ein sehr kranker Gedanke.
„Wenn du es wagen willst zögere nicht.“ Klang ihre Stimme freundlich .
Doch ich zögerte. Die letzen Minuten erschienen mir zu Fantastisch als das sie wahr sein könnten. Ein Wesen jenseits aller Vorstellung ist einfach da und redet mit mir in meinem Kopf.
Dazu ist sie auch noch so wunderschön und bezaubernd, dass jeder Gedanke an sie einfach herrlich war. Und das obwohl ich sie nicht länger als wenige Augenblicke gesehen habe.
„Na gut ich will es wagen“ sagte ich Lauthals und stellte mich an den Rand des Bauwerks.
Ein letztes mal betrachtete ich den Himmel und den Regen. Den Horizont und die Stadt unter mir. Ich holte noch einmal tief Luft durch meine Nase um den Geruch des Lebens zu köstigen, welches ich jetzt so leichtsinnig auf Spiel setzen würde.
Einen Atemzugspäter war ich auch schon auf dem Weg nach unten. Nicht mit dem Fahrstuhl , nicht mit einem Seil oder anderen Hilfsmitteln Nein ich bin einfach gesprungen.
Der Weg zum Boden erschien mir unendlich. Und um nicht den Aufprall zu sehen drehte ich mich auf den Rücken Und lies mich einfach fallen. Die Welt um mich herum wurde auf eine komische Art und weise so unendlich langsam. Jeder Regentropfen schien so langsam zu fallen, dass ich ihn ohne Mühe hätte einfangen können.
Der Sturm, der Wind alles war vergessen, auch die Sorgen und Probleme die ich Hatte nichts davon war mehr von belangen.
Doch so ewig mir die Zeit vorkam so ewig war sie nicht. Mit einem knallen krachte ich in den Bauwagen. Nach dem dieser Völlig in sich zusammen brach und mich unter sich begrub.
War es dunkel und still. Ich hörte nichts und sah nichts. Nur ein leuchten in der Ferne.
Und dann erklang wieder ihre wunderbare Stimme „Keine Sorge es ist dir nichts passiert. Beweg dich, Steh auf, Sieh dich um.“ Zuerst traute ich mich nicht mich zu bewegen, doch meine Neugierde war stärker. Und so bewegte ich einen Körperteil nach dem anderen. Erst die Hände, dann die Arme und dann die Beine um zu sehen ob ich diesen Sprung tatsächlich überlebt hatte.
Stimmen drangen von Außen in das innere des Schrotthaufens, welcher Früher ein Bauwagen war.
„Verdammt wie ist das passiert“ hörte ich jemanden sagen. Anderes klang wie „Der Sturm muss ihn runtergeworfen haben.“
Dann wurde dieses Leuchten heller und heller. Letzten endlich griffen mehrere Arme nach mir und ich bekam sogar ein „Jungs nichts passiert ich lebe noch aus dem Mund“
Als sie mich rausgezogen hatten. Standen viele um mich herum und kriegten ihren Mund nicht mehr zu. Da ich sie anlachte und freudestrahlend Aufstand als wäre das alles nicht passiert.
Als ich in ihre erstaunten Gesichter blickte, musste ich grinsen.
„Wie ..wie.. was..“ Stammelnd versuchte mein Vorarbeiter irgendwelche Fragen aufzusagen. Doch er war nicht so ganz in der Lage dazu.
Der Regen war aber immer noch da. Nur nicht mehr so stark. Anscheinend tobte dieser Sturm nur da oben. Ein Blick hinauf zeigte mir warum keiner das glaubte was so eben passierte. Es müssen gut und gerne hundertfünfzig Meter gewesen sein. Na ja mit einem Engel wie diesem an meiner Seite wundert mich das nicht. Denn jetzt konnte ich mir nichts anderes vorstellen. Kein andres Wesen kommt für mich in Frage
Nichts sonst könnte mich so beschützen wie Sie.
Für einen kurzen Moment hielt ich inne und blickt den anderen in Ihre Gesichter.
„Chef, ich nehm mir für den Rest des Tages frei“ sagte ich dann freundlich und ging in Richtung meines Autos das wenige Meter entfernt auf einem Parkplatz stand.
„Was wirst du nun Tun“ erklang es wieder in meinem Kopf. „ Ich .. hmm nichts. Es ist schön einen Engel zu kennen. Ich wünschte auch du wärst mein Engel. Doch ich denke nicht das ich das Recht dazu habe dich für mich alleine zu Beanspruchen. Dennoch danke ich dir das du mir heute einen so miesen Tag so schön hast werden lassen.“
„Keine Ursache dafür bin ich ja da.“ Antwortete sie sanft.
Bevor ich ins Auto stieg kam mir noch jemand hinterhergerannt. Irgend einer meiner Kollegen ich kenne seinen Namen nicht, aber er ist für die Sicherheit glaube verantwortlich.
„Hey warte.“ Kam er keuchend angerannt. „Kannst.. Du dich.. an irgendetwas von da Oben erinnern.“ Stammelte er hervor.
„Nicht viel.“ Gab ich Stirnrunzelnd zurück. „Aber irgendetwas muss doch gewesen sein. Bist du ausgerutscht oder hat der Wind dich das Gleichgewicht verlieren lassen.“ Fragte er während ich ins Auto stieg und den Motor anließ.
„Ja doch jetzt wo du es Sagst. Es gibt da etwas das geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“
Wartend wie ein Kind auf sein Geburtstagsgeschenk sah er mich an.
„.. An saphirgrüne Augen so bezaubernd wie nichts andres auf der Welt und feuerrote Haare welche sich im Wind wiegen wie lodernde Flammen.“
Ich startete den Motor und lies meinen Kollegen im Regen stehen.
Und während ich auf die Ausfahrt der Baustelle zu steuerte, flüsterte ich leise vor mich hin, obgleich der Tatsache, dass sie es hören würde. „Ich wünschte du wärst mein.“
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