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Ich glaube da würde dir Decartes nicht zustimmen. Er hat ja gesagt, dass der böse Geist der einem die Welt vorgaukelt nicht existieren kann, WEIL es Gott gibt. (Gott beweist er damit, dass etwas unvollkommenes immer von etwas vollkommenerem geschaffen wird. Am Anfang davon steht Gott, der vollkommen ist)
Ich gebe dir recht, Descartes würde meiner Interpretation nicht zustimmen. Dazu kommen wir hier in einen Patt, weil du dich entschieden hast, dass Gott existiert und ich, da ich keine Aussage über ihn treffen kann, im Sinne der Aufrichtigkeit und Klarheit das Gegenteil vertreten muss.

Aber um auf die wortgewandte und gefinkelte Descartes-Kritik zurückzukommen: Das wir unvollkommen sind, ist nicht zu bezweifeln und davon abgeleitet werden auch unsere Werke unvollkommen sein. Aber wenn Gott vollkommen ist, wieso soll es dann außerhalb seiner Möglichkeiten liegen, etwas volkommenes zu schaffen? Es ist immer anmaßend, sich selbst mit Gott zu vergleichen, aber zuerst sagen, dass man selbst unvollkommen ist, dann behaupten, dass Gott Vollkommen sein muss, aber nicht fähig, in seiner Vollkommenheit und Übermenschlichkeit etwas zu schaffen was ihm gleichkommt, das unterstellt ihm Fehlerhaftigkeit und würgt Gott auf ein menschliches Niveau herab. Wenn Gott ein fehlerhaftes Werk vollbringt, so ist er doch nicht mehr vollkommen.
Folglicherweise kann es einen 'Gott' geben, aber es muss auch ein unvollkommener Demiurg, ein Weltenbauer, existieren der die unvollkomene Welt geschaffen hat. Dieser kann durchaus alle Eigenschaften haben, die Descartes seinem Dämonen zuschreibt, da er unvollkommen ist, wie sein Werk beweist. Ein vollkommener Gott könnte doch gar nicht anders, als zumindest etwas vollkommenes zu erschaffen. Alles andere würde seine Vollkommenheit in Zweifel ziehen.

Zwischendurch will ich auch mal meinen eigenen Stil durchscheinen lassen: Wie kann die Vollkommenheit den Definiert werden? Welche Eigenschaften kann man ihr denn schon zuweise?

Des weiteren beweist Descartes die Existenz Gottes nur in Abhängigkeit seiner selbst, wenn er sagt, dass die Idee eines unendlichen Wesens nicht von ihm selbst stammen kann. Natürlich kann sie das, die Unendlichkeit ist schließlich nur die Verneinung der Endlichkeit - Endlichkeit ohne all die ihr zugeschriebenen Attribute ist UN- oder nicht-endlich. Das 'Un' zeigt kein neues Wort an, es verneint legedlich das ihm folgende. Die Idee und die Definition seines Gottes stammt von ihm allein, nichts was nicht in der Welt existiert wurde von außen hinzugefügt. Descartes Definition ist dieser Welt, die er als fehlerhaft und unvollkommen ansieht entnommen und deshalb unzutreffend auf den vollkommenen Gott.


Descartes nimmt zusätzlich an, dass ein Selbstzweifel zweiter Stufe nicht möglich sei, wenn er in etwa sagt:

"Selbst wenn ich an allem zweifle, so kann ich an diesem Zweifel selbst nicht zweifeln. Er ist das einzige sichere."

Ich bin der Meinung, dass dieser sehr wohl möglich ist. Das selbst kann bezweifelt und verneint werden, beim Buddhismus und im indischen Tantra ist das unter verschiedenen Vorzeichen sogar gängige Praxis. Die Existenz des Selbst zieht Descartes nicht in Zweifel, seinen Ursprung sieht er in Gott. Wenn jemand aber nicht an Gott glaubt, so muss er im Ersten Schritt annehmen, dass nichts außer ihm existiert, im zweiten Schritt wird er dann begreifen, dass wenn nichts außer ihm existiert, seine eigene Existenz keinen Ursprung haben kann, denn hätte er sich selbst geschaffen, müsste sich daran erinnern können - folglich muss auch er selbst eine Illusion sein. Die Illusion, in der er leben muss, ist aber mit so großen Mängeln behaftet, dass es besser wäre, nicht zu existieren. Selbstmord wäre eine nutzlose Option, etwas, das nicht existiert, kann sich nicht durch eine nicht-existente Handlung auslöschen. Folglicherweise scheint die beste Lösung das vollständige Erkenntnis der Illusion auf zweiter Stufe zu sein - wenn man erleuchtet über die Existenz ist, so muss man sogar noch über diesen Zustand hinweg kommen, um alle Bindungen gelöst zu haben.

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Aber wie wir die anderen Menschen wahrnehmen ist doch wieder subjektiv, also kann es auch hier sein, dass alles nur von uns selbst abhängt und die anderen Menschen vielleicht gar nicht existieren. Siehst du deine Wahrnehmung als subjektiv an, so kann das so nicht stimmen.
Ich trenne Wahrnehmung und Existenz. Die Wahrnehmung ist subjektiv und durch verschiedene Mechanismen verzerrt, aber an die Existenz der anderen glaube ich so wie du an die Existenz Gottes glaubst. Aber nicht aus Überzeugung, sondern weil genügend andere an sie glauben und wenn ich in Aufrichtigkeit leben will ohne in allzu große Konflikte mit meiner Umgebung zu kommen, so muss ich diesen Glauben ebenfalls annehmen.
Ich kann aus der Erfahrung der Wesensschau heraus auch die andere Meinung vertreten - das meine Mitmenschen und die Welt um mich keine objektive Existenz haben - aber wenn ich in dieser Vorstellung aufrichtig leben will, so wird mein Leben nicht mehr lange währen. Ich würde vom nächsten 'unrealen' auto überfahren werden.