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Ehrengarde
„Wieso seid ihr hier?“, fragte er nach einer Weile, um vom Thema abzulenken. „Hier halten sich sonst keine Menschen auf.“ Verena sah zu Boden. „Wir... sind Flüchtlinge. Vor zwei Wochen wurde unser Dorf angegriffen. Nichts, was Euch interessieren könnte.“ Ihre Stimme klang sonderbar rau. Vandell überlegte. Auf dem östlichen Kontinent waren vor einiger Zeit kleinere Scharmützel gemeldet worden. „Ihr stammt vom östlichen Kontinent?“, fragte er vorsichtig. Verena nickte. „Ich spüre, dass sie uns noch immer verfolgen. Mikarai war an einen ihrer Anführer versprochen, aber Ryoga wird sie nicht gehen lassen. Ich fürchte, dass er etwas Dummes tut, wenn sie hierher kommen.“ Vandell sah zu Ryoga und Mikarai hinüber. „Wo hat er so zu kämpfen gelernt?“, fragte er Verena. Sie lächelte stolz. „Er hat es sich selbst beigebracht. Niemand zuhause konnte ihn schlagen.“ Vandell nickte. Ryoga hatte eine außergewöhnliche Begabung für den Schwertkampf. Sein Stil war Vandells eigenem ähnlich. „Glaubst du, dass er sich von mir ausbilden lassen würde?“, fragte er Verena nachdenklich. Sie blinzelte. „Von Euch? Natürlich würde er! Die Legenden des Hexenritters haben ihn schon immer fasziniert!“ Sie seufzte. „Das einzige Problem ist, dass wir nie an einem Ort bleiben können. Sie würden uns finden.“ Sie machte ein finsteres Gesicht. „Aber lange können wir nicht mehr weiter.“ Vandell sah wieder zu der kleinen Gruppe hinüber. „Das braucht ihr auch nicht.“, entschied er schließlich. Verena sah ihn verständnislos an. Ohne ein weiteres Wort ging Vandell zu den Felsen hinüber und berührte eine getarnte Stelle an einem großen Felsbrocken. Ein kleiner Monitor wurde sichtbar. Aus einem getarnten Mikrofon drang eine freundliche Stimme: „Bitte geben Sie Ihren Zugangscode ein.“ Verschiedene Symbole wurden auf dem Monitor sichtbar. Vandell berührte sie in einer bestimmten Reihenfolge und beugte sich vor, um die Netzhautkontrolle vornehmen zu lassen. „Warnung!“, ertönte die Stimme. „Nicht registrierte Personen befinden sich im unmittelbaren Umkreis.“ Vandell richtete sich wieder auf. „Schon gut. Sie stellen keine Bedrohung dar. Sie werden mich begleiten.“, meinte er kühl. Ein Piepsen war zu hören, dann wurde der Eingang zur Stadt enttarnt. Ein kurzes Aufflackern zeigte, dass das Kraftfeld außer Kraft war.
Als Vandell sich wieder umdrehte, starrten die Menschen mit offenem Mund den Eingang an. „Ich würde vorschlagen, ihr fangt an zu packen. Eure Freunde werden gleich hier sein.“ Er trat zur Seite und machte eine einladende Geste. „Magie!“, entfuhr es Shoun. Er machte wieder seltsame Zeichen vor der Brust. „Nein, nur simple Tarntechnik.“, wiedersprach Vandell. „Aber ihr solltet wirklich gehen. Ein Schiff hat soeben am Strand angelegt. Zwölf Männer werden gleich hier sein.“ Er spürte die Wut in den Männern deutlich. Schnell begann Verena, die zwei Kinder und Shoun zum Eingang zu scheuchen. Mikarai und Akari sammelten hastig ihre Habseligkeiten auf und folgten ihnen, während Ryoga und Jerkin sich wachsam umsahen. Vandell lächelte humorlos. „Ihr könnt ruhig gehen. Ich halte sie noch eine Weile auf.“ Die beiden Männer zogen sich widerstrebend zurück. Vandell atmete tief durch und machte einige langsame, fließende Bewegungen, die seine Muskeln lockerten. Als der Erste der Verfolger aus dem Wald auftauchte, schrie er auf und machte einen grotesken Sprung nach hinten. Seine Kumpane erschraken ebenfalls, als sie Vandell sahen. Die Sonne war fast untergegangen, deshalb schienen Vandells Augen ein bisschen heller zu leuchten. Flüchtig dachte Vandell daran, dass er mit einem wehenden Umhang wohl etwas beeindruckender ausgesehen hatte, aber sein Aussehen schien die Männer auch so schon genug zu schockieren. Als die Männer sich wieder gefangen hatten, trat einer von ihnen vor und zog sein Schwert. „Aus dem Weg, Dämon!“, schrie er Vandell zu. Der konnte deutlich hören, wie Ryoga hinter ihm „Au weia!“ murmelte. Er lächelte dünn. „Was ist, wenn ich nicht aus dem Weg gehe?“, rief er dem Mann zu. Der zuckte zusammen. „Ich habe keine Angst vor dir, Ausgeburt der Hölle! Ich weiß, wie man mit Deinesgleichen umgeht.“ Er hielt plötzlich einen Lederbeutel in der Hand und öffnete ihn. Vandell konnte ein Pulver darin erkennen. Der Mann streute eine Handvoll davon vor sich aus und murmelte einige dunkel klingende Worte. Das Pulver begann zu leuchten und flog auf Vandell zu. Der blieb gelangweilt stehen und machte eine Geste, ehe das Pulver ihn erreichte. Es fiel dicht vor ihm harmlos zu Boden. Vandell vertrödelte seine Zeit nicht mit reden, sondern ging in Angriffsposition. Vier der Männer attackierten ihn gleichzeitig. Vandell setzte über den ersten hinweg, packte die Hand des zweiten, hebelte ihn über die Schulter und setzte ihn mit einem Tritt in den Magen außer Gefecht. Der Mann hielt sich den Bauch und wälzte sich auf dem Boden. Vandell fegte dem nächsten Angreifer die Füße unter den Beinen weg und rammte ihm den Ellbogen ins Kreuz. Zwei waren bereits außer Gefecht. Er wich einem Schwerthieb aus und trat nach der Schwerthand seines Gegners. Der Mann ließ mit einem Schrei seine Waffe fallen. Ein Tritt ins Gesicht ließ ihn mit ein halben Salto zu Boden gehen. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie Ryoga den letzten mit einem Fausthieb ins Land der Träume schickte. Der Junge hielt sich die schmerzende Hand und verzog das Gesicht. „Los, verschwinde!“, rief er Ryoga zu, ehe er sich wieder seinen Gegnern zuwandte. Einer der Männer trat vor und näherte sich Vandell vorsichtig. Er hielt einen langen Stab in den Händen. Seine Bewegungen machten deutlich, dass er auch damit umgehen konnte. „Lass es!“, zischte der Mann. „Wir werden sie bekommen, Dämon. Du kannst uns nicht aufhalten!“ Vandell schrie frustriert auf. „ICH BIN KEIN DÄMON, VERDAMMT NOCH MAL!“, brüllte er. „Okay, ich bin vielleicht ein bisschen älter als ihr alle zusammen, und ich sehe auch ein wenig anders aus als ihr, aber ich bin ein MENSCH!“ Er verpasste einem der Männer, die vor ihm auf dem Boden lagen, einen Tritt, als er sich bewegte. „Dem nächsten, der mich Dämon nennt, werde ich ernsthaft wehtun, klar?“
Der Mann mit dem Stab grinste. „Du kannst die Wahrheit nicht verbergen. Du kennst den Eingang zur Hölle, und du willst die Braut unseres Häuptlings dorthin entführen. Wenn du kein Dämon bist, musst du der Teufel persönlich sein!“ Vandell fing einen beidhändig geführten Hieb des Mannes ab und entriss ihm den Stab. Er wirbelte den Stab ein paarmal herum und schlug ihn dem Mann so hart gegen die Kniekehlen, dass er einen Salto machte und stöhnend liegen blieb. Lächerlich. Wie wollten diese Männer Vandell mit Waffen besiegen, die er selbst erfunden hatte? Vandell warf den Stab weg und drehte sich um Ryoga stand noch immer hinter ihm und hatte den kurzen Kampf mit offenem Mund beobachtet.„Gehen wir.“, meinte Vandell, ohne die restlichen Männer zu beachten. Er ging gemächlich zum Eingang, wo der Rest der Familie wartete. Ryoga folgte ihm schnell. Im Inneren des Korridors legte Vandell seine Hand auf ein blaues Display und verschloss so den Eingang.
„Ich... ich weiß nicht, ob... ob wir das annehmen können. Ich meine...“, meldete sich Verena. Vandell schnitt ihr mit einer unwilligen Geste das Wort ab. „Meinetwegen könnt ihr auch hier bleiben. Allerdings wäret ihr in meinem Palast besser aufgehoben.“ Überraschenderweise war es Akari, die sein Angebot annahm. „Habt Dank. Aber wirklich nur, wenn es keine Umstände macht. Und wir werden auch nicht lange bleiben.“ Vandell lächelte dünn. „Ach? Und wohin wollt ihr gehen? Ihr könnt nicht mehr zurück.“ Die Familie schwieg.
Vandell drehte sich um und drückte auf einem weiteren Schaltpult einige Knöpfe. Eine Liftplattform wurde heraufgeholt. Normalerweise nahm er die Treppe, aber Vandell wollte das diesen erschöpften Menschen nicht zumuten. Er trat auf die Plattform und winkte den unentschlossenen Menschen, ihm zu folgen. „Geben Sie bitte Ihr Ziel an.“, erklang wieder die freundliche Computerstimme. Ohne zu zögern antwortete Vandell. „Platz der Schöpferin.“ Der Lift setzte sich sofort in Bewegung. Durch die durchsichtige Plattform kam der Boden schnell näher. Abrupt änderte der Lift seine Richtung und setzte seinen Weg durch einen horizontalen Korridor fort. Direkt unter dem Platz der Schöpferin öffnete sich ein Loch in der Decke. Der Lift glitt nach oben und stoppte.
Die Flüchtlinge sahen sich staunend um und folgten Vandell eilig, der sich bereits auf Hynes Palast zu bewegte. Er stieß das Tor auf und durchquerte rasch die erste Halle. Er bedeutete seinen Gästen zu warten und entschuldigte sich: „Ich muss nur schnell etwas holen. Ich werde eine Dienerin schicken, die sich um euch kümmert.“ Er ging weiter und blieb dann vor Hynes Schlafzimmer stehen. Er atmete einige Male tief durch und ignorierte die Geräusche, die aus dem Zimmer drangen, als er die Tür öffnete. Er beachtete Hyne und ihren Liebhaber gar nicht, die erschrocken zusammenfuhren und sich hastig trennten, sondern hob sein Schwert vom Boden auf und wollte wieder gehen. Hyne kleidete sich mittels Magie schnell an und stand auf. „Warte!“, rief sie ihm nach, als er das Zimmer verließ. „Was... was machst du hier?“ Vandell schnallte sich das Schwert wieder um und sah sie an. „Wonach sieht es denn aus?“, fragte er. Hyne starrte ihn wütend an. „Du bist nur hier, um dein verdammtes Schwert zu holen?“, schrie sie. Vandell hob eine Augenbraue. „Weshalb sollte ich sonst hier sein?“, fragte er kühl. Er drehte sich um, ohne ihre Antwort abzuwarten. Hyne lief ihm nach, als er zu der Halle zurückging.
„Du kannst doch nicht einfach so wieder gehen!“, rief sie ihm nach. „Ich will mit dir reden.“ Vandell blieb stehen. „Ich aber nicht mit Euch, Milady.“, erwiderte er leise. Hyne packte seine Schulter, aber er schlug ihre Hand weg. Er wirbelte herum und sah ihr tief in die Augen. „So etwas Schäbiges hätte ich nicht von Euch erwartet!“, zischte er. „Noch dazu nach dem, was Euch vor vier Tagen zugestoßen ist.“ Hyne trat einen Schritt zurück. „I-ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen, aber...“ Sie schluckte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. „Bist du sehr böse? Ich... ich würde es verstehen wenn... wenn du mich... hassen würdest.“, presste sie hervor. Vandell ließ sich nicht von ihren Tränen rühren. Diesmal nicht!
„Ich weiß es nicht, Milady.“, antwortete er ehrlich. „Ich brauche etwas Zeit, um darüber nachzudenken. Allein.“ Er drehte sich wieder um und setzte seinen Weg fort. Er hörte, wie Hyne hinter ihm zusammenbrach und weinte. Es zerbrach ihm das Herz, aber er blieb hart. Er befahl einer Dienerin, sich um ihre Herrin zu kümmern, und einer weiteren, sich um seine Gäste zu kümmern. Dann zog er sich zurück.
Er öffnete die Augen wieder und atmete tief durch. Nach einiger Zeit erhob er sich ungelenk und setzte sich auf das große Bett. Er stützte den Kopf mit einer Hand und starrte auf einen Punkt irgendwo hinter der Wand. Langsam streifte er den Umhang ab und warf ihn in eine Ecke.
Seine Träume hatten ihn also nach so vielen Jahren wieder eingeholt. Es musste einfach eine Vision gewesen sein, als Hyne plötzlich hinter dem jungen Ritter aufgetaucht war.
Sie war vor langer Zeit in seinen Armen gestorben.
Sie war tot!
Und doch...
Er ließ sich nach hinten sinken und starrte die Decke an.
Sie hatte genau so ausgesehen, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihre roten Augen, die schneeweiße Haut, das seidige, weiche Haar,...
Vandell seufzte. Er erhob sich und ging langsam zu einer schmalen Tür, die in eine große Halle führte, welche niemand außer ihm selbst je betreten hatte. Große Kristalleuchter spendeten ein mildes Licht. An den Wänden hingen Bilder in den verschiedensten Größen, manche wirkten düster, manche fröhlich, und alle waren so lebensecht gezeichnet, dass man sich fragte, wieso sie nicht anfingen zu sprechen. Einige waren kaum mehr als Skizzen, doch gerade diese Bilder gefielen ihm am meisten.
Vandell sah sich um. Alle diese Bilder hatte er selbst gezeichnet. Er seufzte wieder. Die Bilder im vorderen Teil waren größtenteils Landschaftszeichnungen. Er war manchmal heimlich an die Oberfläche gegangen und hatte Sonnenuntergänge gezeichnet. Manchmal hatte er auch die Menschen in der Stadt gezeichnet, wie sie einfach ihr Leben lebten. Von einem Turm seines Tempels, wo ihn niemand sehen konnte. Diese Zeichnungen drückten seinen Wunsch aus, einer von ihnen zu sein, ein normaler Mensch zu sein, der sich nicht um das Wohl eines Volkes kümmern musste. Wie oft hatte er sich gewünscht, ein normaler Mann zu sein, mit einem normalen Beruf, vielleicht auch einer hübschen Frau und Kindern...
Doch dann hatte er wieder an Hyne gedacht. Und er hatte gewusst, dass er niemals ein normales Leben führen könnte, weil er zu ihr gehörte. Weil er sie liebte.
Manchmal hatte er Stunden in Hynes Schlafgemach verbracht und sie im Schlaf gezeichnet. Ihr entspanntes Gesicht, ihr langes Haar, das teilweise ihr Gesicht verdeckte, ihr wundervoller Körper, der sich unter der dünnen Decke abzeichnete... Manchmal hatte Vandell sie dafür verflucht, dass sie ihn als ihren Ritter geschaffen hatte. Er hatte oft neben ihrem Bett gesessen und sie beobachtet. Sein Verlangen nach ihr war mit jedem Mal größer geworden, und doch hatte er einfach zugesehen, wie sie oft andere Männer zu sich genommen hatte. Vandell hatte sich lange eingeredet, dass es ihm egal wäre. Doch jedes Mal, wenn er neben ihrem Bett saß und sie im sanften Schein der Kerzen betrachtete, flammte seine Liebe zu ihr so heftig auf, dass es schmerzte.
Die gegenüberliegende Wand der Galerie wurde von einem schweren Samtvorhang verborgen. Vandell überlegte, ob er auch die Bilder, die dahinter verborgen waren, betrachten sollte, entschied sich aber dagegen. Seine Erinnerungen wurden durch die anderen Zeichnungen schon unangenehm geweckt.
Er schloss die Augen und kämpfte wieder gegen die Tränen an. Abrupt drehte er sich um, knallte die Tür zu...
...und prallte erschrocken zurück, als er die Gestalt bemerkte, die ihn aus dem Halbdunkel des Schlafzimmers beobachtete. Für einen Moment weigerte er sich einfach zu erkennen, wer sich in den Schatten versteckte, aber als Hyne ins Licht trat, wurden seine Augen wieder feucht. Er schloss die Augen.
„Ihr seid nicht wirklich hier!“, flüsterte er schwach. Ein helles Lachen ertönte zur Antwort. Vandell spürte, dass Hyne nun dicht vor ihm stand. Er öffnete die Augen. Hyne lächelte ihn warm an. Sein Widerstand schmolz bei diesem Lächeln dahin. Als sie seine Wange berührte, brach er zusammen. Er rutschte langsam an der Wand zu Boden und blieb kurz so sitzen, ohne wegzusehen. Dann beugte er sich vor, umfing ihre Knie mit den Armen und begann zum ersten Mal in seinem langen Leben zu weinen. All die Tränen, die er so lange zurückgehalten hatte, brachen nun aus ihm hervor. Hyne strich mit beiden Händen beruhigend durch sein Haar. Sie sank ebenfalls auf die Knie und nahm ihn in die Arme. „Weißt du, du siehst niedlich aus, wenn du weinst!“, flüsterte sie sanft.
Jetzt prallte Vandell erschrocken zurück. Es tat so gut, sie auf so vertraute Art und Weise zu berühren, aber sein Schmerz über seine unerwiderte Liebe und seine Angst hatte ihn über die Jahre noch verschlossener gegenüber diesen... Zärtlichkeiten gemacht, als er es schon sein ganzes Leben lang gewesen war. Hastig stand er auf und trat einen Schritt zurück. Hyne erhob sich ebenfalls.
Eine Weile wagte Vandell nicht, etwas zu sagen, aus Angst, er könnte aus diesem süßen Traum wieder erwachen. Sie war so wunderschön, wie er sie in Erinnerung hatte; Ihr hüftlanges Haar fiel in sanften Wellen über ihre Schultern. Ein langes Kleid mit einem hohen Schlitz an der Seite schmiegte sich an ihre Gestalt. Vandell konnte einfach nicht anders, als sie anzustarren.
Hyne lächelte. „Du bist noch immer so schüchtern wie früher.“, sagte sie. Vandell errötete leicht. Er sagte noch immer nichts. „Warum so still? Hast du mir nichts zu sagen, nach all der Zeit?“, fuhr Hyne fort.
Oh doch... ich möchte dir so vieles sagen, aber... , dachte Vandell schaudernd. Verlegen sah er zu Boden. Hyne ging achselzuckend an ihm vorbei. Vandells Herz schlug schneller, als sie dicht an ihm vorbei huschte. Zu spät bemerkte er, dass sie sich auf die Gemäldegalerie zu bewegte. Erst, als sie die Tür öffnete, reagierte er, aber es war schon zu spät. Hyne trat in die Galerie und sah sich staunend um. Sie ging an den ersten Bildern vorbei und blieb bei den Zeichnungen stehen, die sie selbst zeigten. Vandell wagte nicht, ihr ins Gesicht zu sehen, als sie sich zu ihm umdrehte.
„Das ist wirklich...“, begann sie, doch sie brach sofort ab, als sie Vandells unglücklichen Gesichtsausdruck bemerkte. „Was ist los?“, fragte sie ihn sanft. Vandell sah an ihr vorbei, als er sagte: „Ihr... solltet das hier nicht sehen. Ich... ich meine...“ Er brach ab und sah sie verlegen an.
Hyne lächelte amüsiert. „Oh, es stört mich nicht, dass du mich gemalt hast, wenn du das meinst!“, meinte sie. Vandell schüttelte den Kopf. „Ja! Nein!... Es ist nur...“ Er brach wieder ab. Sein Blick glitt nervös über den Vorhang an der Wand auf der anderen Seite. Hyne bemerkte seinen Blick natürlich. Sie drehte sich wieder um und schob den Vorhang mittels Magie zur Seite.
„Nein!“, rief Vandell erschrocken, doch es war schon zu spät. Hyne starrte auf die Bilder, die zum Vorschein gekommen waren. Sie sah sich selbst und Vandell, sie küssten sich auf den meisten Bildern wie ein Liebespaar, oder sie hielten sich einfach an den Händen, oder sie selbst lag in seinen Armen...
Hyne war überwältigt von der Schönheit der Bilder. Sie trat näher an eines der Bilder und sah es genauer an. Es war noch nicht fertig, aber trotzdem wunderschön. Vandell schien auf dem Bild zu lächeln, während er sie küsste. Es wirkte so... so natürlich, dass es beinahe schmerzte. Hyne berührte das Bild sanft und drehte sich dann wieder um. Ihr fiel auf, dass sie Vandell noch nie lachend und nur selten lächelnd gesehen hatte.
Vandell trat einige Schritte zurück und lehnte sich gegen die Wand. Seine Hände zitterten, und eine sehr intensive Röte legte sich über sein Gesicht. Als Hyne ihn ansah, zuckte er unmerklich zusammen. Scheinbar gelassen blieb Hyne vor ihm stehen und musterte ihn schweigend.
„Denkst du, wir würden das auch so gut hinkriegen?“, fragte Hyne schließlich. Vandell starrte sie an. Er hörte zwar ihre Worte, aber er verstand sie nicht. „Was?“, fragte er vorsichtig.
Statt zu antworten, nahm Hyne seine Hände und legte sie um ihre Taille. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und näherte ihre Lippen seinen...
Vandells Puls raste, und seine Hände pressten sie beinahe automatisch gegen ihn. Seine Knie wurden weich, als ihre Lippen seinen Mund berührten. Zuerst waren ihre Küsse kurz, beinahe schüchtern, doch dann, als er ihre Küsse zaghaft erwiderte, schmiegte sie sich enger an ihn und küsste ihn so lange, bis er sich von ihr losriss und einige Schritte zurücktaumelte. Er hob eine Hand an die Lippen und starrte sie mit großen Augen an. Hyne war selbst überrascht. Sie betrachtete Vandell genauer: Er stand vor ihr, zitterte am ganzen Leib, als hätte er Fieber. Seine Augen leuchteten, aber in seinem Blick lag auch eindeutig Angst. Angst vor den Gefühlen, die er so lange unterdrückt hatte, und die jetzt aus ihm hervorzubrechen drohten.
„Keine Angst.“, flüsterte Hyne. Sie streichelte sanft seine Wange und küsste ihn noch einmal. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich eng an ihn. Als sie ihren Mund wieder von seinem löste, sah sie, dass er wieder weinte. „Was ist denn?“, fragte sie erschrocken. Vandell lächelte. „Ich liebe dich...“, flüsterte er ihr ins Ohr. Hynes Herz setzte für einen Moment aus. So lange hatte sie darauf gewartet, dass er diese Worte sagte...
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