Als sie wieder aufwachte, lag sie in ihrem eigenen Bett. Es musste einige Zeit vergangen sein, denn das blutige Laken war offenbar ausgetauscht worden und jemand hatte sie selbst gebadet. Ihr Haar war noch feucht. Sie trug ein kurzes Nachthemd aus Seide, ähnlich dem, das sie vorher auch getragen hatte. Sie sah sich um und bemerkte, dass Vandell an einem Fenster stand und nach draußen sah. Er schien noch blasser zu sein als sonst, aber er war nicht verletzt. Als Hyne sich aufsetzte, wirbelte er herum und starrte sie an.
„Milady? Seid Ihr in Ordnung?“, fragte er etwas unsicher. Hyne nickte, streckte sich und fragte ihn, wie lange sie geschlafen hatte. Vandell kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und überlegte. „Drei... oder vier Tage, glaube ich.“, antwortete er zögernd. Hyne zuckte überrascht zusammen. „Drei Tage?“, hakte sie nach. „Eher vier. Hier drin lässt sich die Zeit so schlecht abschätzen.“, meinte Vandell achselzuckend. Hyne blinzelte. „Du warst die ganze Zeit hier?“, fragte sie überrascht. Vandell wurde rot und wich einen Schritt zurück. „I-ich wollte nicht, d-dass E-euch noch einmal jemand... etwas antut.“, stammelte er nervös. So verunsichert hatte sie ihn noch nie gesehen. Sie wischte sich noch einmal über die Augen und fuhr mit den Fingern durch ihr nasses Haar. Grinsend beschloss sie, ihn noch ein bisschen mehr zu verunsichern. „Wer hat mich eigentlich gebadet? Du etwa?“, fragte sie schelmisch grinsend. Sie musterte Vandell, der erschrocken einen Satz nach hinten machte. „N-nein, Milady! E-eine Eurer D-dienerinnen, M-milady! I-i-ich k-könnte doch nicht...“ Er verstummte und biss sich verlegen auf die Unterlippe. Hyne seufzte. Schade! , dachte sie. Laut sagte sie: „Schon gut. Ich weiß, dass du das nie tun würdest.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Er sah weg und atmete tief durch. Dann sagte er leise: „Milady, ich muss mit Euch reden.“ Hyne lächelte wieder. Dieses Lächeln hätte ausgereicht, um jeden normalen Mann verrückt zu machen, aber Vandell blieb... vergleichsweise... ruhig. Hyne klopfte neben sich auf das Bett. „Setz dich!“, meinte sie noch immer lächelnd. Vandell zögerte noch einen Moment, dann setzte er sich neben sie. „Was ist los?“, fragte sie. Vandell sah auf und sah ihr fest in die Augen. „Milady, ich... ich möchte mich verabschieden.“ Hyne runzelte verwirrt die Stirn. „Verabschieden?“, wiederholte sie. Vandell nickte. „Ich... werde diese Stadt verlassen, Milady!“, erklärte er mit fester Stimme. Hyne packte erschrocken seine Hand. „Was redest du da?“, wollte sie wissen. Vandell zuckte zusammen und sah weg. „Ich kann Euch nicht mehr dienen. Ich habe schmählich versagt!“, flüsterte er. „Ich bin es nicht wert, länger Euer Ritter zu sein! Ich habe Euch nicht vor diesen Schurken beschützt...“
Hyne fühlte sich, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. „Aber... aber weshalb...?“, krächzte sie. Sie spürte Tränen in ihren Augen und versuchte, sie zurückzuhalten. „Wieso willst du deshalb gleich fortgehen? Es war doch nicht deine Schuld!“ Vandell stand auf. „Ich werde gehen, Milady. Ich kann nicht mehr Euer Ritter sein, nach dem, was vor vier Tagen passiert ist. Ihr könnt mich unmöglich noch als Ritter haben wollen.“, meinte er mit zitternder Stimme. Hyne stand ebenfalls auf... und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
„Jetzt hör einmal mit diesem Ritter-Scheiß auf!“, schrie sie ihn an. Vandell legte überrascht eine Hand an die Wange und starrte sie an. „Du wirst auf keinen Fall einfach verschwinden! Ich brauche dich hier, du Idiot!“, brüllte sie. Insgeheim war sie überrascht, dass sie das wirklich gesagt hatte. Vandells Augen weiteten sich verblüfft. „A-aber... warum?“, brachte er hervor. Einen Moment lang war sie versucht, ihm den wahren Grund zu sagen, doch sie entschied sich dagegen. Sie konnte ihm einfach nicht sagen, wie sehr sie ihn liebte...
„Weil du mein bester Freund bist.“, sagte sie stattdessen. „Mein einziger Freund! Du bist der Einzige, der sich traut, mir ins Gesicht zu sagen was er denkt. Du bist der Einzige, mit dem ich vernünftig reden kann, verdammt!“ Sie drehte sich um und legte sich wieder auf das Bett. Sie vergrub ihr Gesicht in den weichen Kissen und weinte. Als Vandell sanft ihre Schulter berührte, schlug sie seine Hand weg. „Hau doch ab! Lass mich hier doch alleine! Was ich davon halte, ist dir ja sowieso egal!“, schrie sie. Vandell setzte sich neben ihr hin und nahm sie sanft in die Arme. „Es tut mir leid.“, flüsterte er. „Daran habe ich nicht gedacht. Könnt Ihr mir verzeihen, Milady?“ Hyne presste ihre Wange an seine Brust und erwiderte seine Umarmung. „Natürlich, du Dummkopf!“, schluchzte sie. „Natürlich verzeihe ich dir!“
Nach einer Weile ließ er sie los und wollte aufstehen, aber sie hielt ihn zurück. „Bleib hier! Bitte! Du... du kannst doch bei mir schlafen.“, flüsterte sie. Er wirkte etwas verlegen. „Milady, ich...“ Hyne schnitt ihm das Wort ab: „Ich verlange ja nicht von dir, mit mir zu schlafen.“, meinte sie. Ich weiß ja, dass du das nicht willst. , fügte sie in Gedanken bitter hinzu. Sein Gesicht nahm eine dunkelrote Färbung an. „Ich möchte nur, dass du bei mir bleibst.“, fuhr sie fort. Vandell nickte zögernd. Er stand langsam auf und ging zum Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen. Vorsichtig tastete er sich im Halbdunkel zum Bett zurück und schlüpfte aus seinen Stiefeln. Obwohl sie kaum mehr als seine Silhouette sehen konnte, durchfuhr sie ein Schauder der Erregung, als er sein Hemd auszog und sich neben sie legte. Nein! , wies sie sich selbst zurecht. Du wirst ihn auf keinen Fall verführen! Er will das doch gar nicht! Hyne sah ihn wieder an. Aber ich will es! , entschied sie. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
Vandell legte die Hände hinter den Kopf und starrte an die Decke. Hyne konnte nicht anders als ihn anzustarren. Er sah in diesem dämmrigen Licht so verdammt gut aus!
Er bemerkte ihren Blick natürlich. Er drehte seinen Kopf ein wenig und sah Hyne an. „Ihr solltet versuchen, etwas zu schlafen, Milady.“, meinte er leise. Hyne lächelte. „Ich bin aber nicht müde.“, erwiderte sie. „Ich habe vier Tage lang geschlafen. Das müsstest du eigentlich mitgekriegt haben, Süßer.“ Sie blinzelte, als er überrascht zusammenzuckte. Habe ich ihn eben ‚Süßer’ genannt?, dachte sie errötend. Glücklicherweise konnte er das nicht sehen.
Vandell rückte ein wenig von ihr weg und richtete sich halb auf. Er beäugte sie misstrauisch und schwieg. Hyne räkelte sich behaglich und lächelte ihn an. „Was ist denn?“, fragte sie unschuldig. „Du bist doch sonst nicht so schüchtern...“ Sie stockte und verbesserte sich dann: „Gut, eigentlich bist du’s doch. Wieso eigentlich?“ Vandell zuckte wieder zusammen. „Ich... äh... ich meine... ich...“ Er brach ab und überlegte einen Moment. Sein Blick huschte nervös durch den Raum. „Keine Ahnung!“, gestand er schließlich.
Hyne kam plötzlich ein Gedanke. „Vandell? Warst du eigentlich schon einmal... mit einer Frau... zusammen?“, fragte sie zögernd. Sie wusste, dass sich beinahe jede Frau (sie selbst eingeschlossen) in der ganzen Stadt die Finger nach ihm leckte, aber... soweit sie wusste, hatte er noch nie eine Freundin gehabt.
Vandell starrte sie an. „Milady?“, fragte er schwach. Hyne riss sich zusammen. „Warst du schon einmal... mit... einer Frau im Bett?“, fragte sie. Vandell sah blitzartig weg. Er bewegte sich unbehaglich und machte Anstalten aufzustehen, aber Hyne hielt ihn zurück. Sie schauderte, als sie seine warme Haut berührte. „Hier geblieben!“, befahl sie. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Vandell erstarrte und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein... noch nie...“, flüsterte er nach einiger Zeit. Hyne schüttelte den Kopf und lächelte verführerisch. Sie kniete sich neben ihn und drückte ihn mit einer Hand wieder in das Kissen, als er sich ganz aufsetzen wollte. Mit der anderen Hand streichelte sie seine Wange. „Das sollten wir ändern.“, flüsterte sie. Er starrte sie mit großen Augen an, als sie sich vorbeugte, um ihn zu küssen. Sie verharrte wenige Millimeter vor seinem Gesicht. Sanft legte sie ihre Arme um seinen Hals und brachte sein Gesicht ihrem noch näher, ohne ihn jedoch zu küssen. Sie spürte seinen warmen Atem, der über ihre Haut strich, und sie genoss das Gefühl. Er zitterte leicht, wagte es aber nicht, eine abwehrende Bewegung zu machen.
Hyne berührte sanft seine Lippen mit ihren. Es fühlte sich an, als hätte sie der Blitz getroffen, obwohl sie ihn kaum berührt hatte. Vandell zuckte unter ihr zusammen und verkrampfte sich. Sie küsste ihn noch einmal, diesmal jedoch länger. Er entspannte sich wieder. Als sie jedoch versuchte, ihn ein drittes Mal zu küssen, drehte er das Gesicht zur Seite und schob sie sanft, aber bestimmt von sich weg.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, sprang er auf, zog sich rasch Hemd und Stiefel an und hastete zu einer Glastür, die zu einem kleinen Balkon führte. Er zog unwirsch den Vorhang zur Seite und riss die Tür auf. Schwer atmend hielt er sich einen Moment am Geländer fest, ehe er noch einmal zu ihr zurück sah und sich über das Geländer schwang. Hyne sprang auf und schrie seinen Namen, aber es war schon zu spät. Hyne stürzte auf den Balkon und beugte sich über das Geländer. Vandell kauerte drei Stockwerke tiefer auf dem Platz, umringt von einer Menschenmenge. Langsam stand er wieder auf. Er schien nicht verletzt zu sein. Hyne atmete auf, doch sie erstarrte, als er wieder zu ihr hoch sah. Selbst auf diese Entfernung konnte sie den Schmerz in seinem Gesicht sehen. Warum tust du das? , schien sein Blick zu sagen. Hyne spürte, wie Tränen in ihren Augen brannten.
Vandell drehte sich um und lief weg.

Squall ließ Hynes Hand los. Sie kauerte weinend auf dem Boden, aber ihre Tränen versiegten allmählich. Er erhob sich langsam und half Hyne beim Aufstehen. „Und was ist dann passiert?“, fragte er. Er wusste, dass das nicht unbedingt taktvoll war, aber er musste es einfach wissen!
Hyne schüttelte den Kopf. „Wir... haben gestritten... als er mich danach... mit einem meiner Ex-Liebhaber... erwischt hat.“ Sie schniefte und wischte ihre Tränen weg. „Als er wieder zurückkam, brachte er einige Oberflächenbewohner mit. Als ich einige Jahre später meine Macht weitergeben musste, wählte ich eine von ihnen aus, weil ich wusste, dass Vandell sich um sie kümmern würde. Er mochte diese seltsamen Menschen. Besonders den Jungen, der mit der neuen Hexe verlobt war. Er hat den Jungen selbst ausgebildet.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht einmal, ob er vielleicht auch seine Kräfte weiter gegeben hat. Ich spüre nichts von ihm in dir.“
Nach einer Weile grinste Squall. „Also, jetzt bin ich mir sicher.“, meinte er. Hyne starrte ihn an. „Was meinst du?“, fragte sie tonlos.
Squall zögerte, ehe er sagte: „Er war sicher bis über beide Ohren verliebt.“ Hyne sah traurig zu Boden. „Wieso haben das alle außer mir gemerkt?“, murmelte sie. Squall sah sich unbehaglich um. Er hatte keine Ahnung, was er darauf erwidern sollte. Hyne nahm ihm die Entscheidung ab.
„In ein paar Stunden ist es ohnehin egal.“ Sie lächelte plötzlich. „Wie alt bist du, Squall?“, fragte sie. Squall runzelte die Stirn. Was sollte dieser Themenwechsel? „Achtzehn. Wieso?“, erwiderte er. „Und an welchem Tag wurdest du geboren?“, fragte Hyne weiter. „23. August. Aber wieso wollt Ihr das wissen?“, meinte Squall verwirrt. Hyne schloss die Augen und forschte in seinen Gedanken nach etwas. Ehe er etwas dagegen tun konnte, zog sie sich auch wieder zurück. „Entschuldige, aber eure Zeitrechnung ist etwas andere als unsere. Ich wollte nur sichergehen.“, meinte sie. „Sichergehen?“ Squall verstand nur Bahnhof. Hyne kicherte. „Wusstest du, dass du im Zeichen des Löwen geboren bist?“ Squall hob überrascht eine Hand an seine Kette. „Zeichen des Löwen? Was soll das sein?“ Hyne kicherte wieder. „Es überrascht mich nicht, dass du die Sternzeichen nicht kennst. Aber du solltest wissen, dass der Tag der Geburt viel über einen Menschen aussagt.“, erklärte sie. „In deinem Fall ist es ganz besonders seltsam. Löwe-Geborene sind eigentlich sehr offene und fröhliche Menschen. Und das trifft bei dir ja offensichtlich nicht zu.“ Squall lächelte. „Nein. Diese zwei Eigenschaften passen wohl am wenigsten zu mir.“ Hyne lächelte wieder. „Bei Vandell war es genauso. Ich glaube, dass haben wohl alle Hexenritter gemeinsam.“ Sie verstummte kurz. „Was mich allerdings verwundert, ist die Ähnlichkeit. Warum siehst du genauso aus wie er?“ Squall runzelte die Stirn. „He! Woher soll ich das wissen? Rinoa sieht auch genauso wie Ihr aus.“ Hyne schloss kurz die Augen. „Rinoa... sie ist deine Hexe?“, fragte sie leise. Squall nickte. „Liebst du sie?“, fragte Hyne weiter. Squall nickte wieder. „Mehr als mein Leben!“, flüsterte er. Hyne lächelte traurig. „Dann solltest du schnell gehen. Ich fürchte, sie wird deinen... Tod nicht verkraften.“ Squall zuckte zusammen. „Woher weiß sie davon?“, fragte er erschrocken. Hyne überlegte kurz. „Es ist schwer zu erklären... Ich glaube, sie hat es gespürt.“, erklärte sie. Dann drehte sie sich um. „Und du solltest jetzt gehen.“
Hyne machte eine Handbewegung. Plötzlich befanden sie sich beide an der Oberfläche der künstlichen Forschungsinsel. Squall konnte die Küste des Centra-Kontinents gerade noch erkennen.
Squall fiel noch etwas ein. „Aber wie soll ich nach Esthar kommen?“
„Mach dir keine Sorgen. Deine Freunde werden dir helfen.“ Plötzlich war Hyne verschwunden. Squall grübelte noch darüber nach, was das wohl bedeuten mochte, bis er ein Geräusch hinter sich hörte. Er fuhr herum und starrte Bahamut an, der direkt hinter ihm aufgetaucht war.
„Bahamut?“, fragte er vorsichtig. Der riesige Drache nickte. Squall verstand die Welt nicht mehr. „Aber was machst du hier?“
„Die Schöpferin hat mich gerufen. Ich bin ihrem Ruf gefolgt.“, antwortete Bahamut mit seiner majestätischen, tiefen Stimme.
Jetzt verstand Squall, wen sie mit ‚Freunde’ gemeint hatte.
„Du sollst mich nach Esthar bringen, richtig?“, fragte er. Bahamut nickte. „Aber vermisst dich zuhause denn keiner?“, fragte Squall weiter. Wäre Bahamut dazu in der Lage gewesen, hätte er wohl breit gegrinst.
„Nun, da ein gewisser Schulsprecher tot ist, sind Eure Freunde mit der Vorbereitung für eine Gedenkfeier beschäftigt, kleiner Mensch!“
Squall zögerte noch einen kurzen Moment. Dann fragte er den großen Drachen: „Könntest du mir vorher einen Gefallen tun?“

„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“, schrie Rinoa im selben Moment ihren Vater an. „Ich werde bestimmt nicht mit dir nach Deling City kommen!“
Oberst Caraway sah sie streng an. „Es ist bestimmt das Beste für dich.“, sagte er in einem Tonfall, als wäre sie eine seiner Untergebenen. Rinoa funkelte ihn an.
„Du glaubst wohl, nur weil Squall nicht mehr hier ist...“
Caraways Selbstbeherrschung bröckelte. „Dieser eingebildete Söldner hat dir nur geschadet, merkst du das nicht?“, zischte er wütend.
Rinoa wurde noch wütender. „Er ist kein eingebildeter Söldner. Er hat mir niemals geschadet. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft er mir das Leben gerettet hat!“, schrie sie ihren Vater an. Etwas leiser fügte sie hinzu: „Außerdem habe ich ihn geliebt!“
Caraway lachte. „Du weißt noch nicht einmal, was Liebe ist. Irgendwann wirst du einsehen, dass ich recht habe.“
Rinoa verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach? Wahrscheinlich, wenn ich irgendwo auf meine vier Kinder aufpasse und darauf warte, dass mein Mann aus dem Krieg zurückkommt?“, fragte sie kalt. Caraway lehnte sich zurück. „Dieser Squall wäre ohnehin nicht gut genug für dich gewesen.“
Ehe Rinoa etwas sagen konnte, hörte sie ein amüsiertes Lachen hinter sich. Caraway sah stirnrunzelnd auf, um zu sehen, wer ihm zu wiedersprechen wagte. Als Rinoa sich umdrehte, war sie wirklich überrascht.
„Cifer?“, murmelte sie. Der blonde Söldner beachtete sie gar nicht. Er ging einige Schritte auf den Oberst zu und lächelte noch immer.
„Ach, er wäre nicht gut genug für sie? Wer zum Teufel wäre es dann? Immerhin hat Squall vor einem halben Jahr die Welt gerettet.“
Inzwischen waren auch Rai-Jin und Fu-Jin im Türrahmen aufgetaucht. Fu-Jin nickte nur, während Rai-Jin Cifer eifrig beipflichtete. „Ja, das ist mal wahr! Außerdem hat ihn mal Präsident Loire zum Ehrenbürger von Esthar ernannt. Und er ist mal der einzige, der Rinoa mal davon abhalten kann, mal einfach ihre Hexenkräfte einzusetzen.“
Rinoa unterdrückte ein Lächeln, als die Miene ihres Vaters immer düsterer wurde, als er an ihre Kräfte erinnert wurde. Caraway stand steif auf. „Und er hat auch so ganz nebenbei Rinoa von Artemisia befreit. Außerdem war er derjenige, der Esthar wieder entdeckt hat. Und wie Sie bestimmt wissen, unterhält Galbadia inzwischen sehr ertragreiche Handelsbeziehungen zu Esthar.“, fuhr Cifer fort. „Und noch dazu ist er der verdammt noch mal beste Gunbladekämpfer, den diese Welt je gesehen hat. Und glauben Sie bloß nicht, dass es mir leicht fällt, das zu sagen.“ Er wollte offenbar noch etwas sagen, aber Caraway schnitt ihm mit einer zornigen Geste das Wort ab.
Er wandte sich wieder an Rinoa. „Ich werde warten, bis diese Trauerfeier vorbei ist.“, drohte er. „Dann werde ich dich mit nach Hause nehmen, junge Dame.“ Mit diesen Worten stolzierte er hinaus.
Cifer grinste nun geradezu unverschämt. „Dein alter Herr ist ja heute gut drauf.“, meinte er erheitert. Rinoa lächelte schwach. „Was willst du hier?“, fragte sie müde.
Cifer hob die Schultern. „Ich hab das von Squall gehört.“, sagte er schlicht.
„Und du bist wohl auch noch froh darüber?“, fragte Rinoa. Sie wollte es eigentlich zornig sagen, aber ihre Stimme klang nur müde.
„Warum?“, wollte Cifer wissen. Rinoa sah ihn verwirrt an. „Aber er war doch...“
„Wieso denn ‚war’?“, fragte Cifer. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Squall Artemisia überlebt hat, nur um jetzt draufzugehen? Okay, ich hasse ihn mehr als irgendeinen Menschen auf der Welt, aber ich glaube nicht, dass er den Löffel abgegeben hat. Er ist nicht der Typ, der sich von einer Hexe unterkriegen lässt.“ Er musterte Rinoa. „Dich hat er ja auch kleingekriegt.“ Seine Stimme klang völlig gleichgültig.
Rinoa spürte die Tränen, die in ihren Augen brannten. „Aber ich weiß, dass er tot ist!“
Fu-Jin winkte ab. „Schwachsinn!“, meinte die grauhaarige Kriegerin schlicht. Rai-Jin nickte. „Genau! Wir glauben mal alle, dass er noch lebt.“ Rinoa schwieg.
Cifer grinste und zog seine Gunblade. „Stimmt! Außerdem möchte ich derjenige sein, der ihn um die Ecke bringt.“, meinte er fröhlich.
Er lächelte kalt und bedeutete Fu-Jin und Rai-Jin, nach draußen zu gehen. „Ich verstehe ohnehin nicht, warum ihr so ein Theater um ihn macht. Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen würde. Die Trauerfeier meine ich. Ich würde zumindest eine kleine Gedenkfeier bevorzugen. Nur die engsten Freunde und so.“ Er verzog das Gesicht. „Is’ ja auch nicht mein Problem. Nun, wir sehen uns später.“ Er folgte seinen zwei Freunden aus dem Zimmer.
Rinoa blieb nachdenklich und bestürzt zurück.