Die Story
Die Great Ace Attorney-Duologie hat das mit Abstand beste Writing der gesamten Reihe. Kein anderes Ace Attorney-Spiel hat es bisher geschafft, mich wirklich zum Weinen zu bringen – diese beiden jedoch gleich mehrfach. Die Entwickler haben die Möglichkeit, mit einem frischen Setting und einer neuen Besetzung zu arbeiten, perfekt genutzt, um eine Geschichte zu erzählen, die viel intimer und persönlicher ist als alles, was die Hauptreihe bisher geboten hat
Die Handlung ist nicht nur düsterer sondern auch tiefgehender, wenn es darum geht, was die Charaktere antreibt. In den klassischen Ace Attorney-Spielen stehen die Fälle klar im Vordergrund – hier jedoch nehmen sich viele Szenen bewusst Zeit, um die Beziehungen zwischen den Figuren zu vertiefen. Das gab es in dieser Form in der Hauptreihe nur selten. Trotz des gewohnt starken Commedic Writings fühlt sich The Great Ace Attorney insgesamt deutlich erwachsener an – sowohl in der Erzählweise als auch in den Themen, die es behandelt.
Das Spiel stammt aus der Feder von Shu Takumi, dem Schöpfer der Reihe, der bereits die originale GBA-Trilogie sowie Apollo Justice geschrieben hat. Sein letztes Werk vor The Great Ace Attorney war Professor Layton vs. Phoenix Wright, und genau das merkt man diesem Spiel in jeder Hinsicht an. Sowohl das Setting – das London des 19. Jahrhunderts – als auch das gesamte Charakterdesign tragen eine unverkennbare Layton-Ästhetik. Das betrifft nicht nur die Optik, sondern auch die Art und Weise, wie die Figuren geschrieben sind. Viele von ihnen haben eine charmante Exzentrik, die stark an die Layton-Spiele erinnert, und verkörpern auch sonst erkennbare Layton-Charakter-Tropen.
Die Charaktere
Sherlock Holmes – Exzentrisches Genie oder inkompetenter Hochstapler? Die zentralen Charaktere des Spiels sind fantastisch geschrieben, und ich möchte hier mit Sherlock anfangen. Ich war anfangs extrem skeptisch, denn aufgrund der Promo-Materialien hatte ich den Eindruck, dass er als inkompetenter Hochstapler dargestellt wird – eine Karikatur, die mir schon beim Gedanken sauer aufstieß. Doch das Spiel bewies schnell, dass meine Sorgen unbegründet waren
Sherlock Holmes ist kein Idiot. Seine Figur folgt zwar klassischen Deppen-Tropen wie Cloud Cuckoolander, Keet und Crouching Moron, Hidden Badass, aber anders als befürchtet, macht das Spiel ihn nie zur kompletten Witzfigur. Ja, seine Schlussfolgerungen in den „Logic and Reasoning Spectacular“-Sequenzen sind oft überdreht oder nur halb richtig – aber nie völlig aus der Luft gegriffen. Statt seine Fehler zu „korrigieren“, muss Ryunosuke ihn vielmehr in die richtige Richtung lenken. Diese Dynamik zeigt, dass Holmes zwar chaotisch denkt, aber eine brillante Intuition besitzt. Zudem wird im Lauf des Spiels immer mehr klar, dass der gute Sherlock nicht annähernd so deppert ist, wie er sich gern inszeniert
Was ihn besonders von anderen Holmes-Adaptionen unterscheidet, ist die Tatsache, dass er nicht als unnahbares Genie dargestellt wird. Viele moderne Interpretationen – wie Sherlock (BBC) oder die von Robert Downey Jr. – betonen seine Arroganz und emotionale Distanz. Sherlock Holmes aus The Great Ace Attorney ist das genaue Gegenteil: Er ist ein Herzensmensch, offen, herzlich und manchmal fast naiv in seinem Optimismus. Das macht ihn zu einer ungewöhnlich warmen Interpretation der Figur – was hervorragend zum Ton des Spiels passt, und gleichzeitig wohl meine moderne Lieblingsinterpretation der Figur darstellt
Besonders auffällig ist, wie glücklich Holmes ist, wenn Ryunosuke bei ihm ist. Während viele andere Sherlock-Adaptionen ihn als Einzelgänger zeigen, ist dieser Holmes ein zutiefst sozialer Mensch, der sichtbar aufblüht, wenn er mit anderen interagiert. Seine Begeisterung in gemeinsamen Ermittlungen ist ansteckend, und es wird schnell klar, dass er Ryunosuke nicht nur als Assistenten, sondern als echten Freund betrachtet.
"Found Family" ist ein zentrales Thema der Duologie, was sich auch in seiner Beziehung zu Iris Watson widerspiegelt. Ihre Dynamik ist mehr als ein Running Gag („Haha, die 10-Jährige ist schlauer als er“), sondern wird vom Spiel immer wieder detailierter gezeichnet. Holmes ist für Iris gleichzeitig Freund, Beschützer und eine Art Ersatzvater, auch wenn sie ihn oft neckt. In seinen besten Momenten zeigt sich, dass Holmes nicht nur exzentrisch, sondern auch aufrichtig liebevoll ist – ein Kontrast zu vielen anderen Holmes-Interpretationen
Es gibt viele Momente, in denen Holmes von anderen Figuren (und auch vom Spieler) unterschätzt wird – nur um dann völlig recht zu behalten. Das Spiel spielt geschickt mit dieser Erwartungshaltung: Man denkt oft, dass er Unsinn redet, nur um dann überrascht festzustellen, dass er mit seinen unkonventionellen Methoden oft näher an der Wahrheit ist, als es auf den ersten Blick scheint. Diese Gratwanderung zwischen Exzentrik und echtem Genie macht ihn zu einem der besten Charaktere der gesamten Reihe
Ryunosuke Naruhodo ist der Hauptcharakter der Duologie und ein weit entfernter Vorfahre von Phoenix Wright. Doch anders als Phoenix beginnt Ryunosuke das Spiel nicht als junger, aber ausgebildeter Anwalt – er hat mit Recht und Gesetz praktisch nichts zu tun. Tatsächlich wird er in den ersten Minuten der Story völlig unvorbereitet in einen Prozess geworfen und muss sich aus der Not heraus selbst verteidigen.
Während Phoenix Wright in seinem ersten Fall zwar unerfahren, aber dennoch gelernter Anwalt war, ist Ryunosuke zu Beginn ein Normalo. Das hat massiven Einfluss darauf, wie die einzelnen Fälle strukturiert sind, wie die Figuren mit ihm umgehen und wie sich die Story entwickelt. Viele Charaktere nehmen ihn anfangs nicht ernst oder versuchen, ihn auszunutzen, weil sie ihn für einen unbedeutenden Amateur halten. Man sieht ihm seine Unsicherheit auch deutlich an – er stottert, schwitzt und überlegt oft lange, bevor er spricht. Besonders amüsant ist das erste Mal, als er in typischer „Ace Attorney“-Manier auf den Tisch haut, nur damit der ikonische Soundeffekt eines mächtigen Schlags ausbleibt und stattdessen ein enttäuschend lasches Klatschen erklingt
Zusätzlich zum „Naive Newcomer“-Aspekt ist Ryunosuke auch ein klassischer „Fisch aus dem Wasser“. Sobald er nach London kommt, befindet er sich nicht nur in einer völlig neuen beruflichen Rolle, sondern auch in einem fremden Land mit einem Justizsystem, das komplett anders funktioniert als das japanische. Besonders charmant ist, wie er auf die technischen und kulturellen Neuerungen seiner Zeit reagiert. Das Spiel nutzt seinen Charakter, um auf humorvolle Weise zu zeigen, wie unterschiedlich die beiden Länder damals waren – ob es um die britische Etikette, die Gerichtsverfahren oder den bloßen Anblick eines elektrischen Lichtschalters geht
Während Phoenix Wright von Anfang an ein starker Verfechter von Wahrheit und Gerechtigkeit ist, entwickelt Ryunosuke seine Überzeugungen erst im Laufe der Geschichte. Er macht eine der größten Charakterentwicklungen der gesamten Reihe durch. Im Laufe der Duologie hinterfragt er immer wieder seine eigenen Ideale und seine Rolle als Verteidiger. Was bedeutet es, jemanden zu verteidigen? Welche Verantwortung trägt ein Anwalt? Und was tut man, wenn die Wahrheit nicht so einfach auf der eigenen Seite steht? Anders als Phoenix, der als Charakter eher konstant bleibt, erlebt Ryunosuke innere Konflikte, Zweifel und Wachstum, die ihn umso greifbarer machen
Seine Beziehung zu Kazuma Asogi ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt seiner Entwicklung. Die beiden verbindet eine enge Freundschaft, die Ryunosuke nicht nur motiviert, sondern auch immer wieder emotional herausfordert.
Als ich das erste Promo-Material zu Iris Watson gesehen hab, hatte ich einen völlig anderen Eindruck von ihr. Ich dachte, sie wäre diejenige, die die Fälle eigentlich löst – das versteckte, brillante Mastermind hinter Holmes' Chaos. Doch das ist nicht der Fall. Ja, sie ist unglaublich intelligent, hat mit ihren gerade mal zehn Jahren bereits ihr Medizinstudium abgeschlossen und ist ein Genie in den Bereichen Technik und Logik, aber ihre eigentliche Rolle liegt woanders
Iris ist zunächst einmal der Kid Appeal-Charakter des Spiels – und das meine ich im positiven Sinne. Sie bringt eine spielerische, lebendige Energie in die Gruppe und dient gleichzeitig als Cloudcuckoolander’s Minder für Sherlock Holmes. Während er sich in seinen absurden Theorien verliert, ist es oft Iris, die ihn auf ihre ganz eigene Weise wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Dabei nimmt sie ihre Rolle als Holmes’ „Partnerin“ sehr ernst – egal, wie chaotisch seine Schlussfolgerungen manchmal sind
Doch was Iris wirklich auszeichnet, ist ihre Rolle in der Found Family. Sie ist weit mehr als nur ein „Sidekick“ oder Comic Relief – sie ist das emotionale Zentrum der Gruppe. Während die Baker Street Suite physisch das Zuhause der Charaktere darstellt, ist es Iris, die dieses Zuhause mit Leben füllt. Ihre Präsenz gibt den zwischenmenschlichen Beziehungen ein Fundament, und ohne sie würde die gesamte Dynamik zwischen Ryunosuke, Holmes und den anderen einen wichtigen Aspekt vermissen.
Auch wenn sie nicht im Mittelpunkt der Haupthandlung steht, ist sie dennoch ein unverzichtbarer Charakter, ohne den die Story nicht funktionieren würde. Am Ende spielte sie eine völlig andere Rolle, als ich erwartet hatte – aber genau diese Rolle war es, die das Spiel brauchte.
In den bisherigen Ace Attorney-Spielen waren Gerichtsassistentinnen oft eine Mischung aus Foil, Comic Relief und unterstützender Rolle. Doch Susato Mikotoba ist weit mehr als das. Sie ist nicht nur unfassbar kompetent und gebildet, sondern auch emotional vielschichtiger als die meisten Assistenz-Begleiter der Hauptreihe. Sie hat ihre eigenen Sorgen, Zweifel und persönliche Kämpfe – was sie nicht nur als Ryunosukes Assistentin, sondern als eigenständige Figur auszeichnet
Ein zentrales Element ihres Charakters ist ihre Beziehung zu Kazuma Asogi. Kazuma war für Susato eine wichtige Konstante in ihrem Leben, und sein plötzlicher Tod trifft sie entsprechend hart. Doch anstatt diesen Schmerz offen zu zeigen, bleibt sie äußerlich gefasst und konzentriert sich darauf, Ryunosuke zu unterstützen – auch wenn es mehr als einmal durchscheint, wie schwer ihr dieser Verlust tatsächlich fällt
Ihre Beziehung zu Ryunosuke entwickelt sich ebenfalls über die Duologie hinweg. Während sie ihn anfangs mit einer gewissen professionellen Distanz behandelt, wird die Dynamik zwischen ihnen mit der Zeit immer vertrauter. Susato ist keine bloße Beraterin oder Sidekick – sie ist eine gleichwertige Partnerin, die Ryunosuke nicht nur unterstützt, sondern ihm auch die Stirn bietet, wenn es nötig ist
Einer der besten Spielabschnitte der Duologie ist ihr Auftritt als Verteidiger zu Beginn des zweiten Spiels - in dieser Rolle hätte sie definitiv mehr Screentime verdient
Mein erster Eindruck von Barok van Zieks war, dass er ein extrem fairer Ankläger sein würde – ein Staatsanwalt, der zwar hart und unerbittlich, aber nicht böswillig, blockierend oder manipulierend handelt. Dieser Eindruck hat sich im Laufe des Spiels vollkommen bestätigt. Er ist kein Ankläger, der blind gegen den Angeklagten arbeitet, sondern jemand, der wirklich an die Gerechtigkeit glaubt – auch wenn ihn sein Ruf als „Grim Reaper of the Old Bailey“ untrennbar mit dem Tod verbindet
Was mir anfangs negativ aufgestoßen ist, war sein klar gezeigter Rassismus gegenüber Japanern. Die Duologie stellt immer wieder den periodentypischen Rassismus der Menschen in den Vordergrund, aber nur bei Van Zieks ist es ein zentraler Bestandteil seines Charakters. Ich musste mir dabei gelegentlich ins Gedächtnis rufen, dass dieses Spiel von Japanern geschrieben wurde – und dass van Zieks keine rein bösartige Figur ist, sondern jemand, dessen Vorurteile aus tiefen persönlichen Wunden stammen. Was ihn jedoch auszeichnet, ist die Tatsache, dass er diese Vorurteile im Laufe des Spiels auf realistische Art überwindet. Von Fall zu Fall baut er mehr Vertrauen zu Ryunosuke auf, bis er ihn am Ende nicht nur respektiert, sondern sogar als Freund und Vertrauten betrachtet. Diese Entwicklung ist umso bewegender, wenn man seine tragische Hintergrundgeschichte kennt
Sein Auftritt und seine Animationen sind absolut ikonisch. Sein Griff zum Weinglas, das Theatralische seiner Gesten – all das macht ihn zu einer der charismatischsten Figuren der Reihe, und nach Edgeworth zu meinem Lieblingsstaatsanwalt. Besonders sein Markenzeichen, das dramatische Zertrümmern seines Glases, ist ein perfektes Beispiel für seinen explosiven Charakter.
Sein Titel als „Grim Reaper“ ist eines der treibenden Elemente der Story. Mir war dabei von Anfang an klar, dass er nicht wirklich hinter den mysteriösen Todesfällen von Angeklagten steckt, aber das Spiel nutzt dieses Element geschickt, um Spannung aufzubauen
Van Zieks ist ein Veteran mit unzähligen Erfolgen vor Gericht, während Ryunosuke in ihrer ersten Begegnung noch nicht einmal einen einzigen Mandanten vertreten hat (außer sich selbst). Unrealistisch? Absolut. Aber es ist eine spannende – und gleichzeitig ziemlich lustige – Entscheidung der Narravite, die ihr ungleiches Kräfteverhältnis von Anfang an deutlich macht
Als ich Mael Stronghart das erste Mal sah, war mein erster Gedanke: „Well, there’s the Big Bad Evil Guy of the game.“ Sein imposantes Design, seine unnatürliche Ruhe und seine Position als oberste Justizinstanz Großbritanniens – alles an ihm schrie förmlich danach, dass er am Ende der Drahtzieher hinter allem sein würde. Und genau das war er. Doch obwohl seine Enthüllung als Mastermind für mich keine Überraschung war, hat mich eine Sache dennoch absolut schockiert: Sein Auftritt als Richter im letzten Fall. Das war ein brillanter Twist, den ich nicht kommen sah – und der seinen Einfluss auf das gesamte Justizsystem noch einmal unterstrich
Bereits in Ryunosukes erstem Fall zeigte sich, dass Stronghart mehr ist als nur eine neutrale Autoritätsperson. Dass er einen vollkommen unerfahrenen Verteidiger gegen einen der erfolgreichsten Ankläger des Landes antreten ließ, war ein bewusster Test. Doch es war nicht einfach nur ein Experiment – Stronghart wollte herausfinden, ob Ryunosuke über gewisse Dinge Bescheid wusste. Natürlich tat er das unter dem Deckmantel, dem jungen Japaner eine Chance zu geben, doch in Wahrheit war es ein eiskaltes Kalkül, das Ryunosuke das Genick hätte brechen können
Was Stronghart als Antagonisten besonders macht, ist die Tatsache, dass er sich zwar auch als Reasonable Authority Figure inszeniert, wie es viele andere mächtige Figuren in Ace Attorney tun. Er ist aber im Gegensatz zu den anderen nicht der selbstverliebte Narzisst, der Befriedigung aus der Demütigung anderer zieht. Stronghart ist nämlich blind gegenüber seinen eigenen Fehlern, was im ironischen Kontrast zu seinem Anspruch, dass alles wie ein Uhrwerk funktionieren muss, ist.
Sein gesamter Masterplan, sein Aufbau des Reaper-Mythos und seine Manipulationen innerhalb der Justiz sind ein zentrales Element der Story. Dass er jahrelang aus dem Hintergrund die Fäden gezogen hat, gibt der Duologie eine enorme erzählerische Dichte. Auch wenn ich von Anfang an wusste, dass er der wahre Drahtzieher sein würde, war die Art, wie das Spiel seinen Einfluss Stück für Stück enthüllt, extrem gut umgesetzt. Sein Plan war nicht bloß die übliche „Ich kontrolliere alles“-Verschwörung, sondern ein sorgfältig aufgebautes, systematisches Netzwerk aus Kontrolle und Einschüchterung
Der finale Fall war für mich ein starkes Highlight. Dass er sich selbst zum Richter macht und damit endgültig seine Macht demonstriert, war ein perfider, aber brillanter Moment. Wir mussten schon einen Staatsanwalt überführen, und einen Person der obersten Justiz-Instanz haben wir auch schon verknastet, aber den vorsitzenden Richter des aktuellen Falles - das war doch neu. Es war eine perfekte Inszenierung für das große Finale – und genau das, was ein Antagonist seiner Größe verdient hat.
Als Gina Lestrade das erste Mal auftauchte, dachte ich nicht, dass sie ein besonders wichtiger Charakter werden würde. Doch ihre emotionale Tiefe und Entwicklung machten sie schnell zu einem der überraschendsten Highlights der Duologie. Ihre Verzweiflung, ihr tief verwurzeltes Misstrauen und der eindringliche Appell der anderen Charaktere, dass sie lernen muss, ihr Herz zu öffnen – all das war einer der ersten Momente, in denen das Spiel klar machte, wie sehr es auf die Gefühlswelt der Charaktere fokussiert ist
Ginas Entwicklung von der Straßenkind-Taschendiebin zu einer echten Detektivin war fantastisch umgesetzt. Besonders schön ist ihre Dynamik mit Iris: Während Gina anfangs kaum jemanden an sich heranlässt, wird Iris schnell zu einer Art kleine Schwester für sie. Ihre Freundschaft ist eines der besten Beispiele für das Found Family-Thema der Duologie. Auch wenn Gina es nie offen zugibt, wird deutlich, dass Iris die erste Person ist, die sie wirklich als Familie ansieht – ein wunderschöner Kontrast zu ihrem Leben auf der Straße
Ebenfalls bemerkenswert ist ihr Cockney-Akzent, der erstaunlich gut umgesetzt wurde. Allerdings wird auch extrem klar, dass die Writer keinen blassen Schimmer haben, wie Cockney Rhyming Slang tatsächlich funktioniert. Ein Beispiel: „I can't Adam and Eve it“ für „I can't believe it“ – that's now what Rhyming Slang ist. Im echten Cockney Rhyming Slang würde man das reimende Wort eigentlich weglassen und nur sagen: „I can't Adam it“. Ein kleines Detail, das sich durchzieht, und wahrscheinlich außer mir niemanden gestört hat. 
Inspector Tobias Gregson war ein Charakter, den ich anfangs für einen typischen, leicht inkompetenten Ermittler hielt – bis das Spiel nach und nach enthüllte, dass er weitaus mehr Facetten an sich hat, als es den Anschein hat. Seine schier endlose Tüte an Fish & Chips steht als Metapher für die schier bodenlose Tiefe, die dieser Charakter mit sich bringt - just kidding (except not really). Sein Tod war zwar schockierend, aber nicht völlig überraschend – ich hatte früh den Verdacht, dass er tief in den Reaper-Plot verstrickt ist.
Was mich allerdings etwas gestört hat , ist die Art und Weise, wie seine Beteiligung als Reaper anders bewertet wird als die von Stronghart. Nur weil Gregson seine Rolle mit schlechtem Gewissen ausführte, macht das seine Taten nicht weniger schlimm. Dennoch wird er vom Spiel bis zum Ende von allen Charakteren mehr oder minder idolisiert.
Seine Beziehung zu Gina Lestrade, die er als Scotland-Yard-Lehrling aufnimmt, gibt ihm etwas emotionale Tiefe. Auch wenn er sich nie wie ein echter Mentor benimmt, ist er in gewisser Weise eine Bezugsperson für sie. Ihr Wunsch, als Ermittlerin zu arbeiten, ist zu einem großen Teil auf seine indirekte Führung zurückzuführen
Im Vergleich zu anderen Ermittlern der Reihe ist Gregson kein Gumshoe – er ist professioneller, nüchterner und im täglichen Umgang deutlich vernünftiger. Doch genau das macht ihn auch weniger ikonisch als manche andere ErmittlerfigurenSeinen wahren Wert hat die Figur damit mehr als Ideal für Gina.
Ab dem Moment, in dem sein Name fiel, war mir klar: Richter Seishiro Jigoku kann kein harmloser Nebencharakter sein. Ich wusste sofort, dass er früher oder später als Täter eines Falles enthüllt werden würde – und ich hoffte auch, dass ich recht behalten sollte. Einen Richter als Hauptschuldigen zu haben, war eine neue, spannende Idee für die Reihe, die sich am Ende als fantastische Entscheidung erwies.
Schon früh gab es subtile Hinweise darauf, dass mit Jigoku etwas nicht stimmt. Seine Mimik, Gestik und einige seiner Formulierungen ließen ihn schnell verdächtig wirken – auch wenn das Spiel ihn lange Zeit als respektablen Richter darstellte. Während er zu Beginn noch wie ein distanzierter, aber integre wirkender Beamter erschien, wurde immer klarer, dass seine Rolle weit über bloße Diplomatie hinausging
Dass er die japanische Seite der Verschwörung repräsentiert, war für mich nicht sofort offensichtlich. Es dauerte, bis sich dieses Puzzlestück richtig einfügte. Doch sobald es klar wurde, ergab sich ein starkes Gegengewicht zu Stronghart – während dieser als Strippenzieher des britischen Justizsystems agierte, war Jigoku (btw. Japanisch für "Hölle", wenn auch nicht mit den Kanji, mit dem sein Name in der japanischen Version des Spiels geschrieben wird) das Pendant auf japanischer Seite.
Was Jigokus Motiv angeht, bleibt es im Vergleich zu Stronghart etwas blass. Letztendlich scheint es ihm vor allem um Macht gegangen zu sein – aber was genau er damit bezweckte oder wie weit sein persönlicher Einfluss wirklich reichte, blieb etwas vage. Als klassischer „machthungriger Bösewicht“ ist er nicht ganz so vielschichtig wie Stronghart, aber trotzdem eine beeindruckende Erscheinung. Sein imposantes Auftreten und sein „Larger than Life“-Charakter machten ihn zu einer fesselnden Figur, auch wenn sein Plan nicht ganz so ausgefeilt wirkte wie die Verschwörung seines britischen Gegenstücks.
Kazuma Asogi – Besser als Geist als in Person? Kazuma ist eine faszinierende Figur – nicht nur wegen seiner Persönlichkeit, sondern auch, weil er zusammen mit Barok van Zieks in vielerlei Hinsicht ein Decomposite Character von Miles Edgeworth ist. Seine Entwicklung durch die Duologie hindurch ist extrem spannend, aber gleichzeitig auch eine der größten Enttäuschungen für mich
Kazuma ist Ryunosukes bester Freund, der auf der überfahrt nach London leider ums Leben kommt. Leider kann ich nicht auf ihn einzugehen, ohne den größten "Twist" zu spoilern, was auch der Grund ist, warum der ganze Artikel hinter einem Spoiler-Tag steht Kazuma überlebt. Doch so groß diese Enthüllung auch ist, überrascht hat sie mich nicht. Es war einfach zu auffällig, dass gewisse Dinge um ihn herum nicht aufgelöst wurden: Warum hat Ryunosuke keinen richtigen Abschied von ihm nehmen können? Warum wurde nie gezeigt, was er in Japan zu erledigen hatte? Das war für ein Spiel mit dieser extrem durchdachten Storystruktur untypisch. Der Schöpfer hat in Interviews gesagt, dass es ursprünglich nicht geplant war, dass Kazuma zurückkehrt – aber wenn man genau liest, merkt man, dass es zumindest in einer gewissen Form von Anfang an vorgesehen war. Es hätte mich jedenfalls schwer gewundert, wenn er nicht wiedergekommen wäre
Seine erste Begegnung mit Ryunosuke - Kazuma war Ryunosukes Verteidiger - war absolut großartig, und sein vermeintlicher Tod war ein extrem starker emotionaler Anker für Ryunosuke und Susato. Ich weiß noch genau, wie toll ich Kazuma im ersten Fall fand, und wie sehr es mich erst einmal schockiert hatte, als er zu Beginn des zweiten Falls scheinbar ermordet worden war. Ich hatte auf Grund der Storystruktur des zweiten Falls bis zum Schluss den Verdacht, dass die Auflösung "Er ist doch nicht tot!" lautet was sich aber erst im zweiten Spiel bewahrheitete. Doch genau da liegt das Problem: Seine Rückkehr konnte emotional nicht ansatzweise mit seinem „Tod“ mithalten. Die Reaktionen von Susato und Ryunosuke hätten viel stärker ausfallen müssen, vor allem, da Kazumas Tod bis dahin als eine der zentralen emotionalen Kräfte der Story diente. Das fühlte sich fast so an, als würde das Spiel selbst nicht wissen, wie es mit der Situation umgehen soll
Seine Rolle als Prosecutor mit Rachefokus ergibt natürlich Sinn – ihm geht es darum, seinen Vater, der als Massenmörder geframet und verurteilt wurde, zu rächen. Aber der Fokus auf seine Vendetta ist mir zu einseitig. Seine Beziehungen zu Susato und Ryunosuke kommen viel zu kurz, obwohl sie eigentlich im Zentrum stehen solltenSo bleibt Kazuma nach seiner Rückkehr blass und eindimensional.
Es mag gemein klingen, aber: Kazuma war ein besserer Charakter, als er noch tot war. Kein anderer Twist in der Duologie hat mich so enttäuscht wie dieser – nicht weil er keinen Sinn ergibt, sondern weil das emotionale Potential schlicht nicht ausgeschöpft wurde
Vor Gericht
Die Geschichte spielt im viktorianischen London und hat unübersehbare Professor-Layton-Vibes. Allein schon das riesige Uhrwerk in Strongharts Büro könnte genauso gut aus einem Layton-Spiel stammen. Doch auch in den Gerichtsverhandlungen setzt sich dieser Einfluss fort – und zwar mit der hanebüchen Gerichtsmechanik, die Ace Attorney je gesehen hat
Und sie ist absolut GROSSARTIG.
Zwei bekannte Mechaniken aus Shu Takumis letzten Projekten kehren zurück:
✔ Das Jury-System aus Apollo Justice
✔ Das Gruppen-Zeugenverhör aus Professor Layton vs. Phoenix Wright
Gruppenverhöre – Mehr Dynamik, mehr Chaos
Kreuzverhöre funktionieren in der Ace Attorney-Reihe traditionell so, dass der Verteidiger einen Zeugen befragt, nachhakt (Press) und im richtigen Moment einen Beweis präsentiert. In The Great Ace Attorney hingegen verhört man mehrere Leute gleichzeitig. Wie schon in PLvsPW gibt es Momente, in denen Nachhaken (Press) eine Reaktion bei anderen Zeugen triggert, was neue Gesichtspunkte aufdeckt. Diese Momente sind meist relativ offensichtlich, bringen aber eine gesunde Dynamik in die Kreuzverhöre
Wie immer ist es zielführend, im richtigen Moment einen Beweis zu präsentieren – und wie immer gibt es logische Lücken, die die Writer nicht beabsichtigt hatten. Manchmal würde mehr als ein Beweis logisch passen, aber das Spiel akzeptiert nur eine ganz bestimmte Antwort. To the game's full credit: In vielen Fällen, in denen jeder dieser Beweise auf das selbe Argument hinauslaufen würde, kann man tatsächlich alle passenden Beweise präsentieren – zumindest meistens, auch hier gibt es Oversights. Allerdings gibt es Situationen, in denen offensichtlich ist, dass die Autoren mehrere Dialogverläufe hätten schreiben müssen, wenn man zugelässen hätte, alle passenden Beweise für das folgende Argument zu präsentieren. In Solchen Fällen darf man die Beweise nur in der vom Spiel vorgesehenen Reihenfolge präsentieren. Zum Glück hält sich das Problem in Grenzen
Das Jury-System – so fucking dumb and stupid. LOVE IT!
Shu Takumi hat die britische Geschworenengerichtsbarkeit als Grundlage genommen – und sie dann komplett ins absurd-geniale Layton-Land geschoben
Das Jury-System ist großartig hanebüchen. Und ich LIEBE ES SO SEHR
Die Jury-Mitglieder:
✔ Bringen gelegentlich Fachwissen mit, ohne das Ryunosuke den Fall gar nicht gewinnen könnte. Bullshit! 😆
✔ Sitzen manchmal sogar selbst auf der Zeugenbank. WTF?! 🤯
✔ Sind in mehreren Fällen direkt in den Fall involviert – und das Spiel lampshadet es so offensichtlich, dass die Charaktere selbst vermuten, dass hier mehr dahintersteckt (was nie wirklich aufgelöst wird)
Normalerweise sitzt die Jury vor der Richterbank und stimmt ab, indem sie auf den Tisch haut – was dazu führt, dass eine Flamme neben dem Jury-Mitglied durch den Raum geschleudert wird und eine gigantische gigantische Waagschale[/b] in Bewegung setzt. Die schwarze Schale bedeutet „Schuldig“, die weiße „Unschuldig“. Und, weil das noch nicht genug Unsinn ist:
✔ Die Jury kann das Verfahren jederzeit einfach beenden, ohne dass auch nur ein EINZIGER Beweis angehört wurde
Bitte WAS?! 
Aber dahinter steckt natürlich eine Mechanik. Denn nur die Newcomer Ryunosuke und Susato entdecken DIE Klausel, die es erlaubt, das Verfahren doch noch fortzusetzen – die sogenannte Summation Examination. Normale Verteidiger geben hier einfach auf, weil sie eh wissen, dass sie keine Chance haben, aber nicht unsere Protagonisten, nein, sir!
Wenn eine Jury für „Schuldig“ stimmt - was nicht passiert, wenn man alle seine "Strikes" verliert, sondern fest geskriptete in der Story stattfindet - müssen die Mitglieder begründen, warum. Dabei ist es völlig egal, was der Grund ist – „Ich will nach Hause“ ist ein absolut akzeptabler Beitrag. 😆
Das Spiel macht bei der ersten Summation Explanation klar: Der einzige Weg, die Jury umzustimmen, ist, ihre Aussagen gegeneinander auszuspielen
✔ Beweise? Bringt nichts
✔ Nachhaken (Press)? Bringt nichts
Außer, dass das Spiel später selbst diese Regel bricht. Plötzlich MUSS man in bestimmten Summation Examinations Beweise nachhaken, was vorher ausdrücklich zwar möglich, aber auch ausdrücklich nicht zielführend war, oder kann Beweise präsentieren, was vorher nicht möglich war. Fand ich nicht ideal, aber auch nicht schlimm genug, um wirklich frustrierend zu sein
Trotzdem: Die Summation Explanation ist eine meiner absoluten Lieblingsmechaniken im Spiel. Die Atmosphäre, die Musik – einfach nur grandios. Hier versteckt sich auch einer der besten Gags im Spiel. Im zweiten Fall lesen wir einen Zeitungsartikel über einen russischen Revolutionisten. Nach allem, was wir über die Storystruktur der Reihe wissen, muss es sich hierbei um Foreshadowing handeln. Tatsächlich begegnen wir diesem russischen Revolutionisten im letzten Fall des Spiels - aber er ist kein Zeuge, der sich als der eigentliche Täter herausstellt, sondern ein russischer Tourist, der für die Jury verpflichtet wurde, und nur eine Mini-Rolle als Sachverständiger für Schusswaffen hat. 
Leider wird die Summation Examination viel zu selten eingesetzt. Im gesamten Spiel gibt hat nur die Hälfte aller Fälle diese Mechanik, und in der zweiten Hälfte des zweiten Spiels gibt es KEINE EINZIGE. Ein gewaltiger Verlust. Die Summation Examination findet meistens ein oder zweimal statt, ein einziger Fall hat aber drei davon.
Das Jury-System hätte bis zum Schluss durchgezogen werden müssen. Die Ace Attorney-Reihe hatte schon immer Showstopper-Momente, aber die Summation Examinations setzen dem Ganzen die Krone auf. Ja, sie verlangsamen das Pacing – aber es ist das absolut wert
Zwei Spiele, eine Story
Es ist offensichtlich, dass The Great Ace Attorney als eine zusammenhängende Geschichte konzipiert wurde. Spiel 1 ist dramaturgisch gesehen klar der erste Akt einer klassischen 3-Akte-Struktur, während Spiel 2 sowohl den zweiten als auch den dritten Akt abdeckt. Die Struktur ist damit völlig anders als in früheren Ace Attorney-Titeln. Besonders interessant ist, dass die letzten beiden Fälle in Spiel 2 eigentlich ein einziger Fall sind – ebenfalls ein absolutes Novum in der Serie
Spiel 1 fühlt sich dabei weniger wie ein eigenständiges Spiel an, sondern eher wie ein ausführliches Setup in die Welt, die Charaktere, und die übergreifende Story Arc. Das liegt nicht nicht nur daran, dass tatsächlich ziemlich wenig Plot stattfindet – tatsächlich gibt es viele Schlüsselmomente – aber es ist von Anfang an klar, dass es sich nur um den Auftakt einer größeren Geschichte handelt. Besonders japanische Spieler waren damals frustriert, weil das erste Spiel mit so vielen offenen Fragen endete. Ich kann das absolut verstehen – hätte ich zwei Jahre auf die Fortsetzung warten müssen, hätte ich wohl nix mehr aus dem ersten Spiel gewusst. 😆
Interessant fand ich übrigens Fall 2 von Spiel 1, der als einziger Fall der gesamten Hauptreihe keine Gerichtsverhandlung enthält. Als mir klar wurde, dass der Fall auf einem Schiff spielt, hab ich mich erst gefragt, wie ein Prozess überhaupt stattfinden soll – vielleicht ein improvisiertes Schiffsgericht unter Leitung des Kapitäns, der ja auf See die Gerichtsbarkeit hat? Doch je weiter der Fall voranschritt, desto offensichtlicher wurde, dass es gar keinen Prozess geben würde. Ehrlich gesagt fand ich das eine ziemlich coole Entscheidung, die das klassische Ace Attorney-Format auf interessante Weise durchbrochen hat
Spiel 2 hatte die schwierige Aufgabe, erst mal alle Mechaniken aus dem ersten Spiel erneut einzuführen, bevor es richtig losgehen konnte. Das ist ein unvermeidbares Problem, das bei einer Fortsetzung mit einem langen Abstand zwischen den Releases völlig logisch ist – auch wenn ich es hier nur der Vollständigkeit halber erwähne
Trotz der Zweiteilung fühlt sich der Bruch zwischen den beiden Spielen wesentlich weniger drastisch an, als er hätte sein können. Das liegt daran, dass es sich hier nicht um einzelne, nur lose zusammenhängende Fälle handelt, sondern um eine durchgehend verknüpfte Story-Arc. Während klassische Ace Attorney-Spiele ihre Fälle meist unabhängig voneinander aufbauen, ist hier jeder Fall eng mit dem nächsten verwoben. Genau deshalb hätte Spiel 1 dringend eine Art Grand Finale gebraucht – ein wirklich abschließender Höhepunkt, der das Warten auf Teil 2 etwas erträglicher gemacht hätte, was der fünfte Fall von Spiel 1 aber nicht wirklich ist.
Letztendlich ist das Pacing der The Great Ace Attorney Duologie nicht unbedingt schlechter oder besser als das klassischer AA-Titel – es ist einfach anders. Während frühere Spiele in sich abgeschlossene Episoden erzählen, musste diese Geschichte auf zwei Spiele aufgeteilt werden, was einige Strukturprobleme mit sich bringt. Doch wenn man beide Spiele als eine Einheit betrachtet, funktioniert es erstaunlich gut. Leider sahen Japanische Spieler das anders, und so hatte das zweite Spiel wesentlich weniger Budget zur Verfügung. Die Einzige meiner Meinung nach wirklich spürbare Auswirkung war die Tatsache, dass Teil 1 Animesequenzen hatte, und Teil 2 nicht.
Struktur
In der klassischen Phoenix Wright-Reihe wechseln sich Untersuchungsabschnitte und Gerichtsverhandlungen regelmäßig ab. In den frühen Spielen gab es davon jeweils bis zu drei pro Fall – eine Struktur, die ursprünglich damit begründet wurde, dass ein Prozess maximal drei Tage dauern durfte. Spätere Teile der Reihe hielten sich weniger strikt an dieses Muster, behielten aber dennoch einen deutlichen Wechsel zwischen Ermittlungs- und Gerichtssequenzen bei, egal, ob eine Verhandlung nun einen, zwei oder drei Tage dauerte
The Great Ace Attorney geht hier einen anderen Weg: Es ist eine absolute Seltenheit, dass ein Fall mehr als einen Untersuchungs- und einen Gerichtsabschnitt enthältIch glaube, es sind sogar nur zwei Fälle, die entsprechend ins Gewicht fallen (wobei ich Fall 4 und 5 von Spiel 2 als einen Fall betrachte). Aber das ist nicht der einzige Bruch mit regulären Strukturen der Reihe.
Eigentlich ist es fast schon eine Krimi-Selbstverständlichkeit: Spannend wird es dort, wo die Einsätze hoch sind, und kein Einsatz ist so hoch wie ein Mord. In TGAA ist nicht jeder Fall ist ein Mord. Abgesehen von AAI 1+2 und SoJ (die drei Spiele hab ich noch nicht gespielt) gibt es Hauptfälle, die keinen Mord beinhalten. In fast jedem bisherigen Spiel begann der erste Fall mit einer simplen Mordanklage – doch TGAA nutzt direkt im zweiten Fall völlig andere ludonarrative Stilmittel. Auch das trägt zum frischen Feeling der Duologie bei.
Logic & Reasoning
Sometimes Ace Attorney is two single dads in a long distance relationship meeting up for the first time in 10 years to overthrow the entire legal system with a song and dance number. - @mehless, Youtube"
Die Mechanik, die im Englischen als „Logic and Reasoning Spectacular“ und im japanischen Original als 「論理と推理の舞踏 (Ronri to Suiri no Butō)」 bekannt ist, gehört neben den Summation Examinations zu meinen absoluten ludonarrativen Lieblingsmechaniken des Spiels
Von der ersten Sekunde an ist sie einfach nur grandios inszeniert: Sobald Sherlock Holmes seine Theorien präsentiert, taucht die Umgebung in dramatisches Scheinwerferlicht – ein Effekt, der halb-diegetisch implementiert ist, denn die Charaktere selbst reagieren schockiert darauf, dass sich plötzlich ein Spotlight auf sie richtet. Diese völlig übertriebene Theatralik setzt Holmes perfekt in Szene und bringt seine vielschichtigen Charakterseiten zum Vorschein
Die Idee hinter der Mechanik ist so simpel wie genial:
✔ Holmes präsentiert eine absolut absurde Theorie, die in ihrer eigenen, bizarren Logik fast schlüssig erscheint.
✔ Ryunosuke muss dann durch gezielte Anpassungen der Deduktion die wahre Lösung aus dieser überdrehten Version extrahieren.
✔ Das Ergebnis: Eine spielerische Darstellung von Holmes’ Charakter – einer Mischung aus Genie, Chaos und nahezu kindlicher Begeisterung für seine eigenen Ideen. So ganz nebenbei wird hier auch der Plot vorangetrieben und die Motivationen eines Charakters enthüllt.
Nur einige Schlüsselmomente und Gedanken, an die ich mich immer wieder gerne erinnere:
✔ Sein völlig abgedrehtes Konzept eines Anti-Gravity Devices, bei dem er vollkommen überzeugt davon ist, dass es möglich ist, dass der Täter an der Decke entlangspaziert ist, weil die Möbel in einem Raum buchstäblich auf den Kopf gestellt wurden.
✔ Theorien, die völlig an der Realität vorbeigehen, aber mit einem kleinen Detail doch erschreckend nahe an der Wahrheit liegen
✔ Wie er sich mit seiner unerschütterlichen Selbstsicherheit durch jegliche Korrekturen nicht beirren lässt und einfach mit dramatischen Posen weitermacht
Besonders bemerkenswert ist der letzte „Tanz“ im finalen Fall. Ohne zu spoilern:
✔ Ein anderer Charakter als sonst begleitet Holmes durch die Deduktion.
✔ Plötzlich stehen die vorherigen Tänze aus dem gesamten Spiel in einem völlig neuen Licht: Man beginnt zu hinterfragen, wie viel von Holmes’ Dämlichkeit bewusstes Schauspiel war und wie viel einfach Teil seines Wesens ist
✔ Die gesamte Dynamik verändert sich – Holmes’ Verhalten unterscheidet sich auffällig von vorherigen Szenen, was nicht nur ein erzählerischer Kniff ist, sondern auch eine bewusste Charakterstudie
Diese Mechanik ist nicht nur ein spielerisches Gimmick, sondern ein perfekt eingebundenes Werkzeug, um Holmes als Charakter zu definieren – mit all seinem Chaos, seinem Genie und seiner übertriebenen Showman-Persönlichkeit. Einfach nur brillant
Charakteranimationen
The Great Ace Attorney hebt die Charakteranimationen der Reihe auf ein neues Level. Während in früheren 3D-Teilen bewusst eine gewisse „Abgehaktheit“ beibehalten wurde, um den 2D-Stil der Originalspiele zu imitieren, wurde hier darauf verzichtet – eine Entscheidung, die ich absolut begrüße. Die Bewegungen sind nun deutlich flüssiger und natürlicher, ohne dabei an Übertreibung und Ausdrucksstärke zu verlieren
Ryunosukes gesamte Körpersprache verkörpert seine anfängliche Unerfahrenheit auf brillante Weise. Im Gegensatz zu Phoenix Wright, der sich in seiner ersten 3D-Darstellung zwar manchmal unbeholfen, aber dennoch kompetent verhält, ist Ryunosuke in den ersten Fällen ein absolutes Nervenbündel.
✔ Er schwitzt in Extremsituationen sichtbar und wischt sich nervös den Schweiß ab
✔ Wenn er ein Argument vorträgt, sich dessen jedoch nicht ganz sicher ist, schlägt er mit zögerlicher Kraft auf den Tisch – nur damit der ikonische "Wums!"-Soundeffekt Soundeffekt ausbleibt und durch ein lasches Klatschen ersetzt wird. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich diese Animation liebe 
Wenn es um übertriebene Animationen geht, führt in TGAA kein Weg an Barok van Zieks vorbei. Der „Reaper of the Bailey“ ist ein Meister der theatralischen Inszenierung:
✔ Sein ikonisches Weinglas: Er nimmt einen Schluck, hält eine dramatische Pause – und dann, wenn der Moment perfekt ist, zerschmettert er das Glas in seiner Hand oder schleudert es gegen eine Gaslampe, wo es explodiert.
✔ Seine beeindruckende Pose mit einem Bein auf der Anklägerbank
✔ Zugutzerletzt das Schleudern der Weinflasche in die Zuschauerbank, wenn er extrem enerviert ist.
Breakdowns – Weniger, aber stärker: Traditionell gehören die Animationen der Täter, wenn sie überführt wurden zu den Highlights jedes Ace Attorney-Spiels. Doch aufgrund der ernsteren Story von TGAA gibt es deutlich weniger - und deutlich weniger spektakulärere - von ihnen. Ich fand das absolut stimmig – denn wenn es dann doch passierte und in die Story passte, waren die Breakdowns epischer als je zuvor.. Der letzte Täter des letzten Falles hat den beste Breakdown der gesamten Reihe.
Übersetzung
Die Übersetzung steht den anderen Ace Attorney-Spielen in nichts nach. Die Schreiber der Duologie ignorieren die Tatsache, dass Phoenix Wright in Amerika spielt (im Gegensatz zum Original Gyakuten Saiban, das in Japan spielt) komplett, und sie spielt auch zum Glück nicht wirklich eine Rolle. Lediglich einige kleinere Anspielungen, wie der Ursprung der "Von Karma" Familie gehen dabei unter.
Auch das Problem der Namen der japanischen Charaktere umgehen die Übersetzer geschickt: Die Hauptcharaktere tragen alle ihren unveränderten Japanischen Namen, während die fallspezifischen japanischen Charaktere neue Namen mit Wortspielen erhalten, die im Englischen funktionieren, aber dennoch als japanische Namen erkennbar sind.
Zur amerikanischen britischen Sprachausgabe kann ich mich nicht äußern. |