QBillion

Durchspielbedingung: Das Spiel Durchspielen



Wow, das ist eines der scheußlichsten Cover, die ich je gesehen habe…
Wofür steht überhaupt der Name „QBillion"? Für die Anzahl an Gehirnzellen, die man aufwenden muss, um durchs Spiel zu kommen?
Nein, wirklich, ich wüsste es gern, aber mein Hirn ist gerade Bratze.

Ich schreibe das hier kurz nachdem ich Level '120' gelöst habe. Etliche Stunden am Stück war ich am Brüten, bis ich Kopfschmerzen bekommen habe, und doch konnte ich nicht locker lassen.
Von allen Puzzlespielen ist es bisher das schwierigste dieser Challenge, nicht zuletzt, da es ein deutlich ausgefalleneres Spielkonzept bietet, das über das allseits bekannte Sokobon hinausgeht.


(Holy Shit! Ingame Tutorials.)

Jetzt könnte ich euch die Regeln groß und breit erklären, befürchte jedoch, dass man es sich nicht wirklich vorstellen kann.
Egal wie akkurat, die schiere trockene Wortgewalt ist nicht unbedingt fantasieanregend, dass sich im Kopf die Synapsen bilden, welche die Konsequenzen die das Spielkonzept mit sich bringt implizieren.

Außerdem sind derartige Lesepassagen vermutlich langweilig, wenn man das Spiel eh nicht anrühren wird. Daher mein Appell …

rührt das Spiel an!

Und zwar ganz leicht, unmittelbar interaktiv im Browser. Zu QBillion existiert eine „ HD“-Variante, die sich über diesen Link aufrufen lässt: http://qbillionhd.com/ Es dauert keine 10 Sekunden und ihr seid drin.
Ihr müsst euch nicht wer weiß wie lange damit aufhalten, nur um ein Gefühl dafür zu bekommen, wenn ihr diese Review weiterlesen möchtet.

Das Spiel ist über seine Levelstruktur selbsterklärend, es bietet interaktive Tutorials. In der HD-Variante wird es über ein extra Fenster geregelt, doch im Original wird mitten im Level, basierend auf dem Kontext, was ihr gerade versucht, Text eingeblendet!
Wie viele Spiele der damaligen Zeit haben sowas wie ein Ingame-Tutorial beinhaltet? Tatsächlich hatte Videospielredakteur und Filmkritiker David Hain vor 4 Jahren in der Rubrik „FIRSTS" auf (irgendso)einem Youtube-Kanal sich mit dieser Frage beschäftigt und er kam zum Ergebnis „Super Mario World" von 1990 mit den Textblöcken. Hier haben wir Q-Billion ein Jahr früher, wie es auf die Aktionen des Spielers reagiert und damit eine Anleitung nicht zwingend erforderlich macht.

Alternativ habe ich noch ein knapp 20-minütiges Video zu dem Spiel erstellt, in dem ich ebenfalls das Spielprinzip näher bringe:


Kurzum:

  • Blöcke haben Zahlen von 1 bis 4 und lassen sich frei begehen.
  • Nur Blöcke mit einer 1 lassen sich frei schieben.
  • Blöcke höher als 1 können nur von einem Block mit der jeweiligen um 1 niedrigeren Zahl auf einen Block mit einer niedrigeren Zahl oder auf ein freies Feld geschoben werden.
  • Der Ausgangspunkt beim Schieben des Blocks wird bei einem freien Feld zu einer 1 oder bei einer Zahl wird 1 auf die Zahl draufaddiert.
  • Die Zahl von Blöcken mit Symbolen verringert sich um 1, wenn 4 davon aneinandergrenzen. Blöcke, die eine 1 haben, verschwinden.
  • Grenzen 5 oder mehr Blöcke mit Symbolen an, kann man mit dem A-Knopf entscheiden, welche Blöcke sich auflösen.
  • Das Rätsel gilt als gelöst, wenn auf sämtlichen Blöcken eine 1 und kein Symbol ist.


Und habt ihr schon ein Gefühl dafür …?

Nuuun, vermutlich seht ihr, warum ich lieber noch mal ein Video erstellt habe.
Am besten, ihr probiert die Browservariante mal selbst aus, wenn ihr Zeit erübrigen könnt.


(Der Name des Passworts ist Programm)

Wie man dem Cover entnehmen kann, bietet das Spiel eine Kampagne von 120 Puzzles, ein unglaublich zeitintensives Unterfangen im Maßstab dieser Challenge. Die Level beginnen trivial und die meisten lassen sich in wenigen Sekunden lösen, da man dankenswerterweise anders als in Boxxle die Laufgeschwindigkeit von „Mr. Mouse“ anpassen kann. Doch mit eskalierender Komplexität nimmt auch der Zeitaufwand zu, da immer mehr Schritte benötigt werden, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Meistens muss man dabei Blöcke mit einer 4 auflösen, bei denen die dafür notwendigen 3er-Blöcke nicht gleich um die Ecke sind. Da man nur maximal einen Zug zurücknehmen kann, führen 2 voreilige falsche Züge dazu, dass man viel der Vorbereitungsarbeit erneut durchführen muss, und man wird sich wohl nicht immer alle Schritte bis dahin eingeprägt haben.

Besonders extrem wurde es im angesprochenen letzten Level. Dieses treibt das Spielprinzip absolut auf die Spitze und benötigt über 200 Schritte für die Lösung, viele zwischendurch naheliegend, aber sehr häufig muss man kritische Entscheidungen treffen, bei denen erst später klar wird, ob sie sich rentieren. Dabei gibt es zwei Grundkonflikte, warum ein Puzzle in einem Softlock enden kann:

  1. Ein Mangel an Einsen

    Wann immer sich quadratische Strukturen bilden, sind die Einsen fest am Platz und lassen sich nicht mehr weiterschieben. Einsen sind der Grundstein, mit dem alles andere bewegt werden kann. Alles kehrt irgendwann zur Eins zurück, egal wie man schiebt. Man sollte versuchen, eine Eins nur dann zu opfern, wenn man absolut keinen anderen Weg sieht. Manchmal müssen dafür Schritte in einer ganz bestimmten Reihenfolge vollzogen werden.

  2. Quadrat des Todes

    Die Anleitung warnt bereits davor:



    Diese beiden Formen ABSOLUT vermeiden, das kann jederzeit zufällig passieren, manchmal merkt man gar nicht, dass man sich längst gesoftlocked hat. Logischerweise ist jede dieser Formen mit einer höheren Zahl ebenfalls ein Deadlock, die Zahlen können schließlich nicht niedriger als 2 werden, da die Formen durch die Verschachtelung inhärent enthalten sind.



(Puh! Gerade noch mal die Kurve gekriegt)

Was mir an QBillion so unglaublich gut gefällt, ist, dass jedes Level die exakt gleiche Größe hat. Das Einzige, was sich ändert, ist, mit was für Blöcken man es zu tun hat, aber das Ziel ist immer das Gleiche.
Dadurch fühlt es sich so an, als hätte man seine eigene Arbeitsfläche, die auch entsprechend gerastert ist, und man bekommt für jedes Level beliebigen Input, den man in den immer gleichen Output transmutiert. Man ist nicht einfach eine Maus, man ist sozusagen wie ein Prozessor.
QBillion ist in dem Sinne für mich nicht nur ein Puzzle-Spiel, es ist auch ein „Problemlösungsspiel".
Ja, es gibt auch geschlossenere Rätsel, aber die Regeln kann man beliebig für sich zum Vorteil nutzen. Das Spiel besitzt damit so eine erfrischende Klarheit, es gibt einem die Werkzeuge, seinen eigenen Weg zu suchen, das Feld zu „vereinsen“. Die meisten Level bieten mehrere Lösungswege, die Level, die es nicht tun, bringen eine gewisse Abwechslung mit rein.
Wenn bereits existierende Einserblöcke den Handlungsspielraum einschränkten, aber auch zum Durchschleusen von 2er-Blöcken genutzt werden, muss man noch mal anders an die Sache herangehen.

Umso spezieller sind die Level, bei denen Blöcke auch Symbole haben. Was vorher ein „Quadrat des Todes" war, kann nun aufgelöst werden. Blöcke, die zum Zeitpunkt X noch feststecken, kann man später noch mal zurück holen. Häufig müssen nicht mehr umständlich Brücken aus 2er-Blöcken gebaut werden, es ist sogar hinderlich, weil diese sich bei gleichem Symbol automatisch auflösen.
Gleichzeitig müssen aber Symbolblöcke auf jeden Fall am Ende des Levels alle verschwunden sein. Das gibt dem Ganzen noch mal eine weitere Dynamik, und gerade diese Level sind noch mal ein Stück offener.

So abwechslungsreich das Spiel auch gerade während der ersten Hälfte ist, so sind 120 bei einem geschlossenen Spielkonzept ein ganz schöner Klopper. Es kommen immer wieder Level vor, die einen neuen Kniff erfordern, und diese sind dann besonders gut, aber darunter gibt es auch genügend, die sich ein bisschen nach „Schema F" anfühlen. Buchstäblich, denn viele Level sind Anordnungen aus Blöcken, die einen Buchstaben ergeben. Diese Level haben meistens nicht viel Neues zu bieten, und im schlimmsten Fall erfordern sie das Schieben von gleich mehreren 2en über weite Strecken, etwas, was man sehr häufig in dem Spiel macht und was bei größeren Leveln ziemlich nerven kann. Ich würde sagen, man könnte 20–30 der uninteressantesten Puzzles streichen und hätte immer noch einen guten Deal gehabt.


(Es sieht so leicht aus, doch dieses Level ist brutal!)

Neben dem Einzelspieler gibt es auch einen Mehrspieler-Modus, den man mit einem Game Boy durch Herumreichen oder über Link-Kabel spielen kann. Dabei werden zufällige Ansammlungen aus Symbolblöcken generiert, und wer mehr von ihnen schneller auflöst, der gewinnt. Dabei spielt man gleichzeitig Tic-Tac-Toe und kann sein Kreuz bzw. seinen Kreis nur dann setzen. Wenn man die Runde gewonnen hat. Also selbst wenn man knapp mehr Spiele gewinnt, kann es immer noch sein, dass man durch Trotteligkeit beim Tic-Tac-Toe nur ein Unentschieden erhält.

Ansonsten bleibt nur noch der Leveleditor zu erwähnen, immer gut, wenn ein Puzzelspiel so was hat. Durch die Begrenzung an Spielinhalten ist der auch kinderleicht und intuitiv zu bedienen. Mit B wechselt man die Symbole der Blöcke und mit A kann man die Zahl der gesetzten Blöcke erhöhen, bis man wieder bei ‚0' (leeres Feld) landet. Mehr ist da inhaltlich nicht. Minimalismus ist der beste Freund eines jeden Editors und da ist es auch verzeihlich, dass sich die Level nicht über Passwort speichern lassen. So spartanisch, wie das Spiel ausgelegt ist, hat man in wenigen Sekunden erneut sein Ergebnis.

Ich habe den Editor ähnlich wie bei Hyper Lode Runner dazu genutzt, um gewisse Ausgangssituationen, die ich während des letzten Levels hatte, nachzustellen. Die Idee kam mir erst etwas später, sie ist aber absolut empfehlenswert, denn jedes Mal die Form wiederherzustellen, von der man glaubt, dass sie einen weiterbringt, ist extrem mühselig. So kann man gewisse „Zwischenstände" schaffen, in denen man sich Patzer zeitlich besser erlauben kann. Und dank dieses „Tricks" war es mir dann auch möglich, langsam die Lösung zu erarbeiten. Im Anschluss muss man nur noch mal alle Schritte hintereinander ausführen, was teils durch Erinnerung und teils durch Intuition gelingt.

Fazit:

QBillion ist so einer dieser übersehenen Game-Boy-Titel, von denen kaum jemand etwas gehört hat. Sicherlich sind viele davon zurecht unberücksichtigt, doch dieses Spiel gehört absolut nicht dazu. SOLCHE Titel sind es, warum ich diese Challenge gemacht habe und liebe.
Meinungen im Netz tun das Spiel vermehrt eher ablehnen, doch viele haben es scheinbar auch nur ein paar Minuten gespielt. Ich kann es nicht ganz nachvollziehen.
Die Perspektive wird gerne mal kritisiert, aber ich denke, eine isometrische Perspektive wäre nur noch unübersichtlicher. Man könnte die Blöcke als 4-stufige Türme darstellen, aber dann müsste ich jedes Mal zählen und was macht man mit Blöcken, die zwischen anderen sind? Ich glaube, es war die richtige Entscheidung, es bei Zahlen und einer Vogelperspektive zu belassen. Nach anfänglicher Verwirrung wird man immer selbstsicherer beim Hin- und Herschubsen der Zahlen. Irgendwann ist man richtig gut darin und beginnt, immer intuitiver zu spielen.

Jeder Bottleneck von einem Rätsel erweitert das Verständnis und macht einen effektiv zu einem besseren Spieler. Da nicht jedes Level einer immer schwieriger werdenden Schwierigkeitskurve folgt, löst man dann manch nachfolgendes, an dem man, wäre es früher gekommen, vielleicht Stunden gehangen hätte, innerhalb weniger Minuten, und das sind so die befriedigendsten Momente des Spiels, wenn man eine Strähne hat und durch die nächsten Level durchrauscht, bis der nächste Bottleneck folgt, einen eiskalt erwischt, dann aber eben auch das Gefühl tiefer Genugtuung auslöst, wenn man es verstanden hat, quasi den „Trick" raus hat, der einem später viele Male erneut helfen wird, wo die Level so offen sind, dass sie einen gewissen Rahmen des „Ausdrucks" beim Spielen zulassen, ohne dass man jemals Rätsel „cheesen" könnte…

so leid es mir für unsere Maus auch tut.

Wertung: A

Schwierigkeitsgrad: 90%



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