Solar Striker
Durchspielbedingung: Spiel Durchspielen
Shoot 'em Ups sind bislang noch eine Lücke im Line-up des Game Boy. Im vergangenen Jahr gab es nicht einen Titel.
Etwas, was heutzutage ein Nischendasein fristet, war damals ein recht beliebtes Genre in Japan.
Nintendo ist es vermutlich ebenfalls aufgefallen und so versorgten sie ihr Schmuckstück mit einem weiteren Titel aus erster Hand; Research & Development 1, geleitet von Gunpei Yokoi, zusammen mit tatkräftiger Unterstützung von „Minakuchi Engineering", die eine Schar von unterschiedlichsten Spielen für verschiedene Plattformen entworfen haben, ohne in den Credits dafür aufzutauchen. Wie Tose, eine „Shadow Company" sozusagen.
Ich vermisse die Zeit, in der Gunpei Yokoi noch für Nintendo gearbeitet hat bzw. noch unter uns weilte. Seine Leitphilosophie „Lateral Thinking with withered Technology" erwies sich als Win/Win-Situation für Nintendo wie auch ihren angepeilten Zielmarkt. Der Kunde bekommt ein preiswertes Produkt, Nintendo ist in der Lage, sich auszutoben, und kann auf vorhandenes Wissen zurückgreifen. Während Gunpei Yokoi in erster Linie ein Designer für haptisches Spielzeug und Hardware war, schien er generell einen guten Riecher dafür zu haben, wie man Software massentauglich entwickelt. (lassen wir den Virtual Boy-Flop mal außen vor, niemand wird auf ewig siegen)
Bei all der Pionierarbeit gehört es eben auch dazu, Trends zu kopieren, wie wir bereits an Alleyway und den Sportspielen gemerkt haben.
Es ist eben auch eine Zeit, in der viele der Gamedesign-Patterns, die wir heutzutage kennen, noch gar nicht richtig feststanden oder erst langsam begannen, sich zu etablieren. In der Phase gab es Raum zur Transformation. Genre-König Konami war kurz davor, ihre Gradius-Reihe nun auch für den Game Boy unter dem Titel „Nemesis" zu veröffentlichen (wozu wir auch bald kommen) und hierbei nach dem typischen Schema vorzugehen.
Solar Striker verfolgt den Ansatz, das Genre auf das Wesentliche zu reduzieren, zugunsten der Einsteigerfreundlichkeit und eines unkomplizierten Spielverlaufs.
Und das funktioniert überraschend gut. Es ist bei weitem alles andere als eine Innovation. Man könnte sich ein Shoot ’em up kaum simpler vorstellen, da brauche ich auch nicht großartig das Spielkonzept erklären.
Man steuert sein Schiff in 8 Richtungen und ballert allerhand spawnende Gegner in einem automatisch scrollenden Bildschirm ab. Zwischendurch erscheinen Power-ups, mit denen man die Kraft seiner Schüsse erhöht. Keinerlei verrückte Waffen mit speziellen Mechaniken. Die Schussabdeckung wird kaum größer bzw. ist nie größer als der Umfang des Schiffs. Das kann man als uninspiriert bezeichnen, man darf jedoch nicht vergessen, dass das Design des Spiels die Limitationen vorgibt und nicht umgekehrt.
Und dazu gehört vor allem das leidige Thema Power-Ups.
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Ich kenne kaum einen Shoot ’em up-Spieler, der es nicht hasst: der Verlust sämtlicher Upgrades nach einem Bildschirmtod.
Diese Spiele werden graduell schwieriger und mit dem Einsammeln der Power-ups für die Schiff-Upgrades baut sich damit langsam ein Momentum auf, bei dem die Feuerkraft proportional mit dem Shit, der auf dem Bildschirm abgeht, anwächst. Doch nur ein versehentlicher Abschuss reicht und man ist wieder ganz bei Null. Dann hat man kaum die Möglichkeit, sich noch von seinem Rückschlag zu erholen, wodurch die Anzahl der Leben dann auch keine große Rolle mehr spielt.
Solar Striker hingegen verzichtet auf mehrere der bestrafenden Mechaniken bekannter Shoot ’em ups .
Nach Verlust eines Lebens startet man nicht mehr einen kompletten Abschnitt neu, sondern steigt sofort wieder ein mit ein paar i-Frames im Anschluss. Dabei sind nicht alle Upgrades verschwunden, sondern nur das jeweils Letzte. Der Schuss lässt sich insgesamt bis zu 3 mal hochstufen. Für den „Level 2" Schuss reicht ein Power-up, anschließend benötigt man immer jeweils 2 in Folge. Die Power-ups sind fest und üppig verstreut und tauchen immer wieder an den gleichen Stellen zwischen Feindwellen auf, statt mitten im Schussgetümmel. (es sei denn, man eiert rum und braucht zu lange)
Ist man also maximal geupgradet und stirbt, muss man lediglich 2 Power-Ups aufsammeln, um wieder auf den Level-4-Schuss zu kommen.
Da sich die Abdeckung nicht großartig ändert und das System so simpel ist, wie man es sich nur vorstellen kann, hätte man selbst mit dem Verlust aller Upgrades nicht so viele Probleme in einem Gradius, bei dem man ein kompliziertes System hat, bei dem man entscheiden muss, wann man seine Geschwindigkeit upgradet, wann man die Waffen aufbessert usw. Das System von Gradius erlaubt einen taktischeren und freieren Ansatz, kann aber vor allem überfordern da man die Entscheidungen mitten im hektischen Spielverlauf trifft, gerade wenn sich mitten drin einfach die Geschwindigkeit des Schiffs ändert, hat man kaum Zeit sich daran zu gewöhnen. In einem Solar Striker, wo die Upgradeprogression streng linear ist, kann man sein Hirn ausschalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
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Es sind insgesamt 6 Level zu … ich nenne es mal „überleben". Die Perspektive ist horizontal und außer Feinden gibt es keinerlei anderen Objekte. Keine statischen Strukturen, mit denen man kollidieren könnte, der Bildschirm ist völlig frei.
Dabei spielt nur das erste Level im Weltraum, bei den anderen ist man mal über den Wolken, mal in einer Großstadt, fliegt über einem Canyon... und was man sonst eben so von typischen Settings in diesem Genre kennt.
Eigentlich müsste das Leveldesign ohne großartige Gimmicks schnell langweilig werden, doch das tut es nicht, dank der äußerst großen Anzahl an Gegnertypen.
Jedes Level verfolgt ein Gegnerwellen-Prinzip. Quasi alle paar Sekunden spawnt die nächste Gegnerwelle und dann hat man wieder ein paar Sekunden Ruhe. Sollte man die Gegner zeitnah nicht abschießen, verschwinden sie meistens, aber es kann auch vorkommen, dass sich Gegnerwellen überlappen, besonders im späteren Spielverlauf.
Dadurch, dass es sich um unterschiedlichste Typen mit eigenen Sprites handelt, hat man es immer wieder mit neuen Bewegungsmustern, Schusstypen und anderen Verhaltensweisen zu tun.
Rotierende Fidget-Spinner, die einen Bogen fliegen und genau einen Schuss absetzen, heranfahrende Lkw, die auf Straßen (Lanes) beschränkt sind und gerade Schüsse nach vorne abgeben und damit einen Teil der Vertikale vereinnahmen, stationäre Kanonen, die direkt das Spielerschiff anpeilen und viel aushalten, Insekten, die zu vorgegebenen Positionen fliegen, um 3 immer weiter auseinandergehende Schüsse abzusondern, periodisch spawnende Kometen, die blitzschnell vom anderen Ende des Bildschirms geradeaus fliegen und man ausweichen statt abschießen sollte.
Dieser Vielfalt an feindlichen Geschwadern ist es zu verdanken, dass man stets irgendeine neue Situation präsentiert bekommt, selbst wenn die Mechaniken an sich nichts revolutionäres sind.
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Ab Welt 4 kommen dann auch noch Zwischenbosse hinzu, die alle gleich mehrere Segmente zum Abschießen besitzen und so viele Punkte bieten, dass man durchaus das Risiko eingehen sollte agressiv gegen sie vorzugehen.
Ganz zu schweigen von den großen Bossen am Ende einer jeden Welt. Man kann, wenn man lange genug ausharrt und ausweicht, so manchen Boss einfach abhauen lassen, aber das ist natürlich nicht nur spaßbefreit, sondern auch dumm. Alle 50.000 Punkte gibt es ein Extra-Leben, natürlich lassen Zwischen- und Endgegner besonders viele Punkte federn. Dieser zusätzliche Anreiz für mehr Chancen erhöht den Wiederspielwert auch nach einem Game Over, denn irgendwo ist immer noch Optimierungspotenzial und damit kann man das ein oder andere Leben ein Level früher verdienen, was vielleicht bei den späteren Bosskämpfen essentiell sein könnte, denn ihr erinnert euch: Nach Ableben geht es einfach weiter und so kann manch schwierigere Passage durch eine größere Anzahl Leben ausgeglichen werden.
Insbesondere der vierte Boss ist hierbei notorisch. Dieser besitzt 16 Zonen um ihn herum, aus denen Kugeln spawnen. Da man dem Endgegner auch Schaden machen möchte, muss man sich frontal positionieren, und das ist bei diesem Boss nicht ganz so leicht mit dem Ausweichen zu arrangieren.
Boss 5, quasi ’ne große Geschützmauer, schlägt in eine ähnliche Kerbe und feuert all seine Schüss gleichzeitig ab, darunter einen großen Laser, periodisch genau da, wo seine Trefferzone steht. Hat man min. 2 Leben übrig, kann man diese Bosse auch Damage-Boosten.
Es gibt also niemals diesen EINEN Bottleneck, sondern wenn man einem Game Over erliegt, eine Kombination aus mehreren Passagen, bei denen man Schwierigkeiten hatte, was wiederum Raum für Optimierung bietet und damit mehr Motivation, wieder zu der Passage hinzuspielen, denn – ja, das habt ihr euch mittlerweile wohl schon denken können. Sind einmal alle Leben futsch, müsst ihr das Spiel von vorne beginnen und es gibt hierbei auch keine begrenzten Continues.
Das ist aber bei der kurzen Spielzeit von gerade mal 20 Minuten durchaus verständlich und passt einfach zum Genre. Es ist immer noch ein Single-Session-Arcade-Spiel. „Einsteigerfreundlich“ bedeutet nicht, dass einem der Sieg geschenkt wird, und ich denke, gerade deswegen würde ich Solar Striker so sehr für Neulinge empfehlen: Titel, wo man sich einfach durchsterben kann, gibt es auch schwierigere, doch Solar Striker bietet einen Anreiz, das Ende zu verdienen, das Gefühl, einen Meilenstein erreicht zu haben, weswegen man geneigter ist, dazu zurückzukehren und ein Stückchen weiterzukommen, statt einem Highscore zu fröhnen, der Neulinge eh nicht interessiert und damit keine wertig erscheinende Perspektive bietet. Es ist purer Arcade-Spaß, aber deutlich einfacher gestrickt, ob nun im Schwierigkeitsgrad oder in der Komplexität.
Ich möchte ja nicht angeben, aber tatsächlich war Solar Striker der Titel, den ich am schnellsten für die Game-Boy-Challenge bisher abhaken konnte. Denn mir ist es gleich beim ersten Versuch gelungen, das Spiel durchzuspielen, ohne Kenntnis darüber, was mich erwartet. ABER es war schon ziemlich knapp und meine Reflexe waren gefordert.
Ich bin nicht der größte Shoot-’em-up-Spieler, meine Erfahrungen sind sehr limitiert und bauen eher auf „Legacy Skills" im Run-and-Gun-Bereich auf. Es gibt Vertreter, die mich durchaus überfordert haben, darunter auch Konamis Titel. An einem Thunder Force 3 hatte ich immerhin auch zu knabbern. Solar Striker führt einen aber wirklich hervorragend mit einer sanften Schwierigkeitskurve durch die ersten Level, zieht die Temperatur langsam an, lässt es aber nie kochend heiß werden.
Um dennoch für ein wenig Wiederspielwert in diesem sonst vom Umfang her mickrigen Produkt zu sorgen, schaltet man nach Durchspielen einen 2. härteren Modus frei, den man mit Select startet. Und der Unterschied ist jetzt nicht gewaltig, aber es hat schon reingehauen. Ich bin dort beim 5. Boss abgekratzt.
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Da ist mir dann auch aufgefallen, dass ich bisher kaum Screenshots getätigt habe. Das ist ein weiteres Problem, wenn die Action so tight gepackt ist, dass man an sowas wie Screenshots gar nicht denkt. Daher habe ich noch ein paar weitere Sessions investiert, um noch den ein oder anderen Schnappschuss zu machen, unsicher, ob ich wirklich die Game-Boy-Color/Super-Game-Boy-Farbpalette auswählen soll, die das Spiel negativ färbt. Im ersten Level, das im Weltall spielt, ergibt das noch Sinn, aber danach tun die aufpoppenden, grellen Linien in den Augen weh, weswegen ich es recht schnell wieder bei der schlichten Game-Boy-Pocket Palette gelassen habe. Doch das nur so am Rande.
Fazit:
Solar Strike ist der ideale Einstand des Shoot-’em-up-Genres für den Game Boy. Es hat diesen „Charme“, den auch ein Launchtitel wie Super Mario Land bereits verspürt. Ich hätte es mir auf jeden Fall als Launch-Titel vorstellen können. Nicht überambitioniert, aber so weit geschliffen, dass es keine unnötigen Längen gibt, was dem Wiederspielwert zugutekommt.
Dank der leichten Anpassung, das klassische Shooter-Erlebnis weniger bestrafend, aber dennoch konsequent zu halten, werden vor allem Einsteiger mit dem Titel auf ihre Kosten kommen.
Ich erinnere mich, wie ich damals stets eine Runde Space Impact auf meinem Nokia 3110 eingelegt habe. Das war bereits 2001! Und selbst dieses popelige Spiel hat mich immer wieder ans Handy zurückgeführt.
Solar Striker schlägt in eine derartige Kerbe.
Ein Space-Shooter-Modul, was man praktisch jedem in die Hand drücken könnte, und dank der mobilen Verfügbarkeit des Game Boys dann doch immer wieder eine Runde spielen wird, vielleicht über Wochen und Monate, bis man dann doch verdutzt ist, dass man es irgendwann geschafft hat, und dabei eine unglaubliche Katharsis verspürt.
Das ist vielleicht nicht mein Erlebnis mit dem Spiel gewesen. Aber so hätte mein Erlebnis zu dieser Zeit mit Sicherheit ausgesehen.
Wertung: B
Schwierigkeitsgrad: 72%
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Zitat von Winyett Grayanus