Blodia
Durchspielbedingung: Alle 4 Kampagnen abschließen
Das ist wieder so eines dieser Reviews zu einem Puzzle-Spiel, das gewiss keine Sau jucken wird, ganz gleich, wie gut es ist.
Scheinbar war selbst Entwickler Tonkin House sich dessen bewusst, weswegen es kein Release außerhalb Japans gab, obgleich nichts in dem Spiel auch nur entfernt nach Kulturschock schreit.
Ein Blick genügt und man wird direkt an dem beliebten „Pipe Mania“-Spielprinzip erinnert. Tatsächlich liegt die Veröffentlichung des Klassikers zur Zeit von Blodia nicht mal ein Jahr zurück. „Pipe-Mania“ debütierte im Juni 1989 auf dem Amiga und ihr könnt euch sicher sein, dass uns eine Umsetzung für den Game Boy schon bald erwarten wird.
Doch bis dahin kann man sich mit dem (vermeintlich?) japanischen Abziehbild abfinden, was deutliche Unterschiede aufzuweisen hat, was es letztlich eben doch zu einem völlig anderen Spiel gestaltet.
Der wesentliche Unterschied wird auf dem Cover ersichtlich: Blodias Röhren sind durchsichtig und das nicht ohne Grund, denn was wir transportieren, ist keine durchlaufende Flüssigkeit, sondern eine Murmel.
Aufgrund dieses Umstands ist eine durchlaufende Leitung gar nicht erst erforderlich, es ist sogar abstrakter, denn jedes Segment, das die Murmel durchschreitet, wird automatisch aufgelöst. Anstatt nun Röhren von einem Anfangspunkt zu einem Endpunkt zu verbinden, geht es in Blodia darum, dass besagte Murmel jedes Röhrensegment durchschreitet, bis alle aufgelöst sind. Ein derartiges Prinzip lässt sich nicht so wirklich in einem bodenständigen Setting für Wiedererkennungswert anwenden, also muss man damit leben, dass Blodia einfach ein weiteres sehr abstraktes Puzzle-Spiel ist. Man hat versucht, dem Ganzen Persönlichkeit zu verleihen, indem die Murmel ein Smiley ist, aber das Ganze wirkt doch arg gezwungen und nicht kohärent mit der Verpackung des Spiels.
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Die Segmente befinden sich auf einem Kachelfeld unterschiedlicher Größe, welche wir über einen Cursor bewegen.
Die Kacheln lassen sich in typischer Schiebe-Bildpuzzle-Manier, wie dieses hier, verschieben:
Eine Kachel auf dem Feld ist stehts leer, wodurch wir andere Segmente auf diese leere Feld schieben. Auch das gleichzeitige Verschieben mehrerer Segmente aufeinmal ist möglich.
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Ich kann euer Stöhnen schon bis hierhin hören. Ich glaube, ich kenne niemanden, der diese Art von Puzzle-Mechanik leiden kann. Doch Blodia ist kein Spiel, bei dem jedes Segment 1:1 an einem exakten Platz zu stehen hat, denn wie bereits beschrieben, ist die Murmel weitergezogen, wird dadurch wieder Platz frei. Vielmehr geht es in dem Spiel darum, unter Zeitdruck Bahnen anzuordnen. Wie man das macht, bleibt einem selbst überlassen. Je nach Startanordnung der Röhren gibt es einen besten, vermutlich intendierten Lösungsweg, der es erlaubt, mit möglichst wenig eleganten Handgriffen die Route ohne großen Zeitaufwand zu vervollständigen. Wer dazu jedoch nicht in der Lage ist, kann auch seinen eigenen Weg etwas umständlicher bahnen. Jedes Röhrensegment lässt sich beliebig über das komplette Feld tragen. Es braucht nur je nach Entfernung seine Zeit, bis man so weit ist, dass man es an die Route der Murmel anstöpseln kann. Mangelnde Knobelkraft kann damit durch Geschick und Flexibilität bis zu einem gewissen Maße ausgeglichen werden.
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Ein besonderer Kniff ist hierbei, dass sich die Position des Röhrensegments, in dem sich die Murmel befindet, jederzeit mit der Position eines anderen Röhrensegments austauschen lässt. Das ermöglicht es z. B., auf einer bereits abgeschlossenen, geraden Strecke bewusst eine Lücke zu kreieren, um ein zur Verfügung stehendes Segment dazwischenzuschieben. Das ist ein Trick, auf den man häufig zurückgreifen wird. Genau so lassen sich Lücken auch ohne ein schließendes Segment für eine Strecke überbrücken, indem man wartet, bis die Murmel bis an das Röhrenende gelangt, um dann die Position mit dem leeren Feld zu tauschen.
Das sieht dann ungefähr so aus:
Wir haben das schwarze Feld zwischen 2 Röhren, die aus mehreren Segmenten bestehen, positioniert. Das heißt, wir können nun das Segment mit der Murmel auf das schwarze Feld schieben.
Ein einfacher Tausch. Wenn man flink genug ist, kann man das Segment mit der Murmel sogar ein zweites Mal nach vorne bewegen, bevor sie das Ende erreicht.
Das ist zu Beginn ein bisschen schwierig nachzuvollziehen im Spiel, da das Bewegen der Segmente mit keiner Animation einhergeht. Das Brett wechselt einfach imminent in den nächsten Zustand.
Das mag zwar ein bisschen Vorstellungskraft beanspruchen, ist mir jedoch lieber, als wenn das Gameplay durch eine Animation unterbrochen werden würde.
In einem modernen Spiel wäre eine Option, Animationen an- und auszuschalten, aber sicherlich die beste Entscheidung für unterschiedliche Befindlichkeiten gewesen.
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Das Kachelfeld des Spiels ist sogar so groß, dass es leider nicht auf einen Bildschirm passt und man scrollen muss. Dadurch geht etwas Zeit und Übersicht verloren, weswegen man sich mit dem Select-Knopf behelfen kann, eine Miniaturansicht des Levels anzuzeigen.
Doch eigentlich ist das nicht einmal nötig. Es reicht aus, die Pause-Taste zu betätigen, denn auch dann lässt sich der Bildschirm scrollen.
Und ich sag’s ganz ungeniert: Ich habe die Pause-Funktion malträtiert, als gäbe es keinen Morgen mehr. Einfach anhalten zu können und den nächsten Schritt zu planen, macht das Spiel längst nicht so stressig, wie es sich anhört.
Ich sehe da Potenzial; das Spiel hat aus unerfindlichen Gründen ein Punktesystem, interessanter wäre es vielleicht gewesen, Punkte zu verlieren, je länger man in der Pause verharrt, aber gut, so bleibt es ein kleiner Exploit, je nachdem, ob es beabsichtigt war.
Wichtig ist zügiges Scrollen jedoch allemal, denn häufig muss man von einem Rand des Felds zum anderen scrollen. Unten am Bildschirm befindet sich ein Timer, der im Takt der abgearbeiteten Röhren-Segmente herunterzählt – „Warp“.
Nach Ablauf dieses Timers erscheinen plötzlich Pfeile an den Rändern und an allen festen Blöcken. Ab diesem Zeitpunkt „faltet“ sich sozusagen das Feld und die Murmel kommt von einem Rand zum anderen wieder heraus, was natürlich spannende neue Taktiken ermöglicht und häufig auch erfordert. Wie hoch der Timer ist, hängt jedoch vom Level ab, und bei solchen, wo es praktisch keinen Warp geben soll, steht dieser einfach auf 99.
In manchen Leveln gibt es jedoch viele Pfeile, die noch in der gleichen Reihe vorkommen, durch mehrere feste Blöcke. Wo die Murmel dann rauskommt, hat mich schon häufig irritiert. Es wird immer jeweils der nahestehendste von der Richtung wegzeigende Pfeil in Reihe der Murmel ausgewählt. Das einzuschätzen wird nach hinten heraus sehr wichtig, so denkt man nicht nur linear, sondern gerne mal in 2 Richtungen.
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Derartige und weitere Kniffe findet man allmählich heraus, während man sich mit den Spielmechaniken vertraut macht. Die seicht ansteigende Schwierigkeitskurve sorgt dafür, dass man nicht gleich überfordert wird…
…zumindest wenn man es sich nicht so wünscht. Das Spiel bietet 100 Level, diese sind jedoch gleichmäßig in 4 „Kampagnen“ eingeteilt. Jede von ihnen setzt den Fokus anders.
- Die erste ist für Anfänger geeignet, bei diesen ist fast jedes Level mehr oder minder ein Tutorial, bei dem man nur sehr wenig Bewegungen ausführen muss. Da ist man ruckzuck mit durch.
- Die zweite Kampagne „Hurry Up“ zielt darauf ab, Situationen zu erschaffen, die überschaubar sind, aber bei denen man schnell reagieren muss.
- Bei der dritten Kampagne „Labyrinth“ ist es quasi umgekehrt: viele komplexe, sich windende und überschneidende Röhrensegmente, die aber mit wenigen Handgriffen zu lösen sind, wenn man die entscheidenden Verschiebungen ausfindig macht. Hier wird besonders häufig die „Warp“-Mechanik beansprucht.
- Die letzte Kampagne ist sozusagen das Gegenteil von der ersten. Dass sie schwer ist, ist das Markenzeichen, und so hat man es mit allerhand verschiedenen Situationen zu tun, die einem je nach Präferenz mal leichter oder mal schwerer fallen.
Man kann die ersten 15 Level einer Kampagne von Beginn an auswählen, damit steht einem quasi schon 60% des Spiels-, ohne ein Level geschafft haben zu müssen, zur Verfügung. Die anschließenden Level muss man dann freischalten und kann diese via Passwort ansteuern. Erst wenn alle Kampagnen geschafft sind, ist das Spiel durchgespielt.
Ich persönlich empfand die Schwierigkeit als durchgehend moderat. Meistens ist es so, dass man am Ende einer Kampagne die schwierigsten Level hat, nur dass es dann in der nächsten erst mal herunterkühlt, was ’ne gute Erfrischungsphase ist und dafür sorgt, dass das Spiel nicht nur schwieriger wird. Das Spielprinzip ist tief genug, dass es ausreichend Abwechslung und Variation bietet, so dass auch trotz der immer gleichen Bauteile Level sichtlich einen anderen Fokus haben können. So muss man in einem die Strecke der Murmel möglichst lange künstlich verlängern, weil der Warp-Timer noch herunterzuzählen hat. Könnte man sofort auf die andere Seite, wäre das Level deutlich leichter.
Dadurch dass Level schon mal größer und komplexer sein können, kann eine Niederlage kurz vor Schluss recht frustrierend sein, weil man viele Schritte noch mal denken muss, aber mehr als das aktuelle Level muss man nicht neustarten.
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Besonders aufzupassen hat man auf die Ausrichtungen der Röhren. Eine Murmel, die vertikal entlangrutscht, kann logischerweise nicht mit horizontalen Röhren verbunden werden. Da kommen die Kurven-Segmente ins Spiel. Man sollte, gerade bei den offeneren Leveln, diese als eine Art Ressource betrachten. Einerseits ist es schwer, damit schnell Routen zu bauen, andererseits sollte man sich welche bis zum Schluss aufheben, um noch notwendige Wechsel der Ausrichtung einleiten zu können, sonst hat man keine Chance.
Bei sich überschneidenden Segmenten ist es umgekehrt und man sollte schauen, dass diese möglichst früh nur noch einen Ein- und Ausgang haben.
All das erledigt man gerade in den kniffligsten Leveln schon ziemlich offen und „free-form“, so weit, dass es mich irgendwann in so einen Art „Zen-Zustand“ versetzt hat. Die Welt blieb stehen, während ich konstant damit beschäftigt war, die Röhrensysteme zu planen und zu improvisieren, der Denkprozess immer wieder aufgebrochen, weil ich gerne zwischen mehreren zusammenhängenden Röhrenstrukturen springe und die Murmel daher, wie oben illustriert, zwischen Röhrensegmenten herspringen lasse. Dadurch bleibt natürlich weniger Zeit, in die Zukunft zu planen. Je länger das noch unfertige Röhrensystem, in dem sich die Murmel befindet, ist, desto größer ist der Puffer für die Vorbereitung, aber auch der Platz ist damit deutlich knapper, weswegen ich dann häufig abgewartet habe, d.h. willentlich Pufferzeit geopfert habe, damit ich mit dem freigewordenen Platz besser arbeiten kann. Derartige kritische Entscheidungen zeigen, wie viel Potenzial in dem Titel steckt.
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Und auch jenes Abwarten ist überhaupt kein Problem, da man die Geschwindigkeit der Kugel mit Drücken des B-Knopfs beschleunigen kann. Und wenn man dann mal versagt, lassen sich sämtliche Animationen und Bildschirme einfach überspringen, so dass man direkt ohne viel Tamtam wieder spielen kann. Heißt, von der Bedienung her ist dieses Konzept mehr oder minder so intuitiv, wie es möglich ist, was für einnen Game Boy Titel auch nicht selbstverständlich ist.
Ansonsten das typische Blabla: Wer nicht genug bekommt, kann mit einem Editor eigene Level bauen, aber wie in so vielen anderen Game-Boy-Spielen wird der Fortschritt nicht gespeichert und das Passwort-System greift nur für die normalen Level.
Es gibt auch einen 2-Spieler-Modus, den man selbst für die eigens erstellten Level im Editor nutzen kann. Hierbei treten beide Spieler um die Wette an, wer ein Level schneller löst, damit wird die Beschleunigung des Balls hier von einer Komfort- zu einer wichtigen Spielfunktion,
um die Nase vorn zu behalten.
Individuell kann man Handicaps einstellen, so dass das Überqueren bestimmter gekennzeichneter Felder unterschiedliche Effekte beim Gegenüber erzeugt, wie einen schnelleren Ball oder den Austausch von zufälligen Segmenten. Es gibt 40 Stages zur Auswahl, welche ein Potpourri der Level des Einzelspieler-Modus sind, soweit ich sehe keine neuen originellen.
Für mich persönlich ist das nicht gerade ein berauschender 2-Spieler-Modus und es wirkt schon etwas erzwungen, wie generell irgendwie jedes frühe Game-Boy-Spiel zwingend Gebrauch vom Link-Kabel machen musste, damit sich ja die Game-Boy-Besitzer mal eins anschaffen. Ich würde vermutlich niemals irgendjemanden überzeugen können, das mit mir mal gegeneinander zu spielen.
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Fazit:
Jeder, der Knobelspiele mag, sollte sich das mal anschauen. Es ist meiner bescheidenen Meinung nach eines der besten Puzzle-Spiele für das System, mit einer ausgeprägten und angenehmen Schwierigkeitskurve. Alle anderen brauche ich wohl nicht weiter zu versuchen zu überzeugen, aber merkt euch einfach:
Blodia ist nichts für Blödiane.
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Den musste ich bei so nem komischen Titel reißen, aber woher kommt der Name eigentlich eigentlich?
Und das ist die spannendste Erkenntnis im Zuge meiner Recherche. Trotz aller Ähnlichkeit mit Pipe Mania ist Blodias Spielkonzept ein wenig älter. Es handelt sich mitnichten um ein Abziehbild, wie anfangs angenommen.
Der Name „Blodia“ ist ein Anagramm für den Namen „Diablo“, die eigentliche Vorlage, auf der dieses Spiel basiert:
„Neinein nicht dieses Diablo!"
Sondern ein nahezu völlig vergessenes C64-Spiel von 1987.
Das ist das einzige Video, das ich dazu finden konnte:
Und keine Sorge, so teuflisch wie das gezeigte Level werden diese in Blodia nie.
Es ist spannend, denn das, was als „Pipe Mania“ weithin bekannt ist, basiert auf einem viel älteren, komplett unbekannten Spiel. Wobei die Mechaniken sich erheblich unterscheiden. Dennoch glaube ich, dass es kein Zufall ist, dass es in beiden Spielen um Röhrensysteme in Kachelfeldern geht.
Macht nun mit diesem unnützten, „hochexklusiven" Wissen was ihr wollt.
Wertung: A-
Schwierigkeitsgrad: 72%
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