Heiyanko Alien
Durchspielbedingung: Spiel durchspielen (NEW GAME) |
Pah! Wir sind doch nicht für den alten, miefenden Abguss aus 1979 hier! Unschwer zu erkennen am Titelbildschirm gibt es 2 Optionen zu Spielbeginn,
„NEW GAME“ und
„OLD GAME“: Dass es die Möglichkeit gibt, neben der Neuauflage auch den Klassiker zu spielen, ist eine Scheibe, die sich eine Menge Neuauflagen heutiger Spiele von dem Titel abschneiden könnten. So gibt es doch gleich mehr Inhalt in dem Modul, und Inhalt hat es wirklich bitter nötig, denn Heiyanko Alien im
„NEW GAME“ ist ein kriminell kurzes Spiel.
Das Spielprinzip bleibt unverändert, nur ist es dank der detaillierteren Grafik nun deutlich weniger… abstrakt. Wir spielen einen Polizeioffizier aus der Meiji-Ära, der nur mit einer Schaufel bewaffnet die feindlichen Invasoren abwehrt. Putzig präsentiert am Bildschirm anhand einer Animation, wie die Aliens landen.
Graphisch ist das Spiel charmant. Es ist die Art von Retro-Grafik, die jeder Indie-Titel versuchen würde einzufangen, wenn er sich für die Game-Boy-Ästhetik entscheidet. Das ist Peak Game-Boy-Pixelart, und auch der Soundchip zeigt sich von seiner besten Seite. So wie die Verpackung wirkt alles am Spiel hochwertig produziert, und das zeigt sich auch an der Steuerung und … wow.
Das ist mit Abstand, abseits von
Tennis die beste Steuerung, die ein Game Boy Titel bisher hatte. Das Spielgefühl ist nicht mehr vergleichbar mit dem Arcade-Original oder
Boomers Adventure in Asmik World. Der Charakter ist responsiv, Eingaben werden verzögerungsfrei getätigt, die Spielgeschwindigkeit wurde angepasst. Löcher buddeln erfolgt nur noch in 3 Stufen. Mit gedrückt gehaltener A-Taste kann man sich im Stand umdrehen. Es ist mir schon mehrmals passiert, dass ich einen um die Kurve kommenden Gegner in ein Loch gesperrt habe, so dass ich gerade noch vor ihm aufschließen konnte. Auch lassen sich Löcher schnell im Vorbeigehen zubuddeln, und im gleichen Moment wird die Eingabe zum Weggehen gequeued (sprich: Eingabe, die noch in der Animation erfolgt, wird nach Abschluss sofort ausgeführt).
Es ist so viel mehr möglich und so viel mehr knappe Momente können entstehen, die das Spiel nun auch besser forciert, indem es die Größe der Stage beträchtlich verkleinert hat, so dass Konfrontationen teils unumgänglich sind, man aber nun auch mehr rechteckige Fläche zum Begehen hat und nicht nur auf Gänge beschränkt ist, (meistens zumindest) aber die klassische „Turtle“-Strategie trotz allem noch Mehrwert besitzt.
Es gibt nun 2 Typen von Aliens. Die klassischen „Derpy Aliens“, die planlos durch die Gegend laufen und dabei niedlich aussehen, und monströse „Super Aliens“, die ein bisschen wie Venusfliegenfallen aussehen.
Die Super Aliens schließen sich gerne in Grüppchen zusammen, zu so richtig furchteinflößenden Nazi-Stechschritt-Kompanien, so dass Löcher zubuddeln ein hehres Unterfangen wird, weil genau wie im Original ein Kamerad den anderen sofort befreit. Gerade dann sollte man bei all den Löchern immer einen Hinterausgang parat haben. Man kann natürlich auch Glück haben, doch gerade im letzten Level muss man 7 dieser Super-Aliens auf einmal abwehren. Flexibilität ist dabei unumgänglich und Teil des Spielprinzips.
Selbst wenn man fast alle Aliens geschlagen hat, wird das letzte Alien auf dem Bildschirm noch mal besonders schnell, was dazu führt, dass man auch dann noch eine reelle Chance hat, draufzugehen.
Anders als im Original startet das Level komplett neu, wenn man stirbt, die gesetzten Löcher bleiben jedoch bestehen, was viel verteiltes Graben durchaus in den späteren Levels belohnt.
Das Problem ist nur: So viel Spaß das Spiel auch macht, so schnell ist es auch wieder vorbei und der Umfang wird dem Spielprinzip einfach nicht gerecht.
Die 12 Level des Spiels sind fix. Ähnlich wie im Original spielt man „3er-Sets", also man spielt jede Umgebung dreimal, mit unterschiedlicher Anzahl an Aliens und (nun auch) Super Aliens.
Das macht gerade mal 4 unterschiedliche Umgebungen aus. Innerhalb dieser werden neue Levelelemente eingeführt.
So gibt es non Anfang an gibt es nun merkwürdige „Portale", die sich in regelmäßigen Intervallen öffnen und schließen. Ab Level 7–9 werden dann auch Felder eingeführt, auf die sich nicht graben lässt.
Im gleichen Level gibt es auch einen Fluss mit einer Nussschale, mit der man sicher auf die andere Seite des Levels überwechseln kann.
Sowas ist interessant: Unterschiedliche Stages bringen unterschiedliches taktisches Potenzial hervor. Erst die letzte Stage erinnert mit ihrem blockartigen Aufbau wieder mehr an das Original und bietet keinerlei rechteckigen Raum zum Begehen, aber nun zusätzlich auch Stellen, an denen sich wie im Level zuvor nicht länger Löcher graben lassen.
Insgesamt dauert eine Spielsession je nach Geschwindigkeit 15–20 Minuten, das ist selbst für ein Arcade-Spiel extraordinär kurz. Dem gegenüber hat man 5 Extraleben, kann sich über höhere Punktzahlen aber noch 2-3 dazuverdienen, sonst muss man wieder von Spielanfang beginnen. Das macht das Spiel einigermaßen knifflig, aber durch die sehr gute Spielbarkeit nicht demotivierend, so dass auch weniger geübte Spieler in annehmbarer Zeit den Ending-Screen zu Gesicht bekommen.
Und dieses Ende ist wirklich final, es gibt keine Möglichkeit mehr, nach dem Ending-Screen einen „Second Loop" zu betreten. Keine möglicherweise zufällig aufgebauten Extralevel. Dem Spiel mangelt es schlichtweg an einem „Endlosmodus“. Wenn schon die Kampagne keinen größeren Umfang besitzt und unter Anbetracht des modularen Spielaufbaus, wundert es mich ein wenig, dass etwas Derartiges nicht enthalten ist.
Immerhin ist es sehr befriedigend, wie wir die Aliens im Alleingang zum Rückzug gezwungen haben. Eine recht aufwändige Cutscene zeigt, wie das Leben nach unserem Vergeltungsschlag in der japanischen Großstadt wieder seinen gewohnten Lauf nimmt. Doch was ist das? Über eine Bullen-Kutsche flüchtet ein kleines, süßes Alien aus dem Bildschirm. „Fortsetzung folgt?“/I]
Und somit bleiben wir zurück, dürstend nach mehr, doch es bleibt nichts anderes übrig, als den Game Boy an- und auszuschalten und vielleicht zu versuchen, durch schnelleres Spielen noch mehr Punkte zu knacken, vielleicht wenigstens die Millionengrenze.
Oder – wir werfen einen genaueren Blick auf die Verpackung, dort wird nämlich der Link-Kabel-Support angepriesen, doch eigenartigerweise ist nirgendwo eine Option für einen Mehrspieler-Modus sichtbar.
Das ist etwas, was ich bisher noch in keinem Game-Boy-Spiel gesehen habe. Sobald das Link-Kabel eingesteckt ist, wechselt das Spiel in einen komplett anderen Modus und rekontextualisiert die
„NEW GAME" und
„OLD GAME“-Auswahloptionen, so dass man nun eine Mehrspieler-Version dieser Spiele startet.
- Das Original wird zu einem Coop-Modus. Beide Spieler bewegen sich nun simultan auf einem Bildschirm und können sich gegenseitig mit Löchern den Weg versperren oder koordinieren. Ich hatte den Modus mit meinem Halbbruder ausprobiert und muss sagen, dass wir überraschend viel Spaß hatten. Es sind neue Taktiken möglich, wenn beide Spieler eine Hälfte des Bildschirms versuchen zu flankieren. Nur irgendwann wird das Spiel zu schnell, so dass man ständig gegen Ecken knallt, dass man auch da sich besser nur noch verbarrikadiert.
- Das absolute Highlight: Die Kampagne im „NEW GAME“ wird zu einem Best of Three VS. Dabei haben beide Spieler ihren eigenen Bildschirm mit Aliens und kochen zunächst ihr eigenes Süppchen. Doch wann immer ein Spieler ein Alien verbuddelt, taucht dieses auf dem anderen Bildschirm als Super Alien wieder auf, und so spielt man sich gegenseitig die Aliens zu. Wer als Erster alle Aliens auf seinem Bildschirm ausgelöscht hat oder schlichtweg länger als der andere überlebt, hat die Runde gewonnen. Erfrischende Idee, die dem Spielprinzip noch ein bisschen Langlebigkeit verpasst.
Die Frage ist nur, woher einen anderen Spieler zu der damaligen Zeit herholen, wenn das Ding gerade in den USA so ein großer Flop war und kaum ein Schwein kennt? Der Nachteil eben am Link-Kabel, und selbst wenn ich das Spiel auf einem Flohmarkt aufgetrieben hätte, hätte ich weder einen Freund mit dem Modul gehabt noch jemals von dem Mehrspieler-Modus gewusst. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie viele Originalverpackungen habt ihr von den Game-Boy-Spielen damals besessen? Bei mir flogen fast ausschließlich Module rum und damit wurde ebenfalls fast ausschließlich gehandelt auf dem Gebrauchtmarkt.
Damit ist der Mehrspieler-Modus ein Exot in einem ohnehin bereits exotischen Spiel. Aber ja, es zu spielen, lohnt sich vielleicht gerade deshalb.
Man kann es sich so vorstellen, als würde man Essen in einem 5-Sterne-Restaurant bestellen. Unglaublich lecker, aber leider gibt es nicht genug auf dem Teller, dass man hungrig nach mehr zurückbleibt.
Ein ungleiches Preis-Leistungs-Verhältnis, aber heutzutage spielt das wohl keine Rolle mehr.
Viel mehr aber ist es das ungenutzte Potenzial, das man noch gerne weiter ausgebaut erlebt hätte. Es gab schon einige kurze Game-Boy-Spiele, aber dieses hier ist das erste, wo ich eben nicht denke, dass die Möglichkeiten des Spielprinzips ausgeschöpft wurden und der Spielverlauf sich nur noch iterativ fortgesetzt hätte.
Es ist noch so viel Spieltiefe da drin, in der ich die Aliens gerne verbuddelt hätte.
Wahre Wertung: B+
Schwierigkeitsgrad: 60%
---------------
NEXT UP: Solar Striker (Der Klassiker, direkt von Nintendo)